Internationales Verkehrswesen
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expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2024-0057
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Quartiersgaragen als Lösung für die Parkproblematik in Bestandsquartieren?
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Maike Puhe
Lukas Burger
Christof Hupfer
Andreas Rall
Wir stellen die Ergebnisse eines dreimonatigen Realexperimentes vor, bei dem wir 44 Bewohner*innen aus der Karlsruher Südstadt einen wohnortnahen Tiefgaragenstellplatz finanziert haben. Im Gegenzug haben die Teilnehmenden ihre Erfahrungen und Eindrücke aus dieser Zeit mit uns geteilt. So wurden sie vorab zu ihrem typischen Verkehrsverhalten befragt, als auch dreimal während der Projektphase sowie ein weiteres Mal zum Abschluss persönlich interviewt. In den Interviews berichten die Teilnehmenden von ihren Parkstrategien, Motiven und Verhaltensänderungen. Ziel war es herauszufinden, unter welchen Bedingungen Menschen existierende Tiefgaragenplätze in Bestandsquartieren nutzen. In dem Beitrag geben wir Einblicke in die Sozio-Demographie der Teilnehmenden und konzentrieren uns auf die Frage, welche Motive die Teilnehmenden bei der Parkplatzwahl leiten.
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[3]. Dies zeigt sich u.a. durch entsprechende Investitionen in den Ausbau der Fuß-, Rad- und ÖV-Infrastruktur sowie Forderungen, das öffentliche Stellplatzangebot für Kraftfahrzeuge zugunsten von Aufenthaltsqualität, Klimaanpassung oder sogar Wohnflächen zu reduzieren [4]. Allerdings, so Kunst (2015), gibt es seitens der Verkehrsplanung keine Klarheit über den angestrebten Grad des Zurückdrängens. Aus seiner Sicht erscheint eine völlige Abkehr vom Pkw angesichts heutiger Stadtstrukturen und etablierter Mobilitätsbedürfnisse jedenfalls utopisch [2]. Umso wichtiger ist es, die sozialen und normativen Möglichkeits- Einleitung Im Jahr 2023 waren in Deutschland so viele Pkw zugelassen wie noch nie: auf knapp 84,6 Millionen Menschen kamen zum 01.01.2024 49,1 Millionen Pkw [1]. Gleichzeitig bemühen sich viele Kommunen, den öffentlichen Raum gerechter unter den verschiedenen Verkehrsteilnehmenden zu verteilen. Laut Kunst (2015) herrscht in Fachkreisen weitgehend Einigkeit darüber, dass in inneren Stadtlagen der Pkw zugunsten einer stadtverträglicheren Gestaltung zurückgedrängt werden müsse [2]. Auch der Deutsche Städtetag plädiert in seinem Positionspapier für mehr Platz für den Fuß- und Radverkehr bedingungen dieses Zurückdrängens besser zu verstehen. Während der Ausbau der Rad- und ÖV- Infrastruktur in den meisten Fällen auf Zustimmung stößt, stehen insbesondere Autofahrer und Autofahrerinnen einer restriktiveren Parkpolitik eher kritisch gegenüber [5, 6]. In diesem Sinne erscheint es nicht verwunderlich, dass die Agora Verkehrswende das Parken als „eines der brennendsten Themen der Verkehrspolitik“ bezeichnet [4]. Im Zuge dieser Debatte wird immer wieder angeführt, dass sich der Parkdruck in Innenstädten reduzieren ließe, wenn die Quartiersgaragen als Lösung für die Parkproblematik in Bestandsquartieren? Ergebnisse eines Realexperimentes zur Parkplatzwahl Parken, Quartiersgarage, Realexperiment, Pkw, Tiefgarage, Karlsruhe Wir stellen die Ergebnisse eines dreimonatigen Realexperimentes