eJournals Internationales Verkehrswesen 75/1

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2023-0003
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Elektromobilität: Des Kaisers neue Kleider?

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Internationales Verkehrswesen (75) 1 | 2023 11 Alexander Eisenkopf KONTRAPUNKT Elektromobilität: Des Kaisers neue Kleider? D ie Rolle der Elektromobilität in Deutschland lässt sich wahlweise mit zwei gebräuchlichen Metaphern charakterisieren. Die eine redet von des Kaisers neuen Kleidern, die andere vom Elefanten im Raum. In dem bekannten Märchen übersehen alle Honoratioren, Experten und Berater geflissentlich, dass der Kaiser eigentlich nackt ist, und preisen seine schönen neuen Kleider. Erst ein Kind spricht aus, was tatsächlich ist, denn Kinder und Betrunkene sagen die Wahrheit, wie der Volksmund weiß. Der nackte Kaiser im Märchen ist wie ein Elefant im Raum, den zwar jeder sehen kann, den man aber aus Gründen der Räson nicht benennen darf. Ein Problem wird vielleicht erkannt, aber einfach nicht angesprochen. Und wenn keiner vom nackten Kaiser spricht, kann man ihn auch nicht bloßstellen; die Betrüger, die ihm die neuen, teuren Kleider verkauft haben, kommen ungeschoren davon. Was aber hat das alles mit Elektromobilität zu tun? Bekanntlich ist die Antriebswende mittels Elektromobilität ein wesentlicher Bestandteil der Mobilitäts- oder Verkehrswende und auch eng verknüpft mit der Energiewende, all das eingebettet in das Jahrhundertprojekt der Großen Transformation - ein Begriff, der zuerst vom Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen eingeführt wurde. Bei so viel Wende wird einem zwar schwindelig, aber hier und heute soll nur die Rede sein von der Antriebswende, also der Elektromobilität zur Dekarbonisierung des Straßenverkehrs. Die diesbezüglichen Ziele der Verkehrspolitik sind bekannt. Auf europäischer Ebene ist ein Aus für neue PKW mit Verbrennungsmotor ab dem Jahr 2035 beschlossene Sache. National plant die Politik mit 15 Mio. Elektroautos im Jahre 2030. Dieses Ziel wurde jüngst durch einen Mobilitätsgipfel im Bundeskanzleramt bekräftigt. Auch für den LKW-Verkehr ist der Umstieg auf batterieelektrische Lösungen bzw. Wasserstoff-/ Brennstoffzellenantriebe geplant. Alles wunderbar: Die Politik hat also zumindest einen Plan, um die Klimaziele zu erreichen. Wo soll denn nun der Elefant sein? Wer trägt keine schönen neuen Kleider, sondern ist nackt? Tatsächlich befindet sich eine ganze Elefantenherde im Raum. Der erste geht an das Ziel, bis 2030 rund 15 Mio. Elektroautos (keine Plug-In-Hybride) auf deutschen Straßen zu haben. Nachdem der Bestand an batterieelektrischen Fahrzeugen zum Jahreswechsel endlich eine Million erreicht hat, müssten im Durchschnitt der nächsten Jahre bei jährlich insgesamt 2,7 Mio. Neuzulassungen rund 1,8 Mio. Elektroautos verkauft werden. Auch wenn die Flottenstandards die Autohersteller quasi zwingen, elektrische Fahrzeuge in den Markt zu drücken, scheint dies eine gewagte Planung - und der Kaiser ist blank bis auf die Unterhose: Das Abschmelzen der Förderkulisse wird das Interesse der Kunden spürbar reduzieren. Stark steigende Strompreise tun ein Übriges, und der Ausbau der Ladeinfrastruktur für eine solche Zahl von Fahrzeugen steht in den Sternen. Wenn dann noch die Bundesnetzagentur Überlastungen und Stromausfälle in lokalen Verteilnetzen befürchtet und temporäre Stromrationierungen für Wärmepumpen und private Elektroauto-Ladestationen ins Spiel bringt, dürfte das die Kauflaune nicht gerade anregen. Ein ausgewachsener Elefantenbulle steht jedoch mit der Klimabilanz der Elektroautos im Raum. Auch wenn die Politik nicht müde wird zu verkünden, „dass ein rascher Hochlauf der E-Mobilität erforderlich ist, um die Klimaziele im Verkehr zu erreichen“, ändert das an der schlechten Klimabilanz der Elektroautos in Deutschland nichts. Der Kaiser ist nun vollständig nackt: Emissionen finden zwar statt, werden aber einfach in andere Sektoren oder Regionen der Welt verlagert - aus den Augen, aus dem Sinn. Zwar halten sich viele Fahrer der in Milliardenhöhe vom Steuerzahler subventionierten Elektroautos für die Spitze der Klimaschutzbewegung, doch ist ihnen selten bewusst, dass die Batterien ihrer Fahrzeuge vielfach mit chinesischem Kohlestrom produziert wurden und dass der Strom aus bundesdeutschen Steckdosen im Durchschnitt des letzten Jahres 432 g/ kWh CO 2 verursachte. Prof. Dr. rer. pol. Alexander Eisenkopf zu aktuellen Themen der Verkehrsbranche