Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2024-0009
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Förderung des Fahrradpendelverkehrs in Deutschland
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Jana Heimel
Isabell Balzer
In diesem Beitrag wird die im Rahmen des BMDV-Forschungsprojekts „PendlerRatD“ veränderte Pendlermobilität von potenziellen Rad- einstigen Autofahrenden analysiert. Mit Fokus auf den Fahrradpendelverkehr werden die Ergebnisse der Nachbefragung nach den einmonatigen Pilotphasen des Projektes untersucht. Die Studie zeigt, dass das Fahrradpendeln das Wohlbefinden der Pendelnden steigert und die Umstiegsbereitschaft vom MIV auf das Fahrrad fördert. Zudem betont sie die Schlüsselrolle von Arbeitgebern und die Bedeutung einer verbesserten Fahrradinfrastruktur für den Erfolg der Mobilitätswende.
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Internationales Verkehrswesen (76) 1 ǀ 2024 40 LOGISTIK Xxxxx xxxxxxxxxxx DOI: 10.24053/ IV-2024-0009 MOBILITÄT Fahrradverkehr Fahrrad zum Einsatz. [3] Besonders hoch ist der Anteil des motorisierten Individualverkehrs (MIV) bei Berufs- und Ausbildungsfahrten, mit fast 39 % repräsentieren sie den größten Anteil der Fahrten im MIV. [4] Vor diesem Hintergrund erweist sich die Ansprache von Berufspendelnden als Einführung Trotz des durch die Corona-Pandemie geförderten Fahrradbooms der vergangenen Jahre [1] werden noch immer nahezu 60 % der Wege mit dem Auto zurückgelegt, im ländlichen Raum sind es sogar 70 % der Wege. [2] Lediglich für 11 % aller Wege kommt das geeignetes Mittel zur Erhöhung des Radverkehrsanteils und zur Abschöpfung des Wachstumspotenzials des Fahrrades. Das Projekt „PendlerRatD“, das vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) im Rahmen des Nationalen Radverkehrsplans 2020 (NRVP) sowie von Un- Förderung des Fahrradpendelverkehrs in Deutschland Ergebnisse der Nachbefragung des Projekts PendlerRatD Radverkehr, Pendeln, Bewusstseinswandel, nachhaltige/ aktive Mobilität In diesem Beitrag wird die im Rahmen des BMDV-Forschungsprojekts „PendlerRatD“ veränderte Pendlermobilität von potenziellen Radeinstigen Autofahrenden analysiert. Mit Fokus auf den Fahrradpendelverkehr werden die Ergebnisse der Nachbefragung nach den einmonatigen Pilotphasen des Projektes untersucht. Die Studie zeigt, dass das Fahrradpendeln das Wohlbefinden der Pendelnden steigert und die Umstiegsbereitschaft vom MIV auf das Fahrrad fördert. Zudem betont sie die Schlüsselrolle von Arbeitgebern und die Bedeutung einer verbesserten Fahrradinfrastruktur für den Erfolg der Mobilitätswende. Jana Heimel, Isabell Balzer Internationales Verkehrswesen (76) 1 ǀ 2024 41 Fahrradverkehr MOBILITÄT DOI: 10.24053/ IV-2024-0009 ternehmen (Dieter Schwarz Stiftung, Bosch e-Bikes, AOK, BASF und IBES Baugrundinstitut) gefördert wird, verfolgt das Ziel, den Fahrradpendelverkehr zu stärken. Hierbei werden motorisierte Berufspendelnde durch Anreizmechanismen dazu angeregt, auf ökologisch nachhaltige Verkehrsalternativen umzusteigen, wobei ein besonderes Augenmerk auf dem Fahrrad liegt. Über die gezielte Ansprache von Arbeitnehmendende und die Bereitstellung von Leihrädern für einen bestimmten Zeitraum gelingt