Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2023-0016
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2023
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Nachhaltige Mobilität - Defizit im Freizeitverkehr
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Dana Stolte
Petra Schäfer
Kristina Epple
Ralf Vogler
Der Nutzungsdruck und die Verkehrsbelastung im Rhein-Main-Gebiet nehmen zu. Davon betroffen ist neben dem Alltags- auch der Freizeitverkehr. Gründe dafür sind u. a. die Bevölkerungsentwicklung und die Covid-19-Pandemie, welche auch für einen phasenweisen Anstieg der Tagesausflüge sorgten. Das Forschungsprojekt NaTourHuKi nimmt sich den Problemen der zunehmenden Nachfrage nach Erholungsmöglichkeiten und fehlender nachhaltiger Mobilitätsangebote an. Durch die Untersuchung des Freizeitverkehrs im hessischen Kinzigtal am Rande des Ballungsraums Frankfurt/Rhein-Main werden bisher nicht vorhandene Daten generiert und Impulse für den Freizeitverkehr gesetzt.
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Internationales Verkehrswesen (75) 1 | 2023 46 MOBILITÄT Wissenschaft Freizeitverkehr, Nachhaltige Mobilität, Metropolregion, Verkehrswende, Tagesausflugsverkehr Der Nutzungsdruck und die Verkehrsbelastung im Rhein-Main-Gebiet nehmen zu. Davon betroffen ist neben dem Alltagsauch der Freizeitverkehr. Gründe dafür sind u. a. die Bevölkerungsentwicklung und die Covid-19-Pandemie, welche auch für einen phasenweisen Anstieg der Tagesausflüge sorgten. Das Forschungsprojekt NaTourHuKi nimmt sich den Problemen der zunehmenden Nachfrage nach Erholungsmöglichkeiten und fehlender nachhaltiger Mobilitätsangebote an. Durch die Untersuchung des Freizeitverkehrs im hessischen Kinzigtal am Rande des Ballungsraums Frankfurt/ Rhein-Main werden bisher nicht vorhandene Daten generiert und Impulse für den Freizeitverkehr gesetzt. Dana Stolte, Petra Schäfer, Kristina Epple, Ralf Vogler D as hessische Kinzigtal am östlichen Rand des Rhein-Main-Gebiets hat eine wichtige Bedeutung als Infrastrukturkorridor. Parallel zum Fluss Kinzig verlaufen die Bundesautobahn A66 sowie die Bahntrasse zwischen Frankfurt a. M. und Fulda (siehe Bild 1). Dieser Infrastrukturkorridor erfährt, insbesondere durch kommunal steigende Bevölkerungszahlen in der Metropolregion Frankfurt/ Rhein-Main, einen erhöhten verkehrlichen Nutzungsdruck [1,- 2]. Diese Auswirkungen betreffen nicht nur den Alltagsverkehr - auch der Freizeitverkehr übt einen starken Druck auf die Verkehrsinfrastruktur des Kinzigtals aus. Ein Treiber hierfür war auch die Covid-19-Pandemie. Die deutsche Bevölkerung unternahm in vielfältiger Weise Tagesausflüge, um in diesem Zeitraum nicht mögliche touristische Reisen mit Übernachtung zu kompensieren. Daher war der Einbruch im Tagestourismus geringer als im Übernachtungstourismus [3]. Im Rahmen von Tagesausflügen wurde in Deutschland, gemäß einer Studie des Deutsches Wirtschaftswissenschaftliches Institut für Fremdenverkehr (DWIF), für die An- und Abreise größtenteils der private PKW genutzt [4]. Derartige Verhaltensweisen wurden auch im hessischen Kinzigtal durch Erhebungen im Rahmen des Forschungsprojekts NaTourHuKi 1 erfasst. Nachfolgend möchte der Beitrag daher ausgewählte Erkenntnisse zum Tagesausflugsverhalten und der damit verbundenen Verkehrsmittelwahl im Untersuchungsraum des hessischen Kinzigtals vorstellen und diskutieren. Darauf aufbauend werden möglichen Impulse für eine Verkehrswende im Stadt-Land-Kontext formuliert. Stand der