Internationales Verkehrswesen
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expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2023-0033
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Digitales Testfeld Air Cargo
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Lars Mehrtens
Oliver Ditz
Manuel Wehner
Das „Digitale Testfeld Air Cargo (DTAC)“ umfasst insgesamt sechs eigenständige Teilprojekte, in denen Lösungen entwickelt und demonstriert werden, die sich des fragmentierten, weitgehend nicht-digitalen
Luftfrachtsystems annehmen. Dabei werden Aufbau und Betrieb digitaler und intelligenter Anwendungen und Lösungen vorangetrieben sowie automatisierte bzw. autonome land- und luftseitige Prozesse er-
probt. Einzigartig sind dabei zum einen die standortübergreifende, starke Zusammenarbeit mit der Industrie sowie der Open-Source-Ansatz.
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Internationales Verkehrswesen (75) 2 | 2023 42 LOGISTIK Digitalisierung Digitales Testfeld Air Cargo Open Source für die Luftfracht Luftfracht, Digitalisierung, Open Source, IATA ONE Record, Autonomes Fahren/ Fahrerlose Transportsysteme, Predictive Analytics Das „Digitale Testfeld Air Cargo (DTAC)“ umfasst insgesamt sechs eigenständige Teilprojekte, in denen Lösungen entwickelt und demonstriert werden, die sich des fragmentierten, weitgehend nicht-digitalen Luftfrachtsystems annehmen. Dabei werden Aufbau und Betrieb digitaler und intelligenter Anwendungen und Lösungen vorangetrieben sowie automatisierte bzw. autonome land- und luftseitige Prozesse erprobt. Einzigartig sind dabei zum einen die standortübergreifende, starke Zusammenarbeit mit der Industrie sowie der Open-Source-Ansatz. Lars Mehrtens, Oliver Ditz, Manuel Wehner D ie Rolle der Luftfracht ist in den letzten Jahren sehr deutlich geworden. Neben der Leistungsfähigkeit und Flexibilität sind aber auch die Grenzen des Systems immer deutlicher sichtbar. Die Branche gilt nicht als besonders innovativ, viele Tätigkeiten basieren auf manuellen Prozessen und papierbasierten Dokumenten. Zusätzlich hat die Branche, wie viele andere, mit dem Mangel an Fachkräften zu kämpfen. Erfolgreiche Umsetzungen von Digitalisierungs- und Automatisierungsprojekten in anderen Branchen lassen auch für die Luftfracht auf ein hohes Potential schließen. Welche Effekte hätten etwa eine vollständige Digitalisierung der Transportkette, KI-gestützte Ressourcenplanung und autonome Transporte an Flughäfen? Antworten darauf wird das vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr mit rund 7 Mio. EUR geförderte Forschungsprojekt „Digitales Testfeld Air Cargo (DTAC) in den nächsten zwei Jahren geben. Denn das Ziel ist es, die Abfertigung der Luftfracht durch eine bessere Vernetzung über Unternehmensgrenzen hinweg und durch die digitale oder automatisierte Unterstützung ausgewählter Prozessabschnitte effizienter zu gestalten. Unter der Leitung des Fraunhofer IML, unterstützt durch die Frankfurt UAS, und den operativen Partnern wie den Flughäfen Köln-Bonn, Frankfurt, Leipzig, Stuttgart, Düsseldorf und München sowie Lufthansa Cargo, DB Schenker, Sovereign Speed, CHI und LUG arbeitet das Projektteam an transparenten Lösungen, die der gesamten Branche weitestgehend als Open-Source-Lösungen zur Verfügung gestellt werden (Bild 1). Was ist ein digitales Testfeld? Digitale Testfelder sind ein wesentlicher Bestandteil der Forschungs- und Innovationsförderung des Bundes für die digitale Transformation. Sie sprechen dabei verschiedene gesellschaftliche Gruppen an. Die Forschung und Industrie erhält die Möglichkeit, aus erster Hand Praxiserfahrungen in einer realen Umgebung zu sammeln, während die Politik daraus Informationen