eJournals Internationales Verkehrswesen 76/4

Internationales Verkehrswesen
iv
0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2024-0054
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2024
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Der Straßengüterverkehr wünscht sich einen „Nutzfahrzeuggipfel“

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2024
Alexander Eisenkopf
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Internationales Verkehrswesen (76) 4 ǀ 2024 10 KONTRAPUNKT  Alexander Eisenkopf DOI: 10.24053/ IV-2024-0054 Der Straßengüterverkehr wünscht sich einen „Nutzfahrzeuggipfel“ batterieelektrische Sattelzugmaschine heute schätzungsweise das Zweieinhalbfache eines konventionellen Fahrzeugs kostet, durchaus nachvollziehbar ist. Angemahnt werden auch Initiativen zum Ausbau der Ladeinfrastruktur und Überlegungen zu einem „Industriestrompreis“ auch für den Straßengüterverkehr, da man den optimistischen Strompreisprognosen der Politik offenbar nicht traut. Angeregt wird zudem ein „Nutzfahrzeuggipfel“, auf dem ähnlich wie auf den bereits zur ständigen Übung gewordenen „Autogipfeln“ die Probleme der Branche besprochen werden sollen. Vor ihrem geistigen Auge sehen die Verbandschefs sich wohl bereits mit den Vorständen der Lkw-Hersteller vor laufender Kamera in schweren Limousinen vor dem Kanzleramt vorfahren. In der Tat wird es mit dem Scharfschalten der Flottengrenzwerte bei absehbar unzulänglichem Ausbau der Ladeinfrastruktur einiges zu besprechen geben. Allerdings werden diese Runden nicht vergnügungssteuerpflichtig sein. Mit den Forderungen nach Fahrzeugsubventionen und einem Industriestrompreis für das Gewerbe macht sich der Straßengüterverkehr aber wie viele andere Branchen auf den Weg in eine staatsnahe, interventionistisch geprägte Vollkaskoökonomie. Wenn im Transformationsregime sowohl Produktionsmittel als auch deren Betrieb subventioniert und umfassend reguliert werden müssen, dürfte die Marktwirtschaft am Ende auf der Strecke bleiben. Die gewünschte Kungelrunde im Kanzleramt ist dann nur das Tüpfelchen auf dem i. ■ E ine der Sternstunden der EU war sicherlich die Etablierung des Europäischen Binnenmarktes und die damit verbundene Deregulierung des seitherigen wettbewerbspolitischen Ausnahmebereichs Verkehr. Die Liberalisierung des Schienen-, Straßengüter- und Luftverkehrs sowie der Binnenschifffahrt ab Mitte der 90er-Jahre machte den Weg frei für Markt- und Kundenorientierung, Kostensenkung und eine Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit des Verkehrssektors. Befreit vom Schraubstock staatlicher Regulierung setzte der Verkehrssektor starke positive Impulse für die Gesamtwirtschaft und damit für Wohlstand und Wachstum in Europa. Mit dem European Green Deal und seiner Umsetzung in den Mitgliedsstaaten wird jetzt wieder der Rückwärtsgang in Richtung Staatsnähe eingelegt. Unter der Maxime der Dekarbonisierung des Verkehrssektors definiert die Politik z. B. Marktanteilsziele einzelner Verkehrsträger oder macht strikte Vorgaben zu fahrleistungsbezogenen Emissionen der Fahrzeuge in Form von Flottengrenzwerten. Stets ist zu beobachten, dass die betroffenen Branchen sich kaum gegen solche Vorschriften wehren, schon allein um nicht als Gegner der in der Medienöffentlichkeit nahezu sakrosankten Klimapolitik zu gelten und anschließend in die Ecke der Klimaleugner gestellt zu werden. Aus unternehmerischer Sicht ist es zudem durchaus rational, den Ansagen der Politik ohne großen Widerspruch Folge zu leisten, wenn damit in der Folge das Versprechen staatlicher Alimentierung verknüpft ist. So ist es schlicht unvorstellbar, dass z. B. die Deutsche Bahn AG die derzeit utopischen politischen Marktanteilsziele für den Schienenverkehr in Frage stellen könnte, denn im Gegenzug locken gewaltige Subventionen und eine bevorzugte Behandlung. Aber auch traditionell deutlich staatsfernere Verkehrsbranchen wie der Straßengüterverkehr suchen die Annäherung. In der „Kommission Straßengüterverkehr“ haben die Verbandsvertreter bereits einmal das Kuscheln mit der Politik geübt. Der frühere, eher geschäftsmäßig artikulierte Widerstand gegen die CO 2 -Maut ist vergessen, der Transformationsprozess der Bundesregierung wird rückhaltlos unterstützt, und wichtig ist vor allem die Aufstockung der Förderprogramme z. B. zur Mautharmonisierung, die man angesichts der Fördertatbestände durchaus als Diskriminierung ausländischer Wettbewerber lesen könnte. Da diese „Peanuts“ schnell verdaut sind, geht es jetzt um die Wurst. Die Branchenverbände BGL, BWVL und DSLV haben jüngst in einem Brief an den Bundeswirtschaftsminister (nicht an den Bundesverkehrsminister! ) klar gemacht, dass die Antriebs- und Klimawende nicht zum Nulltarif zu haben ist. Es werden insbesondere auskömmliche Förderprogramme für „Zero Emission Vehicles“ gefordert, was angesichts der Tatsache, dass eine Prof. Dr. rer. pol. Alexander Eisenkopf zu aktuellen Themen der Verkehrsbranche