eJournals Internationales Verkehrswesen 74/4

Internationales Verkehrswesen
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expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2022-0068
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Ausbau der Bahnstrecke Ulm – Augsburg beginnt | Internationale Forschung zu nachhaltigem Flugbenzin | Tunnelmündungen mit Künstlicher Intelligenz sicherer machen | Mittelschwerer H2-Brennstoffzellen-LKW mit Hakengerät vorgestellt | Lithium-Gewinnung aus Meerwasser | Neue Ladekrane für die Schiene | Neue Forschungskooperation zum Schutz kritischer Infrastrukturen | Shell erweitert sein Angebot für Lösungen zur E-Mobilität | Hamburg wird Test-Stadt für autonome LKW in Europa | Lieferdrohnen sollen Nahversorgung im ländlichen Raum verbessern
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Internationales Verkehrswesen (74) 4 | 2022 6 IM FOKUS Ausbau der Bahnstrecke Ulm - Augsburg beginnt D ie Bahnstrecke zwischen Ulm und Augsburg ist eine der meistbefahrenen Strecken im Süden Deutschlands. Um mehr Kapazitäten zu schaffen und die Reisezeit zwischen den beiden Städten zu verkürzen, soll die Strecke ausgebaut werden. Nun hat Sweco im Rahmen einer Ingenieurgemeinschaft die Vorplanung unter Anwendung der BIM-Methodik (Leistungsphasen 1 und 2) übernommen. Dazu zählen die Objektplanung der Verkehrsanlagen Bahn sowie die Objekt- und Tragwerksplanung der Eisenbahnüberführungen, Straßenüberführungen, Stützwände, Tunnel und Tröge und Schallschutzwände. Auch die Fachplanung Leit- und Sicherungstechnik sowie die Fachplanung Elektrische Energieanlagen gehören zum Leistungsspektrum. Das Bahnprojekt ABS/ NBS Ulm - Augsburg ist Bestandteil des Bundesverkehrswegeplans (BVWP) 2030 und wurde in den vordringlichen Bedarf eingeordnet. Die Strecke ist Teil der europäischen Ost-West Eisenbahn-Hauptverkehrsachse im Rhein- Donau-Korridor und somit Teil der EU-Magistrale Paris-Bratislava/ Budapest - mithin eine zentrale Verkehrsachse in Bayerisch Schwaben. Die Fernzüge sollen im Bereich der Neubaustrecke bis zu 300 km/ h fahren und die Fahrzeit zwischen Ulm und Augsburg so verkürzen, dass eine Ziel-Fahrzeit von 26 Minuten einschließlich Bau- und Regelzuschlägen erreicht wird. Das entspricht den Anforderungen aus dem Deutschlandtakt. Auch der Nahverkehr, für den künftig auf der bestehenden Strecke mehr Kapazitäten zur Verfügung stehen, soll profitieren. Allgemein wird mit einer erheblichen Zunahme der Fahrgastzahlen im umweltfreundlichen Verkehrsmittel Bahn gerechnet. Zusätzlich wird die neue Strecke auch für Güterzüge geplant, die neue Trasse darf daher nur maximal 8 Promille Längsneigung aufweisen. Voraussichtlich Anfang 2023 soll die Grundlagenermittlung abgeschlossen sein. Die Übergabe der Vorplanungen der einzelnen Trassenvarianten für die parlamentarische Befassung wird 2024 erfolgen. Die Vorzugsvariante für den Streckenausbau soll dann ebenfalls bis Ende 2024 bestimmt werden. www.sweco-gmbh.de Bild: Sweco GmbH Internationale Forschung zu nachhaltigem Flugbenzin D as internationale Forschungsprojekt CARE-O-SENE (Catalyst Research for Sustainable Kerosene) hat vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) Förderbescheide in Höhe von 30- Mio. EUR erhalten. Zusätzlich steuern- die industriellen Konsortiumspartner 10- Mio. EUR bei. Ziel des Projektes ist es, neuartige Fischer-Tropsch-Katalysatoren zu entwickeln und damit die Produktion von nachhaltigem Kerosin im industriellen Maßstab zu optimieren. Nachhaltiges Kerosin - sogenanntes Sustainable Aviation Fuel (SAF) - basiert nicht auf fossilen Rohstoffen wie herkömmliches Kerosin, sondern auf grünem Wasserstoff und Kohlendioxid. Die Technologie trägt wesentlich dazu