Forschung Der Freizeitverkehr ist bislang ein - im Vergleich zum Alltagsverkehr - wenig erforschter Bereich. Umfangreiche Studien im Bereich Mobilität wie SrV „Mobilität in Städten“, Mobilität in Deutschland (MiD) oder das Deutsche Mobilitätspanel (MOP) betrachten vornehmlich den Alltagsverkehr. Die Studie SrV „Mobilität in Städten“ betrachtet keine unterschiedlichen Wegezwecke und somit auch nicht den Freizeitverkehr [5]. Laut der Studie Mobilität in Deutschland (MiD) für das Jahr 2017, entfallen 28 % des Wegeaufkommens auf Freizeitwege. Der Wegezweck Freizeit liegt damit auf dem dritten Platz hinter Ausbildungs- und berufsbedingten Wegen (34 %) sowie Einkaufs- und private Erledigungswege (30 %). Wird die Verkehrsleistung (gemessen in Personenkilometern) betrachtet, entfallen 34 % auf den Wegezweck Freizeit [6]. Im Rahmen der MiD-Studie ist Freizeit eine von sieben Wegezwecken (Arbeit, Dienstweg, Ausbildung, Einkauf, Erledigung, Freizeit, Begleitung), die bei der deutschlandweiten Untersuchung abgefragt werden. Im Gegensatz zu den anderen Wegezwecken ist die Wegelänge bei Freizeitwegen in allen Raumtypen - sowohl in Stadtregionen als auch in ländlichen Regionen - sehr ähnlich [6]. Darüber hinaus weist die MiD jedoch keine Untersuchungen zum Freizeitverkehr, z. B. zur Verkehrsmittelwahl, Reisezeit oder Reiseentfernung, auf. Im Deutschen Mobilitätspanel (MOP) bildet die Freizeit ebenfalls einen von sechs Wegezwecken. In der Studie werden für diese Wegezwecke Verkehrsaufkommen, Verkehrsleistung und Mobilitätszeit ermittelt. Weitere Daten zum Freizeitverkehr werden hier nicht aufgezeigt-[7]. Nachhaltige Mobilität - Defizit im Freizeitverkehr Das Forschungsprojekt NaTourHuKi liefert Daten zum-Freizeitverkehr im hessischen Kinzigtal Internationales Verkehrswesen (75) 1 | 2023 47 Wissenschaft MOBILITÄT Ähnliches gilt für Untersuchungen zum Tagesausflugsverhalten. Allgemeine Studien oder Daten für Hessen, das Rhein-Main-Gebiet oder den Untersuchungsraum des Forschungsprojekts sind bisher nur in beschränktem Umfang vorhanden. Eine der wenigen öffentlich verfügbaren Studien ist die Publikation „Wirtschaftsfaktor Tourismus in der Region FrankfurtRheinMain“ des DWIF [8]. Auch für andere Regionen Deutschlands liegen solche Studien nur vereinzelt vor. Beispielhaft kann die Studie des IFT Freizeit- und Tourismusberatung GmbH zum Tagesverhalten der Bewohner der Metropolregion Hamburg genannt werden. In dieser 2010 durchgeführten Erhebung wurden 5.000 Menschen, die in der Metropolregion Hamburg leben und Tagesausflüge durchführen, interviewt [9]. Neben dem allgemeinen Reiseverhalten sowie dem Informations-, Ausgabe- oder Buchungsverhalten lag ein Untersuchungsschwerpunkt auf dem Thema Verkehrsmittelwahl. Bei den genutzten Verkehrsmitteln erwies sich hier der eigene PKW mit 65 % als das am häufigsten genutzte Verkehrsmittel. Bewohner: innen der Stadt Hamburg nutzen zu 25 % den ÖPNV. In den ländlicheren Gebieten (z. B. Uelzen oder Dithmarschen) lag dieser Anteil bei unter 5 %. Die drei Hauptgründe für das verwendete Verkehrsmittel waren „Bequemlichkeit, ist angenehmer“, „schnellerer Transport, gute Verbindung“ und „auf andere Weise nicht bzw. schlechter hinzukommen“ [9]. Eine aktuellere Untersuchung ist die Studie des Bayerischen Zentrums für Tourismus (BZT) zum Tagesausflugsverhalten der bayerischen Bevölkerung. Dazu wurde eine repräsentative Online-Befragung mit etwa 2.000 Einwohner: innen Bayerns im Mai 2021 durchgeführt. Auch hier wurde die Verkehrsmittelwahl abgefragt. 