es innerhalb des Projekts, einstig MIV-Pendelnde zum Umstieg auf das Fahrrad zu bewegen. Der vorliegende wissenschaftliche Beitrag gibt einen Überblick über PendlerRatD, die erzielten Forschungsergebnisse und die Umsetzung eines Anreizsystems. Im Folgenden werden zunächst der theoretische Hintergrund und bisherige Forschungsergebnisse zum Thema nachhaltige Mobilität vorgestellt. Anschließend wird der methodische Auf bau der Studie dargestellt. Dann erfolgt die Präsentation wesentlicher Ergebnisse. Abschließend werden die Ergebnisse kritisch betrachtet und zusätzliche Anregungen für zukünftige Maßnahmen zur Steigerung des Fahrradpendleranteils in Unternehmen dargelegt. Forschungsergebnisse und theoretischer Hintergrund Bereits im Jahre 2012 wurde der Einfluss von nachhaltiger Mobilität auf Arbeitnehmer erforscht. So haben beispielsweise Heinen und Kollegen ein Online-Survey in verschiedenen Niederländischen Kommunen durchgeführt, um herauszufinden, welche Faktoren am Arbeitsplatz das Fahrradpendelverhalten beeinflussen. Neben Distanz und Geschlecht spielen auch soziale Normen, finanzielle Anreize durch den Arbeitgeber und die Verfügbarkeit von Geschäftswagen oder kostenlose Tickets für den öffentlichen Personennahverkehr eine wichtige Rolle bei der Wahl des Pendelfahrzeugs. Darüber hinaus wird in dieser Studie die Relevanz von Fahrradinfrastruktur am Arbeitsplatz als Einflussfaktor aufgezeigt. Sichere Fahrradabstellanlagen sind beispielsweise von besonderer Relevanz.[7] In den USA, in der vom Automobil dominierten Stadt Charlotte in North Carolina, wurden 2019 verschiedene Fahrradpendelnde zu ihrem Mobilitätsverhalten und ihrer Entscheidung mit dem Fahrrad zu Pendeln befragt. Besonders auffällig ist bei diesen Interviews, dass es zwar insgesamt wenige Fahrradpendelnde in Charlotte gibt, es sich dabei aber um besonders leidenschaftliche Fahrradpendelnde handelt. Motiviert werden sie von einem großen Netzwerk an Fahrrad-Enthusiasten, die „Neulingen“ gerne in einem Buddy-System zur Seite stehen. Zwar bemängeln sie teilweise die Infrastruktur am Arbeitsplatz, allerdings haben sie gelernt sich damit zu arrangieren und sind häufig ihrer Gesundheit zuliebe mit dem Fahrrad unterwegs. Nichtsdestotrotz wird die Relevanz der Arbeitgeber bei der Pendelentscheidung betont, vor allem hinsichtlich kontinuierlicher Fahrradnutzung. [9] Insgesamt weisen viele Studien darauf hin, dass der Anteil derer, die gerne mit dem Fahrrad pendeln möchten, steigt und sich immer mehr Menschen vornehmen, regelmäßiger das Fahrrad zu nutzen. [11] Jedoch setzen nur wenige dieses Vorhaben in die Tat um, da, wie die bisherige Forschung zeigt, die Voraussetzungen dafür nicht stimmen.[12] Dieses Verhalten lässt sich mit Hilfe der Attitude-Behavior Gap erklären. Die Attitude-Behavior Gap (oder auch Value-Action Gap) dient als theoretische Basis der PendlerRatD-Forschung. Sie findet vor allem im Bereich der Nachhaltigkeitsforschung, somit auch bei nachhaltiger Mobilität, Anwendung und beschreibt die „Lücke“ (Gap) zwischen der Einstellung von Individuen zu nachhaltigem Verhalten und ihren tatsächlichen Verhaltensweisen. [5], [6] Blake, als einer der ersten Forscher zur Value-Action Gap, identifiziert drei unterschiedliche Einflussfaktoren für die tatsächliche Habitualisierung von umweltfreundlichem Verhalten: individuelle Faktoren (z. B. Faulheit), Verantwortlichkeit (z. B. Abwerten des eigenen Einflusses auf die gesamte Entwicklung) und Praktikabilität (z. B. fehlende Zeit und Ermutigung).