bei, Sektoren wie die Luftfahrt nachhaltig zu dekarbonisieren, da fossile Energieträger in diesem Bereich besonders schwer zu ersetzen sind. Im CARE-O- SENE Projekt forschen sieben führende südafrikanische und deutsche Projektpartner an Fischer-Tropsch-Katalysatoren der nächsten Generation. Neben Sasol Germany und Sasol Limited sowie dem Helmholtz- Zentrum Berlin für Materialien und Energie (HZB) sind weitere Partner involviert: das Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme (IKTS), das Karlsruher Institut für Technologie (KIT), die Universität Kapstadt (UCT) und die IN- ERATEC GmbH. www.helmholtz-berlin.de Foto: Y. Benz / pixabay Internationales Verkehrswesen (74) 4 | 2022 7 IM FOKUS Tunnelmündungen mit Künstlicher Intelligenz sicherer machen M ündungen von Eisenbahntunneln sind sicherheitsrelevante Orte. Wenn ein Mensch den Tunneleingang betritt, erhöht sich das Risiko eines Unglücks oder die Einschränkung des Verkehrs erheblich. Im Projekt TuNuKi wollen daher Forschende des Fachbereichs Elektrotechnik und Informatik der Hochschule Niederrhein die Tunnelüberwachung mittels Künstlicher Intelligenz verbessern. Zum Streckennetz der Deutschen Bahn gehören über 700 Tunnel. Diese sicherheitskritische Infrastruktur muss - auch im Hinblick auf Terrorismusprävention - laufend kontrolliert werden. Zwar wird ein Großteil der Alarme durch eindringende Tiere oder Umwelteinflüsse ausgelöst, doch die Strecke muss sicherheitshalber nach jedem Alarm gesperrt und begangen werden. Herkömmliche Video-Überwachungsanlagen mit automatisierter Signalauswertung stoßen wegen der stark wechselnden Lichtverhältnisse - tiefe Dunkelheit und plötzliche Beleuchtung durch einfahrende Züge - schnell an ihre Grenzen. Das Projektteam will daher statt der bisherigen Kameras Dynamic Vision Sensoren einsetzen. Sie verfügen über bessere Kontrastverarbeitung und zeitliche Auflösung und können kleinste Objekte erkennen. Da die Technik außerdem nur die Veränderungen in der bewachten Zone analysiert, entstehen deutlich weniger zu verarbeitende Bilder. Dazu soll ein maßgeschneiderter Erkennungsalgorithmus die Bilder der Kameras im Anschluss treffsicher auswerten. Ziel ist es, mit Hilfe von Methoden der Künstlichen Intelligenz eine sichere Klassifikation zwischen Personen und anderen sich bewegenden Objekten im Bereich des Tunneleingangs zu ermöglichen. Das Projekt TuNuKi wird im Rahmen der Innovationsinitiative mFUND durch das Bundesministerium für Digitales und Verkehr gefördert. Projektpartner sind neben der DB Station&Service AG auch die Bundespolizei und die Masasana GmbH. www.hs-niederrhein.de Bild: Wikimediaimages / pixabay Mittelschwerer H 2 -Brennstoffzellen-LKW mit Hakengerät vorgestellt D ie Paul Group und das österreichische Maschinenbauunternehmen Palfinger haben im Rahmen ihrer Entwicklungspartnerschaft ein Vorserienfahrzeug mit Wasserstoff-Brennstoffzellen-Technik auf Basis des PH2P mit elektro-hydraulisch betriebenem Palfinger Hakengerät vorgestellt. Das Hakengerät hat eine maximale Hubkraft von 15 t, ist universell einsetzbar und verfügt durch seine Bi-point- Geometrie über erhöhte Kippkraft. Herausfordernd ist die mechanische Integration der Hebelösung auf einem alternativ angetriebenen Fahrzeug, da unter anderem eine entsprechende Platzierung der Wasserstofftanks und Batterien erforderlich ist. Der PH2P® Truck ist der erste serienreife, förderfähige, mittelschwere Wasserstoff-Brennstoffzellen-LKW mit 16 t Gesamtgewicht und etwa 450 km Reichweite aus Deutschland. Die ersten 25 Fahrzeuge aus der Serienproduktion der Paul Group werden bis Ende 2022 ausgeliefert. Die Höchstgeschwindigkeit des PH2P® Trucks liegt bei 85 km/ h, die Dauerleistung bei 120 kW, die Spitzenleistung