Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2023-0053
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Mit digitalisierten Prozessen den Fachkräftemangel meistern
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Bianca Heitmann
Seit geraumer Zeit trifft der Fachkräftemangel auch die Logistikbranche hart. Experten sind sich einig, dass sich dieses Problem zunehmend verschärfen wird. Folglich fehlen vielen Logistikern die Ressourcen, um sich weiterzuentwickeln und aktuellen Marktanforderungen gerecht zu werden. Ihre oft einzige Chance ist die Prozessdigitalisierung. Eine Einschätzung aus der Praxis.
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Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 42 Mit digitalisierten Prozessen den Fachkräftemangel meistern Supply Chain, Transport Management System, Track and Trace Seit geraumer Zeit trifft der Fachkräftemangel auch die Logistikbranche hart. Experten sind sich einig, dass sich dieses Problem zunehmend verschärfen wird. Folglich fehlen vielen Logistikern die Ressourcen, um sich weiterzuentwickeln und aktuellen Marktanforderungen gerecht zu werden. Ihre oft einzige Chance ist die Prozessdigitalisierung. Eine Einschätzung aus der Praxis. Bianca Heitmann O b ein modernes Transport Management System (TMS), die Digitalisierung der Supply Chain oder Track-and-Trace-Lösungen - die Transformation federt den Fachkräftemangel durch effizientere und zeitsparende Abläufe gekonnt ab, entlastet vorhandene Mitarbeitende und ermöglicht es Logistikunternehmen, wettbewerbsfähig zu bleiben. Unerfreulicher Status quo Lebensqualität, Strukturwandel, Innovation und Wettbewerbsfähigkeit, Fachkräfte leisten einen wertvollen Beitrag dazu, das wirtschaftliche Wachstum eines Landes zu sichern. Der aktuelle Fachkräftemangel wirft jedoch einen großen Schatten auf die Weiterentwicklung der deutschen Wirtschaft. Seit Jahren fordert der demografische Wandel Organisationen heraus, passende Angestellte für freie Stellen zu finden. Und laut Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz 1 wird die erwerbsfähige Bevölkerung zwischen 20 und unter 65 Jahren bereits bis 2030 um weitere vier Millionen sinken. Dabei kann sich keine Branche vor dieser Herausforderung in Sicherheit wiegen. Stellen bleiben unbesetzt und verhindern im schlimmsten Fall die Geschäftsentwicklung. Gleiches gilt für die Logistik. Schon länger suchen Unternehmen händeringend nach qualifiziertem Personal. Die Bundesvereinigung Logistik (BVL) berichtete bereits 2017 2 , dass es beinahe an allen Ecken und Enden an Fachkräften fehle. IT, Transport, Disposition und Lager sind lediglich die größten Sorgenkinder. Unternehmensbooster Digitalisierung Die Frage, woran das liegen kann, ist durch den demografischen Wandel allein aber noch nicht vollumfänglich beantwortet. Repetitive Prozesse und eine verhältnismäßig schlechte Bezahlung führen dazu, dass die Aufgaben in der Branche - gerade für Akademiker - kaum attraktiv sind. Da der Arbeitsmarkt viele Türen offenhält, ist schnell ein anderer Weg eingeschlagen. Daneben gibt es weitere Hürden, die sich vor Logistikern aufbäumen. Seit der Corona-Pandemie und dem Ukrainekrieg steht die Branche stark im Fokus. Höhere Preise sowie fluktuierende Kapazitäten beäugt die Gesellschaft kritisch und fordert mehr Flexibilität. Damit verbunden ist ein großer Druck, zumal die Logistik, immerhin drittgrößter Wirtschaftszweig, bei der Digitalisierung deutlich hinterherhinkt (siehe Digitalisierungsindex 2022 3 . Um den Transport zu beschleunigen und Logistikkosten zu senken, hat die Suche nach Lösungen begonnen. Es geht darum, Transportketten weniger fehleranfällig zu gestalten und Fachkräfte an den Betrieb zu binden. Eine „Allzweckwaffe“ ist dabei die Prozessdigitalisierung. Sie hilft, Routen