eJournals Internationales Verkehrswesen 76/1

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2024-0005
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2024
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Bei der Förderung des Kombinierten Verkehrs sind noch viele Fragen offen

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Frank Hütten
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Internationales Verkehrswesen (76) 1 ǀ 2024 24 DOI: 10.24053/ IV-2024-0005 S ehr lange hat sich die EU-Kommission Zeit gelassen für ihren neuen Anlauf zur Reform der Richtlinie über den Kombinierten Verkehr (KV). Ursprünglich war ein Gesetzesvorschlag bereits für 2022 angekündigt, dann wurde er immer wieder verschoben und zuletzt sogar aus dem im Juli präsentierten Legislativpaket für einen „grüneren Güterverkehr“ herausgenommen, in dessen Kontext er eigentlich gehört. Seit Anfang November liegt der Vorschlag endlich vor. Vielleicht war es die Erleichterung darüber, dass die Reformpläne nicht noch bis nach der Europawahl im Juni 2024 aufgeschoben wurden, die den europäischen Verband für den Kombinierten Verkehr UIRR zunächst bewogen haben, von einem Vorschlag zu sprechen, der „eine wahre Revolution verspricht“. Die UIRR streicht besonders heraus, dass die Umweltfreundlichkeit des KV mit dem Richtlinienentwurf explizit anerkannt wird, weil danach künftig nur solche Verkehre als KV eingestuft und gefördert werden sollen, die mindestens 40 Prozent weniger externe Kosten verursachen als der Gütertransport über die Straße. Ein weiterer zentraler Punkt des Vorschlags ist für die UIRR die Vorgabe, dass EU-Staaten nationale Pläne dafür aufstellen müssen, wie sie innerhalb von siebeneinhalb Jahren die Kosten des Kombinierten Verkehrs um mindestens 10 Prozent drücken wollen. Die Vorschläge sind ohne Frage wichtig, aber können sie eine Revolution bei der Förderung des KV auslösen? Trotz der langen Arbeit an dem Gesetzesentwurf überlässt die EU-Kommission wichtige Fragen den Mitgliedstaaten oder verschiebt ihre Beantwortung auf die Zukunft. Was genau zu den externen Kosten des Güterverkehrs zählt und wie die Kostenersparnis eines KV-Transports mithilfe der geplanten Plattformen für elektronische Frachtinformationen (eFTI) digital berechnet wird, soll erst nach Verabschiedung der KV-Richtlinie in einem delegierten Rechtsakt festgelegt werden. Ob die vorgeschlagene neue KV-Definition Operateuren aber künftig Scherereien bei Kontrollen durch die Behörden erspart, hängt maßgeblich von ihrer Praxistauglichkeit ab. Nach intensiverem Studium blicken KV-Operateure und ihr Verband UIRR inzwischen skeptischer auf die Vorschläge. Viele fragen sich, woher sie die Daten für die Berechnung der externen Kosten bekommen sollen. Manche zweifeln, dass die Mobilfunkabdeckung in der EU gut genug ist, um das Ergebnis dieser Berechnungen bei einer Straßenkontrolle überall auf Knopfdruck abrufen zu können. Andere weisen darauf hin, dass der Auf bau des 2020 auf EU-Ebene beschlossenen eFTI-Systems nur langsam vorankommt. Bis zum Sommer 2026 soll es bereit sein. Seit Juli arbeitet ein europäisches Konsortium aus 22 Projektpartnern - darunter auch das Bundesverkehrsministerium - unter der Führung Estlands an den Grundlagen eines europaweit einheitlichen Betriebs nationaler Zugänge der Mitgliedstaaten, sogenannter eFTI-Gates. Bei der Förderung des Kombinierten Verkehrs will die Kommission den Mitgliedstaaten zwar viel Spielraum lassen, sie verweist aber auch auf die Geltung des EU-Beihilferechts. Das erlaubt auch heute schon zahlreiche Subventionen für den KV, sie müssen allerdings in Brüssel angemeldet und genehmigt werden. Der EU- Verband der Bahn- und Infrastrukturbetreiber CER fordert, diese Genehmigungspflicht aufzuheben. Davon steht im Kommissionsvorschlag aber nichts. Von den Mitgliedstaaten wird viel eigene Initiative bei der Förderung verlangt. Die direkt im Richtlinienvorschlag angelegten Fördermöglichkeiten sind überschaubar. Neu ist der Vorschlag, Lkw-Transporte im Rahmen des KV von Nacht-, Sonntags- und Feiertagsfahrverboten zu befreien. Einen Vorteil bringt das aber nur, wenn die verladende Wirtschaft zu diesen Zeiten auch Waren annimmt. Ob Lkw im Vor- und Nachlauf des KV weiterhin schwerer sein dürfen als im reinen Straßengüterverkehr, wird nicht in der KV-Richtlinie, sondern in der Richtlinie über Maße und Gewichte entschieden. Nicht rühren will die Kommission an der Kabotagefreiheit im Vor- und Nachlauf. KV-Operateure sollen also kostengünstige ausländische Dienstleister weiter unbegrenzt nutzen dürfen, während im Straßengüterverkehr die Kabotage mit Blick auf die Sozialstandards eng reglementiert wird. Im KV sei kein systematischer Kabotage-Missbrauch zu sehen, heißt es in der Kommission dazu. Im Europaparlament und Ministerrat könnte es darüber aber kontroverse Diskussionen geben. Auch die 2017 geplante Reform der KV-Richtlinie ist schließlich maßgeblich an der Frage des Umgangs mit der Kabotagefreiheit gescheitert. Bei der Förderung des Kombinierten Verkehrs sind noch viele Fragen offen B E R I C H T A U S B R Ü S S E L VON FRANK HÜTTEN Frank Hütten EU-Korrespondent der DVZ Deutsche Verkehrs-Zeitung