vor, bei dem wir 44 Bewohner*innen aus der Karlsruher Südstadt einen wohnortnahen Tiefgaragenstellplatz finanziert haben. Im Gegenzug haben die Teilnehmenden ihre Erfahrungen und Eindrücke aus dieser Zeit mit uns geteilt. So wurden sie vorab zu ihrem typischen Verkehrsverhalten befragt, als auch dreimal während der Projektphase sowie ein weiteres Mal zum Abschluss persönlich interviewt. In den Interviews berichten die Teilnehmenden von ihren Parkstrategien, Motiven und Verhaltensänderungen. Ziel war es herauszufinden, unter welchen Bedingungen Menschen existierende Tiefgaragenplätze in Bestandsquartieren nutzen. In dem Beitrag geben wir Einblicke in die Sozio-Demographie der Teilnehmenden und konzentrieren uns auf die Frage, welche Motive die Teilnehmenden bei der Parkplatzwahl leiten. Maike Puhe, Lukas Burger, Christof Hupfer, Andreas Rall DOI: 10.24053/ IV-2024-0057 Internationales Verkehrswesen (76) 4 ǀ 2024 22 vorhandenen privaten Stellplätze (z. B. in Tiefgaragen) auch tatsächlich genutzt würden [7, 8]. Die Agora Verkehrswende (2022) beziffert am Beispiel der Stadt Stuttgart, dass Tiefgaragen selbst in Spitzenzeiten nur etwa zur Hälfte ausgelastet sind [4]. Scheiner et al. (2020) ermitteln mithilfe einer Haushaltsbefragung die Verfügbarkeit von und die Entfernung zu privaten Parkplätzen und öffentlichen Stellflächen in einem Dortmunder Bestandsquartier. Sie gehen davon aus, dass sich das Falschparken in dem Gebiet halbieren ließe, wenn die vorhandenen privaten Stellplatzkapazitäten vollumfänglich ausgeschöpft würden [9]. Bisher ist allerdings unklar geblieben, wann bzw. unter welchen Bedingungen Menschen dazu bereit sind, die verfügbaren Stellflächen im privaten bzw. halböffentlichen Raum auch tatsächlich zu nutzen. Dafür ist es wichtig, sowohl die Gründe zu verstehen, die Menschen davon abhalten, private Stellflächen zu nutzen als auch die Bedingungen, unter denen Menschen diese nutzen. Vorhandene Studien zur Ermittlung der parkplatzbezogenen Beweggründe greifen meist auf so genannte Stated Choice Befragungen zurück [10-14]. Entsprechende Ansätze unterscheiden zwischen verschiedenen Parkoptionen (z. B. Straßenrand, Tiefgarage) und einer begrenzten Menge an charakterisierenden Ausprägungen; in der Regel sind dies Parkgebühren, Zu- und Abgangszeiten sowie die Park-Suchdauer. Die Befragten werden dann gebeten, sich für eine Option zu entscheiden. Aus methodischer Sicht ist dieses Vorgehen allerdings mit Schwierigkeiten verbunden, da die Befragten mit hypothetischen Situationen konfrontiert werden, die sich in der Realität ganz anders darstellen können. Insbesondere die begrenzte und darüber hinaus noch von den Forschenden gerahmte Auswahl an Attributen kann dabei zu systematischen Verzerrungen führen. So ist beim Parken davon auszugehen, dass die tatsächliche Wahl von einer Vielzahl situationsspezifischer Kontextfaktoren abhängt (z. B. Müdigkeit, Kinder oder Gepäck dabei, Wetter), die sich in dieser Vielzahl in Stated Choice Befragungen nicht adäquat unterbringen lassen. Vor diesem Hintergrund haben wir von November 2023 bis Januar 2024 ein Realexperiment durchgeführt, bei dem wir insgesamt 44 Bewohner*innen der Karlsruher Südstadt für drei Monate einen wohnortnahen Tiefgaragenstellplatz finanziert haben. Ziel der Untersuchung war es, mehr