[8] Mithilfe von Aktivierung, Ermutigung und Aufklärung möchte PendlerRatD einen Bewusstseinswandel herbeiführen und so die genannte Lücke schließen, dafür kommen beispielsweise auch Boni in Form von physischen Anreizen zum Einsatz. Methodischer Aufbau Im Rahmen von PendlerRatD wurde ein mehrstufiges Verfahren mit insgesamt vier Studienphasen absolviert (siehe Bild 1). Dabei sei anzumerken, dass die Studienphasen 2 bis 4 in drei Jahren in Folge (2019, 2020/ 1, 2022) durchgeführt wurden. Der vorliegende Beitrag beinhaltet die Beschreibung der wesentlichen Projektphasen mit Fokus auf der Darstellung der jüngsten Studienergebnisse (Phase 4 Nachbefragung) aus dem Jahr 2022. Bild 1: Überblick über PendlerRatD-Studienphasen Internationales Verkehrswesen (76) 1 ǀ 2024 42 DOI: 10.24053/ IV-2024-0009 Ergebnisse Die Ergebnisse der Nachbefragung zeigen, dass 37 % der Teilnehmenden täglich zu ihrer Arbeitsstätte pendeln (müssen), während fast die Hälfte der Teilnehmenden (47 %) nur maximal an drei Tagen pro Woche pendelt. Insbesondere die Corona-Pandemie trug zu einem Anstieg des Home-Office und mobilen Arbeitens bei, was wiederum zu einer Verringerung des Pendelverkehrs führte. Die zurückgelegten Pendeldistanzen während der Pilotphasen liegen bei den Teilnehmenden je nach Hauptverkehrsmittel 4 im Durchschnitt zwischen 14 und 17 Kilometern (siehe Bild 2). Hervorzuheben ist, dass die durchschnittlichen Pendeldistanzen mit dem Auto und dem Fahrrad identisch sind und jeweils 14 Kilometer betragen. Dabei benötigen fahrradfahrende Berufspendler durchschnittlich gerade einmal 7 Minuten mehr Zeit, um die gleiche Strecke wie Autofahrende zu absolvieren. Pendelnde, die eine Kombination verschiedener Verkehrsmittel nutzen, zeigen eine vergleichbare durchschnittliche Pendeldauer. Trotz einer im Durchschnitt längeren Fahrzeit, sind Berufspendelnde mit dem Fahrrad insgesamt die zufriedensten Pendelnden. Ihre Zufriedenheit in Bezug auf Gesundheit-, Umwelt- und Kostenaspekte übertrifft deutlich die der motorisiert Pendelnden. Berufspendelnde, die das Auto nutzen, schätzen hingegen speziell den Komfort und die Flexibilität ihres Pendelfahrzeugs (siehe Bild 3). Das Wohlbefinden stellt beim Pendeln einen wichtigen Faktor dar und entscheidet abschließend über die Wahl des Verkehrsmittels. Von besonderer Relevanz ist daher, dass sich 80 % der Teilnehmenden beim Pendeln mit dem Rad besser fühlen als beim Pendeln mit dem Auto. Mehr als 75 % der Teilnehmenden berichten sogar, dass ihnen das Pendeln mit dem Rad große Freude bereitet. Bemerkenswert ist die Ummotiviert ihren „inneren Schweinehund“ zu überwinden. Testung PendlerRatD App-basiertes Anreizsystem Die Probanden wurden angehalten, ihre täglichen Pendelfahrten mit der Pendler- RatD-App zu dokumentieren. Sie dient nicht nur der Erfassung der gefahrenen Kilometer. Im Rahmen des Bonus-Moduls der App erfolgt eine Anreizgewährung für die