eJournals Internationales Verkehrswesen 76/3

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2024-0039
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KI im Transportmanagement – Wechsel in den Turbomodus

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Gardiner von Trapp
Steigende Kundenerwartungen und sich ständig ändernde Handelsvorschriften stellen eine echte Herausforderung für die Unternehmen in der Lieferkette dar. Innovation ist gefragt, um mithalten zu können und wettbewerbsfähig zu bleiben.
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Mit Hilfe der Künstlichen Intelligenz (KI) kann das Transportmanagement weiter verbessert werden. KI-Lösungen können zeitraubende Routineaufgaben automatisieren und so erhebliche Zeit- und Kostenvorteile mit sich bringen. Besonders für die effiziente Lagerverwaltung, die Optimierung der Lieferkette, prädiktive Analysen, die Verfolgung und Überwachung von Sendungen, die dynamische Preisgestaltung, die Ladeplanung und die Lieferantenauswahl ist die KI sehr gut einsetzbar. Zusätzlich können TMS durch die Anwendung von maschinellem Lernen auf historische Daten und Trends z. B. Transitzeiten genauer vorhersagen, Ka- N icht nur im Einzelhandel, auch im Transportmanagement geht es heutzutage nicht mehr nur um den günstigsten Preis und eine pünktliche Lieferung. Kunden erwarten oft eine Lieferung innerhalb von zwei Tagen, womöglich noch am selben Tag, mit Echtzeit-Updates während des gesamten Transports. Um mit diesen Erwartungen Schritt zu halten, investieren viele Unternehmen in ein möglichst robustes und funktionsreiches Transportmanagementsystem (TMS), das schnell auf Kundenwünsche reagieren und zugleich detailliertere Informationen bereitstellen soll. pazitäten planen und risikoreiche Sendungen (z. B. Waren, die kurz vor dem Verfallsdatum stehen, zeitkritische oder temperaturempfindliche Produkte) identifizieren. Eine kontinuierlich „lernende“ künstliche Intelligenz kann die Ressourcenbemessung erheblich verbessern und die Einhaltung rechtlicher und regulatorischer Standards gewährleisten. Beispielsweise lässt sich der Transport im Hinblick auf den CO 2 -Ausstoß optimieren, indem ein KI-Algorithmus darauf trainiert wird, anhand mehrerer Parameter die kürzeste Route auszuwählen oder umweltfreundlichere Transportmittel zu empfehlen. Das könnte besonders hilfreich KI im Transportmanagement - Wechsel in den Turbomodus Sprachmodelle, Transportmanagementsystem (TMS), Ressourcenbemessung, CO 2 -Ausstoß, Internet of Things (IoT) Steigende Kundenerwartungen und sich ständig ändernde Handelsvorschriften stellen eine echte Herausforderung für die Unternehmen in der Lieferkette dar. Innovation ist gefragt, um mithalten zu können und wettbewerbsfähig zu bleiben. Gardiner von Trapp LOGISTIK  Künstliche Intelligenz Internationales Verkehrswesen (76) 3 ǀ 2024 22 DOI: 10.24053/ IV-2024-0039 sein, wenn es um die Einhaltung der neuen Europäischen Normen für die Nachhaltigkeitsberichterstattung (European Sustainability Reporting Standards, kurz ESRS) geht. Ein weiterer Vorteil von KI - und insbesondere von fortgeschrittenen Sprachmodellen - ist die Möglichkeit, Prozesse und die Nutzung von Business-Lösungen zu vereinfachen. Bald wird es möglich sein, komplexe Anliegen in einfacher Alltagssprache zu vereinfachen. KI-Lösungen werden dann in der Lage sein, diese zu verstehen und direkt darauf zu reagieren, ohne dass die Mitarbeiter Dateien, Dashboards oder andere spezifische Tools konsultieren müssen. Damit ist der Weg frei für eine rasante Digitalisierung, bei der die natürliche Sprache Prozesse vereinfachen wird. Weshalb Daten für die KI wichtig sind Für die Erstellung von KI-Lösungen sind Daten erforderlich. Dabei kommt es weniger auf die Datenmenge als vielmehr auf die Qualität und die Konsistenz der Daten an. Zwar können große Datensätze für das Training von Modellen durchaus von Vorteil sein. Die Anforderungen werden jedoch durch Faktoren wie Problemkomplexität, Modellarchitektur, Datenqualität usw. beeinflusst. Während einige komplexe Probleme umfangreiche Daten für effektives Lernen erfordern, können einfachere Aufgaben oder Modelle durchaus auch mit kleineren Datensätzen eine angemessene Leistung erbringen. Darüber hinaus sind Qualität und Relevanz der Daten von entscheidender Bedeutung, da qualitativ hochwertige Daten auch in kleineren Mengen wertvolle Erkenntnisse liefern können, während eine schlechte Datenqualität die Modellleistung unabhängig von der Datenmenge