über die Beweggründe beim Parken herauszufinden und Hinweise zu erlangen, für wen und unter welchen Bedingungen das Parken in einer privaten oder halböffentlichen Quartiersgarage eine Option darstellen kann. In diesem Beitrag möchten wir die verschiedenen Parkstrategien der Teilnehmenden während des Experimentes herausarbeiten und auf die Frage eingehen, welche Verhaltensdynamiken durch die Intervention zu beobachten waren. Der Untersuchungsraum Die empirische Untersuchung begrenzte sich auf die Karlsruher Südstadt. Die Südstadt ist ein lebendiger Stadtteil, der zentral zwischen der östlichen Innenstadt und dem Hauptbahnhof liegt. Entsprechend gut ist sie an den öffentlichen Nahverkehr und das Radverkehrsnetz angeschlossen. Sozialräumlich zeichnet sich die Südstadt durch eine soziale Heterogenität aus, in der sowohl gut ausgebildete und akademisch gebildete Arbeitnehmer*innen als auch von ökonomischer Benachteiligung betroffene Menschen leben. Insgesamt handelt es sich bei der Karlsruher Südstadt um ein mehr oder weniger typisches, von Gentrifizierung betroffenes Innenstadtviertel, wie es in den meisten europäischen Großstädten vorzufinden ist. Der Parkdruck innerhalb der Südstadt wird von den Teilnehmenden als sehr hoch empfunden. Parkraumbewirtschaftungsmaßnahmen, beispielsweise in Form von gebührenpflichtigen Bewohnerparkausweisen, sind nicht vorhanden. In dem Gebiet wird überwiegend auf der Fahrbahn geparkt (markiert). Teilweise wird auch der Gehweg auf einer Fahrbahnseite zum Parken mitgenutzt. Die ausgewählte Tiefgarage ist öffentlich zugänglich und befindet sich unterhalb eines Hotels am westlichen Rand des Akquisegebiets (siehe Bild 1). Insgesamt bietet sie 340 Stellplätze, wobei 130 für Dauerparker reserviert sind. Zu- und Abgang sind zu jeder Tages- und Nachtzeit möglich. Den Teilnehmenden wurde eine Parkkarte ausgehändigt, die ihnen für die Monate von November 2023 bis einschließlich Januar 2024 einen kostenfreien Zugang garantierte. Innerhalb dieses Zeitraumes durften die Teilnehmenden die Tiefgarage jederzeit nutzen, konnten aber auch weiterhin kostenfrei im öffentlichen Raum parken. Methodisches Vorgehen Um ein möglichst umfassendes Bild der Handlungsmotive und ein besseres Verständnis der situativen Kontextfaktoren zu erlangen, kam in der Studie ein komplementärer Methodenmix zum Einsatz. Dieser bestand zum einen aus einem Vorabfragebogen, in dem das typische Mobilitätsverhalten in Alltag und Fernverkehr sowie mobilitätsbezogene Einstellungen, Meinungen und Selbsteinschätzungen der Teilnehmenden erfragt wurden [15]. Außerdem wurden die Befragten insgesamt dreimal gebeten ein Parktagebuch zu führen, in dem sie alle Parkvorgänge an drei aufeinanderfolgenden Tagen festhielten. Dieses umfasste die Art des Parkplatzes, den Zweck des vorangegan- Bild 1: Untersuchungsraum (rot umrandet) und Zugang zur Tiefgarage Parkproblematik INFRASTRUKTUR DOI: 10.24053/ IV-2024-0057 Internationales Verkehrswesen (76) 4 ǀ 2024 23 karte statt. Zudem wurden Interviews und Parktagebücher in der dritten und zehnten Woche des Feldversuches geführt. Die Interviews wurden in Gedächtnisprotokollen von den Interviewern schriftlich festgehalten. Zum Abschluss der Feldphase, als die Befragten ihre Parkkarte wieder abgegeben hatten, wurde ein weiteres, abschließendes