konsequente Nutzung des Fahrrads im Pendelverkehr, welche über die reine Kilometerdokumentation hinausgeht. Aufgezeichnete Touren, gefahrene Kilometer und/ oder überwundene Höhenmeter 3 können gegen Boni, bspw. Fahrradequipment, von Sponsoren oder Arbeitgebern eingetauscht werden. Auf diese Weise sollten die Probanden nicht nur zur App-Testung, sondern auch zum kontinuierlichen Umstieg auf das Fahrrad als Pendelmittel motiviert werden. Studienphase 4: Nachbefragung Der Fokus des vorliegenden Beitrags liegt auf der Ergebnisdarstellung der Nachbefragung. Aus diesem Grund dienen die nachfolgenden Abschnitte der detaillierten Vorstellung des Vorgehens während der Studienphase 4. Datenerhebung Die Datenerhebung für die Nachbefragung erfolgte jeweils zwei Wochen nach Abschluss der entsprechenden Pilotphasen 2022, und zwar im Zeitraum zwischen Mai und November 2022. Die Stichprobe umfasste sämtliche Teilnehmenden der acht Pilotphasen. Die Grundgesamtheit bestand somit aus 223 Teilnehmenden (182 Leihradelnde und 41 Eigenradelnde). Die Teilnehmenden wurden aufgefordert, an der Abschlussbefragung teilzunehmen, indem ihnen ein Umfragelink per E-Mail zugesandt wurde. Zur Sicherstellung einer möglichst großen Rücklaufquote erfolgte eine Erinnerung zur Teilnahme per Mail. Der Fragebogen der Abschlussbefragung bestand aus den folgenden fünf Themenfeldern: Pendelsituation (vor und während der Pilotphase) Umstiegsbereitschaft PendlerRatD-App mit Tracking- und Bonus-Modul Infrastruktur & Sicherheit (Allgemein (in der Stadt bzw. Region) und beim Arbeitgeber) Soziodemographische Angaben Insgesamt haben 176 der Probanden an der Befragung teilgenommen. Männer dominieren mit 55 % der Befragten die Stichprobe, 44 % der Teilnehmenden sind weiblich und 1 % nennt das Geschlecht divers. Studienphase 2: PendlerRatD-Studie Nachdem das Projekt erfolgreich aufgesetzt und ein Projektpartnernetzwerk von mehr als 30 Organisationen aufgebaut werden konnte (Studienphase 1), wurde in der anschließenden Phase 2 eine quantitative Studie durchgeführt. Es handelte sich dabei um eine Onlinebefragung zum Mobilitätsverhalten von Pendelnden. Innerhalb der Befragung wurde neben dem aktuellen auch das gewünschte Pendelverhalten der Mitarbeitenden des Projektpartnernetzwerks abgefragt. Die Onlinebefragung wurde von Arbeitgebern (u. a. LBBW, AOK Heilbronn-Franken) und Multiplikatoren (wie ADFC, IHK, VCD) aus dem Projektpartnernetzwerk an Arbeitnehmende per Mail und/ oder durch Bekanntmachungen in Newslettern kommuniziert. Insgesamt nahmen 4.372 Personen aus dem gesamten Bundesgebiet der Bundesrepublik Deutschland, mehrheitlich aus dem süddeutschen Raum, an der zwischen März und September 2022 durchgeführten PendlerRatD-Studie teil. [10] Die Ergebnisse decken sich mit den eingangs geschilderten Fakten zur Fahrradnutzung und zum Modalsplit. Mehrheitlich pendeln die Teilnehmenden mit dem Auto zur Arbeitsstätte (62 %).[10] Überraschenderweise würde aber jeder zweite Autofahrende gern mit dem Fahrrad pendeln, sofern es denn die Rahmenbedingungen ermöglichen. Genau hier setzt PendlerRatD an, indem es gezielt potenzielle Umstiegskandidaten adressiert und zur Teilnahme an einer Pilotierung zum Ausprobieren von Pendeln mit dem Rad/ e-Bike einlädt. 