84 % der Befragten gaben dabei an, dass sie überwiegend den eigenen PKW für Tagesausflüge nutzen, gefolgt von den Verkehrsmitteln Bahn (19 %), Fahrrad (17 %) und Bus (10 %). In allen Altersgruppen ist der PKW mit 76 % bis 90 % das beliebteste Verkehrsmittel. Bus und Bahn wurden in der Altersgruppe 18 bis 29 Jahre etwas häufiger als im Durchschnitt genutzt. In den Altersgruppen 30 bis 39 Jahre sowie 70 bis 74 Jahre wurde das Fahrrad überdurchschnittlich häufig genutzt [10]. Vorgehensweise Um der Frage nachzugehen, wie das Ausflugsverhalten im Untersuchungsgebiet aussieht, führten die Projektpartnerinnen der Hochschule Heilbronn (tourismuswissenschaftliches Teilprojekt) und der Frankfurt University of Applied Sciences (verkehrswissenschaftliches Teilprojekt) eine quantitative Befragung von Mai 2021 bis Oktober 2021 durch. Aufgrund der Restriktionen der Covid-19-Pandemie im Frühjahr 2021 wurde die Befragung weitestgehend kontaktlos gestaltet. Dafür wurde eine Online-Befragung konzipiert, an welcher über QR- Code oder Weblink-Adresse auf Aufklebern und Plakaten teilgenommen werden konnte. Letztere vermittelten außerdem Informationen über das Forschungsprojekt und den Hintergrund der Befragung. Die Kommunikationsmittel wurden an 18 ausgewählten Points of Interests (POI) und Routes of Interest (ROI) in der Region angebracht, darunter waren Ausflugsziele wie Burgen und Schlösser, Tier- und Wildparks, Naherholungsgebiete sowie Wander- und Radrouten. Vorstellung der Projekt-Ergebnisse Im Folgenden werden die zentralen Ergebnisse zum Mobilitätsverhalten der Teilnehmenden vorgestellt. Mit 73 % ist der PKW das meistgenutzte Verkehrsmittel für die Anreise zu dem jeweiligen Ausflugsziel, gefolgt von etwa 10 % Fußverkehr, 10 % ÖPNV- und 9 % Fahrradbzw. Pedelec- und E-Bike-Nutzenden. Alle weiteren Verkehrsmittel wurden von unter 1 % der Teilnehmenden ausgewählt und genutzt. Es waren Mehrfachantworten möglich, weshalb die Prozentzahlen insgesamt mehr als 100 % ergeben. Wird diese Verkehrsmittelwahl dem Alter gegenübergestellt, lässt sich erkennen, dass das Zu- Bild 1: Infrastrukturkorridor Kinzigtal und Bevölkerungsentwicklung der angrenzenden Kommunen 1 Internationales Verkehrswesen (75) 1 | 2023 48 MOBILITÄT Wissenschaft fußgehen und die ÖPNV-Nutzung in den Altersgruppen 18 bis 25 Jahren ( je 20,5 %) und 66 bis 75 Jahren ( je 20 %) am höchsten ist. Der PKW-Anteil ist in den Altersgruppen 36 bis 45 Jahren (82 %) und 46 bis 55 Jahren (77 %) am höchsten und liegt gleichzeitig über dem Durchschnitt aller Befragungsteilnehmenden. Für die Verkehrsmittelwahl spielt Begleitung (z. B. Familie, Freund: innen oder Hunde) nur eine untergeordnete Rolle. In allen Fällen war der PKW das am häufigsten genutzte Verkehrsmittel. Hierbei ließen sich lediglich bei der Begleitung durch Kinder, Enkelkinder oder andere Verwandte überdurchschnittlich hohe Werte (82 - 90 %) bei der Wahl des PKW feststellen. Teilnehmende, die alleine den Ausflug durchführten, hatten mit 36 % den geringsten PKW-Anteil. Im Gegenzug konnten hier die höchsten ÖPNV- (20 %) sowie Fuß- (28 %) und Radverkehrsanteile (17 %) festgestellt werden. Die drei meistgenannten Gründe für die Verkehrsmittelwahl sowie gleichermaßen für die Wahl des PKW sind „einfachste/ bequemste Lösung“, „Reisezeit“ sowie „Mangel an Alternativen“ (siehe Bild 2). Diese Gründe weisen eine große Ähnlichkeit zu der im Jahr 2010 durchgeführten Studie in der Metropolregion Hamburg auf, bei welcher die Wahl des