effizienter zu planen, Ressourcen freizuschaufeln und Auftragsschwankungen trotz gleichbleibender Personalkraft abzuwickeln. Auf diese Weise können Logistikunternehmen dem Fachkräftemangel entgegenwirken und für Entlastung sorgen. Erster Schritt: Prozessoptimierung Dabei gibt es unterschiedliche digitale Möglichkeiten, damit das Schlusslicht der Innovationslandschaft „Logistik und Verkehr“ Symbolbild: Tung Nguyen / pixabay LOGISTIK Digitalisierung Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 43 Digitalisierung LOGISTIK künftig aufholt. Allen gemeinsam ist, dass sie auf mehr Transparenz, Sicherheit und Effizienz setzen und so Mitarbeitende und das gesamte Unternehmen entlasten. Bislang manuell durchgeführte Prozesse lassen sich damit automatisieren, um Ressourcen zu sparen und mehr Zeit für innovative Aufgaben zu erhalten. Gleichzeitig steigern sie die Visibilität durch verfolgbare Abfahrten, Umladungen und Ankünfte. Das Schlagwort: Tracking. Um zum Erfolg zu gelangen, ist jedoch vor allem eines nötig. Unternehmen müssen eine strukturierte, strategische und langfristige Herangehensweise entwickeln. Dafür ist die Digitalisierung ganzheitlich zu betrachten. Verantwortliche sollten neue Technologien immer in Einklang mit den Unternehmenszielen bringen und nicht losgelöst System für System umsetzen. Am Ende lassen sich Mensch und IT nur mit einer durchdachten Strategie vereinen, um wahre Benefits für Logistiker zu erlangen. Drei Ansatzpunkte sind hervorzuheben. Herzstück Transport Management System Abfertigung ohne ein zeitgemäßes TMS? Kaum möglich! Denn mit der Logistikplattform haben Unternehmen ein Werkzeug, um die Planung, Umsetzung und Optimierung des Warenverkehrs sicherzustellen. Im Mittelpunkt steht die maximale Transparenz. Dabei ist TMS nicht gleich TMS. Lösungen, die nicht kontinuierlich weiterentwickelt wurden, decken oft nur einzelne Bereiche ab und erfüllen dadurch häufig die steigenden Anforderungen nicht mehr. Ihre modernen Nachfahren hingegen bleiben stets aktuell und passen sich neuen Marktentwicklungen einfacher an, wie beispielsweise der Integration mit Reedern und Airlines, elektronischen Frachtbriefen oder der Anbindung weiterer Anbieter. Zudem kann ein Transport Management System wie etwa CargoWise das papierlose Office unterstützen. Mitarbeitende profitieren dabei von mehr Durchblick. Den aktuellen Status nachzuverfolgen und die Arbeit durch im System definierte Prozessschritte optimal zu organisieren, ist damit kein Problem mehr. Aktenstapel weichen einer modernen Arbeitsweise. Obendrein lässt sich auch die Abrechnung einfacher gestalten. Das System enthält Einkaufs- und Verkaufsraten und kann für jede Sendung die zu erwartenden Kosten und Erträge berechnen - automatisch und zeitsparend. TMS: Integration schafft modernen Workflow Bevor Logistiker aber auf ein TMS setzen, ist etwas Vorarbeit nötig. A und O ist eine klare Zielsetzung. Das Vorhaben sollte mit der Antwort auf die Frage beginnen, was die Organisation mit der Umstellung erreichen möchte. Ein häufiger Treiber ist ein stärkerer Kundenfokus. Sind die Ziele festgelegt, können die Beteiligten den Blick auf den aktuellen Ist-Zustand lenken. In diesem Schritt tauchen oftmals Redundanzen auf. Prozesse, die Unternehmen jahrelang nicht hinterfragt haben, lassen sich auf Herz und Nieren überprüfen und in standardisierte Prozesse als Grundvoraussetzung für die Transformation überführen. Dabei deckt das TMS als zentrales System alle wichtigen Aktivitäten und Bereiche ab und überführt sie in das digitale Zeitalter. Für die restlichen Programme wie zum Beispiel ein separates Warehouse Management System ist eine Integration notwendig, sodass alle Anwendungen in einem BI-System konsolidieren. Das übergeordnete Ziel dabei ist es, sämtliche Aufgaben vom Verkauf über