erhält, die als Entscheidungsgrundlage für zukünftige Beschlüsse genutzt werden kann. Die Luftfracht gilt häufig nicht als besonders innovativ, da es in diesem Bereich seit langem kaum größere technologische Fortschritte gab, die die Arbeitsweise grundlegend verändert haben. Ein häufig angeführter Grund dafür ist die These, dass die Luftfracht aufgrund der Komplexität und Flexibilität nicht weiter zu digitalisieren ist. An der Luftfrachtabfertigung sind mehrere Akteure beteiligt, darunter Fluggesellschaften, Spediteure, Zollmakler und Versender, die überwiegend individuelle Verfahren und Systemlösungen verwenden. Zusätzlich ist die Luftfahrt stark reguliert und die Vorschriften sind von Land zu Land unterschiedlich. Eine einheitliche digitale Plattform zu schaffen, die von allen Beteiligten genutzt werden kann, ist daher schwer. Des Weiteren ist die Luftfracht eine sehr wettbewerbsintensive Branche, in der viele Unternehmen nur zögerlich in die Digitalisierung investieren können. Es lassen sich drei generelle Kernthemen identifizieren, die bei der Entwicklung von Branchenlösungen zu berücksichtigen sind, damit diese Anwendung finden können: Fehlende Investitionen in Technologie Die Luftfrachtbranche hat nur langsam in neue Technologien wie Automatisierung, Datenanalyse und Digitalisierung investiert. Dies hat zu einem Mangel an Innovation und Effizienz in der Branche geführt. Fragmentierte Lieferketten und Vertragsverhältnisse Die Luftfrachtbranche ist stark fragmentiert, und an der Lieferkette sind zahlreiche Akteure beteiligt. Das macht es schwierig, die gesamte Lieferkette zu koordinieren und zu erneuern. Verständnis für regulatorische Hindernisse Fehlende Harmonisierung: Die Luftfrachtvorschriften sind von Land zu Land unterschied- 7 Teststandorte 2 Forschungseinrichtungen 9 Industriepartner Bild 1: Das DTAC-Konsortium Alle Abbildungen: Autoren Internationales Verkehrswesen (75) 2 | 2023 43 Digitalisierung LOGISTIK Was ist ONE Record? ONE Record ist eine von der IATA vorangetriebene Initiative, um die veralteten Datenstandards CargoIMP und CargoXML abzulösen und gleichzeitig die Datensilos entlang der Transportkette aufzubrechen und die Zusammenarbeit über Unternehmensgrenzen hinaus mit standardisierten Datenformaten den Datenaustausch zu vereinfachen. Dabei werden Dokumente nicht mehr erstellt, versendet und vielfach weitergereicht, sondern jeder Akteur stellt seine Daten standardisiert im Internet über moderne Schnittstellen bereit und gewährt anfragenden Unternehmen Zugriff. Die Vorteile dieser Digitalisierung und der Wechsel zu einem informationsbedarfsgetriebenen Ansatz sind nicht nur der reduzierte ökologischere Fußabdruck, sondern fördern auch eine stärkere Integration von Geschäftsprozessen zwischen Unternehmen. Der Standard erlaubt neben dem Datenaustausch auch das Teilen von Anhängen wie Dokumenten oder Status-Informationen aus IoT-Sensorik. lich, was es den Unternehmen erschwert, grenzüberschreitend tätig zu werden. Intransparenz: Luftfrachtvorschriften können komplex und schwer zu verstehen sein, was es den Unternehmen erschwert, sie einzuhalten. Hohe Kosten: Die Einhaltung der Luftfrachtvorschriften kann kostspielig sein, was zu höheren Kosten für die Unternehmen führt. Die Branche braucht Innovationen in Bereichen wie Tracking und Tracing, Digitalisierung, Automatisierung und Nachhaltigkeit. Zusätzlich bieten verbesserte Datenanalysefähigkeiten und prädiktive Analytik die Chance, Kundenbedürfnisse besser zu verstehen und den Betrieb zu optimieren. Um diese Herausforderungen anzugehen, stellt der DTAC-Lösungsansatz neutrale und standortübergreifende Lösungen, die konsensfähig sind, in den Vordergrund. Insgesamt