Internationales Verkehrswesen
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expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2022-0045
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Toulouse betreibt längste Seilbahn Frankreichs | Safe Computing Platform für den modernen Bahnbetrieb | Wasserstoffspeicher: Metallhydride aus Industrieabfall | Smart City Loop – klimafreundlicher Warentransport im urbanen Raum | 3D-LiDAR-Technologie zur Automatisierung im Schienenverkehr | Elektrisch rangieren unter rauen Bedingungen | Bahnhof der Zukunft – wichtiger Baustein zur Verkehrswende | Pleuelstange verstellbar: Motoren für neue Kraftstoffe fit machen
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Internationales Verkehrswesen (74) 3 | 2022 6 IM FOKUS Toulouse betreibt längste Seilbahn Frankreichs W ie schon Mexiko-Stadt, New York, Haifa oder Barcelona betreibt nun auch die 500.000-Einwohner-Metropole Toulouse im Süden Frankreichs eine in den ÖPNV integrierte Seilbahn als umweltfreundliches, effizientes und nachhaltiges öffentliches Verkehrsmittel. Die „Téléo“ genannte Anlage des französischen Seilbahnherstellers Poma ist mit drei Kilometern Länge die längste urbane Seilbahn Frankreichs und zugleich die längste urbane Dreiseilumlaufbahn (3S-Bahn) in Europa. Hersteller Poma setzt bei diesem Projekt die bewährte Dreiseiltechnik mit zwei Tragseilen und einem Zugseil ein, die maximale Stabilität und zuverlässigen Betrieb selbst bei Windgeschwindigkeiten über 100 km/ h sichert. Zugleich ermöglicht diese Bauweise sehr geringen Platzverbrauch: Auf der gesamten Länge von drei Kilometern waren nur fünf Stützen notwendig. Dies reduziert die Geräuschemissionen entlang der Strecke auf ein Minimum, und die Anlage fügt sich harmonisch in das Stadtbild ein. Die Seilbahn wurde nach knapp drei Jahren Bauzeit im Mai 2022 eröffnet und ist voll in das Verkehrsnetz integriert. Die Streckenführung verbindet stark frequentierte Hotspots in der Stadt: das Hochschulinstitut „Oncopole“ für Krebsforschung, das Krankenhaus „Rangueil“ und die „Universität Paul Sabatier“ mit rund 30.000 Studierenden. Bisher dauert eine Autofahrt über die gesamte Strecke mehr als eine halbe Stunde, nun beträgt die Fahrzeit nur rund zehn Minuten. Die Lage des künftigen Bahnhofs in unmittelbarer Nähe zur Universität ermöglicht zudem eine einfache Anbindung an den Knotenpunkt zwischen U-Bahn und Bus und macht die neue Seilbahn damit auch zum Verkehrsmittel für Reisende. So erwarten die Seilbahnbetreiber bis zu 8.000 Fahrgäste täglich bei straffer Taktung: Zu den Hauptverkehrszeiten startet alle 90 Sekunden eine der 15 urban ausgestatteten Kabinen, die jeweils 34 Personen Platz bieten. Die Geschwindigkeit und damit die Förderleistung der Seilbahn lässt sich an das Passagieraufkommen anpassen. Wie im gesamten öffentlichen Verkehrsnetz ist auch in den „Téléo“-Kabinen ein eigener Platz für Personen mit eingeschränkter Mobilität ausgewiesen, an den Haltestellen tragen breite Türöffnungen und der stufenlose Zugang zum barrierefreien Einstieg bei. Da ein Fluss und bebaute Gebiete überquert werden, kann ein integriertes Bergesystem die Kabinen falls nötig in die Stationen holen. www.poma.net Bild: Leitner / Poma Safe Computing Platform für den modernen Bahnbetrieb M it der Einführung verbesserter Konzepte für Zugsteuerung, Zugsicherung und Signalgebung (CCS) in das Eisenbahnsystem sowie moderner Technologien wie fortgeschrittener Sensorik und Künstlicher Intelligenz ist es notwendig geworden, geeignete IT-Plattformen für den künftigen Eisenbahnbetrieb zu entwickeln. In diesem Zusammenhang haben