Internationales Verkehrswesen
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expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2024-0049
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Ein Radar für den Kombinierten Verkehr
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Ralf Elbert
Yuerui Tang
Das Projekt „KV-Radar 2023“ vom Fachgebiet Unternehmensführung und Logistik der Technischen Universität Darmstadt untersucht Maßnahmen zur Stärkung des Kombinierten Verkehrs (KV) und deren Umsetzungsmöglichkeiten. Ziel dieser Delphi-Studie ist es, Maßnahmen in den Bereichen Politik, Infrastruktur, Kooperation & Koordination sowie Technologie & Markt hinsichtlich ihrer Umsetzbarkeit und ihres Einflusses auf den Marktanteil zu bewerten. Die Studie zeigt, dass 19 Maßnahmen einen hohen Einfluss auf den Marktanteil haben könnten, jedoch einen hohen Umsetzungsaufwand erfordern.
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Umsetzbarkeit und ihres Einflusses auf den Marktanteil zu bewerten. Dabei werden sowohl neue als auch bereits bekannte Ansätze betrachtet, um ein umfassendes Bild der aktuellen und zukünftigen Entwicklungen zu zeichnen. Insgesamt wurden 23 Maßnahmen bewertet. Diese Maßnahmen verteilen sich auf die Bereiche Politik (9 Maßnahmen), Infrastruktur (6 Maßnahmen), Kooperation & Koordination (4 Maßnahmen) sowie Technologie & Markt (4 Maßnahmen). Sie sind den entsprechenden Bereichen in den Bilden 1 bis 4 zugeordnet. Die Ergebnisse liefern wertvolle Erkenntnisse über vielversprechende Maßnahmen, die sowohl in der Forschung als auch in der unternehmerischen Praxis aufgegriffen werden können. Eine Delphi-Studie über zwei Befragungsrunden wurde als methodisches Instrument T echnische Entwicklungen, wie beispielsweise die Digitale Automatische Kupplung und die Digitalisierung mit neuen Anwendungsmöglichkeiten für datengetriebene Planung und künstliche Intelligenz, eröffnen vielversprechende Perspektiven zur Steigerung der Attraktivität des Schienengüterverkehrs. Das vom Fachgebiet Unternehmensführung und Logistik der Technischen Universität Darmstadt durchgeführte Projekt „KV-Radar 2023“ untersucht diese neuen Entwicklungen gezielt im Kontext des Kombinierten Verkehrs (KV, hier der Kombinierte Straßen-/ Schienengüterverkehr) und analysiert deren Einsatzmöglichkeiten für die beteiligten Akteure. Ziel des „KV-Radars“ ist es, Maßnahmen zur Stärkung des KV hinsichtlich ihrer zur Konsensfindung unter Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartnern in einem mehrstufigen Prozess gewählt. Die Ergebnisse des „KV-Radars“ aus dem Jahr 2021 dienen als Basis [1], um die Entwicklungsdynamiken bezüglich der Umsetzbarkeit und Wirkung von Maßnahmen zur Stärkung des KV zu identifizieren. Durch die erneute Durchführung der Studie werden die Bewegungsrichtung und -geschwindigkeit der zu beobachtenden Maßnahmen im KV bestimmt und Zukunftsszenarien projiziert. Die Bewertung der Meinungen der im KV tätigen Personen erweitert und verfeinert die zuvor identifizierten Maßnahmen, um ein tieferes Verständnis für die aktuellen Dynamiken im Markt zu gewinnen. Indem die Umsetzbarkeit und Wirksamkeit der bereits identifizierten oder teilweise im- Ein Radar für den Kombinierten Verkehr Delphi-Studie zur Maßnahmenermittlung und -bewertung für die Stärkung des KV in Deutschland Digitalisierung, Infrastruktur, Delphi-Studie Das Projekt „KV-Radar 2023“ vom Fachgebiet Unternehmensführung und Logistik der Technischen Universität Darmstadt untersucht Maßnahmen zur Stärkung des Kombinierten Verkehrs (KV) und deren Umsetzungsmöglichkeiten. Ziel dieser Delphi-Studie ist es, Maßnahmen in den Bereichen Politik, Infrastruktur, Kooperation & Koordination sowie Technologie & Markt hinsichtlich ihrer Umsetzbarkeit und ihres Einflusses auf den Marktanteil zu bewerten. Die Studie zeigt, dass 19 Maßnahmen einen hohen Einfluss auf den Marktanteil haben könnten, jedoch einen hohen Umsetzungsaufwand erfordern. Ralf Elbert, Yuerui Tang Internationales Verkehrswesen (76) 3 ǀ 2024 62 DOI: 10.24053/ IV-2024-0049 TECHNOLOGIE Kombinierter Verkehr plementierten Maßnahmen