bei 300 kW. Er-kann innerhalb von zehn bis 15 Minuten vollgetankt werden. Der vorgestellte Prototyp reiht sich in die neue Produktlinie Paul Hydrogen Power der Paul Group ein. Das Next Mobility Konsortium, dem neben dem Fahrzeugentwickler Paul Group der Tankstellenbetreiber MaierKorduletsch und Shell Deutschland angehören, stellt zudem die passende Tankinfrastruktur bereit. Sie ermöglicht eine regionale, skalierbare Wertschöpfungskette mit der Herstellung von grünem Wasserstoff, Elektrolyseur, Logistik und Betankungsmöglichkeiten. Über Shell können Transport-Logistikunternehmen ein flexibles Pay-per-use- Modell nutzen und das System risikofrei und kostengünstig in ihren Fuhrpark integrieren. Im August 2022 hat MaierKorduletsch auf dem Firmengelände von Paul in Passau mit dem Bau einer der leistungsstärksten H 2 -Tankstellen Europas begonnen. www.paul-nutzfahrzeuge.de Foto: Paul Group Internationales Verkehrswesen (74) 4 | 2022 8 IM FOKUS Lithium-Gewinnung aus Meerwasser F orschende des INM - Leibniz-Institut für Neue Materialien in Saarbrücken haben in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Shanghai ein neues elektrochemisches Verfahren zur Gewinnung von Lithium-Ionen aus Meerwasser entwickelt. Das Verfahren soll mit wenig Energie- Input auskommen und zugleich eine kontinuierliche Abtrennung von Lithium gewährleisten. Lithium zählt derzeit zu den begehrtesten Rohstoffen, allein die Umstellung von Verbrennungsmotoren auf Elektroantriebe für Fahrzeuge macht Lithium zu einer knappen Ressource. Zwar lagern beachtliche Reserven in chilenischen Salzwüsten oder in australischen Minen, doch langfristig müssen neue Quellen erschlossen werden, um den wachsenden Bedarf zu bedienen. Ideal sind dabei regionale Lithium- Quellen, da sich durch verkürzte Transportwege auch der CO 2 -Fußabdruck von Lithium-Technologien deutlich verbessern ließe. Neben dem Recycling von Lithium- Ionen-Batterien ist die Extraktion des Alkalimetalls aus wässrigen Lösungen eine Methode, an der intensiv geforscht wird. So gibt es einige Ansätze, Lithium aus Thermalwasser oder sogar aus Grubenwasser zu gewinnen. Und nicht zuletzt stellen die Weltmeere ein schier unerschöpfliches Reservoir dar. Zwar ist die Lithiumkonzentration im Meerwasser äußerst gering, doch in Summe bringen es die 1,4 Milliarden Kubikkilometer Wasser auf einen Lithiumgehalt von 230 Milliarden Tonnen. Basis des nun vorgestellten Verfahrens ist eine Kombination aus einer Redox-Flow- Batterie, einer Polymermembran für den Austausch von Anionen und zwei lithiumselektiven keramischen Membranen (LISI- CON). Im Gegensatz zu herkömmlichen Batterien speichern Redox-Flow-Batterien Energie nicht durch eine elektrochemische Reaktion in festen Elektroden, sondern durch Oxidation und Reduktion eines flüssigen Elektrolyten. Der flüssige Zustand hat den Vorteil, dass der Redox-Elektrolyt gepumpt und so das System kontinuierlich betrieben werden kann. Je nachdem, wie groß das System sein muss, lässt sich die Größe der Elektrolyt-Tanks einfach anpassen. Die elektrochemische Zelle besteht aus zwei Kammern: eine für die elektrochemische Oxidation und eine zweite für die Reduktion. Zwischen diesen beiden Kammern befindet sich eine Ionentauschmembran. Das Neue am INM-System ist, dass sich zwischen den beiden Kammern für den Redox- Elektrolyten zwei weitere Kanäle für den Zustrom von lithiumhaltigem Wasser und zur Anreicherung von Lithium-Ionen befinden. Damit kommt das Gesamtsystem auf vier Kammern. Die enorme Selektivität von Lithium-Ionen verdankt das System den keramischen LISICON-Membranen, die andere Kationen, wie Natrium- oder Kalium- Ionen, effektiv blockieren. Das Verfahren eignet sich gleichermaßen für natürliches