eJournals Internationales Verkehrswesen 74/2

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2022-0039
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2022
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Fahrerloses Fahren auf der Straße und der Schiene

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Albrecht Morast
Nils Nießen
Durch die zunehmende Digitalisierung gewinnt das fahrerlose Fahren bei den beiden Verkehrsträgern Straße und Schiene immer mehr an Bedeutung. Hierbei werden unterschiedliche Ziele verfolgt, die insbesondere auf die verschiedenen Systemeigenschaften zurückzuführen sind. Während der Schienenverkehr bereits zu den umweltfreundlichsten und sichersten Verkehrsträgern zählt, sollen beim Straßenverkehr durch fahrerlose Fahrzeuge vorrangig diese Ziele erreicht werden.
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Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 56 Fahrerloses Fahren auf der Straße und der Schiene Analyse der unterschiedlichen Ziele des fahrerlosen Fahrens beim Straßen- und Schienenverkehr Fahrerloses Fahren, Digitalisierung, GoA, SAE, Straßenverkehr, Schienenverkehr Durch die zunehmende Digitalisierung gewinnt das fahrerlose Fahren bei den beiden Verkehrsträgern Straße und Schiene immer mehr an Bedeutung. Hierbei werden unterschiedliche Ziele verfolgt, die insbesondere auf die verschiedenen Systemeigenschaften zurückzuführen sind. Während der Schienenverkehr bereits zu den umweltfreundlichsten und sichersten Verkehrsträgern zählt, sollen beim Straßenverkehr durch fahrerlose Fahrzeuge vorrangig diese Ziele erreicht werden. Albrecht Morast, Nils Nießen D ie gegenwärtigen Eisenbahn- und Straßenfahrzeuge werden durch einen Triebfahrzeugführer 1 bzw. Fahrer gesteuert. Langfristige Trends deuten auf einen fahrerlosen Straßen- und Schienenverkehr hin, dessen Umsetzbarkeit durch die zunehmende Digitalisierung immer wahrscheinlicher wird [1]. Damit einhergehend werden sowohl auf der Straße als auch der Schiene unterschiedliche Ziele zur Stärkung des jeweiligen Verkehrsträgers verfolgt. Allerdings steht die Verkehrsbranche bis zur vollautomatischen Steuerung der Fahrzeuge noch ungelösten Herausforderungen gegenüber, für die zunächst Lösungen gefunden werden müssen [2]. Kennzahlen des Eisenbahn- und Straßenverkehrs Der Straßenverkehr nimmt seit Jahrzehnten die dominierende Rolle am Verkehrsmarkt ein. Sowohl im Personenals auch im Güterverkehr werden auf der Straße am meisten Personen befördert bzw. Güter transportiert; Foto: Jae Young Ju / iStock MOBILITÄT Wissenschaft Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 57 Wissenschaft MOBILITÄT gemessen am Verkehrsaufkommen sind dies jeweils etwa 80 % [3]. Zurückzuführen ist die Verteilung des Modal Split u. a. auf die systembedingten Vor- und Nachteile der einzelnen Verkehrsträger. Aufgrund der Spurgebundenheit und des geringen Haftreibungskoeffizienten zwischen den Stahlrädern und Stahlschienen ist das Fahren von Zügen sowohl besonders sicher als auch umweltfreundlich [4]. Allerdings ist der Eisenbahnverkehr im Vergleich zum Straßenverkehr hinsichtlich der Zugangsmöglichkeiten und der Streckenlänge deutlich unterlegen. Zusätzlich ist die Kapazitätsgrenze bei der Eisenbahn auf vielen Strecken durch das Fahren im Blockabstand vorgegeben [5]. Hierbei darf sich stets nur ein Zug in einem Blockabschnitt befinden, der teilweise mehrere Kilometer lang sein kann. Treten im Betrieb Abweichungen vom Fahrplan auf, so entstehen außerplanmäßige Wartezeiten, wobei Reisezüge in Deutschland üblicherweise erst bei einer Verspätung von mehr als sechs Minuten tatsächlich als verspätet gelten [6]. Das Fahren von Straßenfahrzeugen ist durch das Fahren auf Sicht dagegen wesentlich