umfasst das DTAC drei Themenfelder in sechs Teilprojekten (vgl. Bild 2): •• Standardisierter Datenaustausch zwischen allen Akteuren der Luftfrachttransportkette mittels ONE Record •• Automatisierung und Autonomisierung in dispositiven Handling- und Transportprozessen der Luftfracht •• Neue Konzepte und Methoden zur Optimierung der Auslastung und Kapazitäten Themenfeld 1: Standardisierter Datenaustausch zwischen allen Akteuren der Luftfrachttransportkette mittels ONE Record Zentraler Bestandteil für die benötigte grundlegende Reformation des Datenaustauschs soll dabei der neue Datenstandard ONE Record der IATA sein, umgesetzt als Open Source Server Software Package namens NE: ONE (opeN sourcE: ONE record server software). NE: ONE setzt dabei das Datenmodell und die API-Spezifikationen des IATA ONE Record-Standards vollständig um. Darüber hinaus sind verschiedene Effizient- Features vorgesehen, um die Adaption weiter zu vereinfachen. Kernziel von NE: ONE ist es, den Betrieb eines ONE Record-Servers und damit die Teilnahme am Datenaustausch out-of-the-box zu erleichtern und somit die Einstiegshürde gerade für kleinere Unternehmen zu senken. Im Rahmen des Projekts soll das ONE Record-Servernetzwerk mit echten Daten bespielt und getestet werden und zeigen, dass reale Use Cases der Industrie abgedeckt werden können. Zusätzlich wird ein unternehmensübergreifender Digitaler Avatar entwickelt, der seine Daten durch ONE Record bezieht und intern gemäß dem Standard verarbeitet. Der Digitale Avatar soll eine Blaupause für ähnliche kollaborative Simulationsprojekte an anderen Standorten werden und aufzeigen, dass eine höhere Datentransparenz und eine moderne Datenhaltung allen Beteiligten viele Chancen bieten. Mit diesen beiden Werkzeugen wird der ONE Record-Standard auf seine Praxistauglichkeit geprüft, Input für dessen Weiterentwicklung geschaffen und der Luftfrachtbranche aufgezeigt, welches Potential ein moderner Datenaustausch für jedes Unternehmen bietet. NE: ONE wird von Beginn an transparent im Repository der Open Logistics Foundation entwickelt und steht jedem Interessierten kostenlos zur Verfügung. Ziel ist es, dass daraus eine Open Source Community von Nutzern entsteht, die diese Basiskomponente nicht nur nutzen, sondern zusammen weiterentwickelt. Grundlage für die Test- und Weiterentwicklung ist dabei die starke Zusammenarbeit mit der Industrie. Zusammen mit ausgewählten Projektpartnern wurden verschiedene Use Cases ausgearbeitet, die unterschiedliche Probleme von mangelndem Datenaustausch heutzutage aufdecken und aufzeigen, wie diese mit ONE Record gelöst werden können. Die Use Cases reichen dabei vom einfachen digitalen Austausch der Sendungsdaten, über ein detailliertes CO 2 -Monitoring, bis hin zum Tracking von LKW-Standzeiten, um eine höhere Transparenz und damit Planbarkeit in die Prozesse zu bekommen. Neben dem reinen Datenaustausch werden auch Ansätze entwickelt, wie diese Daten in der Operative sinnvoll genutzt werden können. Eine Auswertung der aktuellen Verfahren macht deutlich, dass - während der physische Umschlag weitestgehend ähnlich abläuft - der Datenbedarf zur Identifikation der Sendung auf unterschiedlichen Referenznummern basiert, sodass bei jedem Lagereingang ein neues Label nötig ist, um die dazugehörigen Informationen aus den eigenen Lagersystemen abrufen zu können. Dies erfordert einen manuellen Abgleich und Identifikation des Packstücks mit den Frachtpapieren, was entsprechendes Fehlerpotenzial bieten. In Folge wurden vier Entwicklungsbereiche als priorisierter Handlungsbedarf identifiziert: •• Infrastrukturunabhängiger Abruf von Sendungsinformationen am einzelnen Packstück •• Dokumentation von Transportbeschädigungen