Wasser, beispielsweise aus den Ozeanen oder aus Hydrothermalquellen, und für Grubenwasser oder für die Extraktion von Lithium-Ionen beim hydrometallurgischen Recyclen gebrauchter Batterien. Eine solche Technologie kann perspektivisch einen wichtigen Beitrag zur Lithium-Kreislaufwirtschaft leisten. www.leibniz-inm.de Bild: INM | Volker Presser Neue Ladekrane für die Schiene Z ur Instandsetzung und Pflege von Schienennetzen hat das Cargotec-Unternehmen Hiab eine neue Baureihe von Eisenbahnladekranen mit dem Steuerungssystem SPACEevo auf den Markt gebracht. Die neue Produktreihe soll Eisenbahninfrastruktur-Unternehmen bei sämtlichen Hebearbeiten unterstützen - von der Wartung und Instandhaltung bis hin zu schweren Hebevorgängen im Rahmen von Bergungsarbeiten - und den Herstellern von Eisenbahnwaggons eine wesentlich größere Auswahl an Kranen bieten. Bekannt vor allem für LKW-Ladekrane, will das Unternehmen mit seinen neuen Eisenbahnladekranen alle Leistungsbereiche abdecken - von kleineren Geräten, die sich für die Instandhaltung und Reparatur von Gleisen, wie beispielsweise Mäh- und Greifarbeiten eignen, bis hin zu den für die Zukunft geplanten sehr schweren Modellen, die auch größte Herausforderungen bewältigen. Durch das SPACEevo-Steuerungssystem kann die RAIL-Serie hohe Sicherheit für verschiedene Arten von Schienennetz-Systemen bieten.- Die Ladekrane können nach Kundenwunsch auf die Normen EN15476, EN14033, EN 50128 und EN 13849 ausgelegt werden. Optionen wie Erdung und Potenzialausgleich, Nachbargleis und Höhenbeschränkungen gehören zu den verfügbaren, kundenspezifisch anpassbaren Funktionen. www.hiab.com Hiab XS 377 CLX Rail. Foto: Hiab Internationales Verkehrswesen (74) 4 | 2022 9 IM FOKUS Aktuelle Meldungen finden Sie im Web unter www.internationales-verkehrswesen.de Shell erweitert sein Angebot für Lösungen zur E-Mobilität S hell Deutschland GmbH will von der Schaltbau Holding AG die SBRS GmbH übernehmen. SBRS mit Hauptsitz in Dinslaken ist ein führender Anbieter von Ladeinfrastrukturlösungen für kommerzielle Elektrofahrzeuge einschließlich E-Bussen, E- LKW und E-Vans. Diese Akquisition ist für Shell ein weiterer Schritt auf dem Weg, einer der größten Anbieter von Lösungen für die E-Mobilität zu werden. Nach Genehmigung durch die Kartellbehörden wird der Abschluss des Vertrages für Ende 2022 erwartet. SBRS bietet komplette Lösungen für integrierte Ladeinfrastruktur von der Planung über die Umsetzung bis zum Betrieb und dazugehörigen Softwaretools. Zu den aktuellen Kunden des Unternehmens gehören Kommunen sowie öffentliche Verkehrsbetriebe, Fahrzeughersteller und wichtige Unternehmenspartner in den Städten wie Köln, Wien oder Brüssel. Die Übernahme von SBRS ermöglicht es Shell, seine Position im Bereich E-Bus-Ladelösungen zu stärken. Shell in Deutschland arbeitet intensiv an der Beschleunigung der Energiewende. Dazu baut das Unternehmen unter anderem sein Portfolio an CO 2 -armen Energien und Lösungen, einschließlich Ladestationen für Elektrofahrzeuge, Wasserstoff, erneuerbare Energien und Biokraftstoffen aus. Zum so genanten Shell Ökosystem für E-Mobilität gehören E-Charging-Angebote für Firmenkunden sowie Lösungen für private Autofahrer an Tankstellen, für Zuhause, an der Straße und beim Einkaufen. www.shell.de Foto: SBRS GmbH Neue Forschungskooperation zum Schutz kritischer Infrastrukturen D ie Universität der Bundeswehr München und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) haben einen Kooperationsvertrag über die gemeinsame Forschung und Entwicklung für den verbesserten Schutz kritischer Infrastrukturen in Deutschland geschlossen. Als Kritische Infrastrukturen werden die Lebensadern der Gesellschaft bezeichnet, also etwa Autobahn- und