eJournals Internationales Verkehrswesen 75/4

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2023-0080
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City-Logistik war früher - heute ist Urbane Logistik erfolgreich

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Daniel Quiter
Birte Malzahn
Stephan Seeck
Maximilian Engelhardt
Das Konzept der City-Logistik scheiterte in den 1990er-Jahren. Der Artikel beleuchtet die Gründe für das damalige Scheitern und zeigt, wie sich mit neuen Ansätzen eine erfolgreiche Urbane Logistik entwickelt kann. An einem konkreten Praxis-Beispiel wird dargelegt, warum entsprechende Ansätze heute im Gegensatz zu früher funktionieren können. Dabei bietet der Rückblick in die Vergangenheit wertvolle Erkenntnisse zur Gestaltung nachhaltiger und effizienter Güterverkehrslogistik in städtischen Gebieten.
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Internationales Verkehrswesen (75) 4 | 2023 48 City-Logistik war früher - heute ist Urbane Logistik erfolgreich City-Logistik, Urbane Logistik, Smart City, Letzte Meile, Konsolidierung, Nachhaltigkeit Das Konzept der City-Logistik scheiterte in den 1990er-Jahren. Der Artikel beleuchtet die Gründe für das damalige Scheitern und zeigt, wie sich mit neuen Ansätzen eine erfolgreiche Urbane Logistik entwickelt kann. An einem konkreten Praxis-Beispiel wird dargelegt, warum entsprechende Ansätze heute im Gegensatz zu früher funktionieren können. Dabei bietet der Rückblick in die Vergangenheit wertvolle Erkenntnisse zur Gestaltung nachhaltiger und effizienter Güterverkehrslogistik in städtischen Gebieten. Daniel Quiter, Birte Malzahn, Stephan Seeck, Maximilian Engelhardt D ie Städte von heute befinden sich in einem stetigen Wandel, wobei immer die Anforderungen ihrer Bewohner*innen an eine lebenswerte Stadt zu erfüllen sind. Zudem wollen und müssen die Städte ihren Anteil zur Bekämpfung des Klimawandels beitragen; viele Städte haben sich das Ziel gesetzt, in wenigen Jahren klimaneutral zu werden. Bei gleichzeitig zunehmender Urbanisierung gehen damit im Speziellen für die Logistik und Versorgung der Bewohner*innen große Herausforderungen einher. Urbane Logistik braucht Veränderungen Eines der drängendsten Probleme moderner Städte ist die zunehmende Verkehrsüberlastung. Diese sorgen nicht nur für Verzögerungen im Lieferprozess, sondern auch zu negativen Umweltauswirkungen durch Stillstand und Staus. Aktuelle Studien gehen davon aus, dass die CO 2 -Emssionen durch städtischen Lieferverkehr bis zum Jahr 2030 um bis zu 30 Prozent zunehmen werden [1]. Auch wird sich die tägliche Pendelzeit für jeden Fahrgast um elf Minuten verlängern, sollten keine wirksamen Gegenmaßnahmen ergriffen werden [1]. Bereits jetzt ist die Letzte Meile ein enormer Kostentreiber für Logistikunternehmen, die bis zu 50 Prozent der Gesamtkosten in der Lieferkette verursacht [2]. Grund dafür sind ineffiziente Transportstrukturen, Fehlzustellungen sowie ein ge- Foto: Alex Fox / pixabay LOGISTIK Letzte Meile Internationales Verkehrswesen (75) 4 | 2023 49 Letzte Meile LOGISTIK ringer Dropfaktor (Anzahl Sendungen pro Stopp), vor allem im Kurier-, Express- und Paket-Segment (KEP) [2]. Die Nachfrage nach Gütern in Städten steigt durch die dort wachsende Bevölkerung. Zusätzlich steigt auch die Anzahl der Lieferungen bedingt durch den Trend zum E-Commerce und den damit zunehmenden individuellen Kleinstzustellungen. Durch Trends wie Convenience und den demografischen Wandel wird die Nachfrage nach bequemen und unkomplizierten Belieferungen verstärkt und diese Dynamik damit weiter vorangetrieben [3]. Die urbane Logistik steht somit vor der Aufgabe, die steigende Nachfrage durch eine Neuausrichtung effektiv zu bewältigen. Es gibt bereits innovative Ansätze, um die beschriebenen Herausforderungen zu bewältigen. Innovationen im Bereich