eJournals Internationales Verkehrswesen 75/4

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2023-0085
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2023
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Erfolgsmodell Sharing-Station

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2023
David Rüdiger
Ariane Kersting
Das Erfolgsmodell der Düsseldorfer Sharing-Stationen zeigt, wie stationsbasiertes und datengestütztes Management von E-Scootern und Co. gelingt. Das Netzwerk ist bereits 120 Stationen stark und sorgt für Ordnung und Sicherheit im Straßenraum. Eine smarte Datenanalyseplattform erfasst und steuert die Mikromobilität. Die Daten zeigen einen Wandel im Nutzungsverhalten hin zu einer berufsbedingten Nutzung. Im Rahmen des mFund-Projektes ScooP2City wird die Mobilitätsform sowie ihre stadtverträgliche Integration weiter erforscht und eine KI-gestützte Plattform für Kommunen geschaffen.
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Internationales Verkehrswesen (75) 4 | 2023 70 Erfolgsmodell Sharing-Station Wie stationsbasiertes und datengestütztes Management von-E-Scootern und Co. gelingt Sharing-Stationen, Mikromobilität, E-Scooter-Management, Datenanalyseplattform, Forschung Das Erfolgsmodell der Düsseldorfer Sharing-Stationen zeigt, wie stationsbasiertes und datengestütztes Management von E-Scootern und Co. gelingt. Das Netzwerk ist bereits 120 Stationen stark und sorgt für Ordnung und Sicherheit im Straßenraum. Eine smarte Datenanalyseplattform erfasst und steuert die Mikromobilität. Die Daten zeigen einen Wandel im Nutzungsverhalten hin zu einer berufsbedingten Nutzung. Im Rahmen des mFund-Projektes ScooP2City wird die Mobilitätsform sowie ihre stadtverträgliche Integration weiter erforscht und eine KI-gestützte Plattform für Kommunen geschaffen. David Rüdiger, Ariane Kersting M it 100 markierten Parkflächen für das sichere und ordentliche Abstellen von Leih- Rädern, Leih-Scootern und Leih-Mopeds hat die Connected Mobility Düsseldorf GmbH (CMD) im Auftrag der Landeshauptstadt Düsseldorf bis August 2023 das bislang größte Sharing-Stations- Netzwerk Nordrhein-Westfalens aufgebaut. In den Stadtteilen Altstadt, Carlstadt und Stadtmitte ist das Thema Scooter-Parken somit auf 3 km 2 der Innenstadt stadtverträglich reguliert. Das Mikromobilitäts- Netzwerk, welches in Ergänzung zum leistungsstarken Netzwerk von 100 Mobilitätsstationen in Düsseldorf aufgebaut wird, wird in den kommenden Monaten und Jahren kontinuierlich weiterwachsen. Geplant ist ein Zielnetz von 100 Mobilitätsstationen und 300 Sharing-Stationen. Im September 2023 sind bereits die nächsten 20 Sharing-Stationen an den Start gegangen. Der räumliche Satellit auf dem Campus der Heinrich-Heine-Universität Sharing-Station an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Foto: CMD MOBILITÄT Sharing Internationales Verkehrswesen (75) 4 | 2023 71 Sharing MOBILITÄT Düsseldorfs (HHU) sowie des Universitätsklinikums Düsseldorf (UKD) und dem angrenzenden Technologie-Park trägt der hohen Nutzung innerhalb dieses Bereiches Rechnung und ist in Zusammenarbeit mit den Wirtschaftsakteuren entstanden. Aktuell ist das Netzwerk in der Stadt also rund 120 Sharing-Stationen stark. In den kommenden Jahren wird es anwachsen. Im gesamten Stadtgebiet, vorrangig in Stadteilzentren sowie an ÖPNV-Punkten und anderen Orten öffentlichen Interesses, werden die Sharing-Stationen dann verfügbar sein und für Ordnung sorgen. Die Landeshauptstadt Düsseldorf strebt an, die erste Stadt in Deutschland zu sein, in der schlecht und behindernd abgestellte E-Scooter und Co. der Vergangenheit angehören. Die Erkenntnisse, die der Aufbau und der Betrieb des Netzwerks bislang liefern, stimmen dem negativen Image der E-Scooter zum Trotz durchaus positiv. Das Konzept zur stadtverträglichen