eJournals Internationales Verkehrswesen 75/3

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2023-0044
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Auf dem Weg in die Subventionswirtschaft

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Alexander Eisenkopf
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Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 11 Alexander Eisenkopf KONTRAPUNKT Auf dem Weg in die Subventionswirtschaft U nter dem Mantra des Klimaschutzes hängen immer mehr Branchen am staatlichen Subventionstropf. Nach einem Förderbescheid des Bundes und des Landes Niedersachen über 1 Mrd. EUR für den Einstieg in die Dekarbonisierung der Stahlproduktion der Salzgitter AG wurde aktuell auch Thyssenkrupp mit 2 Mrd. EUR bedacht, damit Stahl dort in Zukunft CO 2 -arm oder sogar CO 2 -frei produziert werden kann. Andere Branchen, wie z. B. die Chemieindustrie, benötigen Übergangsszenarien, bis „grüne Energie“ in ausreichender Menge verfügbar ist. Sie setzen auf sogenannten „Industriestrom“, der auf 6 ct je Kilowattstunde verbilligt werden soll, um ihre Produktion in Deutschland einigermaßen wettbewerbsfähig zu halten. Die hierfür erforderlichen staatlichen Fördermittel werden auf bis zu 30 Mrd. EUR geschätzt. Also ob das alles nicht genug wäre, plant die Bundesregierung, neue Chip-Werke in Deutschland mit bis zu 20 Mrd. EUR aus dem Klima- und Transformationsfonds zu subventionieren - rund 10-Mrd. EUR wurden bereits für die Ansiedlung von Intel in Magdeburg zugesagt. Wer dermaßen die Spendierhosen anhat, sollte auch etwas Geld übrighaben, um dem seit Jahr und Tag notleidenden Einzelwagenverkehr der Deutschen Bahn etwas Gutes zu tun. Er wird ja von vielen Protagonisten als entscheidend angesehen, um die Klimaziele in Deutschland zu erreichen, auch wenn vor der Covid19-Pandemie nur ein Fünftel der Transporte im Schienengüterverkehr als Einzelwagenverkehre abgewickelt wurden. Mit rund 20 Mrd. tkm machte ≈ der Einzelwagenverkehr damals gerade einmal 3 % der nationalen Güterverkehrsleistung oder 4 % der Verkehrsleistung der LKW aus. Wie hoch der Anteil der durch den Einzelwagenwagenverkehr verursachten Verluste an dem mittlerweile auf 858 Mio. EUR bezifferten dramatischen Minus der Güterbahn DB Cargo ist, wird bedauerlicherweise nicht offiziell ausgewiesen. In der Presse ist von 400 Mio. EUR die Rede. Die unternehmerisch eher glücklos erscheinende DB-Cargo-Chefin Sigrid Nikutta war allerdings als Unternehmenslobbyistin höchst erfolgreich: Mit ihrer Drohkulisse einer Einstellung unwirtschaftlicher Einzelwagenverkehre, die mit massivem Stellenabbau verbunden wäre, hat sie offensichtlich die Bundesregierung überzeugt. Nach deren jüngst bekannt gewordenen Plänen soll der Einzelwagenverkehr in den nächsten vier Jahren mit insgesamt 2 Mrd. EUR aus öffentlichen Mitteln gefördert werden. Hiervon entfallen 1,24 Mrd. EUR auf einen Betriebskostenzuschuss, 680 Mio. EUR auf die Subventionierung der Trassenpreise und 165 Mio. EUR auf Zuschüsse zu den Anlagenpreisen. Bekanntlich führen dauerhafte staatliche Subventionen nicht gerade dazu, dass die profitierenden Branchen zu größtmöglicher Effizienz und Innovationskraft finden. Dies gilt insbesondere im Falle von Erhaltungssubventionen für seit Jahrzehnten schrumpfende Industrien, wie es der Einzelwagenverkehr der DB Cargo ist. Hinzu kommt die offensichtliche Wettbewerbsverzerrung gegenüber den Wettbewerbern im Schienengüterverkehr durch eine solche Beihilfe. Eine wettbewerbsneutrale und auf Mehrverkehr ausgerichtete Incentivierung müsste anders ausgerichtet sein - z. B. als Ausschreibungsmodell für die Bedienung der Ersten und Letzten Meile. Die geplante pauschale Subvention konserviert nur den status quo - und damit den unternehmerischen Schlendrian bei DB Cargo. Wie die eingangs angesprochenen Beispiele Stahl und Industriestrom zeigen, übt Deutschland gerade den flächendeckenden Einstieg in die Subventionierung der Betriebskosten von ganzen Branchen. In diesem Umfeld sind Betriebskostenzuschüsse für den Einzelwagenverkehr nur zwangsläufig - die Güterbahn wird ja zugleich als Ausweg aus der Klimasackgasse propagiert. Es dient zumindest dem guten Zweck, und der heiligt bekanntlich die Mittel. Konsequenterweise erhöht man vice versa die Betriebskosten des LKW durch eine Klimamaut und benutzt die Einnahmen auch zur Quersubventionierung der Schieneninfrastruktur. Ergebnis einer solchen Politik ist eine über klimapolitisch motivierte Vorgaben und Milliardensubventionen staatlich gesteuerte Wirtschaft - weit über den Güterverkehr hinaus. Ihr Erfolg wird sich an den tatsächlichen Marktentwicklungen messen lassen müssen und erscheint fraglich. Der Weg in ein neues Wirtschaftswunder, welches die Bundesregierung aktuell verspricht, dürfte anders aussehen. ■ Prof. Dr. rer. pol. Alexander Eisenkopf zu aktuellen Themen der Verkehrsbranche