intelligenter Softwaresysteme ermöglichen eine effizientere Planung, Verfolgung und Steuerung von Logistikprozessen, wodurch Lieferströme optimiert werden können. Die verstärkte Implementierung nachhaltiger und umweltfreundlicher Lösungen wie Lastenräder oder Elektro-Transporter hilft, CO 2 -Emissionen zu reduzieren und die Luftqualität zu verbessern. Durch die Zusammenarbeit verschiedener Akteur*innen, z. B. in Form von Konsolidierung, können Ressourcen effektiver genutzt und Synergieeffekte erzielt werden. Unter anderem zeigen die Ergebnisse von Forschungsprojekten vielversprechende Ansätze für die urbane Logistik der Zukunft: Das inzwischen als Unternehmen ausgegründete Projekt bündelt Sendungen verschiedener Paketdienstleister*innen zentral für einen Stadtteil und lieferte dies umweltfreundlich mit Lastenrädern im Wunschzeitfenster aus [4]; im Projekt „WAS-PAST“ wurde ein innerstädtisches Netzwerk von Mikro- und Makro-Hubs für B2B-Warenströme mit Lastenrädern aufgebaut [5]. Geänderte Rahmenbedingungen der heutigen urbanen Logistik Ein Konzept zur effizienten Bewegung von Waren in städtischen Gebieten ist keineswegs neu. Schon in den 1980er und 1990er- Jahren gab es unter dem Begriff City-Logistik Bestrebungen, innovative Lösungen insbesondere für die Bündelung des städtischen Güterverkehrs zu entwickeln und pilothaft umzusetzen. Ein prominentes Beispiel solcher Innovationen sind die heute noch in begrenzter Zahl existierenden Güterverteilzentren (GVZ). Diese wurden außerhalb der Stadt mit dem Ziel aufgebaut, Warenströme zu bündeln und Transportfahrten innerhalb der Stadt zu reduzieren. Damals scheiterten die meisten Projekte unter dem Label City-Logistik an einem Mangel an Kooperationen zwischen den beteiligten Unternehmen/ Nutzer*innen sowie dem mangelnden wirtschaftlichen Erfolg der Umsetzung [6]- daher wurde viele Projekte nach der Pilotphase wieder eingestellt. Betrachtet man die Rahmenbedingungen der damaligen City-Logistik, so zeigen sich große Unterschiede zur heutigen Zeit. Die Digitalisierung und damit das Internet und der E-Commerce steckten noch in den Anfängen und die damit einhergehenden großen Versandvolumen waren noch nicht existent. Technologien und digitale Tools zur Effizienzsteigerung, z. B. zur Berechnung genauer Tourenpläne, waren nicht vorhanden. Lieferzeiten waren unpräzise, intransparent und wenig flexibel. Neben Diesel- und Benzin-Transportfahrzeuge gab es keine alternativen Transportmittel, um Emissionen zu reduzieren. Zudem gab es weniger Einschränkungen durch die Politik, wie z. B. Umweltauflagen oder Fahrverbotszonen, die sich abzeichnende Klimakrise wurde noch nicht als Problem wahrgenommen. Die Belastung der Infrastruktur in den Innenstädten war zudem in den 1980er und 1990er Jahren weniger problematisch als heute. Heute ist die Infrastruktur der Innenstädte stark belastet, so dass Waren nur mit hohem Aufwand pünktlich und zur Zufriedenheit der Empfänger*innen zugestellt werden können. Zudem hat sich die Sendungs- und Empfänger*innenstruktur gewandelt: Wenn früher der Fokus auf Business-to-Business (B2B) lag und das Businessto-Consumer (B2C)-Segment bei der Lieferfrequenz eher zurückhalten war, ist die Konsumnachfrage privater Empfänger*innen stark gestiegen. Lieferungen dieses Segments zeichnen sich durch immer kleinteiligere und häufigere Lieferungen aus. Zudem ist die Umwelt und damit der Klimaschutz bei neuen Lösungen integraler Bestandteil. Gestiegene Erwartungen an flexible, transparente und schnelle Zustellprozesse - beispielsweise das Angebot von Same-Day-Lieferungen im B2C-Segment - stellen Logistiker vor erhöhte Anforderungen. Durch digital vernetzte Lieferketten und entsprechende Tools können solche Anforderungen zunehmend bedient werden. Lastenräder in Kombination mit Umschlagpunkten in Innenstadtlage, sogenannte