aus der ersten Durchführung erneut bestimmt werden, können die zeitbezogenen Entwicklungen des KV abgeschätzt und fundierte Einblicke in die Entwicklungspfade des Kombinierten Verkehrs gegeben werden. Eine wesentliche Erkenntnis der Studie ist, dass 19 von 23 Maßnahmen einen hohen Einfluss auf den Marktanteil haben könnten, jedoch einen hohen Umsetzungsaufwand erfordern. Diese Maßnahmen befinden sich im zweiten Quadranten oben links und umfassen vor allem alle infrastrukturellen Maßnahmen sowie Maßnahmen im Bereich der Kooperation und Koordination. Diese Einschätzung verdeutlicht, dass die Stärkung des KV ein langfristiger Prozess ist, bei dem eine sorgfältige Abwägung verschiedener Maßnahmen notwendig ist. Einige Maßnahmen wurden jedoch als vergleichsweise leicht umsetzbar eingestuft, wie beispielsweise die stärkere Ausrichtung der Ausbildungsinhalte in Logistik und Transport auf den KV, die Aussetzung der CO2-Steuer bzw. Maut für den KV im Vor- und Nachlauf sowie der Ausbau des kontinuierlichen Trackings von Verkehrsträgern. Diese könnten bereits in einem mittelbis kurzfristigen Zeitrahmen Wirkung zeigen. Die Einschätzungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Forschungsprojekts sind jedoch nicht immer einstimmig. Die größten divergierenden Meinungen ergeben sich, wie in Bild 5 dargestellt, bei der Erhöhung der Terminaldichte in nachfragestarken Regionen durch Bau neuer Terminals hinsichtlich des Einflusses auf den Marktanteil im Bereich Infrastruktur sowie bei der finanziellen Förderung von kranbarem Equipment für Transportunternehmen und der Aussetzung der CO2-Steuer/ Maut für den KV im Vor- und Nachlauf hinsichtlich der Umsetzbarkeit im Bereich Politik. Zwischen den vier Bereichen lässt sich kein klarer Unterschied erkennen, ob die Meinungen besonders einheitlich oder unterschiedlich sind. Auch zwischen den beiden Bewertungskriterien herrscht ein ähnliches Bild. Im Vergleich zu den Ergebnissen des vorherigen „KV-Radars“ zeigten sich 2023 besonders starke Entwicklungen bei Maßnahmen wie der Durchsetzung von Tariflöhnen für alle Lkw-Fahrerinnen und -Fahrer, der Erhöhung der Lkw-Maut auf tatsächliche und Folgekosten sowie dem Ausgleich des Nutzlastnachteils kranbarer Sattelauflieger durch Erhöhung des zulässigen Gewichts. Bild 6 zeigt, dass alle drei Maßnahmen als leichter umsetzbar als vor zwei Jahren eingeschätzt werden, was auf eine größere Zuversicht in der politischen Unterstützung hinweist. Der Einfluss auf den Marktanteil bei der Erhöhung der Lkw-Maut ist stark gestiegen, was die Konkurrenz des Straßenverkehrs zum Schienengüterverkehr un- Erhöhung der Trassenpriorisierung für Schienengüterverkehre Schnellere und vereinfachte Genehmigungsverfa hren für KV Einführung eines landesweiten Konzepts für (Umschlag-)Flächen für den KV Finanzielle Förderung der Einrichtung neuer Schienenrelationen Mehr Fördermittel und bessere Förderbedingungen für den KV Erhöhung der LKW- Maut auf tatsächliche und Folgekosten Finanzielle Förderung von kranbarem Equipment für Transportunternehmen Aussetzung von CO2-Steuer/ Maut für KV im Vor- und Nachlauf Ausbildungsinhalte in Logistik und Transport stärker auf KV fokussieren 1 2 3 4 5 1 2 3 4 5 Einfluss auf den Marktanteil Umsetzbarkeit sehr leicht leicht mittel schwierig sehr gering sehr schwierig gering mittel hoch sehr hoch Bild 1: Maßnahmen im Bereich Politik Linderung des Personalmangels an LKW- Fahrern durch Erhöhung der Attraktivität der Arbeit im Vor- und Nachlauf des KV Erhöhung der Terminaldichte in nachfragestarken Regionen durch Bau neuer Terminals Erhöhung der Kapazität/ Produktivität bestehender Terminals/ Automatisierung von Terminals Erweiterung von Abstellflächen bestehender Terminals Ausbau der Umschlagskapazitäten in Terminals für 740m Züge Ausbau/ Erweiterung Vorbahnhöfe zur Entlastung von Terminals 1 2 3 4 5 1 2 3 4 5 Einfluss auf den Marktanteil Umsetzbarkeit sehr leicht leicht mittel schwierig sehr gering sehr schwierig gering mittel hoch sehr hoch Bild 2: Maßnahmen im Bereich Infrastruktur Stärkung europäischer Kooperationen im Bereich Schiene Etablierung digitaler