eJournals Internationales Verkehrswesen 75/3

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2023-0062
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2023
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Digitale Transformation in Verkehrsunternehmen

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Lars Schnieder
Die Zukunft der Eisenbahn ist digital: Züge fahren voll automatisiert und in kürzeren Abständen. Künstliche Intelligenz und automatisiertes Fahren werden zur neuen Normalität auf der Schiene. Damit die digitalen Technologien in der Praxis tatsächlich ihr volles Potenzial entfalten, müssen Mensch, Technik und Organisation aufeinander abgestimmt zusammenwirken. Dieser Beitrag beschreibt, wie die wechselseitigen Beziehungen zwischen diesen drei Konstituenten gestaltet werden können, um ein attraktiveres Schienenverkehrsangebot mit mehr Zügen in höherer Qualität zu schaffen.
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Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 70 TECHNOLOGIE Digitalisierung Digitale Transformation in Verkehrsunternehmen Unser Weg in die digitale Zukunft: Wie der organisatorische und technologische Wandel gelingt Digitalisierung, Arbeitswelt, Qualifizierung, Weiterbildung Die Zukunft der Eisenbahn ist digital: Züge fahren voll automatisiert und in kürzeren Abständen. Künstliche Intelligenz und automatisiertes Fahren werden zur neuen Normalität auf der Schiene. Damit die digitalen Technologien in der Praxis tatsächlich ihr volles Potenzial entfalten, müssen Mensch, Technik und Organisation aufeinander abgestimmt zusammenwirken. Dieser Beitrag beschreibt, wie die wechselseitigen Beziehungen zwischen diesen drei Konstituenten gestaltet werden können, um ein attraktiveres Schienenverkehrsangebot mit mehr Zügen in höherer Qualität zu schaffen. Lars Schnieder M ensch, Technik und Organisation stehen in einem wechselseitigen Verhältnis zueinander. Die Digitalisierung des Bahnbetriebs hat Einfluss auf jede dieser Systemkonstituenten. Diese müssen aufeinander bezogen gestaltet werden. Nachfolgend werden die verschiedenen Zusammenhänge umrissen (vgl. Bild 1). Digitale Technologien im Bahnbetrieb Weltweit haben sich bei Neubauprojekten im Nahverkehr sog. CBTC-Systeme (Communications-Based Train Control Systems) als Standard etabliert. Grundlage hierfür sind digitale Technologien. Die Systemarchitektur für den digitalen Bahnbetrieb besteht aus den folgenden Funktionsbausteinen: Automatic Train Control (ATC) Dieser Begriff bezeichnet das technische System, das einer automatisierten Betriebsführung dient, also sowohl eine sichere Fahrweise der Fahrzeuge erzwingt als auch den Betrieb steuert. Ein ATC umfasst zwingend Automatic Train Protection (ATP) und kann je nach Automatisierungsgrad zusätzliche Funktionsbausteine wie Automatic Train Operation und/ oder Automatic Train Supervision (ATS) beinhalten [1]. Bild 2 stellt den umfassenden Begriff und seine Bestandteile dar. Automatic Train Protection (ATP) Teilsystem des ATC-Gesamtsystems, das den signaltechnisch sicheren Schutz vor Kollisionen, Entgleisungen und anderen Gefährdungen sicherstellt. Wesentliche Funktionen sind hierbei die Sicherung der Fahrwege, die Ortung der Fahrzeuge sowie die Abstandsregelung. Komponenten dieses Funktionskomplexes sind sowohl streckenseitig (ATP wayside) als auch auf dem Fahrzeug (ATP