Mikro-Depots, ermöglichen umweltfreundliche und flexible Warenlieferungen. Große Warenlager in Innenstadtnähe ermöglichen einen schnellen Same- oder Next-Day-Versand. Allerdings ist jedoch die Zahlungsbereitschaft privater Konsument*innen für zusätzliche Services und Nachhaltigkeit sehr gering [7]. Umso wichtiger ist die zunehmende Automatisierung der Zustelllogistik, nicht nur im Lager (Kommissionierung und Verwaltung), sondern auch in der Auslieferung City-Logistik der 1990er Jahre Urbane Logistik heute Technologie [3] Wenig technologische Unterstützung, überwiegend manuelle Routenplanung Technologischer Fortschritt durch GPS, Telematik, KI und Big Data Sendungs- und Empfänger*innenstruktur Fokus B2B, B2C-Konsumverhalten zurückhaltend, kein E-Commerce erhöhte Konsumnachfrage durch B2C, E-Commerce- Boom, kleinteilige Lieferungen, höhere Lieferfrequenz Digitalisierung Internet wenig verbreitet, Kommunikation über Telefon und Post, manuelle Prozesse Transparente Auftragsverwaltung, digitale Kommunikation, Plattformen zur Kollaboration Transportmittel [11] Konventionelle Diesel- oder Benzin-Fahrzeuge Auch umweltfreundliche Lastenräder und Elektro- LKWs, Roboter Umwelt Umweltaspekte spielen untergeordnete Rolle Nachhaltigkeit / Klimaschutz haben höheren Stellenwert Infrastruktur [12] Weniger Verkehrsdichte und Bevölkerungswachstum in Städten Urbanisierung führt zu Verdichtung und Platzmangel, eingeschränkte Infrastruktur Politik Weniger Regularien bzgl. städtischem Verkehr Regulierungen bzgl. Verkehrsbeschränkungen, Umweltauflagen Treibende Akteur*innen Logistikunternehmen, Politik Logistikunternehmen, Politik, Versender*innen, Verbraucher*innen, Umweltorganisationen, Forschung und Entwicklung Tabelle 1: Vergleich Rahmenbedingungen City-Logistik 1990er Jahre und heute Eigene Darstellung Internationales Verkehrswesen (75) 4 | 2023 50 LOGISTIK Letzte Meile durch z. B. autonome Roboter. Moderne Routenplanungsprogramme berücksichtigen Echtzeit-Daten wie z. B. Einschränkungen durch Demonstrationen oder Baustellen und sorgen für effiziente Zustellprozesse, perspektivisch auch für nachhaltige Transportmittel wie Lastenräder [8]. Ebenfalls können zukünftig Zusteller*innen durch moderne Technologien besser unterstützt werden: So vermeiden Augmented Reality (AR)-Brillen Fehler beim Picken des richtigen Pakets oder projizieren den Zustellenden den Weg zu den Empfänger*innen [9]. Künstliche Intelligenz (KI) hat darüber hinaus das Potenzial, durch Anwendungen in Planung und Durchführung der letzten Meile, wie z. B. durch Vorhersagen des Liefervolumens und Anwesenheit dem/ der Empfänger*in, die Effizient und den Service zu verbessern [10]. Schließlich zählen zu den treibenden Akteur*innen der urbanen Logistik heute nicht mehr nur Logistikunternehmen und Politik, sondern auch Versender*innen, Verbraucher*innen, Umweltorganisationen und Forschungseinrichtungen. Die gegenübergestellten Rahmenbedingungen der City-Logistik von damals und heute sind Tabelle 1 zu entnehmen. Das Projekt TUrLo Die geänderten Rahmenbedingungen schaffen Voraussetzungen für neuartige und innovative Ansätze, die es ermöglichen, die Umweltauswirkungen der städtischen Logistik zu reduzieren, transparente und flexible Transportketten zu schaffen und den gestiegenen Anforderungen der Empfänger*innen zu begegnen. Wie bereits gezeigt, sind gebündelte Warenströme in die und innerhalb der Städte keine neue Erfindung, gewinnen durch die geänderten Rahmenbedingungen jedoch immens an Bedeutung. Das im Folgenden beschriebene Konzept ähnelt dem Ansatz der City-Logistik der 1990er Jahre, wurde jedoch um aktuelle technologische Potenziale erweitert. Das vorgestellte Konzept verfolgt das Ziel, Bündelungskonzepte der urbanen Logistik durch eine effiziente Umsetzung wirtschaftlich rentabel zu realisieren. Im Rahmen des Projekts „Transfer-Roadmap Urbane Logistik (TUrLo)“ wird derzeit eine umfängliche Logistik-Lösung für ein zusammenhängendes Industriegebiet in einem Berliner Außenbezirk konzeptioniert. Dies erfolgt gemeinsam mit dem Berliner Unternehmensnetzwerk Motzener Straße e.V., in dem mehr als 60 Unternehmen dieses Gebiets verbunden sind. Im dortigen Industriegebiet sollen Pakete und Stückgut in einem GVZ durch eine Spedition vereinnahmt, gelagert, gebündelt und emissionsfrei ausgeliefert werden. Waren zum Versand sollen nach dem Milk-Run-Prinzip bei der Anlieferung abgeholt und so Leerfahrten vermieden werden. Einen zusätzlichen Mikro-Hub gibt es im Empfänger*innen- Gebiet nicht. Grund dafür ist die geringe Distanz von unter zehn Kilometern zwischen dem Makro-Hub-Standort und den Unternehmen im Industriegebiet. Motiviert wird die Implementierung durch große Beeinträchtigungen der Straßen-Infrastruktur im benannten Industriegebiet während der Hauptverkehrszeiten, auch Stellplätze für LKWs sind knapp. Diese Probleme werden dadurch verstärkt, dass viele Unternehmen mehrmals täglich beliefert werden, meist mit nur geringen Sendungsmengen. Die Akzeptanz für ein auf Bündelung und Emissionsfreiheit ausgerichtetes Projekt ist bei den Unternehmen vorhanden. Sind die Gründe für ein Scheitern damaliger City-Logistik-Ansätze in den 1990er Jahren hauptsächlich auf mangelnden Kooperationswillen zwischen den Unternehmen, unzureichende Technologien und damit ausbleibende wirtschaftliche Strukturen zurückzuführen, haben sich die Rahmenbedingungen für heutige Urbane Logistik-Lösungen positiv verändert. Somit hat die Implementierung einer konsolidierten Anlieferung und Abholung im Industriegebiet „Motzener Straße“ große Erfolgsaussichten. Die treibenden Akteur*innen sind die Unternehmen der Motzener Straße, die sich aktiv für eine Verbesserung der Umwelt und einer Entlastung der Infrastruktur vor Ort einsetzen. Die Lieferprozesse werden mit digitalen Touren- und Routenplanungsprogrammen optimiert und die Anlieferungen im Wunschzeitfenster über eine Softwareanwendung gesteuert. Für die Belieferung wird von dem Logistikdienstleister ein Elektro-LKW mit ausreichend Ladevolumen eingesetzt, um neben Paketen auch großteilige Sendungen auf Paletten konsolidiert und nachhaltig transportieren zu können. Dabei soll ein signifikantes Volumen an Paketen für die Unternehmen konsolidiert werden, das sich aus betrieblichen Paketen und Sendungen für Mitarbeitende zusammensetzt. Das IF- AF-geförderte Projekt wird von der Urban Research Group der Hochschule für Wirtschaft und Technik Berlin geleitet, die sich seit über fünf Jahren mit urbanen Lieferströmen befasst. Die Distributionsstruktur des Projekts TUrLo ist Bild 1 zu entnehmen. Um die Unternehmen schrittweise an ein solches Konzept heranzuführen und die Risiken bei der Umstellung der logistischen Prozesse zu minimieren, ist ein Ausbau in drei Stufen geplant. Zu Beginn wird in der ersten Stufe mit fünf ausgewählten Unternehmen die Bündelung von Paketen aufgenommen. Grund dafür ist eine einfachere Handhabung und ein geringerer Aufwand bei der Kommissionierung und Auslieferung. Die Anlieferung und Abholung findet zu fixierten Zeiten zweimal täglich statt. Individuelle Zeitfenster werden nicht angeboten. Nötige Abstimmungen zwischen Versender*in (Spedition) und Empfänger*in (Unternehmen) finden per Telefon statt. In der zweiten Stufe werden weitere Unternehmen aufgenommen und auch Stückgut den Konsolidierungsprozessen hinzugefügt. Die zeitlich fixierten Touren finden viermal täglich statt. In der dritten und finalen Stufe wird die Anzahl der beteiligten Unternehmen weiter erhöht. Mittels einer Software können Zeitfenster für die Anlieferung und Abholung gebucht werden. Auch bietet die Software die Möglichkeit, einen Überblick über den eigenen Warenbestand im Makro-Hub