Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2023-0046
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Alle Wirtschaftsbeteiligten müssen beim Klimaschutz mitziehen
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Frank Hütten
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Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 17 V erkehr wird in Europa teurer werden. Das dürfte klar sein, wenn man sich die zahlreichen Klimaschutzgesetze des Pakets „Fit for 55“ ansieht, die von der EU nach gut zwei Jahren Diskussion jetzt beschlossen wurden oder demnächst über die Ziellinie gehen. Es ist auch nicht überraschend, denn das Grundprinzip der Klimaschutzgesetzgebung besteht darin, den Treibhausgasausstoß kostenpflichtig zu machen, wegen der Kosten, die er der Gesellschaft verursacht. Die Frage ist, wieviel teurer der Gütertransport wird und was die einzelnen Akteure tun können, um den Anstieg ihrer Kosten zu dämpfen. Ändert sich nichts in der Branche, dürfte der Preis enorm sein. Denn durch die EU-Gesetze wird an vielen Stellschrauben gedreht. Für den Einsatz von mit fossilem Kraftstoff betriebenen LKW, Schiffen oder Flugzeugen müssten über den CO 2 -Emissionshandel kontinuierlich steigende Preise bezahlt werden. Dazu kämen wohl CO 2 -Aufschläge auf die Maut, Bußgelder, falls die Vorgaben zum Einsatz nachhaltigerer Schiffs- und Flugzeugtreibstoffe nicht eingehalten werden, und eventuell höhere Energiesteuern. Nachjustieren müssen die Gesetzgeber übrigens kontinuierlich, um zu vermeiden, dass Transportunternehmen nicht durch Emissionshandel, CO 2 -Maut, nationale Abgaben wie für das deutsche Brennstoffhandelsgesetz und Energiesteuern irgendwann für denselben CO 2 -Ausstoß mehrfach zur Kasse gebeten werden. Teils sind solche Anpassungen in den Gesetzen bereits vorgesehen. Grundsätzlich wichtiger ist es aber, den Verkehrsteilnehmern klimafreundlichere Alternativen anzubieten, damit sie auch die Chance haben, den drohenden Zusatzkosten zu entgehen. Die EU- Klimaschutzgesetze können nur dann eine Lenkungswirkung haben, wenn es auch umweltverträglichere Transportmöglichkeiten gibt, auf die umgelenkt werden kann. Deshalb müssen jetzt mit Volldampf umweltfreundlichere LKW, Schiffe, Flugzeuge und Züge sowie die für ihren Betrieb notwendigen nachhaltigeren Kraftstoffe hergestellt werden, und die zugehörige Tank- und Ladeinfrastruktur muss aufgebaut werden. Alles das verursacht ebenfalls zusätzliche Kosten. Allerdings gibt es hier zumindest die Chance, dass sich Kosten mit steigenden Produktionsmengen stabilisieren - anders als etwa beim Emissionshandel. Es ist verständlich, dass Unternehmen zögern, viel Geld in die Transformation zu investieren. Da der Prozess erst anfängt, fürchten sie das Risiko, auf das falsche Pferd zu setzen. Fehlinvestitionen kann sich sicherlich kaum jemand leisten. Die oft geforderten politischen Rahmendaten hat die EU nun aber gesetzt. Es gibt CO 2 - Normen für Lieferwagen und PKW - für LKW werden sie noch diskutiert - die klar machen, ab wann ein großer Teil der neuen Fahrzeuge mit Strom oder Wasserstoff betrieben werden muss. Die Treibstoffnormen im Schiffs- und Flugverkehr lassen sich etwa mit Biotreibstoffen oder synthetischen Kraftstoffen erfüllen. Die EU-Effizienz- und Beimischungsvorschriften signalisieren, dass es dafür einen Markt geben wird, es sollte bei Kraftstoffherstellern also auch ein Interesse geben, jetzt verstärkt alternative Treibstoffe für diesen Markt zu produzieren. Was nicht passieren darf, ist, dass sich - trotz der politischen Signale - weiterhin alle belauern und darauf warten, dass andere Akteure - etwa der Staat - für sie investieren, etwa in Treibstoffproduktion oder Ladeinfrastruktur. Die öffentliche Hand muss und wird sich beteiligen, zum Beispiel indem sie Einnahmen aus dem Emissionshandel investiert. Aber die Wirtschaft, inklusive Verlader, Energieversorger und Fahrzeughersteller, muss ebenfalls mitziehen, im Vertrauen auf die entstehenden Märkte. Sonst läuft die Transportbranche in eine Sackgasse und muss am Ende hohe CO 2 -Kosten zahlen, ohne Möglichkeiten zu haben, auf alternative Verkehrsmittel umzusteigen. Einen Vorgeschmack darauf gibt die Diskussion über die Anhebung der deutschen LKW-Maut. Insolvenzen wegen hoher Kosten oder eine Verringerung der Verkehrsangebote wären schlimm. Nicht nur für die Betroffenen, sondern für die ganze Branche, auch für die Verlader. Werden die Kosten allerdings weitgehend auf die Verbraucher abgewälzt, könnte das einen Inflationsdruck erzeugen, dem die EU-Staaten politisch nicht gewachsen sind - die nationalen Energiepreisbremsen lassen grüßen. Die Staaten könnten versucht sein, die Preissignale des EU-Klimaschutzpakets durch Subventionen zu dämpfen, was allerdings dessen Wirkung in Frage stellen dürfte. Das wiederum wäre schlimm für den Klimaschutz. Der durch die EU-Vorgaben entstehende Kostendruck kann nur dann erträglich bleiben, wenn der Verkehr nachhaltiger wird. Dafür müssen jetzt alle ihren Beitrag leisten, alleine kann das keiner der Akteure schaffen. ■ Frank Hütten EU-Korrespondent der DVZ Deutsche Verkehrs-Zeitung B E R I C H T A U S B R Ü S S E L VON FRANK HÜTTEN Alle Wirtschaftsbeteiligten müssen beim Klimaschutz mitziehen