onboard) verbaut. Basiert die Datenübertragung zwischen Fahrzeug und Strecke auf drahtloser Kommunikation (Funk), spricht man in der Regel von einem Communications-Based Train Control System (CBTC). Automatic Train Operation (ATO) Teilsystem des ATC-Gesamtsystems, das üblicherweise vom Triebfahrzeugführenden ausgeführte Tätigkeiten übernimmt (unter anderem Geschwindigkeitsregelung, Zielbremsung im Haltestellenbereich und Türsteuerung in den Stationsbereichen). Für eine optimale Betriebsabwicklung empfängt dieses fahrzeugseitige Teilsystem streckenseitige Vorgaben aus dem Teilsystem ATS [1]. Automatic Train Supervision (ATS) Teilsystem des ATC-Gesamtsystems, das die Züge überwacht und gegebenenfalls Vorgaben an die ATO-Komponente gibt, so dass der Fahrplan eingehalten wird. Bei schwerwiegenden Störungen im Betriebsablauf wird die optimale Dispositionsstrategie ermittelt und durch Vorgabe angepasster Führungsgrößen (bspw. veränderte Laufwege oder entfallende Stationshalte) an die Fahrzeuge im Betrieb umgesetzt [1]. Gestaltung des Zusammenspiels von Mensch und Technik Bei der Einführung digitaler Technologien spielt die ergonomische Gestaltung des Arbeitsplatzes des Fahrpersonals eine große Rolle. Ziel ist es hierbei, sicherzustellen, dass Fahrweg und Signale sowohl im Sitzen als auch, soweit erforderlich, im Stehen beobachtet werden können. Auch die für das Bedienen des Fahrzeugs und gegebenenfalls für die Abfertigung des Zuges erforderlichen Bedienhandlungen müssen ohne Probleme möglich sein. Dies erfordert eine ergonomische Gestaltung der Anzeigen, Schalter und Bedienelemente unter Berücksichtigung von Aspekten wie Betätigungs- Bild 1: Zusammenspiel von Menschen, Technik und Organisation im digitalen Wandel Darstellungen 1 bis 4: Autor Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 71 Digitalisierung TECHNOLOGIE kräfte, Anzeigesinn und Erreichbarkeit sowie Minimierung der Verwechslungsgefahr. Die Kennzeichnungen der Bedienelemente sollten auch nach längerer Nutzung noch gut erkennbar sein. Auch die Positionierung der Stellteile ist von großer Relevanz. So müssen sich im Betrieb wichtige Stellteile im direkten oder erweiterten Greifbereich der bestimmungsgemäßen Bedienplätze befinden [2]. Gleiches gilt für die Positionierung der Anzeigen: Auch sie sind, je nach Wichtigkeit, entweder im direkten oder im erweiterten Sichtbereich anzuordnen. Dies ermöglicht eine einfache und eindeutige Aufnahme der von den Anzeigen gelieferten Informationen und der Schaltstellungen der Bedienelemente im Führerraum. Die menschzentrierte Gestaltung des Führerraums gelingt mittels Vorführmodellen und der Einbindung einer Fahrpersonalkommission: •• Verwendung von Vorführmodellen (sog. Mockups): Bei der Einführung von Veränderungen im digitalen Bahnbetrieb werden das neue Design oder die angepassten Teilfunktionen mithilfe einer Attrappe eines modernisierten Führerraums demonstriert. Die Anmerkungen und Anregungen der zukünftigen Nutzer: innen fließen dann mit in die Erstellung der endgültigen Produktversion ein. •• Einbindung einer Fahrpersonalkommission in die Systemgestaltung: Ergonomie und Bedienbarkeit werden gemeinsam mit einer Fahrpersonalkommission immer wieder auf den Prüfstand gestellt. In einem iterativen Ansatz werden die Rückmeldungen aus der Praxis aufgegriffen und umgesetzt. Diese enge Abstimmung ermöglicht eine an den praktischen