einzusehen. Dadurch Bild 1: Distributionsstruktur Projekt TUrLo Eigene Darstellung Internationales Verkehrswesen (75) 4 | 2023 51 Letzte Meile LOGISTIK kann seitens des/ der Empfänger*in eingeschätzt werden, ob eine Auslieferung erforderlich bzw. erwünscht ist, oder ob eine Bündelung mit weiteren Sendungen abgewartet werden soll. Die Belieferung in Wunschzeitfenstern erfordert einen erhöhten Aufwand bei der Tourenplanung und führt möglicherweise zu weniger effizienten Touren. Um auf die Problematik hinzuweisen, werden bei der Buchung der Wunschzeitfenster nicht nur 1-Stunden-Zeitfenster angeboten, sondern auch größere Zeitfenster von bis zu vier Stunden. Die größeren Zeitfenster ermöglichen eine vereinfachte Routenplanung und Effizienzgewinne. Die Erfolgsaussichten für eine Weiterführung nach Projektende sind gut. Durch das Unternehmensnetzwerk sind die beteiligten Unternehmen verbunden und stehen im stetigen Austausch. Eine Entlastung der Straßeninfrastruktur im Ausliefergebiet ist dringend erforderlich und nicht auf anderem Wege zu erreichen. Übertragbarkeit mittels einer Transfer-Roadmap Die Einführung innovativer Lösungen in der urbanen Logistik ist ein vielversprechender Weg, um die Herausforderungen des heutigen städtischen Güterverkehrs zu bewältigen. Dabei stehen Unternehmen bei der Umstellung logistischer Prozesse vor besonderen Herausforderungen. Im Projekt TUrLo wird deshalb auf Basis des konkreten Anwendungsfalls eine allgemeingültige Transfer-Roadmap erarbeitet. Diese ist ein Instrument für Kommunen und Logistikdienstleister*innen, um ein entsprechendes innovatives Konzept der urbanen Logistik auch an anderen Orten erfolgreich umsetzen zu können. Die Transfer-Roadmap ist in folgende vier Prozessschritte strukturiert: 1. Unternehmen gewinnen: Die Einführung neuer Logistik-Lösungen erfordert die Beteiligung und Zusammenarbeit verschiedener Unternehmen und Akteur*innen. Die Überzeugung dieser Unternehmen, sich an innovativen Ansätzen zu beteiligen, kann eine große Herausforderung sein; hierfür stellt die Transfer-Roadmap Argumentations- und Motivationshilfen zur Verfügung. 2. Politik und Regulierung sensibilisieren: Die politischen Rahmenbedingungen und Vorschriften beeinflussen die urbane Logistik erheblich. Die politische Unterstützung für umweltfreundliche und nachhaltige Lösungen sowie die Schaffung geeigneter regulatorischer Rahmenbedingungen sind entscheidend, aber auch meist einfach zu erreichen, da das Bewusstsein für nachhaltige Lösungen in der Politik und Verwaltung stark ausgeprägt ist; die Transfer-Roadmap enthält für die Umsetzung relevante Regularien. 3. Rahmenbedingungen schaffen: Die finanziellen, infrastrukturellen und technologischen Rahmenbedingungen müssen für die Umsetzung neuer Logistik- Konzepte geeignet sein. Dies erfordert Investitionen und die Schaffung der erforderlichen Ressourcen, was nur in einer gemeinsamen Anstrengung aller Beteiligten (Unternehmen, Logistikdienstleister*innen, Politik und Verwaltung) erreicht werden kann; die Transfer-Roadmap umfasst eine Auflistung erforderlicher Rahmenbedingungen. 4. Logistische Prozesse umstellen: Unternehmen und Logistikdienstleister*innen müssen bereit sein, ihre Arbeitsweisen und Prozesse anzupassen und neue Technologien zu implementieren; hierfür sind positive Beispiele erfolgreicher Umsetzungen vorzubereiten; in der Transfer-Roadmap werden entsprechende Prozesse detailliert beschrieben. Auf Basis des Pilotbetriebs in der Motzener Straße werden Best-Practice-Ansätze abgeleitet. Die Lösungen sollen dadurch auf weitere Gebiete anwendbar und den verschiedenen Stakeholder*innen zugänglich gemacht werden. Die Roadmap kann somit Kommunen und Logistikdienstleister*innen bei der erfolgreichen Implementierung und Umsetzung eines nachhaltigen Konsolidierungskonzepts unterstützen. Sie beinhaltet einen