individueller möglich; es wird kein Fahrplan benötigt. Die flächendeckende Straßeninfrastruktur ermöglicht auf kurzen Entfernungen häufig die geringsten Transportzeiten und zumeist direkte Verbindungen zwischen Quelle und Senke [7]. Statt Verspätungsminuten zu verwenden, lassen sich Verkehrsbehinderungen im Straßenverkehr im Normalfall in Form von Stau-Stunden oder Stau-Kilometern messen. Ein wesentlicher Nachteil im Vergleich zur Eisenbahn sind neben der geringeren Verkehrssicherheit die hohen Emissionswerte. Um diesen entgegenzuwirken, werden vermehrt umweltfreundlichere Antriebsarten in den Straßenfahrzeugen verbaut [8]. Die unterschiedlichen Systemeigenschaften der beiden Verkehrsträger wirken sich auf bestimmte Kennzahlen des Verkehrs aus. Für Deutschland ausgewählte Kennzahlen (Zugangsmöglichkeiten, Verspätungen, Streckenlänge, Sicherheit und Treibhausgas-Emissionen) sind in Bild 1 dargestellt. Es ist zu beachten, dass beim spurgeführten Verkehr nur die Eisenbahn berücksichtigt wird und nicht Straßenbahnen, Metros, U-Bahnen usw. Umsetzung des fahrerlosen Fahrens Aufgrund der Spurgebundenheit ist der Schienenverkehr für eine fahrerlose Betriebsdurchführung prädestiniert [9]. Zahlreiche geschlossene Systeme zeigen bereits seit mehreren Jahren, dass dort auf Personal an Bord verzichtet werden kann. Fahrerlose bzw. unbemannte Schienenfahrzeuge befinden sich in Deutschland beispielsweise bei der U-Bahn in Nürnberg oder als Peoplemover am Flughafen Frankfurt im Einsatz [10]. Weltweit wurde im Jahr 2018 bereits ein Streckennetz von mehr als 1.000 km mit fahrerlosen Metros betrieben; mit steigender Tendenz insbesondere in Asien [11]. Solche geschlossenen Systeme unterscheiden sich häufig maßgeblich von der Eisenbahn, weshalb die Übertragbarkeit des fahrerlosen Fahrens nicht unmittelbar auf diese möglich ist. In geschlossenen Systemen treten normalerweise kaum Interaktionen mit der Umwelt auf, indem bauliche Besonderheiten wie Tunnel, Aufständerungen und Bahnsteigtüren den Zugang zu den Gleisen verhindern. Dagegen ist die Betriebsdurchführung bei der Eisenbahn wesentlich komplexer, da beispielsweise auf einer Strecke unterschiedliche Züge verschiedener Eisenbahnverkehrsunternehmen fahren und Interaktionen mit der Umwelt ständig den Betrieb beeinflussen können [12]. Wie bei der Eisenbahn ist auch im Straßenverkehr weiterhin ein Fahrer unerlässlich. Zwar berichten Medien häufig über fahrerlose Straßenfahrzeuge, beispielsweise das GoogleCar, allerdings entspricht dies noch Testversuchen und somit keiner Serienfertigung [13]. Ebenfalls für Aufmerksamkeit sorgte der erste hochautomatisierte Bus im öffentlichen Personennahverkehr, der seit Oktober 2017 in Bad Birnbach auf einer Strecke von etwa einem Kilometer eingesetzt wird. Bei dem Minibus befindet sich trotz der geringen Höchstgeschwindigkeit stets ein Operator aus Sicherheitsgründen im Fahrzeug, da die Technik noch nicht alle kritischen Situationen beherrschen kann [14]. Obwohl sowohl im Eisenbahnals auch im Straßenverkehr weiterhin ein Fahrer für die sichere Fahrzeugbewegung erforderlich ist, unterstützen technische Hilfsmittel die Triebfahrzeugführer und Fahrer. Abhängig von der technischen Unterstützung wird zwischen unterschiedlichen Automatisierungsgraden unterschieden, die im Schienenverkehr als Grade of Automation (GoA) und im Straßenverkehr als Society of Automotive Engineers (SAE) definiert sind (siehe Bild 2). Dabei sind die Automatisierungsgrade 0 bis 4 ähnlich aufgebaut, wobei GoA 4 bzw. SAE 4 dem vollautomatischen Fahren Streckenlänge 2 Kennzahlen Eisenbahn- und Straßenverkehr 1 Eisenbahnverkehr: Schienenpersonenfernverkehr | Straßenverkehr: Stau-Stunden von Pkw auf Bundesautobahnen 2 Eisenbahnverkehr: Streckenlänge der