die Eisenbahninitiativen Reference CCS Architecture (RCA) und Open CCS Onboard Reference Architecture (OCORA) im Jahr 2020 die Konzeptionierung für eine Safe Computing Platform begonnen. Sie soll die Grundlage für sicherheitsrelevante Bahnanwendungen sowohl für fahrzeuginterne als auch streckenseitige Entwicklungen bilden. Ein zentrales Design-Paradigma ist die Einführung einer standardisierten Methode zur Trennung der Applikationen von der Computerplattform. Dies entkoppelt Bereiche mit sehr unterschiedlichen Lebenszyklen und nutzt Fortschritte im IT-Sektor, wobei Raum für eine Differenzierung der Anbieter bei der detaillierten Implementierung der Computerplattform bleibt. Eine erste Version der Spezifikation der möglichen API zwischen Bahnanwendungen und der Safe Computing Platform enthält eine allgemeine Definition der Konzepte, wichtige Entwurfsparadigmen für die sichere Kommunikation und Berechnung sowie Implementierungsleitlinien. Analysiert wurde auch, wie die im POSIX-Standard definierten Funktionen für die gewünschte API wiederverwendet werden können. Insgesamt bietet die veröffentlichte Arbeit eine solide Grundlage für die weitere Spezifikation und das Prototyping von möglichen Safe Computing Platform Implementierungen. www.rti.com Internationales Verkehrswesen (74) 3 | 2022 7 IM FOKUS Wasserstoffspeicher: Metallhydride aus Industrieabfall W asserstoff sicher, kompakt und dennoch umweltfreundlich zu speichern, ist nach wie vor eine große Herausforderung. Metallhydride könnten eine attraktive Lösung sein, denn sie ermöglichen eine sehr hohe Speicherdichte. Das ist besonders für Anwendungen sinnvoll, bei denen Volumen und Sicherheit des Speichersystems eine Rolle spielen - zum Beispiel bei der stationären Speicherung in Wasserstofftankstellen oder auf Schiffen. Für die Herstellung dieser Speichermaterialien werden in der Regel hochreine Metalle verwendet, doch deren Abbau und die großtechnische Herstellung dieser Materialien belasten die Umwelt enorm: Die Fertigung setzt große Mengen Treibhausgase frei, ganz zu schweigen von den Auswirkungen des Rohstoffabbaus auf die Umwelt selbst. Forschende des Hereon-Instituts für Wasserstofftechnologie haben nun gezeigt, dass sich hochwertige Wasserstoffspeicher auch aus weniger reinen industriellen Metallabfällen herstellen lassen. Mit diesen Erkenntnissen könnte erstmals eine Strategie der Kreislaufwirtschaft auf die Produktion von Metallhydriden angewendet werden - ihre Herstellung würde wesentlich umweltfreundlicher. Jedes Jahr fallen mehrere Millionen Tonnen Metallabfälle an. Das Recycling dieser Materialien ist von entscheidender Bedeutung. Es könnte in vielen Ländern helfen, die ständig steigende Nachfrage nach Metallen besser zu bedienen und so die Bedrohung des Wirtschaftswachstums zu mindern. Obwohl es für die meisten der in der Industrie verwendeten Metalllegierungen erfolgreiche Recyclingverfahren gibt, geht immer noch eine erhebliche Menge davon verloren. Wie die Hereon-Forschenden jetzt zeigen, könnte die Herstellung von Metallhydriden große Mengen dieser Industrieabfälle auffangen, indem dafür ansonsten nicht recycelbare Materialien verwendet werden. Metallhydride scheinen im Gegensatz zu metallischen Legierungen, z. B. für Hochleistungsbauzwecke, ziemlich unempfindlich gegenüber der genauen Legierungszusammensetzung zu sein. www.hereon.de Foto: Christian Schmid / Hereon Smart City Loop - klimafreundlicher Warentransport im-urbanen Raum D ie DB Cargo AG unterzeichnete am 27. Juli 2022 den Letter of Intent für die Zusammenarbeit mit der Smart City Loop GmbH. Das Logistikkonzept von Smart City