Bedürfnissen des Betriebs ausgerichtete Gestaltung des Bedienplatzes im Schienenfahrzeug. Gestaltung des Zusammenspiels von Mensch und Organisation Im Rahmen der Einführung digitaler Technologien in den Bahnbetrieb müssen im Verkehrsunternehmen neue Regelwerke erstellt werden [3]. Dies gelingt nur im Schulterschluss zwischen Hersteller und Betreiber. Vor dem Hintergrund der anstehenden Veränderungen im Verkehrsunternehmen ist es sinnvoll, bei der Erstellung von Regelwerken im Projekt die folgenden grundlegenden Prinzipien zu berücksichtigen: •• Prinzip 1 - Frühzeitiger Beginn der projektbegleitenden Ausarbeitung des betrieblichen Regelwerks: Dieses Prinzip ist wichtig, da die systemtechnische Ausprägung der neuen digitalen Technologien für den Bahnbetrieb und die betrieblichen Regeln wechselseitig aufeinander bezogen sind (vgl. Bild 3). •• Prinzip 2 - Einbeziehung aller beteiligten Interessengruppen in den Prozess der Erstellung des betrieblichen Regelwerks: Hierbei werden die verschiedenen Interessengruppen frühzeitig identifiziert und ihre Rolle und Mitwirkung bei der Erstellung des betrieblichen Regelwerks festgelegt. Auch werden die Zielgruppen der verschiedenen Regelwerke bestimmt (Triebfahrzeugführende, Fahrdienstleitende oder Instandhaltungspersonal). So erfordern beispielsweise Planung und Betrieb einer fahrerlosen U-Bahn-Linie das reibungslose und aufeinander abgestimmte Zusammenwirken verschiedener interner Funktionen des Verkehrsunternehmens. Daher wird für die Erstellung des betrieblichen Regelwerks eine interne Arbeitsgruppe unter Leitung eines Koordinierenden des Verkehrsunternehmens einberufen, die sich unter anderem aus Fahrpersonal, Fahrdienstleitenden sowie Instandhaltungspersonal für Fahrzeuge und Streckeneinrichtungen zusammensetzt. Diese interdisziplinäre Zusammenstellung der Arbeitsgruppe stellt sicher, dass das betriebliche Regelwerk im Konsens verschiedener Unternehmensbereiche erstellt wird und damit im Projektverlauf auf eine höhere Akzeptanz stößt. Planung und Vorbereitung des Betriebs Bild 2: Komponenten eines digitalen Zugsicherungssystems Bild 3: Wechselseitige Beziehung zwischen betrieblichem Regelwerk und Entwurfsentscheidungen Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 72 TECHNOLOGIE Digitalisierung einer fahrerlosen U-Bahn-Linie erfordern darüber hinaus das aufeinander abgestimmte Zusammenwirken verschiedener Funktionen des Herstellers der signaltechnischen Ausrüstung (bspw. Teilsystemverantwortliche) sowie des Fahrzeugherstellers. Zudem müssen externe Interessengruppen mit in den Prozess eingebunden werden. Dies sind beispielsweise die Technische Aufsichtsbehörde sowie Vertreter: innen von Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) wie Polizei und Feuerwehr. Bild 4 stellt den kollaborativen Ansatz der Ausarbeitung des betrieblichen Regelwerks dar. •• Prinzip 3 - Anlehnung an bewährte Regelungen (evolutionärer Ansatz): Die Verkehrsunternehmen in Deutschland betreiben seit mehreren Jahrzehnten umfassende Verkehrssysteme. Sie verfügen daher für den Automatisierungsgrad 1 (NTO, non-automated train operation) über ein umfassendes und in der Praxis bewährtes Regelwerk. Dieses Regelwerk wird für die angestrebte Überführung bestehender Linien in einen digitalisierten Bahnbetrieb (bspw. halbautomatischer Betrieb im Automatisierungsgrad-2) ergänzt und fortgeschrieben. Der