eJournals Internationales Verkehrswesen 75/1

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2023-0020
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Wertvolle Daten für einen intelligenten ÖPNV

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Jan Engelschalt
Wie viele Menschen halten sich an einem Ort auf, wann ist das Personenaufkommen besonders hoch, wo entstehen Wartezeiten? Intelligente Lösungen, die Echtzeit-Informationen zu diesen Fragen liefern, sind in stationären Installationen, wie etwa im Einzelhandel, bereits seit Jahren im Einsatz. Die Anwendungen basieren auf Netzwerkkameras mit integrierter Videoanalyse. Auch im öffentlichen Personenverkehr wird es immer wichtiger, einen Überblick über die Zahl der anwesenden Personen zu bekommen. Betreiber rüsten daher sukzessive auf, entwickeln Strategien zur Generierung von Echtzeit-Daten und schaffen so mehr Effizienz und Sicherheit im ÖPNV.
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Internationales Verkehrswesen (75) 1 | 2023 69 Wertvolle Daten für einen intelligenten ÖPNV Wie Netzwerktechnologie den öffentlichen Nahverkehr leistungsfähiger, sicherer und vertrauenswürdiger macht Öffentlicher Personenverkehr, Echtzeit-Information, Netzwerkkamera, Videoanalyse Wie viele Menschen halten sich an einem Ort auf, wann ist das Personenaufkommen besonders hoch, wo entstehen Wartezeiten? Intelligente Lösungen, die Echtzeit-Informationen zu diesen Fragen liefern, sind in stationären Installationen, wie etwa im Einzelhandel, bereits seit Jahren im Einsatz. Die Anwendungen basieren auf Netzwerkkameras mit integrierter Videoanalyse. Auch im öffentlichen Personenverkehr wird es immer wichtiger, einen Überblick über die Zahl der anwesenden Personen zu bekommen. Betreiber rüsten daher sukzessive auf, entwickeln Strategien zur Generierung von Echtzeit-Daten und schaffen so mehr Effizienz und Sicherheit im ÖPNV. Jan Engelschalt M it Ausbruch des Corona-Virus erlebte der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) in Deutschland einen signifikanten Einbruch beim Verkauf von Fahrscheinen und Monatskarten: Laut dem Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) sanken die Einnahmen ab diesem Zeitpunkt um ganze 70 bis 90 Prozent. 1 Mit dem Rückgang der Infektionszahlen entspannte sich die Lage wieder und öffentliche Verkehrsmittel, wie Busse und Bahnen, wurden wieder vermehrt genutzt. Im Sommer dieses Jahres sorgte das 9-Euro-Ticket im öffentlichen Personennahverkehr schließlich sogar für großen Andrang an Bahnhöfen, teils überfüllte Züge und Verspätungen im Bahnverkehr. Der schnelle Wiederanstieg der Passagierzahlen nach der kritischen Corona-Phase und die große Nachfrage nach dem 9-Euro-Ticket zeigen: Der ÖPNV ist aus unserer urbanen Mobilität nicht wegzudenken - er muss aber speziell auch in Krisenzeiten, etwa während der Covid-19-Pandemie, sowie in Spitzenzeiten, wie sie beispielsweise durch kurzzeitige Sonderangebote entstehen, anpassungsfähig sein und den aktuellen Anforderungen von Fahrgästen an das öffentliche Verkehrssystem gerecht werden. Passagiere müssen wieder Vertrauen gewinnen. Vertrauen in die Sicherheit und Zuverlässigkeit der Umgebung, in der sie sich bewegen und in die Verkehrsunternehmen, die diese Umgebung maßgeblich mitgestalten. Für die verantwortlichen Betriebe setzt das voraus, dass sie in der Lage sind, Ausbeziehungsweise Vorhersagen über