Loop ist auf Ballungszentren zugeschnitten und sieht vor, palettierte Waren unterirdisch automatisiert in Städte zu befördern und auf dem Rückweg beispielsweise Leergut und Wertstoffe mitzunehmen. Eine in Hamburg durchgeführte Machbarkeitsstudie kam zu dem Ergebnis, dass die unterirdische Transportlösung technisch und wirtschaftlich möglich ist. Zudem würde sie einen beträchtlichen Beitrag zur Senkung der CO 2 -Emissionen sowie der Verkehrsbelastung der Stadt leisten. Rückgrat des Konzeptes sind unterirdische Rohrwege. Für deren Bau läuft derzeit die Vorbereitung für das Genehmigungsverfahren. Nach erfolgter Planfeststellung sieht der ambitionierte Zeitplan eine Inbetriebnahme für Anfang 2026 vor, so der Plan des Start-Up-Unternehmens Smart-City-Loop. DB Cargo unterstützt die Umsetzung des Projektes in Hamburg mit vorhandenem technischem Knowhow und regelmäßigem fachlichen Austausch. Denn künftig soll der Schienengüterverkehr mit dem intelligenten Verkehrs- und Warentransportsystem von Smart City Loop erweitert werden. In der Zusammenarbeit mit der DB Cargo wird das Konzept hinsichtlich verschiedener Möglichkeiten der Schienenanbindung geprüft und ggf. weiterentwickelt. Ziel ist der umweltfreundliche Warentransport im urbanen Raum. www.smartcityloop.de Bild: Smart City Loop Internationales Verkehrswesen (74) 3 | 2022 8 IM FOKUS 3D-LiDAR-Technologie zur Automatisierung im Schienenverkehr A ssistenzsysteme stellen einen bedeutenden Fortschritt für das sichere und effiziente Rangieren von Güterzügen dar und ermöglichen die Einführung autonomer Funktionen. Die zuverlässige automatische Erkennung von Objekten auf den Gleisen hilft dabei, Kollisionen zu vermeiden, ohne Mitarbeitende Gefahren auszusetzen. Für ein aktuelles Entwicklungsprojekt im Bereich des autonomen Zugbetriebs hat Blickfeld, ein Hersteller von LiDAR-Hardware- und Softwarelösungen, dem Forschungsteam Schienenfahrzeugtechnik der FH Aachen 3D- LiDAR-Sensoren für Forschungen und Entwicklungen zur Verfügung gestellt. Die FH Aachen ist Teil eines Forschungskonsortiums, das sich im Rahmen des EU-geförderten Projekts SAMIRA (Shunting Assistant & Monitoring Interface for Autonomous Rail Applications) mit der Herausforderung des Rangierens von Güterzügen befasst. Bis heute ist für das Rangieren in der Regel ein auf der Plattform am Ende des Zuges stehender Rangierbegleiter erforderlich, der unter anderem über Funk Hindernisse meldet, die die Fahrt beeinträchtigen könnten. Diese Aufgabe ist nicht ungefährlich. Das erforschte Rangierassistenzsystem stützt sich auf ein fortschrittliches Sensor- Set, zu dem auch die 3D-LiDAR-Sensoren von Blickfeld gehören. Diese Sensorik ermöglicht es dem Zugführenden, mithilfe der LiDAR-Technik die Umgebung hinter dem Zug vom Führerstand aus dreidimensional zu erfassen und Objekte auf den Gleisen zuverlässig zu erkennen. So gestatten die Sensoren ein sicheres automatisiertes Rangieren und helfen, Kollisionen zu vermeiden, ohne die Mitarbeitenden widrigen Bedingungen und Gefahren auszusetzen. Dadurch wird der Rangierprozess wesentlich effizienter, schneller und sicherer. Das Assistenzsystem übernimmt die Gleisüberwachung unter anderem durch die Integration von Sensoren mit einem breiten Sichtfeld von 70 Grad und Sensoren mit bis zu 150 Meter Reichweite. Diese Kombination kann den relevanten Streckenbereich auch bei Kurvenfahrten im Blick behalten. Die Software-definierten 3D-LiDAR-Sensoren lassen sich hinsichtlich des Sichtfelds und der Auflösung einfach an den jeweiligen Bedarf anpassen. Damit sind sie für diese Aufgabe besonders geeignet, da sie ohne aufwändige