Ansatz des Aufsetzens auf Bewährtem ist in Bild 4 dargestellt. Die Erstellung des betrieblichen Regelwerks erfolgt in mehreren aufeinander aufbauenden Phasen. Jede Phase schließt mit einem definierten Qualitätsprüfpunkt ab. Phase 1 Die Auswirkungen der neuen Systemanforderungen auf die bestehenden betrieblichen Regeln und Vorschriften werden bewertet. Das Ergebnis dieser Phase ist eine erste Version der neuen Betriebsvorschriften und -verfahren zusammen mit einer Liste offener Punkte, die von einer gemeinsamen Arbeitsgruppe des Betreibers und des Herstellers des Signalsystems behandelt werden müssen. Phase 2 In der zweiten Phase implementiert der Hersteller die neue Systemlösung und führt Testaktivitäten im Labor durch. In der Regel kommt der Kunde in die Räumlichkeiten des Herstellers, um sich ein Bild von den erzielten Fortschritten zu machen. Dies wird als Factory Acceptance Test (FAT) bezeichnet. Während des FAT läuft das System in einer simulierten Umgebung, in der eine erste Version der Betriebsleitstelle in Betrieb ist. Dieser Aufbau kann zur Validierung der ersten Version der Betriebsvorschriften und -verfahren verwendet werden. Das Ergebnis ist eine zweite Version der neuen Betriebsvorschriften und -verfahren zusammen mit einer aktualisierten Liste der offenen Punkte. Phase 3 Bei typischen Signaltechnikprojekten wird der Betreiber höchstwahrscheinlich Schulungseinrichtungen für das Personal der Betriebsleitzentrale (vgl. [4]) und für die Triebfahrzeugführenden (vgl. [5]) bestellen. Beide Einrichtungen werden zu einem bestimmten Zeitpunkt betriebsbereit sein. Während der Schulungen werden die Triebfahrzeugführenden und das Personal der Betriebsleitzentrale mit dem neuen System sowie mit den neuen Betriebsregeln und -verfahren vertraut gemacht. Dies ist eine gute Gelegenheit, die neuen Betriebsvorschriften weiter zu validieren. Das Ergebnis ist eine dritte Version der Betriebsvorschriften und -verfahren zusammen mit einer aktualisierten Liste der offenen Punkte. Phase 4 Für die Durchführung von Integrationstests wird eine Teststrecke eingerichtet. Das Personal des Betreibers wird auf der Teststrecke zum ersten Mal mit dem neuen Signalsystem interagieren. Dies ist der erste Schritt von einer simulierten Umgebung zu realen „physischen“ Anlagen. Dies ist besonders wichtig für Betriebsvorschriften und -verfahren zu Wartungsaspekten. Aus diesem Grund bieten die Tests auf der Teststrecke weitere Möglichkeiten für die Validierung des neuen Regelwerks. Ergebnisse sind eine vierte Version der Betriebsvorschriften und -verfahren sowie eine aktualisierte Liste der offenen Punkte. Phase 5 Das neue Signalsystem wird umfassenden Testaktivitäten in der realen Betriebsumgebung unterzogen. Das Personal des Betreibers, sowohl an Bord der Züge als auch in der Betriebsleitzentrale, wird diese Aktivitäten gemeinsam durchführen. Eventuell fehlende Regelungen, Fehler oder missverständliche Formulierungen können so erkannt und behoben werden. Dies ist die letzte Chance, das Regelwerk zu validieren, bevor das System in den Echtbetrieb geht. Das Ergebnis dieser Phase ist der fünfte (und letzte) Satz von Betriebsvorschriften und -verfahren. Offene Fragen werden an die Betriebsphase weitergeleitet und müssen im Rahmen der regelmäßigen Aktualisierungen des Regelwerks durch den Betreiber behandelt werden. Gestaltung des Zusammenspiels von