Regulierung der Mikromobilität hat sich in den vergangenen Monaten als äußerst erfolgreich erwiesen. Die verkehrliche Situation wurde verbessert, die Beschwerden gehen deutlich zurück und die Akzeptanz für diese Mobilitätsalternative in der Masse der Bevölkerung steigt. Darüber hinaus ist auch ein Wandel im Nutzungsverhalten zu beobachten. Smarte Datenanalyseplattform Zur gezielten Erfassung und Steuerung der Mikromobilität in Düsseldorf hat die CMD eine leistungsstarke Datenanalyse-Plattform, das Shared-Mobiity-Dashboard, entwickelt. Es erfasst, verwaltet und visualisiert Daten verschiedener Shared-Mobility-Anbieter und anderer Quellen. Neben den erfassten Fahrten und Parkpositionen der Anbieter zählen die Daten von Parksensoren, dem städtischen Lastenradverleihsystem sowie den bereits realisierten Sharing-Stationen und Mobilitätsstationen dazu. Zusätzlich werden Geo-Daten, wie Parkverbotszonen, verwaltet und transferiert. Dabei liefert die Datenplattform wertvolle Erkenntnisse für das strategische und operative Shared- Mobility-Management. Parkvorgänge und Auslastungen können automatisiert überwacht werden, Bedarfe ortspezifisch ermittelt und sinnvoll gesteuert und Trends im Nutzungsverhalten frühzeitig erkannt werden. Mit Ausnahme weniger Wintermonate finden monatlich weit über 400.000 Fahrten mit einem Leih-E-Scooter in Düsseldorf statt. Im September 2023 wurden beispielsweise 439.800 Fahrten pro Monat unternommen (Bild 1). Das sind 19.000 Fahrten mehr als im September des Vorjahres. Dabei variiert das Nutzungsverhalten der Scooter- Fahrer je nach Wochentag und Uhrzeit. Wochentags werden die Mikromobile in den Zeiten von 7 bis 9 Uhr sowie in den späten Nachmittagsstunden besonders intensiv genutzt. Ein signifikanter Anteil entfällt auf berufsbezogene Fahrten, das heißt Wege zur Arbeitsstätte und zurück. Diese berufsbedingten Spitzenzeiten bleiben am Wochenende aus. Der Wandel des E-Scooters von einem reinen Freizeitgefährt hin zu einer echten Mobilitätsalternative wird in der berufsbedingten Nutzung besonders deutlich. Es ist ein Trend, der sich mittlerweile verfestigt, unter anderem deshalb, weil der erste „Hype“ vorüber gegangen ist und viele Lockangebote durch stabile Wirtschaftstarife abgelöst wurden. Mit Blick auf den Gartner-Hype-Cycle ist das Thema E-Scooter mittlerweile eher in der Phase „Pfad der Erleuchtung“ angekommen. Bild 1: Tagesganglinien an Werktagen und Wochenenden im September 2023 Eigene Darstellung Bild 2: Unfallzahlen in Nordrhein-Westfalen insgesamt und allein in Düsseldorf Eigene Darstellung Internationales Verkehrswesen (75) 4 | 2023 72 MOBILITÄT Sharing Bemerkenswert sind nicht nur die steigenden Nutzerzahlen und das veränderte Bewegungsprofil, sondern auch die Korrelation zu den Unfällen mit Elektro-Kleinstfahrzeugen. Während die Unfallzahlen laut der Polizei Nordrhein-Westfalen bei diesen Fahrzeugen im gesamten Bundesland stark ansteigen, kann man für die Landeshauptstadt eine Stagnation der Unfallzahlen beobachten. Die Unfallstatistiken der Polizei weisen erst seit 2019 Elektro-Kleinstfahrzeuge gesondert aus, und auch eine Klassifizierung der Unfälle nach privatem E-Scooter oder Sharing-Fahrzeug findet nicht statt. Die Stagnation der Unfallzahlen in Düsseldorf legt aber zumindest einen Zusammenhang zwischen niedrigeren Unfallzahlen und konsequenter Regulierung der Mikromobilität nahe. Forschungsprojekt ScooP2City Im Shared-Mobility-Dashboard stehen heute bereits umfangreiche Analysefunktionen zu den Shared-Mobility-Services der Stadt bereit. Die Landeshauptstadt Düsseldorf und die CMD sind in Hinblick auf ihre Sharing-Angebote vergleichsweise weit fortgeschrieben. Sie setzen sich auch über die Stadtgrenzen hinaus für die Weiterentwicklung bestehender Mobilitätslösungen und damit verbundenen datengestützten