Plattformen zum Datenaustausch im Bereich KV Bilaterale Kooperation zwischen Terminals zur bestmöglichen Auslastung von Zügen Standardisierung der zu übermittelten Daten 1 2 3 4 5 1 2 3 4 5 Einfluss auf den Marktanteil Umsetzbarkeit sehr leicht leicht mittel schwierig sehr gering sehr schwierig gering mittel hoch sehr hoch Bild 3: Maßnahmen im Bereich Kooperation und Koordination Kombinierter Verkehr TECHNOLOGIE Internationales Verkehrswesen (76) 3 ǀ 2024 63 DOI: 10.24053/ IV-2024-0049 terstreicht. Obwohl der Straßenverkehr für den Vor- und Nachlauf des KV erforderlich ist, kann er aufgrund seiner hohen Flexibilität viel Marktanteil vom KV abziehen. Der Straßenverkehr für den KV profitiert jedoch von der Kabotage-Freiheit [2], was zu geringeren Kosten führen kann. Die Einschätzung des Einflusses auf den Marktanteil beim Ausgleich des Nutzlastnachteils kranbarer Sattelauflieger hat sich deutlich verschlechtert. Hier zeigte sich, dass nicht nur die zusätzlichen Gewichte und das reduzierte Volumen durch diese Funktion Nachteile bringen, sondern auch die hohen Beschaffungskosten solcher Behälter die Speditionen, die hauptsächlich auf Straßenverkehre setzen, nicht zur Umrüstung motivieren. Am wenigsten verändert haben sich die Maßnahmen zum Ausbau der Umschlagskapazitäten in Terminals für 740-Meter- Züge, zur Etablierung digitaler Plattformen zum Datenaustausch im Bereich KV sowie zur bilateralen Kooperation zwischen Terminals zur bestmöglichen Auslastung von Zügen. Insgesamt lässt sich erkennen, dass der geschätzte Einfluss der Maßnahmen auf den Marktanteil leicht gesunken ist, während die Umsetzbarkeit im Durchschnitt leicht gestiegen ist. Obwohl der KV als ein Bereich mit graduellen Veränderungen angesehen wird, haben die letzten Jahre gezeigt, dass auch hier dynamische Entwicklungen stattfinden können. Deshalb wird die Studie im zweijährigen Turnus erneut durchgeführt, mit der nächsten Erhebung im vierten Quartal 2024. Interessierte sind herzlich eingeladen, ihre Expertise und Erfahrungen im KV einzubringen, um die Erkenntnisse der Studie zu überprüfen und zu ergänzen und die Weiterentwicklung des KV zu unterstützen. ■ LITERATUR [1] Elbert R, Gleser M (2022) KV-Radar - Stärkung des Kombinierten Verkehrs. Internationales Verkehrswesen (74 (2)): 23-25 [2] Verordnung (EG) Nr. 1072/ 2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über gemeinsame Regeln für den Zugang zum Markt des grenzüberschreitenden Güterkraftverkehrs (Neufassung). In: ABl. L 300, S 72-87 Eingangsabbildung: © Yuerui Tang Ralf Elbert, Prof. Dr., Technische Universität Darmstadt elbert@log.tu-darmstadt.de Yuerui Tang, M.Sc., Technische Universität Darmstadt tang@log.tu-darmstadt.de Förderung innovativer Umschlagstechnologien Ausbau des durchgehenden Trackings von Verkehrsträgern Etablierung zentraler digitaler Buchungsplattformen im Bereich KV Einführung digitale automatische Kupplung 1 2 3 4 5 1 2 3 4 5 Einfluss auf den Marktanteil Umsetzbarkeit sehr leicht leicht mittel schwierig sehr gering sehr schwierig gering mittel hoch sehr hoch Bild 4: Maßnahmen im Bereich Technologie und Markt Aussetzung von CO2-Steuer/ Maut für KV im Vor- und Nachlauf (Politik) Finanzielle Förderung von kranbarem Equipment für Transportunternehmen (Politik) Erhöhung der Terminaldichte in nachfragestarken Regionen durch Bau neuer Terminals (Infrastruktur) 1 2 3 4 5 1 2 3 4 5 Einfluss auf den Marktanteil Umsetzbarkeit sehr leicht leicht mittel schwierig sehr gering sehr schwierig gering mittel hoch sehr hoch (Politik) Bild 5: Top 3 divergierende Meinungen Ausgleich des Nutzlastnachteils kranbarer Sattelauflieger durch Erhöhung des zulässigen Gewichts (Politik) Erhöhung der LKW- Maut auf tatsächliche und Folgekosten (Politik) Durchsetzung von Tariflöhnen landesweit für alle LKW Fahrer (Politik) 1 2 3 4 5 1 2 3 4 5 Einfluss auf den Marktanteil Umsetzbarkeit 2023 2021 sehr leicht leicht mittel schwierig sehr gering sehr schwierig gering mittel hoch sehr hoch Bild 6: Top 3 Entwicklungen 2021-2023 TECHNOLOGIE Kombinierter Verkehr Internationales Verkehrswesen (76) 3 ǀ 2024 64 DOI: 10.24053/ IV-2024-0049