PKW für die Anreise ebenfalls vorrangig auf diese Gründe zurückgeführt wurde. Die Wahl des ÖPNV wurde durch die Angaben Zeitkartenbesitz und Umweltgründe ergänzt. Für das Fahrrad oder Pedelec kamen die Motive Gesundheit und Umweltgründe hinzu. Ein weiterer Grund für die Wahl des PKW ist die schlechte Erreichbarkeit vieler POI im Untersuchungsgebiet mit dem ÖPNV. Das, im Vergleich zum deutschen Durchschnitt (ca. 3.600 EUR), hohe Nettohaushaltseinkommen bei etwa der Hälfte der Teilnehmenden an der Befragung könnte ebenfalls die Wahl des Verkehrsmittels beeinflussen. Zwar ist in allen Einkommensklassen der PKW das meistgenutzte Verkehrsmittel für die Anreise, der ÖPNV-Anteil ist jedoch mit 30 % und 23 % in den zwei untersten Einkommenskategorien (bis 1.000 EUR und 1.001 bis 1.500 EUR) am höchsten. Bei allen angegebenen Ausflugsmotiven war die Nutzung des PKW - mit einem Anteil von 50 bis über 80 % der befragten Personen - das am häufigsten genutzte Verkehrsmittel. Das Motiv „Kunst und Kultur erleben“ weist mit 24,5 % den höchsten ÖPNV-Anteil auf. Allerdings reisten auch hier über 60 % der Befragten mit dem PKW an. Das Ausflugsmotiv des Veranstaltungsbesuchs weist mit jeweils 12,5 % die höchsten Anteile der Verkehrsmittel Taxi und Fahrrad auf. Ein Großteil der Besuchenden ist in der näheren Umgebung der POI bzw. ROI, an denen befragt wurde, wohnhaft. Dies spiegelt sich in den angegebenen Anreisezeiten wider. 90 % der Befragten hatten eine Anreisezeit von maximal 60 Minuten (siehe Bild 3). Unter die beiden kürzesten Anreisezeit-Kategorien „unter 15 Minuten“ und „15 bis 30 Minuten“ fallen 64 % aller befragten Teilnehmenden. Weitere 17 % benötigten gemäß ihrer Angaben 31 bis 45 Minuten sowie 9 % zwischen 46 und 60 Minuten. Diese Erkenntnisse stehen im Einklang mit den Angaben zum generellen Tagesausflugsverhalten der befragten Personen. Hier gaben 64 % an, dass sie i. d. R. maximal 50 km für einen Tagesausflug zurücklegen. Lediglich 6,5 % der Befragten legen über 100 km für Tagesausflüge zurück. Die zeitlichen Angaben verdeutlichen dies ebenfalls. 77 % der Teilnehmenden nehmen maximal 60-Minuten Anfahrtszeit für einen Tagesausflug in Kauf. Mehr als zwei Stunden Anfahrtszeit wurden von nur 1,5 % der Befragten angegeben. Die Ergebnisse der bereits erwähnten BZT-Studie zeichnen ein davon etwas abweichendes Bild: Die Teilnehmenden dieser Studie sind bereit, weitere Strecken für Tagesausflüge zurückzulegen. Bei 28% liegen die Ziele in einem Umkreis von bis zu 50 km. 42 % gaben an, dass sie 51 bis 100 km zurücklegen und für 23 % der Befragten darf das Ziel über 100 km weit entfernt liegen. Auch hier zeigen sich die ausbaufähige Anbindung durch den ÖPNV sowie die fehlende Infrastruktur für den Radverkehr. Trotz der geringen Distanzen und Anreisezeiten wurde in den meisten Fällen weder der ÖPNV noch ein Fahrrad oder Pedelec für die Fahrt zum Ausflugsziel genutzt. Im Rahmen der durchgeführten Befragung hatten die Teilnehmenden die Aufgabe, sich einem von sieben Mobilitätstypen zuzuordnen. Diese Typen stellen „keine festen Gruppen [dar], in denen alle Personen die gleichen 484 252 198 64 51 63 50 30 5 79 47 52 17 0 100 200 300 400 500 einfachste/ bequemste Lösung Reisezeit Mangel an Alternativen Gepäcktransport/ sperrige Sachen Reisekosten Reisegenuss/ Reisekomfort Wetter Abobesitz (z.B. Job- oder Semesterticket) kein Parkplatz am Zielort / Parkplatz schwer zu finden aus Umweltgründen Spaziergang aus Gesundheitsgründen Sonstiges Anzahl an Nennungen