DB Netz AG | Straßenverkehr: Streckenlänge der Bundesautobahnen Treibhausgas-Emissionen 32 g CO 2 / km 147 g CO 2 / km Verspätungen 1 ca. 64.500 h ca. 460.000 h Zugangsmöglichkeiten ca. 5.660 Zugangsstellen ca. 47 Mio. Pkw ca. 33.000 km ca. 230.000 km Sicherheit (2019) Verletzte Getötete ca. 560 ca. 150 ca. 384.000 ca. 3.000 Bild 1: Kennzahlen des Eisenbahn- und Straßenverkehrs aus dem Jahr 2020 Eigene Darstellung nach [3] und [29] Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 58 MOBILITÄT Wissenschaft ohne menschliches Mitwirken entsprechen. Im Straßenverkehr wird mit SAE 5 eine weitere Stufe berücksichtigt, bei der ein Fahrzeug alle Aufgaben selbstständig ausführt. Diese Stufe ist mit dem autonomen Fahren gleichzusetzen. Der wesentliche Unterschied zwischen dem vollautomatischen und autonomen Fahren liegt in der Eigenständigkeit der Fahrzeuge [15]. Während sich ein Fahrzeug im vollautomatischen Betrieb ebenfalls ohne Fahrer bewegt, ist hierbei insbesondere im Schienenverkehr ein Datenaustausch von außerhalb erforderlich, z. B. für die Übermittlung einer Bewegungserlaubnis von einer Leitstelle. Im autonomen Betrieb muss ein Fahrzeug dagegen alle Entscheidungen selbst treffen. Daher ist das autonome Fahren auf der Straße leichter umsetzbar als auf der Schiene, weil dort keine Spurgebundenheit vorliegt und auch kein individueller Fahrweg einzustellen ist. Die gegenwärtige Betriebsdurchführung bei der Eisenbahn entspricht auf den meisten Strecken entweder GoA 1 oder GoA 2. In beiden Anwendungsfällen wird das Verhalten eines Triebfahrzeugführers durch ein Zugbeeinflussungssystem überwacht. Hinzu kommt bei GoA 2 das automatische Bremsen und Beschleunigen durch die Technik, das allerdings nur auf wenigen Strecken möglich ist [16]. Zahlreiche Straßenfahrzeuge können bereits serienmäßig Funktionen wie das automatische Einparken, die Spurhaltung oder das Bremsen und Beschleunigen übernehmen. Allerdings kann dabei nicht gänzlich auf einen Fahrer verzichtet werden [17]. Eine entscheidende Funktion bei der Umsetzbarkeit des fahrerlosen und autonomen Fahrens beim Eisenbahnsowie Straßenverkehr nimmt der jeweilige Rechtsrahmen ein. In der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung [18] ist festgelegt, dass nur unter bestimmten Ausnahmen auf einen Triebfahrzeugführer verzichtet werden darf. Um somit einen fahrerlosen Eisenbahnbetrieb umsetzen zu können, sind entsprechende Gesetzesänderungen vorzunehmen. Anders ist dagegen die Rechtsgrundlage im Straßenverkehr. Bereits im Jahr 2017 wurde das Straßenverkehrsgesetz [19] angepasst, um automatisiertes Fahren zu ermöglichen. Im Sommer 2021 wurde das Gesetz zur Umsetzung der SAE-Stufe 4 ergänzt, sodass diese Automatisierungsstufe im öffentlichen Straßenverkehr im Regelbetrieb angewendet werden darf [20]. Ziele des fahrerlosen Fahrens Eine fahrerlose Betriebsdurchführung bietet sowohl für den Eisenbahnals auch den Straßenverkehr neue Potenziale. Aufgrund der verschiedenen Systemeigenschaften werden teilweise unterschiedliche Ziele verfolgt, die nicht nur Auswirkungen auf die Fahrgäste sowie Fahrer bzw. Mitfahrer haben. Die Technik in fahrerlosen Fahrzeugen muss kontinuierlich die Aufgaben eines Triebfahrzeugführers bzw. eines Fahrers übernehmen. Abhängig von den jeweiligen Gegebenheiten und örtlichen Verhältnissen ist daraufhin automatisch die Geschwindigkeit anzupassen. Dies kann u. a. mit Hilfe von Kameras, Sensoren und einer Umfelderkennung erfolgen [21]. Dadurch ist es möglich, die Verkehrssicherheit insbesondere im Straßenverkehr Unfallursachen durch Fehlverhalten der Fahrzeugführer bzw. Pkw-Fahrer bei Unfällen mit Personenschaden im Jahr 2019 Bild 3: Unfallursachen durch Fehlverhalten der Fahrzeugführer bzw. PKW-Fahrer bei