1 Studienphase 3: Pilotierung Die Durchführung von insgesamt acht zeitlich (von April bis Oktober 2022) und örtlich (Pilotphasen in verschiedenen Städten im süddeutschen Raum 2 ) rollierenden einmonatigen Pilotphasen stand im Fokus der dritten Studienphase. Während der Pilotphasen wurden den vormalig motorisierten Berufspendelnden (Studienteilnehmende der PendlerRatD-Studie) Pedelecs und Fahrrad- Basisequipment (Smartphone Halterung, Regenponcho, Fahrradtasche und Helm) zur Verfügung gestellt. Dabei stand das PendlerRatD-Projektteam allen Probanden während der gesamten Pilotphase beratend zur Seite. So konnten bedarfsgerecht Unsicherheiten, Bedenken und Hemmnisse abgebaut werden. Es wurden außerdem PendlerRatD- Stammtische zum Erfahrungsaustausch untereinander aber auch zum Austausch mit dem Projektteam angeboten. Es zeigte sich am Ende einer jeden Pilotphase, dass nebst der Bereitstellung eines e-Bikes, dieser „Caring-Aspekt“ ein wesentliches Erfolgskriterium für die Erzielung von Umstiegseffekten impliziert. So waren die Teilnehmenden Bild 2: Durchschnittliche Pendeldistanz und Pendeldauer (einfacher Weg) nach Hauptverkehrsmittel MOBILITÄT Fahrradverkehr Internationales Verkehrswesen (76) 1 ǀ 2024 43 DOI: 10.24053/ IV-2024-0009 beeinflusst das gesamte Bewusstsein der Probanden und ihre Einstellung zum Fahrradpendeln positiv. Neben den dargestellten positiven Entwicklungen haben die Teilnehmenden Verbesserungspotenziale bei Arbeitgebern und bei der städtischen bzw. kommunalen Radinfrastruktur identifiziert. Speziell der Radwege(aus-)bau ist wichtig zur Steigerung des Radverkehrs innerhalb von Städten und Gemeinden. Arbeitgeber sollten ebenfalls Verbesserungen an ihrer Fahrradinfrastruktur vornehmen und mehr Stellplätze, Duschen und Umkleiden einrichten. Zudem erweist sich das Thema Bike Leasing über den Arbeitgeber als wichtige Stellschraube Der Erfolg der Pilotphasen lässt sich ebenfalls durch die bereits getätigten Fahrradkäufe und das Abschließen von Fahrradleasing-Verträgen aufzeigen. Bereits 31 % der Teilnehmenden haben sich noch während der Pilotphasen ein Fahrrad ohne Elektroantrieb gekauft oder geleast. Räder mit Elektroantrieb wurden zudem von 11 % der Teilnehmenden gekauft bzw. geleast. Ferner besteht bei 40 % der Teilnehmenden Interesse am Kauf oder Leasing eines (Elektro-) Rades. Die Ergebnisse weisen insgesamt auf einen Bewusstseinswandel bei den Teilnehmenden hin. Die Erkenntnis, dass die Nutzung des Fahrrades beim Pendeln zum Wohlbefinden beiträgt und Freude bereitet, stiegsbereitschaft, die durch die Möglichkeit des Ausprobierens und die gezielte Anreizsetzung zur Fahrradnutzung während der Teilnahme an den Pilotphasen bei ehemaligen Autopendlern hervorgerufen werden konnte: 71 % der Teilnehmenden geben an, auch nach den Pilotphasen weiterhin mit dem Fahrrad pendeln zu wollen (siehe Abbildung 4). Dieses Resultat verdeutlicht den (zumindest kurzfristigen) Erfolg der durchgeführten Studie für die Förderung des Radverkehrsanteils und betont die Relevanz der gezielten Ansprache von Berufspendelnden. Eine zusätzliche Bestätigung des Erfolgs manifestiert sich im Anstieg des Fahrradanteils als Hauptverkehrsmittel