Fahrgast- und Fahrzeugbewegungen zu treffen. Diese Informationen wiederum sind relevant, um die Anzahl der Personen auf engem Raum zu begrenzen. Foto: Axis Communications Öffentlicher Verkehr TECHNOLOGIE Internationales Verkehrswesen (75) 1 | 2023 70 TECHNOLOGIE Öffentlicher Verkehr Mit Netzwerk-Kameras in die Zukunft Auf dem Weg hin zu einer neuen Normalität im ÖPNV kommt Technologien eine entscheidende Bedeutung zu. In der Regel kommen hier Netzwerk-Videolösungen in Kombination mit fortschrittlichen Analysemethoden zum Einsatz, zum Beispiel in Form von Onboard-Kameras in Bahnwaggons und Bussen. Sie liefern automatisiert einen Echtzeit-Überblick über die Gesamtanzahl der anwesenden Personen. Um den Einsatz solcher Technologien unter realen Bedingungen für zukünftige Serienfahrzeuge zu testen, brachte die Berliner Verkehrsgesellschaft (BVG) 2018 den „Zukunftsbus“ auf die Straße. An Bord: zehn Netzwerk-Kameras für die Aufnahme von Videobildern, teilweise ausgestattet mit speziellen Sensoren zur Personenzählung. Mithilfe dieser Kameras werden dem Fahrgast bereits an der Tür über einen TFT-Monitor die freien Sitzplätze im Obergeschoss des Doppeldeckers angezeigt. Die Personenverteilung wird dadurch optimiert und die Sicherheit erhöht (Bild 1). Der Zukunftsbus der BVG ist nur ein Beispiel, wie Netzwerktechnologie den ÖPNV sicherer und attraktiver macht. Auch andere Mobilitäts- und Transportunternehmen, etwa die Deutsche Bahn, kommunizieren Benachrichtigungen in Echtzeit an ihre Fahrgäste - bislang häufig noch lediglich die Gesamtauslastung betreffend. Doch die Leistungsfähigkeit der technologischen Lösungen entwickelt sich kontinuierlich weiter und Unternehmen arbeiten mit Hochdruck an Wegen, mittels modernster Anwendungen, wie KI und Deep Learning, präzise Informationen etwa über Platzbelegung, Personenzahlen und Fahrgastbewegungen zu erhalten. Dies ist im Übrigen vor allem für Züge sinnvoll und notwendig, da genaue Angaben hier aufgrund der mehreren vorhandenen Wagons und Eingänge wesentlich schwerer zu machen sind als im Falle eines Busses. Kompakt, maximal leistungs- und widerstandsfähig Parallel nimmt auch die Leistungsfähigkeit von Onboard-Netzwerk-Kameras hinsichtlich Rechenleistung und Bildqualität sowie Robustheit der mechanischen Komponenten stetig zu. Schwankende Temperatur- oder Lichtverhältnisse bis hin zu völliger Dunkelheit stellen für die neueste Generation von Onboard-Kameras dank Infrarot- LEDs kein Problem mehr dar, moderne Videokompressionsverfahren sparen zudem Speicherplatz ein. Mit steigender Rechenleistung eröffnen sich außerdem vielfältige neue Möglichkeiten im Bereich der Videoanalytik: Da sich mittlerweile recht leicht Edge-basierte Analysesoftware-Applikationen direkt auf den Kameras installieren lassen, wird zusätzliche Hardware obsolet. Das vereinfacht für die Verkehrsunternehmen auch den Zugriff auf die erforderlichen Daten. Ein weiterer Vorteil solcher Systeme: Sie lassen sich problemlos skalieren. Für den Fall, dass mehr Daten benötigt werden, muss pro Eingang jeweils nur eine neue Kamera installiert werden. Die dadurch gewonnenen Daten verhelfen nicht nur zu genereller Erkenntnis über die Nutzung des ÖPNV anhand der Fahrgastzahlen, darüber hinaus lassen sich Dienstleistungen auf dieser Basis optimieren, der Einsatz von Personal effizienter gestalten und das Infektionsrisiko senken. Cybersicherheit in der gesamten