Eisenbahnbrücken im Verkehrsnetz, Anlagen zur Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung oder Elektrizitäts- und Telekommunikationsnetze. Akute Bedrohungslagen durch Terrorismus oder Cyberangriffe und dramatische Notsituationen, wie beispielsweise während der Flutkatastrophe 2021, rücken die Frage nach Schutzmaßnahmen ins Zentrum des nationalen Interesses. Zugleich werden immer mehr Bereiche des öffentlichen Lebens digitalisiert. Dies zeigt sich vor allem im verstärkten Einsatz von computergestützten Modellierungen, Simulationen sowie Technologien der künstlichen Intelligenz. Bei kritischen Systemen und Anlagen sind virtuelle Abbilder, sogenannte „Digitale Zwillinge“, besonders wertvoll, da sie über die gesamte Lebensdauer datenunterstützt simulierbar sind. Am DLR-Institut für den Schutz Terrestrischer Infrastrukturen wird diese Technologie bereits intensiv erforscht. Digitale Zwillinge lassen sich im Gegensatz zu klassischen Simulationsmodellen durch Sensordaten ständig adaptieren, aktualisieren und weiterentwickeln, sind also auch für Echtzeit-Prognosen und Monitoring einsetzbar. Bei geeigneter Ausgestaltung können Digitale Zwillinge eine Schlüsselrolle für das Resilienz-Management kritischer Infrastrukturen einnehmen. Die Forschungspartner wollen das neuartige Konzept des „hybriden“ Digitalen Zwillings aufgreifen und so weiterentwickeln, dass die Vorzüge der herkömmlichen und der innovativen digitalen Simulationsmethoden und KI-Technologien miteinander kombiniert werden. Von Seiten der Universität wird eine umfassende Forschungslandschaft in der Sicherheitsforschung in die Kooperation eingebracht, die sich in den letzten zehn Jahren zu einem deutschlandweit anerkannten Aushängeschild der Hochschule entwickelt hat - allen voran das Forschungszentrum RISK - Risiko, Infrastruktur, Sicherheit, Konflikt. Für die Forschungskooperation mit dem DLR spielt vor allem das interdisziplinäre Projekt RISK.twin eine entscheidende Rolle. www.unibw.de Foto: The Blowup / Unsplash Internationales Verkehrswesen (74) 4 | 2022 10 IM FOKUS Lieferdrohnen sollen Nahversorgung im ländlichen Raum-verbessern I n einem gemeinsamen Projekt erproben die Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS) und der Lieferdrohnenhersteller und -betreiber Wingcopter, inwiefern der On-demand-Transport (auf Kundenbestellung) von Gebrauchsgütern die Nahversorgung in Gemeinden des ländlichen Raums verbessern kann. Das Projekt „DroLEx - Drohnen-Lastenrad-Express-Belieferung“ wird durch das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) mit knapp 500.000 EUR gefördert. Im Rahmen des Pilotprojekts sollen Güter des täglichen Bedarfs per Lastendrohne von einem Mittelzentrum in umliegende kleinere Orte geflogen und dort per Lastenrad an die Endkunden zugestellt werden. Ziel ist es, die schnelle und zuverlässige Auslieferung von Lebensmitteln und anderen Gebrauchsgütern in ländlichen Gebieten zu realisieren und so die Nahversorgung der Bürger zu verbessern. Der Anwendungsfall soll aus wirtschaftlicher und ökologischer Sicht evaluiert und im Erfolgsfall zum nachhaltigen und beliebig skalierbaren Geschäftsmodell entwickelt werden. Geplanter Start der ersten Flüge im Süden Hessens ist im Frühjahr 2023. Da in vielen ländlichen Gegenden die Versorgungsmöglichkeiten durch die Schließung kleinerer, lokaler Läden stark eingeschränkt sind, wird erwartet, dass sich mithilfe von Lieferdrohnen die Anbindung des ländlichen Raums wieder verbessern lässt. Aus sozialökonomischer Sicht kommt diese Art der Belieferung vor allem mobilitätseingeschränkten Bürgern, also älteren Menschen oder Menschen ohne eigenes Auto entgegen. Auch könnten sich wirtschaftliche und ökologische Vorteile für