Unfällen mit Personenschaden im Jahr 2019 Eigene Darstellung nach [3] Brems- und Beschleunigungsvorgang Türschließung Störungsbehebung Automatisierungsgrad (GoA) Society of Automotive Engineers (SAE) Brems- und Beschleunigungsvorgang Umfeldüberwachung Rückfallebene 1 ATP (Automatic Train Protection): Zugsicherungssystem 2 ATO (Automatic Train Operation): Automatische Zugsteuerung GoA 0 SAE 0 GoA 1 SAE 1 GoA 2 SAE 2 GoA 3 SAE 3 GoA 4 SAE 4 SAE 5 Fahrergesteuert Assistiertes Fahren Teilweise automatisiert Hoch automatisiert Voll automatisiert Autonomes Fahren Automatisierung ATP 1 mit Fahrer Fahrer ATP 1 und ATO 2 mit Fahrer Fahrerlos Unbegleitet Triebfahrzeugführer Zugbegleiter Fahrer Automatisch / System Bild 2: Vergleich der Automatisierungsgrade zwischen dem Schienen- und Straßenverkehr Eigene Darstellung nach [30] und [31] Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 59 Wissenschaft MOBILITÄT zu erhöhen, weil eine Vielzahl von Unfällen auf menschliche Fehler zurückzuführen ist. Von den mehr als 2,6- Mio. polizeilich erfassten Straßenverkehrsunfällen im Jahr 2019 sind insgesamt etwa 355.000 Unfälle mit Personenschaden auf das Fehlverhalten eines Fahrzeugführers bzw. PKW-Fahrers zurückzuführen (siehe Bild-3). Solche durch Fahrzeugführer bzw. PKW-Fahrer verursachten Unfälle können durch fahrerlose Straßenfahrzeuge größtenteils verhindert werden. Die Ausganssituation im Eisenbahnverkehr stellt sich dagegen anders dar. Da dort bereits ein sehr hohes Sicherheitsniveau vorhanden ist, hat eine fahrerlose Betriebsdurchführung nur geringe Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit. Durch die Vernetzung zwischen den Fahrzeugen lässt sich beim fahrerlosen Fahren leichter eine intelligente und dynamische Steuerung des Verkehrs umsetzen [22]. Sowohl auf der Straße als auch auf der Schiene ist eine effizientere Fahrweise möglich. Diese sorgt einerseits für eine Reduktion der Emissionen und geringeren Kraftstoffverbrauch, indem mit einer kontinuierlichen Geschwindigkeit statt zahlreichen Brems- und Beschleunigungsvorgängen gefahren wird. Andererseits lassen sich durch Echtzeitberechnungen auf Grundlage des aktuellen Verkehrsaufkommens die optimalen Geschwindigkeiten ermitteln, wodurch Staus bzw. Verspätungen reduziert und die Kapazität zugleich erhöht werden kann. Berechnungen für den Straßenverkehr haben im Zusammenhang mit dem fahrerlosen Fahren Kapazitätserhöhungen im Stadtverkehr von bis zu 40 % und auf Autobahnabschnitten von bis zu 80 % unter Berücksichtigung der optimalen Verkehrsbedingungen ergeben [23]. In einem Mischszenario mit Fahrern und fahrerlosen Fahrzeugen kann es aber auch zu einer Verschlechterung des Verkehrsflusses auf der Straße kommen [24]. Da das Fahren von Schienenfahrzeugen bereits wesentlich umweltfreundlicher als das Fahren der Straßenfahrzeuge ist, kann sich insbesondere der Verkehrsträger Straße mit Hilfe des fahrerlosen Fahrens hinsichtlich der Emissionen in einem Langfristszenario verbessern. Kapazitätserhöhungen werden dagegen bei beiden Verkehrsträgern erwartet. Hierfür sind bei der Eisenbahn beispielsweise neue Betriebsverfahren denkbar. Zusätzlich erlaubt eine fahrerlose Betriebsdurchführung neue Mobilitätskonzepte. Sowohl auf der Straße als auch der Schiene lässt sich ein Service on-demand anbieten. Hierbei können fahrerlose Fahrzeuge nach Bedarf verkehren, um tageszeitunabhängig beispielsweise auch das Mobilitätsangebot für ältere und jüngere Menschen ohne Führerschein zu verbessern. Auf der Schiene ist der Service on-demand ein wesentliches Ziel des fahrerlosen Fahrens, damit Zugfahrten individuell stattfinden können. Des Weiteren könnte ein Service on-demand zu einer Reduktion der Straßenfahrzeuge führen, da weniger eigene