Modifikationen an der Hardware in unterschiedlichen Anwendungsszenarien eingesetzt werden können. Darüber hinaus ist die Blickfeld-Sensorik dank Solid-State- Halbleitertechnologie sehr robust und hält damit auch den starken Erschütterungen im Bahnalltag stand. Die LiDAR-Sensoren sind in ein Set weiterer Sensoren integriert, die jeweils zusätzliche Informationen liefern und deren Messergebnisse miteinander verglichen werden: eine Stereokamera für die Nahbereichserfassung, zwei weitere Kameras, die die Datenbasis für die algorithmenbasierte Objekterkennung liefern, sowie ein Radarsensor. Dieses System liefert eine Fusion von Kamerabildern und 3D-Punktwolken, die eine genaue Erkennung von Objekten unter mehrfacher gegenseitiger Kontrolle der verschiedenen Sensortypen ermöglicht. Die daraus extrahierten Informationen werden dem Lokführer live auf einem Tablet dargestellt und zeigen an, ob sich Personen, Signale, Fahrzeuge oder andere Objekte im überwachten Bereich befinden. www.blickfeld.com Darstellung: Blickfeld Elektrisch rangieren unter rauen Bedingungen Z ur InnoTrans 2022 stellt Vollert Anlagenbau das ferngesteuerte Zweiwege- Rangierfahrzeug VLEX 40 erstmals auf einer Messe vor. Der batteriebetriebene kleinere 2-Wege-Robot VLEX 20 für Schiene und Straße wird derzeit schon am Wartungsstandort Modane der Fret SNCF in den französischen Alpen eingesetzt und arbeitet dort bei Schnee, Regen, Eis oder hohen Minustemperaturen zuverlässig. Beim Wechsel zwischen unterschiedlichen Untergründen auf dem Gelände garantiert eine Pendelachse sicheren Boden- und Schienenkontakt aller vier Räder, auch auf unebenen und unbefestigten Böden. Gleichzeitig macht die spezielle Fahrzeuggeometrie mit Knicklenkung und vier einzeln gesteuerten Radnabenmotoren den Rangier-Robot extrem wendig und wirtschaftlich. Während das bei Fret SNCF in Modane eingesetzte Kompakt-Modell VLEX 20 eine Zugkraft von 20 kN bzw. 300 t aufweist, verdoppelt Vollert mit dem Modell VLEX 40 den Einsatzbereich dieser lokal emissionsfreien Lösung auf den Rangierbetrieb mit bis zu 600 t, was auch beim Verschub von Güterwaggons oder schweren innerbetrieblichen Transportwagen nützlich ist. Die Steuerung des Rangier-Robots per Fernbedienung und damit der Verschub der Loks erfordert nur einen Mitarbeiter. Neben Fret SNCF nutzt auch das Schweizer Schienenfahrzeugbauer Stadler das 2-Wege-Fahrzeug für den Verschub von Zügen in der Fertigung und Instandhaltung, sowohl in seiner Niederlassung im englischen Liverpool als auch im neuen Stadler- Werk St. Margarethen in der Schweiz. www.vollert.de Foto: Vollert Internationales Verkehrswesen (74) 3 | 2022 9 IM FOKUS Bahnhof der Zukunft - wichtiger Baustein zur Verkehrswende M it dem Projekt „Bahnhof der Zukunft“ hat das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) über das Deutsche Zentrum für Schienenverkehrsforschung (DZSF) beim Eisenbahn-Bundesamt ein Konsortium unter der Leitung des ISOE - Institut für sozial-ökologische Forschung beauftragt, einen modularen Maßnahmenkatalog dafür zu entwickeln. Dem Verkehrsmittel Bahn kommt bei der Verkehrswende eine Schlüsselrolle zu. Im Fokus steht insbesondere die Verknüpfung des Schienenverkehrs mit anderen umweltfreundlichen Verkehrsmitteln wie Straßenbahn, Bus, Rad oder Sharing-Angeboten. Anschlussmobilität ist ein entscheidendes Kriterium für die Attraktivität der Bahnmobilität, denn die sogenannte „erste“ und die „letzte Meile“ bilden das Nadelöhr zum Ziel- und Ankunftsort. Für Akteure wie die Deutsche Bahn, Verkehrsunternehmen, Mobilitätsanbieter und Kommunen ist jedoch die komfortable, einfache und verlässliche Verknüpfung