Gründe für die Wahl des Verkehrsmittels (bis zu 3 Nennungen möglich) (n = 611) Bild 2: Gründe für die Wahl des Verkehrsmittels Eigene Erhebung 21% 43% 17% 9% 10% Anreisezeit (in Minuten) zum Ausflugsziel (n = 606) unter 15 Minuten 15 - 30 Minuten 31 - 45 Minuten 46 - 60 Minuten über 60 Minuten Bild 3: Anreisezeit (in Minuten) zum Ausflugsziel Eigene Erhebung Internationales Verkehrswesen (75) 1 | 2023 49 Wissenschaft MOBILITÄT Charakteristika vorweisen“[11]. Sie besitzen Gemeinsamkeiten in Bezug auf „mobilitätsrelevante Eigenschaften wie Mobilitätsverhalten und Mobilitätseinstellungen“ [11]. Interessant ist hierbei, dass nur 32 % der Befragten sich dem PKW-affinen Mobilitätstypen zuordneten. Während etwa die Hälfte der Teilnehmenden angab, überwiegend Verkehrsmittel des Umweltverbundes (umweltbewusster, Rad-affiner und ÖV-orientierter Mobilitätstyp) oder unterschiedliche Verkehrsmittel (multioptionaler Mobilitätstyp) für die täglichen Wege zu nutzen (siehe Bild 4). Hier zeigt sich eine Diskrepanz zwischen der Verkehrsmittelwahl für die Anreise zum POI (ein Großteil wählte den PKW) sowie der Zuordnung zu einem Mobilitätstyp. Dies könnte ebenso bedeuten, dass hier eigentlich ein Potenzial für die Anreise mit Verkehrsmitteln des Umweltverbunds vorzufinden ist, sofern eine zielnahe Anbindung bzw. eine hinnehmbare Anreisezeit vorhanden ist. Dabei sollte jedoch nicht unbeachtet bleiben, dass die Zuordnung zu einem der Mobilitätstypen aufgrund von sozialer Erwünschtheit beeinflusst sein könnte. Fazit und weiterer Forschungsbedarf Welche Implikationen haben die vorgestellten Daten nun? Für die Anreise zu einem POI oder einer ROI wird überwiegend der eigene PKW genutzt. Die Gründe für die Verkehrsmittelwahl machen deutlich, dass im Untersuchungsgebiet des Forschungsprojekts NaTourHuKi viele Orte gut mit dem PKW, hingegen schlecht mit dem ÖPNV zu erreichen sind. Viele der befragten Personen hatten eine kurze Anreise von max. 60 Minuten, da sie in der Nähe der Ausflugsziele wohnen. Auch die Verteilung der Mobilitätstypen zeigen ein Potenzial für die Nutzung von ÖPNV und Fahrrad. Trotz dieser Gründe wurden diese Verkehrsmittel nur von einem kleinen Teil der Teilnehmenden für die Anreise genutzt. Dies wirft die Frage auf, ob die verkehrliche Anbindung alleine relevant für die Entscheidung gegen den ÖPNV ist. Die hier vorgestellten Ergebnisse indizieren einen gewissen Gewohnheitseffekt bei der Verkehrsmittelwahl, können jedoch nicht eindeutig belegt werden. Es bleiben Fragen offen, z. B. wie können nachhaltige Mobilität bzw. der Umweltverbund weiter gefördert werden? Reicht es aus, Anreize für nachhaltige Verkehrsmittel zu setzen oder muss auch die Nutzung von PKW und motorisiertem Individualverkehr unattraktiver gemacht werden? Somit ist vor allem für das Nachfrageverhalten weiterer Forschungsbedarf gegeben, der über reine verkehrswissenschaftliche Analysen hinausgeht und insbesondere motivationale und psychologische Fragestellungen adressiert. ■ 1 Das Verbundforschungsprojekt „Nachhaltiges Tourismuskonzept für Hanau und den westlichen Teil des Main-Kinzig-Kreises im Kontext des Regionalparks RheinMain“ (NaTourHuKi) ist ein Projekt in der Fördermaßnahme „Stadt- Land-Plus“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), angesiedelt im Cluster „Regionale Gerechtigkeit“. Partner: innen in dem Projekt sind die Technische Universität Darmstadt (Verbundleitung), Hochschule Heilbronn, Frankfurt University of Applied Sciences, Stadt Hanau, Spessart