unter den Teilnehmenden. Während bei der Umstiegsbereitschaft auch Teilnehmende inkludiert werden, die möglicherweise nur während der Sommermonate oder zumindest an bestimmten Tagen in der Woche auf das Fahrrad umstiegen möchten, liefert der Anstieg des Fahrradanteils als Hauptverkehrsmittel einen Einblick auf langfristigere Umstiege. Lediglich 3 % der Teilnehmenden in der Mobilitätsbefragung aus Studienphase 2 gaben das Fahrrad als Hauptverkehrsmittel an. In der Nachbefragung (zwei Wochen nach den Pilotphasen) sind es bereits 23 % der Befragten, die das Fahrrad als Hauptverkehrsmittel nennen. Darüber hinaus ist der Anteil der Autofahrenden um 39 % gesunken, in erster Linie zu Gunsten des Rades, aber auch zu Gunsten der Kombination verschiedener Verkehrsmittel (10 %). Dabei handelt es sich hauptsächlich um das Fahrrad in Verbindung mit dem öffentlichen Personennahverkehr. Bild 3: Zufriedenheit mit der Pendelsituation nach den Pilotphasen unterschieden nach Hauptverkehrsmittel Bild 4: Einschätzungen bezüglich des (zukünftigen) Pendelverhaltens Fahrradverkehr MOBILITÄT von nachhaltigen Mobilitätsalternativen für Arbeitnehmende können Arbeitgeber einen aktiven Beitrag zu nachhaltiger Mobilität leisten und diese gezielt fördern. Die Ergebnisse verdeutlichen somit, dass Arbeitgeber in der Pflicht stehen, nachhaltige Verkehrsmöglichkeiten zu fördern und die dafür notwendige Infrastruktur zu schaffen. Nur so kann der dauerhafte Bewusstseinswandel der Arbeitnehmende gefördert und ein Beitrag zur Mobilitätswende geleistet werden. Der Ausbau der Fahrradinfrastruktur insgesamt, in Städten und Kommunen, sowie deren Instandhaltung trägt ebenfalls zur regelmäßigen Fahrradnutzung bei. Vor diesem Hintergrund sind nicht nur Arbeitgeber in die Pflicht genommen, Verbesserungen vorzunehmen, auch Städte und Kommunen müssen in die Verbesserung der Fahrradinfrastruktur investieren, um den Radverkehrsanteil dauerhaft zu steigern und auf einem hohen Niveau zu halten. Limitationen der Studie lassen sich hinsichtlich der Stichprobe feststellen. Es handelte sich bei den Probanden um Personen, die in der Mobilitätsbefragung das Interesse Erprobung nimmt eine bedeutende Position für die langanhaltende Veränderung des Bewusstseins ein und wird von den Teilnehmenden als äußerst positiv und bedeutsam angesehen Die Umstiegsbereitschaft von 71 % sowie die Steigerung des Fahrrades als Hauptverkehrsmittel um 23 % verdeutlichen diese Bewertung. Das regelmäßige Pendeln mit dem Rad trägt zum Wohlbefinden und zur Zufriedenheit der Pendelnden bei. Wie die Ergebnisse zeigen, fühlen sich die Teilnehmenden beim Pendeln mit dem Rad besser als beim Pendeln mit dem Auto. Zudem sind Fahrradpendelnde insgesamt die zufriedensten Pendelnden. Ferner zeigt die Studie die Schlüsselrolle des Arbeitgebers in der Verkehrswende auf. Fehlende Bike-Leasing-Angebote ebenso wie fehlende infrastrukturelle Angebote für Fahrradfahrende am Arbeitsplatz (Duschen, Umkleiden und Abstellmöglichkeiten) erschweren den Arbeitnehmenden den Umstieg aufs Fahrrad, weshalb der Großteil der Befragten hier Verbesserungsvorschläge äußert. Durch die Installation der Fahrradinfrastruktur und die Vorstellung zur Steigerung des