Wertschöpfungskette Neben diesen positiven Effekten entstehen mit dem steigenden Potenzial von Technologien sowie dem vermehrten Einsatz von KI- und Deep Learning-Methoden allerdings auch neue Angriffsflächen. Wo relevante Daten generiert werden, besteht immer auch die Gefahr, dass diese in die Hände von Cyberkriminellen geraten und die Privatsphäre von Passagieren verletzt wird. Es gilt, diese Gefahren möglichst gering zu halten - und das beginnt bereits bei der Entwicklung von Systemen, wie beispielweise Netzwerk-Kameras. Anbieter sollten dafür Sorge tragen, dass ihre Produkte keine Risikofaktoren darstellen. Sicherheit als fester Bestandteil im Prozess der Technologieentstehung, Stichwort „secure by design“: Auch das ist ein Qualitätsmerkmal. Die konkreten Cybersicherheitsbedürfnisse und Anforderungen an entsprechende Sicherheitskonzepte sind von Transportunternehmen zu Transportunternehmen unterschiedlich. Eine einheitliche Lösung, die für alle passt, gibt es nicht und muss es auch nicht geben. Entscheidend ist, dass Informationssicherheits-Strategien klar definiert sind, dass die Verantwortung für deren Umsetzung nicht auf den Schultern einzelner Personen liegt und dass sich innerhalb einer Organisation alle relevanten Projektbeteiligten an die herrschenden Vorgaben halten. Mit dem vermehrten Einsatz von Videokameras wächst bei Passagieren das Bedürfnis nach Transparenz darüber, was mit ihren Daten passiert. Datenschutz-Konformität und Datenverschlüsselung sind im ÖPNV deshalb besonders wichtig und auch Axis Communications legt bei seinen Technologien großen Wert auf diese Themen. So werden Netzwerk-Kameras und Videostreams auf verschiedene Arten gesichert und unter anderem mithilfe HTTPS (SSL/ TLS) verschlüsselt. Darüber hinaus sorgen beispielsweise IP-Adressfilter oder die Authentifizierung mithilfe von IEEE 802.1X - eine Methode, mit der ein Netzwerk vor dem Zugriff durch nicht autorisierte Geräte geschützt wird - für Datensicherheit. Um personenbezogene Daten von Passagieren zu schützen, kann darüber hinaus die Analysesoftware AXIS Live Privacy Shield eingesetzt werden. Diese wendet standardmäßig eine dynamische Maskierung auf zuvor der Zweckbindung entsprechende definierte Bereiche des Sichtfelds der Kamera an. Auf diese Weise können Passagiere, beispielsweise an Bushaltestellen, grundsätzlich maskiert werden. Daten und Analysen in Echtzeit Netzwerk-Kameras liefern in Echtzeit wertvolle Daten und Analysen zu Fahrgastzahlen, Fahrzeugbelegungen, Personenströmen in Verkehrsmitteln und auf Bahnsteigen. Sie können helfen, Überbelegungen zu vermeiden und Kapazitäten anzupassen, verbessern den Verkehrsfluss und den Service für Kunden. Das steigert das Vertrauen von Passagieren in den öffentlichen Personennahverkehr - das war und ist sowohl im Fall von Nachfrage-Peaks als auch während Pandemiezeiten, in der die Einhaltung von Social-Distancing-Regeln in den Fokus rückt, essenziell. Doch auch unabhängig von solchen außergewöhnlichen Anlässen tragen Netzwerk-Kameras erfolgreich zu Kundenzufriedenheit, Fahrgastsicherheit und damit letztlich zu einem intelligenten und funktionierenden ÖPNV bei. ■ 1 Quelle: www.zeit.de/ mobilitaet/ 2020-04/ verkehrsunternehmen-coronavirus-existenzangst-finanzierung Bild 1: Sitzplatzanzeige im BVG Zukunftsbus Foto: LAT Jan Engelschalt EMEA Transportation Segment Expert, Axis Communications, Berlin jan.engelschalt@axis.com