Fahrzeuge benötigt werden, die aktuell durchschnittlich etwa 23 Stunden pro Tag stillstehen [25]. Weniger Straßenfahrzeuge wirken sich nicht nur positiv auf den Verkehrsfluss aus, sondern auch auf die erforderliche Anzahl an Parkplätzen. Da weniger Abstellflächen benötigt werden, können dort neue Grünflächen entstehen, die zu einer Aufwertung der Lebensverhältnisse sorgen [26]. Außerdem kann das Carsharing weiterentwickelt werden, indem die fahrerlosen Fahrzeuge selbstständig zum Nutzer fahren und ihn anschließend zum Ziel befördern [27]. Wenn ein Mensch während einer Fahrt mit einem Straßenfahrzeug nicht mehr für das Steuern des Fahrzeuges verantwortlich ist, kann er sich anderen Aufgaben widmen, z. B. arbeiten oder lesen. Darüber hinaus kann auch im Straßengüterverkehr auf einen Fahrer verzichtet werden. Im Vergleich zur heutigen Betriebsdurchführung bei der Eisenbahn treffen dort bereits beide Aspekte zu: Reisende können während einer Fahrt z. B. arbeiten und die über mehrere hundert Meter langen Güterzüge benötigen lediglich einen Triebfahrzeugführer. Dennoch können auch auf der Schiene die fahrerlosen Fahrzeuge das Fahrpersonal ersetzen und dem bereits vorhandenen Mangel an qualifiziertem Personal entgegenwirken [28]. Zusammenfassend werden die wesentlichen Ziele des fahrerlosen Fahrens beim Eisenbahn- und Straßenverkehr in Bild 4 dargestellt. Daraus ist zu entnehmen, welche Ziele durch das fahrerlose Fahren auf der Schiene und der Straße vorrangig verfolgt werden. Es lässt sich erkennen, dass das fahrerlose Fahren auf der Straße mehr unterschiedliche Potenziale als auf der Schiene bietet. Dies liegt daran, dass zahlreiche dieser Ziele bereits in der heutigen Betriebsdurchführung auf der Schiene umgesetzt werden. Dennoch führen fahrerlose Ökologie Reduktion Staus & Verspätungen Rückgang Emissionen Reduktion Stellplätze Erhöhung Grünflächen Mobilität Sicherheit Ökonomie Erhöhung Verkehrssicherheit Definition neuer Geschäftsmodelle Angebot Service on-demand Tätigkeiten während der Fahrt Einsparung Fahrpersonal Reduktion der Fahrzeuge Kapazitätssteigerung Vorausschauendes Fahren Ziele des fahrerlosen Fahrens im Straßen- und Eisenbahnverkehr Bild 4: Vergleich der Ziele des fahrerlosen Fahrens im Eisenbahn- und Straßenverkehr Eigene Darstellung Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 60 MOBILITÄT Wissenschaft Fahrzeuge auch auf der Schiene zu einer Attraktivitätssteigerung. Fazit In der heutigen Betriebsdurchführung ist ein Triebfahrzeugführer bzw. Fahrer beim Eisenbahn- und Straßenverkehr unerlässlich. Es ist davon auszugehen, dass die Technik aufgrund der zunehmenden Digitalisierung zukünftig bei beiden Verkehrsträgern die Aufgaben eines Triebfahrzeugführers bzw. Fahrers während der Fahrt übernehmen wird. Dadurch lassen sich unterschiedliche Ziele beim Eisenbahn- und Straßenverkehr verfolgen. Während sich der Eisenbahnverkehr bereits durch ein hohes Sicherheitsniveau und den geringen spezifischen Energieverbrauch auszeichnet, sollen mit den fahrerlosen Fahrzeugen auf der Straße insbesondere diese beiden Aspekte verbessert werden. ■ 1 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird das generische Maskulinum verwendet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter. LITERATUR [1] Bernhart, W. (2021): „M.A.D.E.“-Trends und Implikationen - Deutschland im internationalen Vergleich. In: Siebenpfeiffer, W. (Hrsg.): Mobilität der Zukunft. Berlin: Springer Vieweg, S. 17-56.. [2] Ritz, J. (2018): Mobilitätswende - autonome Autos erobern unsere Straßen. Wiesbaden: Springer. [3] Statistisches Bundesamt: Statistisches Jahrbuch 2019 - Deutschland und Internationales. Erschienen im Oktober 2019. [4] Pachl, J. 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