Services ein. Denn für viele Kommunen ist die stadtverträgliche Integration von Shared- Mobility-Angeboten eine große Herausforderung (Bild 3). Es fehlt nicht nur an den nötigen personellen und finanziellen Ressourcen, sondern auch an standardisierten offenen Systemen sowie an kommunalen Austauschformaten. Genau an dieser Stelle setzt das neue mFund-Projekt ScooP2City an. Das Projekt, welches vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr gefördert wird, ist im September 2023 gestartet und auf drei Jahre ausgelegt. Gemeinsam mit den Projektpartnern Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation, der Von Beust & Coll. Beratungsgesellschaft mbH & Co. KG, der TraffGo Road GmbH, den Städten Heilbronn und Krefeld werden die Landeshauptstadt Düsseldorf und die CMD im Rahmen von ScooP2City eine innovative, KI-gestützte Plattform schaffen, die Kommunen im Umgang mit Shared-Mobility- Angeboten praxisnahe Lösungen bietet und die Vernetzung fördert. •• Wie sollen die politischen Rahmenbedingungen für Shared-Mobility-Services ausgestaltet sein? •• Wie groß ist der Einfluss von Stadt-, Verkehrs- oder Freizeitstrukturen auf die Einzugsgebiete von Mobilitätsangeboten? •• Und welche analytischen Aufgaben können mit KI-basierten Ansätzen gelöst werden? Diese und viele weitere Fragen werden in den kommenden drei Jahren erforscht. Im Laufe des Projektes wird eine neue Methodik entwickelt, eine Datendrehscheibe aufgebaut sowie datengestützte Services entwickelt. Prototypisch werden diese an den Modellkommunen Düsseldorf, Heilbronn und Krefeld umgesetzt und evaluiert. Dabei profitiert Düsseldorf am Erfahrungsaustausch mit den anderen Modellkommunen sowie vom Zugang zu neuen Technologien und datenbasierten Lösungen. Auch bei strategischen Fragen, beispielsweise in Hinblick auf die Definition von Mobilitätszielen, kann das Projekt unterstützen. Insgesamt wird das Forschungsprojekt dazu beitragen, Düsseldorfs Position als eine Stadt mit fortschrittlichen Mobilitätslösungen weiter zu stärken und die kontinuierliche Weiterentwicklung voranzutreiben. Es bietet die Möglichkeit, innovative Technologien und bewährte Praktiken zu nutzen, um die Mobilität für die Bürgerinnen und Bürger noch effizienter, nachhaltiger und benutzerfreundlicher zu gestalten. ■ HINTERGRUND Wussten Sie schon …? •• 80 % aller Fahrten mit geliehenen E-Scootern und Fahrrädern finden werktags statt. •• Die Nutzungsstatistik entspricht der typischen Tageslinie des Verkehrsaufkommens in einer Stadt. Es gibt morgendliche und abendliche Hochpunkte, die mit den typischen Arbeitszeiten der Bürgerinnen und Bürger korrelieren. •• Die Leihfirmen unterstützen Konzepte des stationsbasierten Verleihs. Viele Städte sind hier in der Bringschuld, passende Shared-Mobility-Konzepte zu entwickeln. •• Der internationale Datenstandard MDS (Mobility-Data-Specification) erlaubt tiefgreifende Überwachung und Kontrolle von Leih-Mobilität, unter Einhaltung und Sicherstellung der Anforderungen des Datenschutzes. •• E-Scooter- und E-Bike-Firmen bieten Monatsabos in Höhe von im Schnitt 30-EUR pro Monat an. In Kombination mit dem Deutschland-Ticket (Preis 49 EUR pro Monat) ist eine autofreie Mobilität mit vielen, individuellen Freiheitsgraden für 79-EUR pro Monat möglich. Weiterführende Informationen zum Sharing- Stations-Netzwerk und zu ScooP2City finden Sie unter: https: / / www.sharingstation.de https: / / bmdv.bund.de/ SharedDocs/ DE/ Artikel/ DG/ mfund-projekte/ scoop2city.html David Rüdiger, Dr. Technischer Geschäftsführer, Connected Mobility Düsseldorf GmbH, Düsseldorf ruediger@mobildus.de Ariane Kersting Leiterin Kommunikation Connected Mobility Düsseldorf GmbH, Düsseldorf kersting@mobildus.de Bild 3: Sharing-Station Immermannstraße als gelungenes Beispiel für eine stadtverträgliche Integration Foto: CMD