Technik und Organisation Die Einführung einer neuen Technologie erfordert auch Anpassungen der Organisation. Wesentliche Vorteile von CBTC-Systemen sind der weitgehende Verzicht auf ortsfeste Signale durch die Einführung von Führerraumsignalen sowie eine beträchtliche Reduktion der Außenanlagenelemente (Achszählung) durch die kontinuierliche Ortung der Züge und die zuggestützte Feststellung der Zugvollständigkeit. Dies reduziert nicht nur den Personalbedarf der Instandhaltungsorganisation der Verkehrsunternehmen, sondern bringt auch Änderungen der Anforderungen an das Qualifikationsprofil der Mitarbeitenden mit sich. Im nachfolgenden skizzierten Beispiel konnte auf die grundlegenden Strukturdaten des Asset Managements der Stadtwerke Verkehrsgesellschaft Frankfurt am Main (VGF) zurückgegriffen werden (vgl. [6]). Veränderung des Personalbedarfs der Instandhaltungsorganisation in quantitativer Hinsicht Die Technologieentscheidung für das zukünftige Zugsicherungssystem wurde auf der Grundlage einer Lebenszykluskostenrechnung getroffen (vgl. [7]). Die zentralen Ergebnisse der Lebenszykluskostenberechnung sind Bild 5 zu entnehmen. Die erste Säule stellt den aktuellen Umfang der Instandhaltungsaktivitäten der VGF dar (Bezugsjahr 2017). Hierbei fallen zunächst nur Instandhaltungsaufwände für die Alttechnik der Streckeneinrichtungen (Stellwerke Bild 4: Partnerschaftliche Zusammenarbeit verschiedener Stakeholder in der Fortentwicklung des bestehenden betrieblichen Regelwerks Internationales Verkehrswesen (75) 3 | 2023 73 Digitalisierung TECHNOLOGIE verschiedener Bauformen) und der Fahrzeugeinrichtungen (punktförmige Zugbeeinflussung) an. Die weiteren Säulen stellen die voraussichtlichen Bauzustände der Systemmigration über das gesamte Erneuerungsprojekt dar. Die erste Bauphase (Stadtbahnstrecke B) wird voraussichtlich 2024 in Betrieb gehen. Es folgt drei Jahre später die Stadtbahnstrecke A, ehe im Jahr 2030 die Stadtbahnstrecke C den Abschluss des Erneuerungsprogramms bilden wird. Hierbei werden über den Zeitverlauf unterschiedliche Effekte deutlich: •• Signifikante Reduktion der streckenbezogenen Instandhaltungsaktivitäten durch CBTC: Dieser Effekt resultiert aus der deutlich geringeren Anzahl an Außenanlagenelementen im Gleisbereich. Es fallen mehr Komponenten weg (Gleisfreimeldesysteme und Signale), als neue Komponenten, beispielsweise für die drahtlose Übertragung vom und zum Fahrzeug, hinzukommen. •• Signifikante Erhöhung der fahrzeugbezogenen Instandhaltungsaktivitäten durch CBTC: CBTC-Systeme haben höhere Anforderungen an die Positionierung der Fahrzeuge. Es kommen Antennen für die Synchronisierung der Lokalisierung an Ortsmarken sowie mehrere Weg- und Geschwindigkeitssensoren hinzu. Außerdem werden Komponenten wie Führerraum-Displays und Funkantennen ergänzt. Dank der Redundanz der Systeme schränken mögliche Ausfälle die Verfügbarkeit im Betrieb in der Regel nicht ein, so dass eine ausschließliche Instandhaltung in der Werkstatt möglich wird. •• In Summe wird der höhere Instandhaltungsaufwand bei den Fahrzeugeinrichtungen von der Einsparung auf der Streckenseite überkompensiert. Es ist also in Summe weniger Instandhaltungspersonal erforderlich. Insgesamt wird sich der Instandhaltungsaufwand für die Signal- und Zugsicherungsanlagen über die nächsten zehn Jahre um 20 Prozent reduzieren. •• Verlagerung der Instandhaltung von der