für ein individuelles Packstück, sodass diese Beschädigung im weiteren Prozessverlauf nicht mehr erneut dokumentiert werden muss •• Offene Nutzung von Sensordaten, wie GPS, Schock oder der Temperatur, um den Zustand und Status einer oder mehrerer gemeinsam verladenen Sendungen zu ermitteln •• Bessere und schnelle Ortung einer Sendung bei unbekanntem Standort Diese vier Bereiche werden in zwei Entwicklungssträngen bearbeitet. Ein Entwicklungsstrang sieht eine Verbindung zu NE: ONE vor, sodass die Daten der ONE Record-Infrastruktur aktiv im Lagerumschlag Bild 2: Die 6 Teilprojekte des „Digitalen Testfeld Air Cargo“ Internationales Verkehrswesen (75) 2 | 2023 44 LOGISTIK Digitalisierung genutzt werden können. Dazu wurde ein universelles QR-Code-Label, das sog. „NE: ONE Tag“ entwickelt. Sobald ein Partner das Label anbringt, kann es von ihm und allen weiteren Beteiligten in sämtlichen Prozessschritten gescannt und per App ausgelesen werden. Über den im QR-Code hinterlegten Link zu den individuellen Packstück-Informationen werden von den dezentralen/ einzelnen ONE Record-Servern der Partner einzelne Datenfelder abgerufen und zu Sendungsinformationen aggregiert. Die Masken in der App sollen dabei frei konfigurierbar sein, sodass die ausgegebenen Informationen und Referenzen entsprechend der jeweiligen Tätigkeit in den unterschiedlichen Prozessschritten angezeigt werden können (Bild 3). Im 2. Entwicklungsstrang wird ein weiterführendes „NE: ONE Pouch“-Konzept entwickelt, welches manuelle Scanvorgänge gänzlich überflüssig machen soll. Hierzu wird das an jedem Packstück angebrachte „Tag“ um passiven Sensorik (NFC/ RFID) erweitert und eine „aktive“ (lesende) Einheit, z. B. beim Konsolidieren von Fracht, erstellt automatisch ein Manifest. Ebenso lässt sich darüber z. B. der Standort von identifizierten Sendungen automatisiert auf eine große Anzahl an Sendungen übertragen und aktiv teilen (Bild 4). Themenfeld 2: Automatisierung und Autonomisierung in dispositiven Handling- und Transportprozessen der Luftfracht Ziel des Themenfelds ist es, gemeinsam mit der Industrie entlang der Luftfracht-Prozesskette, mit dem aktuellen, verfügbaren Stand der Technik die Machbarkeit einer Teilautomatisierung der Vorfeldtransporte sowie des Frachtlager-Handlings zu demonstrieren. Durch den Einsatz von automatisierten Fahrzeugen soll die Planbarkeit in der Prozesskette perspektivisch erhöht, die Personalbindung verringert und das Ressourcenmanagement der Geräte verbessert werden. Aus einer bruchstückhaften Kette verschiedener Einzeltransporte wird so ein ressourcen-optimierter Just-in-Time-Prozess. Die Entwicklung von automatisiertem und autonomem Fahren schreitet in großen Schritten voran und inzwischen gibt es dezidierte Entwicklungen für das Vorfeld. Transporte sind ein elementarer Baustein der Luftfrachttransportkette, insbesondere in der Bereitstellung auf dem Vorfeld und innerhalb der Luftfrachtlagerhallen für den Frachtaufbau. Durch die räumliche Ausdehnung und die häufig gegebene Trennung von Fracht- und Passagierterminals an Flughäfen entstehen lange Fahrtwege mit hoher Personalbindungsdauer. Gleichzeitig führt dies zu notwendigen Pufferzeiten an den Prozessschnittstellen - sowohl unternehmensintern als auch zwischen den beteiligten Abfertigungs- und Transportunternehmen. Wesentliche Gründe für den bislang niedrigen Automatisierungsstand sind vor allem im niedrigen Standardisierungsgrad der Luftfracht sowie den zugehörigen Abfertigungsprozessen zu finden. Während die Transporteinheiten bspw. in der Seefracht in hohem Maße standardisiert sind, steht im Bereich der allgemeinen Luftfracht-Abfertigung die Flexibilität im Vordergrund: Flugzeugtypen