mit dem Verkehrsmittel der Wahl zum Bahnhof und zum Ziel eine echte Herausforderung. Im Projekt „Bahnhof der Zukunft“ untersucht das Forschungsteam daher, wie Bahnhöfe so gestaltet werden können, dass sie zu Knotenpunkten für eine nachhaltige Mobilität werden. So sollen unter anderem auch Maßnahmen identifiziert werden, wie die Attraktivität von Bahnhöfen und ihrem Umfeld erhöht werden kann - indem sie Treffpunkte und Orte für Kultur, Gastronomie und Freizeit werden. Für die Studie werden sozial-empirische Erhebungen durchgeführt, um die Bedürfnisse von Reisenden an Bahnhöfen als multimodale Schnittstellen zu erheben. Darauf aufbauend werden Maßnahmen entwickelt, die nicht nur die technische Seite der Mobilitätsfunktion von Bahnhöfen in den Blick nehmen, wie zum Beispiel Wegweisung, Sicherheit oder Barrierefreiheit. In einer Machbarkeitsanalyse soll dann die Umsetzbarkeit der möglichen Maßnahmen abgeschätzt sowie durch Befragungen potenzieller Nutzer in Virtual-Reality-Simulationen und anhand von 2D-Visualisierungen von Bahnhofsbereichen geprüft werden. So soll ein modularer Maßnahmenkatalog entstehen, eine Art Werkzeugkasten aus unterschiedlichen Möglichkeiten, der es Bahnhofsbetreibern und Kommunen ermöglicht, flexibel die für ihre Situation geeigneten Lösungen zu wählen. Neben dem ISOE - Institut für sozialökologische Forschung als Projektleitung sind die Forschungs- und Praxispartner Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH, Hochschule für Gestaltung Offenbach (HfG) mit dem Designinstitut für Mobilität und Logistik (DML), Nuts One GmbH, Berlin, Gateways, Amsterdam sowie aproxima Gesellschaft für Markt- und Sozialforschung Weimar GmbH involviert. Das Projekt endet im Februar 2025. www.isoe.de Foto: Michael Gaida / pixabay Pleuelstange verstellbar: Motoren für neue Kraftstoffe fit-machen D er Verbrennungsmotor ist noch nicht völlig abgeschrieben: Die Hochschule Coburg und die Hochschule Heilbronn starten gemeinsame Forschungsprojekte, um durch die Kombination neuartiger Kraftstoffe und fortschrittlicher Motorentechnik neues Potential im Bereich Emissionen und Nachhaltigkeit zu erzielen. Dabei bringt die Hochschule Heilbronn eine motorische Innovation in das Projekt ein: Bei ihrem Prototypen-Fahrzeug ist die Pleuelstange, die Kurbelwelle und Kolben verbindet, verstellbar. Auf diese Weise kann die Verdichtung des Motors angepasst werden. Im niedrigen Teillastbereich kann der Motor eine möglichst hohe Verdichtung nutzen und einen guten Wirkungsgrad erzielen. Bei hohen Lasten könnte es bei Ottomotoren mit hohen Verdichtungen allerdings zu ungewollten Selbstzündungen kommen. Dann kann der Motor nicht mehr mit der optimalen Verbrennungslage arbeiten. Das variable Verdichtungssystem, als Variable Compression Ratio (VCR) bezeichnet, kann jedoch im niedrigen Teillastbereich mit hohen Verdichtungen und im hohen Lastbereich mit niedrigen Verdichtungen arbeiten. Das erlaubt effizienteren Motorbetrieb. Untersucht werden im Rahmen dieses Projekts auch alternative Ottokraftstoffe mit erhöhtem Ethanolanteil. Denn der erhöhte Ethanolanteil könnte sowohl positiven Einfluss auf die Zylinder-Innenkühlung als auch Vorteile bei den Emissionen bieten. In der Kombination von Kraftstoff- und Motorentechnik könnten also noch große technische Potentiale liegen. Die Ergebnisse des gemeinsamen Forschungsprojekts werden Anfang 2023 publiziert. Auf Basis dieser Untersuchungen planen die Hochschule Heilbronn und die Hochschule Coburg in Zukunft weitere Forschungskooperationen im Bereich Motoren- und Kraftstofftechnik. www.hs-coburg.de Foto: Markus Jakob, HS Coburg