Tourismus und Marketing GmbH und Regionalpark Ballungsraum RheinMain gGmbH; weitere Informationen verfügbar unter www.natourhuki.de. LITERATUR [1] Wegweiser Kommune (2022): . www.wegweiser-kommune.de/ (Zugriff vom 13.10.2022). [2] Mobilitätsleitbild Hanau (2021): https: / / zukunft-hanau.de/ wp-content/ uploads/ 2021/ 12/ 20210427_Mobilita%CC%88tsleitbild_Handlungsfeld-Z-iele-final-Internetseite.pdf (Zugriff vom 16.12.2021). [3] DWIF Corona-Kompass (2022): (). https: / / www.dwif.de/ corona-kompass.html (Zugriff vom 19.12.2022). [4] DWIF (2013): Tagesreisen der Deutschen 2013. München. [5] Gerike, R.; Hubrich, S.; Ließke, F,; Wittig, S.; Wittwer, R.: (2020) Was sich zeigt. Präsentation und Diskussion des Ergebnisses des SrV 2018. Ergebnisdarstellung zum 11. Erhebungsdurchgang „Mobilität in Städten - SrV 2018“. Dresden. [6] Nobis. C.; Kuhnimhof, T. (2018): Mobilität in Deutschland − MiD: Ergebnisbericht. [7] Ecke, L.; Chlond, B.; Magdolen, M.; Vallée, J.; Vortisch, P. (2021): Deutsches Mobilitätspanel (MOP) - Wissenschaftliche Begleitung und Auswertungen Bericht 2020/ 2021: Alltagsmobilität und Fahrleistung. Karlsruher Institut für Technologie (KIT). [8] Arbeitskreis Tourismus FrankfurtRheinMain (2018): Wirtschaftsfaktor Tourismus in der Region FrankfurtRheinMain. [9] ift Freizeit- und Tourismusberatung GmbH (2011): Tagesreisen der Bewohner der Metropolregion Hamburg. Endbericht mit Handlungsempfehlungen. Köln. [10] Bayerisches Zentrum für Tourismus e.V. (2021): Tagesausflugsverhalten der bayerischen Bevölkerung. [11] Schäfer, P. K.; Quitta, A.: Nutzergruppen und Standortfaktoren: Empfehlungen zur Entwicklung von elektromobilen Dienstleistungen in der Region FrankfurtRheinMain. 3- Frankfurt RheinMain vernetzt - Frankfurt RheinMain vernetzt - Dienstleistungen fördern elektrische Mobilität (DieMoRheinMain). (1) Steht der Verkehrsmittelwahl eher gleichgültig gegenüber. (2) Legt die Wege bevorzugt mit dem Pkw zurück. (3) Nutzt für die täglichen Wege unterschiedliche Verkehrsmittel. (4) Ist meist gezwungen ein bestimmtes Verkehrsmittel zu nutzen (aufgrund mangelnder Alternativen). (5) Ist meistens mit dem öffentlichen Verkehr unterwegs. (6) Benutzt überwiegend den Umweltverbund. (7) Nutzt überwiegend und gerne das Fahrrad. 8% 13% 6% 12% 25% 32% 4% 0% 10% 20% 30% 40% Rad-affiner Mobilitätstyp (7) Umweltbewusster Mobilitätstyp (6) ÖV-orientierter Mobilitätstyp (5) Zwangsmobiler Mobilitätstyp (4) Multioptionaler Mobilitätstyp (3) Pkw-affiner Mobilitätstyp (2) Wenig mobiler Mobilitätstyp (1) Anteil der Teilnehmenden Verteilung der Mobilitätstypen (n=594) Bild 4: Verteilung der Mobilitätstypen Eigene Erhebung Petra K. Schäfer, Prof. Dr.-Ing. Professorin für Verkehrsplanung, Research Lab for Urban Transport, Frankfurt University of Applied Sciences petra.schaefer@fb1.fra-uas.de Kristina Epple, M.A. Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Fakultät International Business, Hochschule Heilbronn; Doktorandin, Fachbereich Architektur, Technische Universität Darmstadt kristina.epple@hs-heilbronn.de Dana Stolte, M.Eng. Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Research Lab for Urban Transport, Frankfurt University of Applied Sciences; Doktorandin, hochschulübergreifendes Promotionszentrum Mobilität und Logistik dana.stolte@fb1.fra-uas.de Ralf Vogler, Prof. Dr. Studiendekan Tourismusmanagement, Forschungsprofessur für Tourismuspolitik und -entwicklung, Fakultät International Business, Hochschule Heilbronn ralf.vogler@hs-heilbronn.de