beeinträchtigen kann. Daher können große Datensätze zwar von Vorteil sein, die benötigte Datenmenge hängt jedoch vom spezifischen Kontext und den Anforderungen der jeweiligen Aufgabe ab. In der Supply Chain und im Transportsektor wird täglich eine große Menge an Daten generiert: ƒ Transportmanagementsysteme haben Zugriff auf Transportaufträge, Herkunfts- und Zielorte, Mengen und Arten von Gütern, Fristen sowie die verschiedenen verwendeten Transportarten. ƒ Tracking-Lösungen bieten einen detaillierten Einblick in den Datenverkehr. ƒ Frachtenbörsen erfassen Spot-Sendungen. ƒ Das IoT (Internet of Things) ermöglicht es u. a., den Standort eines Produkts und seines Behälters in Echtzeit, die Temperaturkontrolle etc. zu verfolgen. ƒ Bisher war es schwierig, Verbindungen zwischen diesen verschiedenen Elementen herzustellen. Mit Hilfe von KI ist können schneller aussagekräftige Schlussfolgerungen gezogen werden als durch Standardanalysen von Mitarbeiter: innen. Die Anwendung auf den Transportbereich ist umso mehr gerechtfertigt, als der Sektor nach wie vor stark prozessorientiert ist, mit klar definierten Schritten. Diese Struktur begünstigt einen sequenziellen Verlauf. Ein TMS z.B. folgt einem definierten Ablauf vom Versand bis zum Bestimmungsort und umfasst die Erstellung eines Transportauftrags, die Auswahl der Transportfirma, die Lieferung, die Ankunft am Dock etc. Wie können Unternehmen am meisten von KI profitieren? Sowohl große als auch kleine Unternehmen können mit Hilfe der KI größere und komplexere Prozesse mit weniger Aufwand optimieren. Kleine Speditionen oder Familienunternehmen mit wenigen Lkws haben einen begrenzteren Anwendungsbereich für KI. Bei Unternehmen mit hoher Prozesskomplexität und -umfang (z. B. mehrere Standorte, mehrere Variablen) lässt sich eine höhere Kapitalrendite erzielen. Auch der IT-Reifegrad einer Firma und besonders der Datenreifegrad spielen eine Rolle. Auch wenn Modelle wie OpenAI es bereits ermöglichen, KI zur Verbesserung von Prozessen und Experimenten einzusetzen ist es entscheidend zu wissen, wie man diese Lösungen findet und auf die richtigen Probleme anwendet. Um solche Projekte durchführen zu können, ist daher eine ausgeprägte interne IT-Expertise von entscheidender Bedeutung. Vorteilhaft sind die Verfügbarkeit, die Quantität und die Qualität der Daten und die Digitalisierung von Prozessen. Eine große Anzahl von Eingaben und ein leistungsstarkes KI-Modell sind nur begrenzt wirksam, wenn die zugrunde liegenden Prozesse weitgehend manuell bleiben. Was sollten Unternehmen beim Einsatz von KI beachten? Da maschinelles Lernen und KI-Lösungen äußerst ressourcenintensiv sind, ist eine solide Datengrundlage für die Wertschöpfung unerlässlich. Das Organisieren, Verarbeiten, Speichern und Erstellen von Datensätzen ist sehr zeitaufwändig und zudem nur der erste Schritt zum Auf bau einer KI-Lösung. Der Einsatz dieser Technologie kann erhebliche Kosten verursachen und viel Zeit in Anspruch nehmen. Deshalb sollte man sich fragen, ob bei der Entwicklung und Wartung einer KI-Lösung der Nutzen die Kosten überwiegt. Dazu gehören auch die Kosten für den Auf bau und die Wartung der Datenströme, die genau und aktuell sein müssen und deren Anreicherung auch später noch möglich sein muss. Die Effektivität des Einsatzes von KI-Lösungen hängt maßgeblich von der Verfügbarkeit von Daten und dem sinnvollen Umgang damit ab. Ein TMS ist eine Unternehmensanwendung. Wie bei jeder solchen Anwendung ist eine Benutzerschulung erforderlich, um sicherzustellen, dass das volle Potenzial ausgeschöpft wird. Mit KI - und insbesondere mit LLMs (Large Language Models) - kann dieser Schritt beschleunigt und das Tool leichter erlernbar gemacht werden. Letztendlich ist die KI ein ergänzendes Werkzeug und kein Zaubermittel, das alle anderen vorhandenen Werkzeuge ersetzen kann. Nehmen Sie CHAT GPT als Beispiel: während seine Stärken bei der Erstellung von Texten mittlerweile klar sind, hat sich auch gezeigt, dass die Zuverlässigkeit seiner Antworten auf verschiedene Fragen begrenzt ist. Ein fachkundiges menschliches Eingreifen ist weiterhin erforderlich, um Perspektiven und Nuancen einzubringen, die die KI möglicherweise nicht erfasst. Es muss ein ausgewogenes Verhältnis gefunden werden, das zuverlässige Ergebnisse gewährleistet. ■ Eingangsabbildung: © Sikov - stock.adobe.com Gardiner von Trapp, Ph.D., Alpega Group Künstliche Intelligenz  LOGISTIK Internationales Verkehrswesen (76) 3 ǀ 2024 23 DOI: 10.24053/ IV-2024-0039