eJournals Internationales Verkehrswesen 75/4

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2023-0073
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In der Hafenpolitik sollte es nicht nur um die Herkunft von Investoren gehen

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Frank Hütten
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Internationales Verkehrswesen (75) 4 | 2023 27 E nergieversorgung, Rohstoffe, Medikamente oder Absatzmärkte für Autos und Maschinen: Die Frage, wie sich die „strategische Autonomie“ der EU verbessern und eine zu große Abhängigkeit von Drittstaaten in wichtigen Wirtschaftsbereichen vermeiden lässt, beschäftigt die EU-Politik bis hinauf auf die Ebene der Staats- und Regierungschefs. Über eine europäische Hafenstrategie wurde bei EU-Gipfeln noch nicht offiziell gesprochen. Irgendwann könnte diese aber sehr wohl auf der Agenda der EU-Gesetzgeber auftauchen, denn nach Ansicht des niederländischen Europaabgeordneten Tom Berendsen (Christdemokraten) müssen in einer Hafenstrategie genau die Themen europäischer Autonomie und Abhängigkeit adressiert werden. Berendsen hat den Entwurf für eine Resolution des Europäischen Parlaments verfasst, mit der die EU-Kommission aufgefordert werden soll, sich mit dem Einfluss von Investoren aus Drittstaaten in europäischen Häfen zu beschäftigen und eine Strategie vorzuschlagen, wie mit solchen Geldgebern umgegangen werden soll. Welche Wellen solch eine Debatte schlagen kann, zeigt der Wunsch des chinesischen Schifffahrtskonzerns Cosco, sich am Hamburger Containerterminal Tollerort zu beteiligen. Berendsen macht keinen Hehl daraus, dass er besonders das Engagement chinesischer Akteure sehr kritisch sieht. Was es von seinen Textvorschlägen schließlich in die Resolution schafft, wie die EU-Kommission - wahrscheinlich erst die kommende - darauf reagiert und ob und wie sich das schließlich in neuen Rechtsvorschriften niederschlägt, lässt sich noch nicht absehen. Berendsen habe zunächst einmal viele mögliche Probleme aufgelistet, ist in Brüssel zu hören: Vom Risiko wirtschaftlicher Abhängigkeiten von Akteuren aus Drittstaaten über die mögliche Behinderung militärischer Logistik, den Kontrollverlust über Terminals und den Abfluss sensibler Daten - etwa über im Ausland gekaufte Hafenkräne, die Herkunft und Bestimmung von Containern erfassen - bis zur Benachteiligung bei Kabotageverkehren. Vertreter der maritimen Wirtschaft in Brüssel sehen durchaus potenzielle Gefahren, wenn bestimmte Player eine starke Position in EU-Häfen bekommen. Begrüßen würden einige, wenn zumindest die neuen EU-Regeln für ein Screening außereuropäischer Investitionen von allen Mitgliedsstaaten angewendet werden müssten. Bislang ist das freiwillig, was zu Wettbewerbsnachteilen einzelner Häfen führen kann. Festzuhalten ist aber auch: Bisher gibt es laut EU-Kommission mit Piräus in der EU nur einen Hafen, der vollständig aus einem Drittstaat (China) kontrolliert wird. In Thessaloniki, Valencia und Zeebrügge hielten chinesische Investoren die Mehrheit an Terminals, bei allen anderen ausländischen Beteiligungen gehe es um Hafenmanagement oder den Betrieb von Terminals auf Grundlage von Konzessionen oder Leasingverträgen. Für solche Verträge könnte die EU strenge Vorgaben machen, es könnten Obergrenzen für Beteiligungen festgelegt werden. Genaues Hinsehen ist dabei wichtig. Hinter dem Hafenbetreiber von Thessaloniki, der jetzt auch für den griechischen Hafen Volos bietet, steht laut einem Bericht des Handelsblatts indirekt der russische Oligarch Ivan Ignatjewitsch Savvidis. EU-Hafenbetreiber würden sich im Rahmen einer Hafenstrategie sicher über mehr Geld aus dem EU-Haushalt oder von den Mitgliedstaaten freuen, etwa für ihre neuen Aufgaben als Energie-Hubs und zur Stärkung ihrer Position im internationalen Wettbewerb. Sie haben aber kein Interesse, im Gegenzug Investoren aus Drittstaaten zu verlieren, die durch allzu strenge Beteiligungsregeln verschreckt werden. Die EU wird auch in der Hafenpolitik auf dem schmalen Grat zwischen einer entschlosseneren Verteidigung ihrer Interessen und der Wahrung guter Beziehungen zu internationalen Handelspartnern wandeln müssen. Das dieser Pfad nicht einfach zu gehen ist, sieht man in anderen Bereichen, wie der allgemeinen China-Politik, in der die EU-Kommission schärfere Töne gegenüber Peking anschlägt als einige Mitgliedstaaten. Ein Beispiel ist auch die von der Kommission eingeleitete Antidumping-Untersuchung in Bezug auf E-Autos aus China. Bundeskanzler Olaf Scholz zeigt sich da eher skeptisch und warnt vor europäischem Protektionismus. Hafenbetreibern, Spediteuren und Verladern ist wichtig, dass der Welthandel weiter nach klaren Regeln läuft, die Politik sich möglichst nicht zu stark einmischt. Sie profitieren auch von gesundem Wettbewerb auf den Märkten. Es müssen allerdings nicht immer nur mächtige Akteure aus Drittstaaten sein, die den Wettbewerb durcheinanderbringen. Vertikal integrierte Konzerne, die sowohl im Seeverkehr, Terminalbetrieb als auch Hinterlandtransport aktiv sind, können marktbeherrschend werden - egal woher ihre Eigentümer kommen. Die maritime Wirtschaft begrüßt das Engagement solcher Akteure einerseits, wenn dadurch Abläufe in Häfen effizienter werden, in denen sonst nicht entsprechend investiert würde. Andererseits können dominante Player irgendwann Preise und Leistungsangebot bestimmen. Eine europäische Hafenstrategie wäre eine Chance, auch dieses Thema näher zu beleuchten. ■ Frank Hütten EU-Korrespondent der DVZ Deutsche Verkehrs-Zeitung B E R I C H T A U S B R Ü S S E L VON FRANK HÜTTEN In der Hafenpolitik sollte es nicht nur um die Herkunft von Investoren gehen