haben unterschiedliche Anforderungen, was bspw. die Konturen, Maße, Waren-Positionierung und Gewichtsverteilung der Transporteinheiten betrifft. Die vor- und nachgelagerten Abfertigungsprozesse sind ebenfalls größtenteils variabel. Die Anlieferung von bereits flugbereit gepackten Einheiten im Luftfrachtcontainer, der mit begrenztem Aufwand am Flughafen umgeschlagen und zum Flugzeug transportiert werden könnte, ist eher selten. In der Regel werden Sendungen einzeln angeliefert und müssen vor Ort aufwändig und händisch konsolidiert werden. Somit ergibt sich eine Vielzahl an Prozessvariationen, die den niedrigen Standardisierungs- und letztlich Automatisierungsgrad erklären. Als weitere Gründe für den Status quo sind u. a. die Flächenknappheit bzw. -effizienz an Flughäfen, Haftungsrisiken, das notwendige Investitionsvolumen sowie geringe Profitmargen bei gleichzeitig hoher Konkurrenz aufzuführen. Das Risiko, eingespielte und scheinbar optimierte Prozessketten durch Automatisierungsansätze in einzelnen Prozessabschnitten ins Ungleichgewicht zu bringen, scheint oftmals zu groß zu sein. Mittels einer sog. Manual Process Intelligence (MPI)-Analyse wurden die manuell ausgeführten Tätigkeiten in den Luftfrachthallen hinsichtlich der Wertschöpfung und Automatisierbarkeit überprüft und den verfügbaren Fahrerlosen Transportsystemen (FTS) und robotischen Systemen gegenübergestellt. Hierzu wurden in zwei separaten, jeweils ca. einwöchigen Erhebungsphasen über 100 Sensoren und Beacons eingesetzt, die teils stationär in die Infrastruktur integriert und teils mobil an Fahrzeugen und Dienstkleidung angebracht wurden. Mit einer ausgewerteten Messdauer von über 340 Stunden und etwa 3,3 Milliarden ausgewerteten Da- Bild 3: NE: ONE Tag bildet die Schnittstelle zwischen den in ONE Record vorhandenen Daten und dem Lager Bild 4: Funktionsstruktur NE: ONE Pouch Internationales Verkehrswesen (75) 2 | 2023 45 Digitalisierung LOGISTIK tenpunkten konnte ein umfassendes Bild über die Abläufe in der betrachteten Frachthalle abgeleitet werden. Im Ergebnis lässt sich nun bspw. festhalten, dass ca. 49 % der Zeit unmittelbar wertschöpfend sind durch manuelle Arbeit an und mit der Fracht. Etwa 7,5 % der Zeit entfallen auf Fahraktivitäten, die für den Einsatz autonomer Transport- und Handlingsysteme besonders relevant sind. Ergänzt um historische Sendungsdaten wurden Prozessabschnitte definiert, die Wertschöpfung dieser Prozessabschnitte untereinander verglichen und potenzielle Marktlösungen (Anbieter und Systeme) erhoben, um entsprechende Use Cases und Anforderungen an FTS abzuleiten. Der Importbzw. Export-Prozess wurde in insgesamt 15 Prozessabschnitte geteilt. Hierzu gehören u. a. Übergabeprozesse zwischen den beteiligten Unternehmen, der Auf- und Abbau von luftfrachtgeeigneten Transporteinheiten sowie diverse interne Umfuhrprozesse wie bspw. Lagervorgänge und die Zollgestellung. Als mögliche Lösungen wurden über 600 potenziell interessante Systeme (insb. FTS) von mehr als 130 Anbietern weltweit identifiziert, in acht Kategorien klassifiziert und den Prozessabschnitten zugeordnet. Vier Use Cases wurden priorisiert und im Detail ausgearbeitet. Hierunter fallen im Bereich des Export-Prozesses Transport- und Handlingvorgänge zwischen LKW-Entladung, Röntgengerät, Lager und Build-Up- Platz (dort werden die flugfertigen Einheiten gebaut). Im Bereich des Import-Prozesses fallen hierunter Vorgänge zwischen dem Break-Down-Platz (analog zum Build-Up, s. o.), den verschiedenen Lager-Arten und der Bereitstellung an der LKW-Rampe. Mindestens einer dieser Use Cases wird mit geeigneten Technologien realisiert und bewertet werden. Bereits existierende Automatisierungslösungen wie