Strecke in die Werkstatt: Die Instandhaltungsaktivitäten verlagern sich von der Strecke in die Werkstätten. Entfielen in der Vergangenheit 76 Prozent des Zeitaufwandes für die Instandhaltung auf die Streckeneinrichtungen, wird sich dieser Anteil in den nächsten Jahren auf 35 Prozent reduzieren. Die Struktur der Instandhaltungsaktivitäten wird sich also umkehren. Neben der mengenmäßigen Veränderung kommt es auch zu einer Veränderung des Personalbedarfs in qualitativer Hinsicht: Veränderte Qualifikationsbedarfe müssen frühzeitig in der strategischen Ausrichtung der Aus- und Weiterbildung der VGF berücksichtigt werden. Das von der VGF zu beschaffende CBTC-System wird aus verschiedenen Komponenten bestehen (vgl. Bild 2). Durch die CBTC-Einführung müssen die Mitarbeitenden aufbauend auf der bestehenden Ausbildung weitere Zusatzqualifikationen in den Bereichen WLAN- Systeme, Systeme, IP-basierte Funkkommunikation, LWL-Techniken, IT-Netzwerke und Netzwerkmanagement erhalten. Fazit Die Digitalisierung des Bahnbetriebs bringt für die Bereiche Mensch, Technik und Organisation zahlreiche Änderungen mit sich. In der Natur des Menschen liegt es, Veränderungen erst einmal skeptisch gegenüberzustehen. Der digitale Wandel in der Bahnbranche ist auch in dieser Hinsicht kein Selbstläufer. Durch die Digitalisierung des Bahnbetriebs werden Arbeitsgewohnheiten der Mitarbeitenden wesentlich verändert. Daher sollte die Digitalisierung möglichst durch ein aktives Veränderungsmanagement (Change-Management) begleitet werden, um die Mitarbeitenden frühzeitig für die anstehenden Veränderungen zu sensibilisieren und Frustration und Ablehnung entgegenzuwirken. Nur so kann die Digitalisierung des Bahnbetriebs schnell und ganzheitlich vorangetrieben werden. ■ LITERATUR [1] IEEE 1474.1-2004: Standard for Communications-Based Train Control (CBTC) Performance and Functional Requirements. [2] UIC-Kodex 651: Gestaltung der Führerräume von Lokomotiven, Triebwagen, Triebwagenzügen und Steuerwagen. UIC (Paris) 2002. [3] Schröter, R. (2008): Dienstanweisungen nach BOStrab. In: Der Nahverkehr, H. 7/ 8, S. 29-36. [4] Schult, J.; Rege, G.; Carroué, C. (2015): Betriebs- und Stellwerkssimulation BEST bei der üstra Hannoversche Verkehrsbetriebe AG. In: Signal + Draht 107, H. 4, S. 18-21. [5] Dydak, P. (2019): Warum Fahrsimulatoren? Vorteile und Grenzen dieses technischen Hilfsmittels bei der Aus- und Weiterbildung. In: Der Nahverkehr 37, H. 1/ 2, S. 1215. [7] Deutsches Institut für Normung: DIN EN 60300-3-3: 2014-09. Zuverlässigkeitsmanagement - Teil 3-3: Anwendungsleitfaden - Lebenszykluskosten. Berlin: Beuth Verlag GmbH, 2014, Rev. 2014-09. [6] Drümmer, O.; Keuch, C.; Krippner, M.; Niesmak, J.; Rüffer, M. (2017): Asset Management der Verkehrsgesellschaft Frankfurt am Main. In: Der Nahverkehr, H. 12, S. 54-59. [8] Rüffer, M.; Schmidt, C.; Jung, C.; Schnieder, L. (2019): Innovationen und Digitalisierung - Herausforderungen für die Aus- und Fortbildung im Signal- und Zugsicherungsdienst. In: Der Nahverkehr 37, H. 7/ 8, S. 46-50. Lars Schnieder, Prof. Dr.-Ing. habil. Chief Executive Officer, ESE Engineering und Software-Entwicklung GmbH; Lehrbeauftragter Verkehrswissenschaftliches Institut, RWTH Aachen lars.schnieder@ese.de Bild 5: Veränderung des Personalbedarfs der Instandhaltungsorganisation in quantitativer Hinsicht im Zuge einer signaltechnischen Erneuerung [8]