die Angebotserstellung und Abfertigung bis hin zur Abrechnung an zentraler Stelle abzuwickeln. Damit lässt sich ein ganzheitlicher Workflow abbilden, der Mitarbeiter selbst über Ländergrenzen hinweg unterstützt. Digitalisierung der Supply Chain Um die Logistikprozesse ganzheitlich zu digitalisieren und so aktuellen Herausforderungen wie dem Fachkräftemangel zu begegnen, muss der Blick auf das Supply Chain Management geweitet werden. Hier hat die Transformation bereits vor Jahren begonnen. Anfangs haben innerbetriebliche Informationssysteme Einzug ins Unternehmen erhalten. Heute sind die Möglichkeiten und somit die Chancen umfangreicher. Die Industrie 4.0 mit Big Data, Internet-of- Things-Lösungen, Cloud-Logistik, selbstlernenden Systemen oder Telematik schafft nun eine klare Sicht auf die gesamte Lieferkette. Dabei kooperieren Maschinen und Mensch mit dem Ziel, Daten zu teilen, auszutauschen und von den Informationen zu lernen. Das geht über die Unternehmensgrenzen hinaus. Denn offene Plattformen fördern ebenso den Austausch zwischen Transporteuren, Lieferanten und Kunden. Sie bringen große Datenmengen, Informationssicherheit und neue Optimierungspotenziale mit sich, senken Kosten, erhöhen die Kundenzufriedenheit und verschaffen dem Personal mehr Zeit. Wie die passende digitale Supply-Chain-Management-Lösung für Logistiker aussehen kann, ist am besten mit erfahrenen Experten abzuklären. Optimal ist es, wenn Spezialisten Logistik-Knowhow mit IT-Expertise verbinden, wie beispielsweise bei logineer. Track and Trace - alles digital im-Blick Alles in allem geht es Betrieben stets darum, logistische Prozesse zu vereinfachen - egal ob hinsichtlich der Lagerverwaltung oder bei der Auslieferung. Dafür greifen Logistiker auf Track-and-Trace-Lösungen zurück. Mithilfe von Barcodes, GPS-Lokalisierung oder einer ganzheitlichen Datenerfassung lassen sich die einzelnen Transportgüter einfach nachverfolgen. Die positive Konsequenz ist, dass Kunden ihre Waren stets abrufbar im Blick haben. Für Logistikunternehmen wiederum senkt das den Kommunikationsaufwand mit dem Kunden und es sind weniger personelle Ressourcen nötig. Durch die Vielzahl an verfügbaren Daten lassen sich zudem Laderäume effizienter nutzen. Eine höhere Auslastung ist möglich. Ebenso wirken sich Track-and-Trace-Lösungen auf die Liefergeschwindigkeit aus. Da verschiedene Daten von der Auslastung bis hin zum Verkehrsaufkommen verfügbar sind, lässt sich die Routenplanung optimieren. Fasst man alle Vorteile zusammen, münden digitale Lösungen stets in einer erheblichen Kosteneinsparung und einem besseren Kundenservice. Fazit Mit digitalen Prozessen verabschieden sich Logistiker von repetitiven und zeitaufwendigen Aufgaben. Denn die damit verbundene Automatisierung bringt Effizienz ebenso wie Produktivität ins Unternehmen und entlastet das Personal. Gleichzeitig signalisiert der Schritt in Richtung Transformation möglichen Bewerbern ein modernes Mindset der Organisation. Im Ergebnis steigt die Attraktivität des Arbeitgebers und es öffnen sich Tür und Tor für qualifizierte Mitarbeitende. ■ 1 Vgl. www.bmwk.de/ Redaktion/ DE/ Dossier/ fachkraeftesicherung.html 2 Vgl. Fachkräftemangel in der Logistik - BVL Umfrage von 2017 - Die BVL: Das Logistik-Netzwerk für Fach- und Führungskräfte 3 Büchel, J.; Engels, B. (2022): Digitalisierungsindex 2022: Digitalisierung der Wirtschaft in Deutschland. Kurzfassung der Ergebnisse des Digitalisierungsindex im Rahmen des Projekts „Entwicklung und Messung der Digitalisierung der Wirtschaft am Standort Deutschland“. Institut der deutschen Wirtschaft. www.iwkoeln.de/ studien/ jan-buechelbarbara-engels-digitalisierung-der-wirts chaft-indeutschland-2022.html Bianca Heitmann Solutions Manager CargoWise, q-beyond logineer GmbH, Hamburg bianca.heitmann@logineer.com