bspw. Hochregallager, sollen gezielt als Bausteine in das Zusammenspiel der Systeme eingebunden werden. Als Teststandort steht insb. der Flughafen München im Fokus. Themenfeld 3: Neue Konzepte und Methoden zur Optimierung der Auslastung und Kapazitäten Im 3. Themenfeld werden neue Methoden zur Entscheidungsfindung und Möglichkeiten für Synergien durch neue Lagerkonzepte entwickelt und erprobt. Entsprechend wird ein auf die Luftfrachtprozesse zugeschnittenes Predictive Analytics Modell erarbeitet, das die Kapazitäts- und Ressourcenplanung mit Hilfe von künstlicher Intelligenz verbessert, indem es frühzeitig Trendveränderungen erkennt und so Gegenmaßnahmen vorab ergriffen und somit Überlasten und Engpässe vermieden werden können. Lerngrundlage für den Machine Learning-Ansatz sind historische Frachtdaten, die mittels Data-Mining-Techniken um weitere externe Parameter, wie z. B. Wetterdaten angereichert werden, sodass sich Trends, bzw. Muster ableiten lassen, die dann durch eine Künstliche Intelligenz auf die aktuelle Datenlage angewandt werden. Neben der KI-Unterstützung wird auch in einem neuen, konventionellen Konzept erprobt, wie knappe physische Ressourcen durch Bündelung an einem Flughafenstandort effizienter genutzt werden können: Insbesondere mittelgroße und große internationale Flughäfen ohne Hubfunktion für Luftfracht haben häufig eine stark schwankende Auslastung der Frachtzentren, während gleichzeitig in anderen Bereichen desselben Flughafens die Logistik unter Engpässen leidet. Insbesondere an deutschen und europäischen Flughäfen sind hierfür die Verkehrsentwicklung, die Flächenbegrenzung und der konkurrierende Flächenbedarf ursächlich. Zusätzlich verschärft der Fachkräftemangel in der Branche die Lage. Das DTAC-Teilprojekt „Digitale Standortlogistik“ entwickelt daher Ansätze, die durch die Bündelung der Dienstleistungen für Luftfrachtabfertigung und Versorgungslogistik dieses Missverhältnis in der Logistik an Flughafenstandorten gesamtheitlich verbessern. Ziel ist die Entwicklung eines generalistischen Konzepts, wie Luftfrachtzentren in die Versorgung des gesamten Flughafenstandortes integriert werden können, sodass einerseits eine Verbesserung der Auslastung und andererseits eine Auflösung der Engpässe im Personalbereich erreicht werden können, was gleichzeitig für die Luftfrachtabfertiger die Wirtschaftlichkeit, Nachhaltigkeit und Resilienz bei schwankender Nachfrage verbessert (Bild 5). Neben der Überprüfung, ob durch die Bündelung der Sicherheitskontrollmaßnahmen für Fracht und Flughafenanlieferungen, entsprechend ihrer jeweils geltenden Vorschriften, neue Effizienzen gehoben werden können, gilt es, die Prozesse beider Bereiche anzugleichen und digitale Lösungen zur Unterstützung der integrierten logistischen Dienstleistungen zu definieren und zu erproben. Das Digitale Testfeld Air Cargo läuft noch bis September 2024. Beginnend ab diesem Sommer werden in allen sechs Teilprojekten Demonstrationen und weitere Veröffentlichungen erfolgen. Das DTAC ist transparent und steht über eine Teilnahme im Projektbeirat weiteren Unternehmen offen. Der aktuelle Stand kann auf der DTAC- Webseite, bzw. dem DTAC-LinkedIn-Kanal gefunden werden. ■ Weitere Details zum Digitalen Testfeld Air Cargo: www.digitales-testfeld-air-cargo.de Oliver Ditz Teilprojektleiter Aviation Logistics, Fraunhofer IML, Frankfurt am Main oliver.ditz@iml.fraunhofer.de Manuel Wehner Teilprojektleiter Aviation Logistics, Fraunhofer IML, Frankfurt am Main manuel.wehner@iml.fraunhofer.de Lars Mehrtens Projektleiter Aviation Logistics, Fraunhofer IML, Frankfurt am Main lars.mehrtens@iml.fraunhofer.de Bild 5: Gegenüberstellung von Luftfracht- und Terminalversorgungsprozessen