Implementierungsplan, Prozessmodelle sowie Anforderungen an Makro- und Mikro-Hubs, emissionsarme Fahrzeuge, Mitarbeitende und IT-Systeme. Insgesamt ist die Transfer-Roadmap ein wichtiges Instrument, um die urbane Logistik in Richtung Effizienz, Nachhaltigkeit und Innovation zu lenken. Sie fördert die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Akteur*innen und ebnet den Weg für eine zukunftsfähige Logistik, die den wachsenden Anforderungen der urbanen Räume gerecht wird. LITERATUR [1] Deloison, T. & al. (2023): The Future of the Last-Mile Ecosystem. World Economic Forum, Januar 2023. www3.weforum.org/ docs/ WEF_Future_of_the_last_mile_ecosystem.pdf [2] Klaus, P. (Hrsg.): Gabler Lexikon Logistik: Management logistischer Netzwerke und Flüsse, 5. Aufl. Wiesbaden: Springer Gabler, 2012. [3] Nobis, G. (2013): Citylogistik 2.0 - Herausforderungen und Handlungsfelder für die zukünftige urbane Versorgung“, 2013. https: / / media.suub.uni-bremen.de/ bitstream/ elib/ 3181/ 1/ 00104996-1.pdf [4] Quiter, D.; Malzahn, B.; Engelhardt, M.; Seeck, S. (2022): Userorientierter Prototyp einer Open-Source App für die Paketzustellung. Angewandte Forschung in der Wirtschaftsinformatik 2022: Tagungsband zur 35. Jahrestagung des Arbeitskreises Wirtschaftsinformatik an Hochschulen für Angewandte Wissenschaften im deutschsprachigen Raum (AKWI), Berlin, 2022, S. 335-343. DOI: 10.30844/ AKWI_2022_24 [5] Seeck, S. & al. (2023): Development and Test of a Low Emission Urban Delivery System. International Scientific Symposium on Logistics : Conference Volume, Bundesvereinigung Logistik (BVL) e.V., Berlin, Juni 2023, S. 139-145. DOI: 10.25366/ 2023.133 [6] Allemeyer, W.; Malina, R.; Peistrup, M. (2003): Leitfaden City-Logistik: Erfahrungen mit Aufbau und Betrieb von Speditionskooperationen. [7] Quiter, D.; Engelhardt, M.; Seeck, S.; Malzahn,B. (2021): Ermittlung von Kundenanforderungen an eine app-basierte Paketzustellung im urbanen Raum mittels Conjoint-Analyse. Anwendungen Konzepte Wirtsch., Nr. 13, Juli 2021, S. 12. DOI 10.26034/ lu.akwi.2021.3299 [8] Engelhardt, M.; Malzahn, B.; Teschendorf, R. (2023): Digitale Routenplanung für die Radlogistik: Anforderungen, Hürden und Lösungsansätz. In: HMD Prax. Wirtsch., Bd. 60, Nr. 4, Aug. 2023, S. 837-849. DOI: 10.1365/ s40702-023-00986-w [9] Eichler, R.: Europas Zusteller bringen den digitalen Fortschritt auf die letzte Meile. www.logistik-watchblog.de/ neuheiten/ 3286-europas-zusteller-digitalen-fortschritt-letzte-meile.html [10] Engelhardt, M.; Seeck, S.; Geier, B. (2022): Artificial Intelligence in Urban Last Mile Logistics - Status Quo, Potentials and Key Challenges. In: Freitag, M.; Kinra, A.; Kotzab, H.; Megow, N. (Hrsg.) Dynamics in Logistics. LDIC 2022. Lecture Notes in Logistics Springer, Cham, S. 275-289. DOI: 10.1007/ 978-3-031-05359-7_22 [11] Bogdanski, B. (2017): Innovationen auf der Letzten Meile. 2017. www.biek.de/ download.html? getfile=BIEK_Nachhaltigkeitsstudie_2017.pdf [12] Bretzke, W.-R.; Barkawi, K. (2010): Nachhaltige Logistik: Antworten auf eine globale Herausforderung. Berlin, Heidelberg: Springer. DOI: 10.1007/ 978-3-642-12352-8 Stephan Seeck, Prof. Dr. Professor für Produktion, Logistik und Supply Chain Management, Forschungsgruppe Urban Logistics, Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin stephan.seeck@htw-berlin.de Birte Malzahn, Prof. Dr. Studiengang Wirtschaftsinformatik, Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin birte.malzahn@htw-berlin.de Daniel Quiter Geschäftsführer KIEZBOTE GmbH; Dozent für Logistik und Produktion, Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin daniel@kiezbote.app Maximilian Engelhardt Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Forschungsgruppe Urban Logistics, Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin maximilian.engelhardt@htw-berlin.de