die beteiligten Partner ergeben, da regionale Einzelhändler im ländlichen Raum aus wirtschaftlichen Gründen häufig keinen eigenen Lieferservice anbieten können. Die Auslieferung per Drohne könnte das Kundeneinzugsgebiet dieser Händler deutlich vergrößern und aufgrund der Reichweite, Geschwindigkeit und Zuladungsmöglichkeiten der eingesetzten Drohnen auch schnelle Lieferungen in abgelegenere ländliche Räume ermöglichen. Die Zustellung per batteriebetriebenem Wingcopter und E-Lastenrad ermöglicht zudem emissionsfreie Lieferungen, die im Vergleich zum straßengebundenen Transport erhebliche ökologische Vorteile mit sich bringen. Bei verschiedenen Projekten zur Auslieferung medizinischer Güter in Afrika und anderen Teilen der Welt zeigte sich, dass „Drone Delivery as a Service“-Angebote einen echten Nutzen für viele Menschen haben. Das erhofft man sich auch für ländliche Gebiete in Deutschland. DroLEx ist das erste Projekt dieser Art in Deutschland und wird vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr im Rahmen der Förderrichtlinie „Innovative Luftmobilität“ gefördert. Es ist auf zwölf Monate angelegt. www.wingcopter.com Hamburg wird Test-Stadt für autonome LKW in Europa V or dem Hintergrund des gravierenden Fahrermangels und steigender Warenströme erhält das Konzept autonomes Fahren neuen Aufwind. Die Europäische Kommission hat es sich zum Ziel gesetzt, die Forschung im Bereich autonome LKW-Verkehre zu fördern und entsprechende Pilotprojekte im operativen Bereich finanziell zu unterstützen. Darunter befindet sich auch das MODI-Projekt, in dem ein Konsortium aus 29 Partnern die Umsetzung von Lösungen für autonome Straßenverkehre erprobt. Der Testlauf in Hamburg ist dabei Schauplatz der ersten Anwendung eines intelligenten LKW in einer städtischen Umgebung. Das Forschungsprogramm und die Erprobung sollen vier Jahre dauern. Dann wird die technische Infrastruktur für sowohl die Kommunikation zwischen den Fahrzeugen als auch die Kommunikation zwischen der Straßeninfrastruktur und dem Fahrzeug fertig sein. Ein wichtiger Aspekt des Projekts ist die starke Präsenz wesentlicher Akteure der europäischen Logistikindustrie. Federführender Partner des Konsortiums, das dieses Projekt vorschlägt, ist ITS Norway, ein staatliches Unternehmen, das sich mit der Digitalisierung der norwegischen Verkehrsnetze befasst. Neben Forschungsinstituten und Universitäten kann das Projekt auf Unterstützung privater Unternehmen zählen, die sich für autonomes Fahren im Frachtbereich engagieren: Neben Volvo, Einride, und Daf Trucks sind dies DFDS und Moller-Maersk sowie das Logistikunternehmen Gruber Logistics aus Südeuropa, das erst vor kurzem den deutschen Schwerlastlogistiker Universal Transport übernommen hat. Im Rahmen des MODI- Projekts werden in den vier Jahren Lösungen und Potenziale der höchsten Automatisierungsstufe getestet, ohne dass sich ein Fahrer während der Fahrt im Fahrzeug befindet. Weitere Tests werden auf dem Autobahnkorridor von Rotterdam in den Niederlanden nach Moss in Norwegen durchgeführt, wobei vier Landesgrenzen überquert werden und der Terminalbetrieb in vier verschiedenen nordeuropäischen Häfen unterstützt wird. Der automatisierte Verkehr soll einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der europäischen Logistik- und Transportketten leisten. Vorrangiges Ziel ist es, dem Fahrermangel und knappen Transportkapazitäten in Europa zu begegnen. Es geht dabei nicht darum, den Verkehr vollständig zu automatisieren, sondern darum, die Arbeit der Fahrer zu vereinfachen und sich auf die Arbeitsplätze zu konzentrieren, an denen der Mehrwert der erbrachten Verkehrsleistung am größten ist. www.gruber-logistics.com Foto: Gruber Logistics Foto: Wingcopter