Fahrradpendleranteils. Es zeigt sich, dass Arbeitgeber ebenfalls in die Verantwortung genommen werden müssen und ihren Beitrag zur Verkehrswende leisten müssen. Fazit und Ausblick Der vorliegende Beitrag präsentiert die zentralen Ergebnisse des BMDV-Forschungsprojekts „PendlerRatD“. Der Fokus liegt auf den Ergebnissen der Nachbefragung, die mit einem 14-tägigen Abstand im Anschluss an die PendlerRatD-Pilotphasen durchgeführt wurde. Der Beitrag bietet zudem einen detaillierten Einblick in das mehrstufige Verfahren der Studie. Insgesamt unterstreichen die Darlegungen das Potenzial zur Förderung des Fahrrads als bevorzugtes Verkehrsmittel für Pendelnde. Die einmonatigen Pilotphasen ermöglichen den Teilnehmenden einen einfachen und risikofreien Einstieg in das regelmäßige Pendeln mit dem Rad. Auf diese Weise können die Teilnehmenden erste Erfahrungen sammeln und die Option des Fahrrades als Pendelfahrzeug im Gegensatz zum Auto individuell verproben und bewerten. Die Max L. J. Wolf Projektarbeit bei kleineren und mittleren Vorhaben Orientierung schaffen für die Praxis mit dem Projektmanagement-Kompass! expertverlag.de MOBILITÄT Fahrradverkehr Anzeige Internationales Verkehrswesen (76) 1 ǀ 2024 45 DOI: 10.24053/ IV-2024-0009 Eingangsabbildung: © iStock.com/ photoschmidt zur Teilnahme bekundet haben. Aus diesem Grund ist davon auszugehen, dass es sich um Personen mit generellem Interesse am Fahrradpendeln und der Fahrradnutzung handelt. Passionierte Autofahrende, die eine grundlegende negative Einstellung gegenüber dem Radverkehr haben, konnten folglich nicht erreicht und zum Umstieg motiviert werden. Die wissenschaftliche und praktische Relevanz der Studie ist nichtsdestotrotz gegeben. Die acht einmonatigen Pilotphasen erstreckten sich über verschiedene Standorte im süddeutschen Raum. Die gleichartigen Resultate der Standorte geben Aufschluss darüber, dass die zusammengefassten Ergebnisse valide sind. Zusätzlich zeigen ähnliche internationale und nationale Studien nahezu identische Ergebnisse, was die Aussagekraft dieser Erkenntnisse untermauert. [7] Für das Jahr 2024 ist eine weitere Nachbefragung geplant, um die bisherigen Ergebnisse zu validieren. In dieser Umfrage sollen alle Testradelnden der vergangenen Jahre (2019 bis 2022) erneut zu ihrem Pendelverhalten, ihrer Fahrradnutzung und ihrer Umstiegsbereitschaft befragt werden. Abschließend sei festgehalten, dass das kostenlose Bereitstellen von Fahrrädern einen großen Beitrag zum Abbau von Hemmnissen, Bedenken und Ängsten beim Fahrradpendeln leistet und gleichzeitig erste Anreize zur Nutzung nachhaltiger Mobilitätsalternativen setzt. Folglich trägt die Studie maßgeblich zum Bewusstseinswandel bei Individuen aber auch zur Mobilitätswende und zur Steigerung des Radverkehrsanteils bei. Zukünftig sollten daher auch Arbeitgeber die Zugangsmöglichkeiten zu nachhaltigen Mobilitätsalternativen erleichtern und Anreize zur Fahrradnutzung setzen. LITERATUR [1] Sinus Markt- und Sozialforschung GmbH. Fahrrad-Monitor Deutschland 2021; 2021 17.11.2021. Verfügbar unter: https: / / bmdv.bund.de/ SharedDocs/ DE/ Anlage/ StV/ fahrrad-monitor-2021.pdf? __ blob=publicationFile. [2] Nobis C, Kuhnimhof T. Mobilität in Deutschland - MiD: Ergebnisbericht [Studie von infas, DLR, IVT und infas 360]. Bonn, Berlin; 2018. Verfügbar unter: http: / / www.mobilitaet-in-deutschland.de/ pdf/ MiD2017_Ergebnisbericht.pdf. [3] Bundesministerium für Digitales und Verkehr, Hrsg. Nationaler Radverkehrsplan 3.0: Fahrradland Deutschland 2030. Berlin; 2022 2022. Verfügbar unter: https: / / zukunft-radverkehr.bmvi.de/ bmvi/ de/ home/ file/ fileId/ 421/ name/ Nationaler%20Radverkehrsplan%203.0_BMDV_ Deutsch_barrierefrei.pdf. [4] Umwelt Bundesamt. Mobilität privater Haushalte: Umwelt Bundesamt; 2022 [Stand: 23.03.2023]. Verfügbar unter: https: / / www.umweltbundesamt.de/ daten/ private-haushalte-konsum/ mobilitaet-privater-haushalte#-hoher-motorisierungsgrad. [5] Venghaus S, Henseleit M, Belka M. The impact of climate change awareness on behavioral changes in Germany: changing minds or changing behavior. Energy, Sustainablity and Society 2022; 12(8): 1-11. [6] Kollmuss A, Agyeman J. Mind the Gap: Why do people act environmentally and what are the bariers to pro-environmental behavior? Environmental Education Research 2002; 8(3): 239-60 [Stand: 27.11.2023]. Verfügbar unter: https: / / www.tandfonline.com/ doi/ abs/ 10.1080/ 13504620220145401. [7] Heinen E, Maat K, van Wee B. The effect of work-related factors on the bicycle Jana Heimel, Prof Dr. Professorin für Internationales Management, Controlling und Tourismusmanagement; Fakultät International Business, Hochschule Heilbronn jana.heimel@hs-heilbronn.de Isabell Balzer, M.A. Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Fakultät International Business, Hochschule Heilbronn isabell.balzer@hs-heilbronn.de 1 Weitere Ergebnisse der PendlerRatD-Studie 2022 sowie der zuvor durchgeführten PendlerRatD-Studien (2019 und 2020) stehen auf der Internetseite von Pendler- RatD zur Verfügung (https: / / pendlerratd. com/ studienbericht/ ) 2 Bei den Städten handelt es sich um Heilbronn, Ludwigshafen am Rhein, Neustadt an der Weinstraße, Frankfurt am Main, Neckarsulm, Forchheim, Augsburg und Regensburg. 3 Die Definition der notwendigen Parameter erfolgt durch den Sponsor bzw. den Arbeitgeber. 4 Bei dem Hauptverkehrsmittel handelt es sich um das am häufigsten zum Pendeln verwendete Verkehrsmittel. commute mode choice in the Netherlands. Transportation 2013; (40): 23-43. [8] Blake J. Overcoming the ‚value-action gap‘ in environmental policy: Tensions between national policy and local experience. Local Environment 1999; 4(3): 257- 78. [9] Caldwell KB, Boyer RH. Bicycle commuting in an autobile-dominated city: how individuals become and remain bike commuters in Charlotte, North Carolina. Transportation 2019; (46): 1785-806. [10] Heimel J. PendlerRatD-Studie 2022: Ergebnisbericht; 2022. Verfügbar unter: https: / / pendlerratd.com/ wp-content/ uploads/ 2023/ 02/ PendlerRatD_Studie_Ergebnisbericht_2022_sent.pdf. [11] Jurczaok F, Gensheimer T. Fahrrad-Monitor; 2021 [Stand: 22.11.2023]. Verfügbar unter: https: / / www.sinus-institut.de/ media-center/ studien/ fahrradmonitor. [12] Heimel J. PendlerRatD-Studie 2020: Ergebnisbericht; 2020. Verfügbar unter: https: / / pendlerratd.com/ wp-content/ uploads/ 2021/ 10/ pendlerratd-studie- 2020-ergebnisbericht.pdf. Fahrradverkehr MOBILITÄT