Interview mit den Teilnehmenden vereinbart. In diesem Interview ging es um die Einschätzung der eigenen Mobilität vor und nach dem Versuch sowie die Erfahrungen mit der Parkkarte. Diese Interviews wurden wortgetreu transkribiert. genen Weges sowie eine Reihe möglicher Situationsgegebenheiten (z. B. Gepäck dabei). Jeweils nach dem Ausfüllen der Tagebücher wurden die Befragten von einem Interviewer zu Hause besucht, bei dem sie in einem offenen Interview die Möglichkeit hatten, die verschiedenen Situationsgegebenheiten sowie die Gründe für die Nutzung oder Nicht-Nutzung der Tiefgarage in ihren eigenen Worten darzustellen. Um einen Eindruck über die etablierten Parkstrategien zu erhalten, fand das erste Ausfüllen des Parktagebuchs sowie das erste Interview in der Woche vor der Übergabe der Park- Die Teilnehmenden Insgesamt konnten 44 Teilnehmende für das Experiment rekrutiert werden, davon 26 Männer und 18 Frauen. Den Vorabfragebogen zum typischen Mobilitätsverhalten füllten 38 dieser Personen aus, die alle in unterschiedlichen Haushalten in der Karlsruher Südstadt wohnten. In Bild 2 sind die soziodemographischen Eigenschaften und der Verkehrsmittelbesitz der Teilnehmenden visualisiert. Dieses zeigt, dass Bildungsstand und Finanzlage der Stichprobe für die Karlsruher Südstadt vergleichsweise hoch waren. So verfügten 74% der Personen über einen Hochschul- oder Universitätsabschluss und 16 % absolvieren aktuell ein Studium. Zudem gaben nur zwei Personen an, sich finanziell einschränken zu müssen, während rund drei Viertel sich einiges oder vieles leisten konnten. Bei fast einem Drittel der Haushalte handelte es sich um Einpersonenhaushalte und in nur acht der 38 Haushalte lebten Kinder. Typisches Mobilitätsverhalten und Einschätzungen der Teilnehmenden vor Erhalt der Parkkarte Die Auswertung der Selbstangaben aus dem Fragebogen zum typischen Mobilitätsverhalten ergab, dass es sich nur bei zwei der 38 Personen um monomodale Pkw-Nutzende handelte. Die übrigen 36 Personen gaben an, im Alltag multimodal mobil zu sein und neben Wegen mit dem Pkw auch regelmäßig solche zu Fuß, mit dem Fahrrad, und/ oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückzulegen. In Bild 3 sind die selbstberichteten Nutzungshäufigkeiten verschiedener Verkehrsmittel im Alltag visualisiert. Dieses zeigt, dass 90% der Personen angaben, mindestens einmal pro Woche einen vollständigen Weg zu Fuß zurückzulegen. Mehr als zwei Drittel davon berichteten sogar dreimal pro Woche oder häufiger zu Fuß unterwegs zu sein. Das am zweithäufigsten genutzte Verkehrsmittel war laut Selbstangaben das Fahrrad. Circa 60 % der Personen berichteten, dieses mindestens dreimal pro Woche zu nutzen. Im Gegensatz dazu gab weniger als die Hälfte der Personen an, den eigenen Pkw mindestens dreimal pro Woche zu nutzen. 14 der 38 Personen berichteten sogar, weniger als einmal pro Woche mit einem Pkw unterwegs zu sein. Durch die intrapersonelle Auswertung der Verkehrsmittelnutzung konnte bestimmt werden, dass die 38 Personen im Durchschnitt üblicherweise nur ein Viertel ihrer Alltagswege mit dem Pkw zurücklegen. Nur drei Personen nutzen in einer üblichen Alltagswoche für mehr als die Hälfte ihrer Wege den Pkw, während 15 Personen den Pkw für weniger als ein Fünftel ihrer Wege nutzen; davon acht sogar nur für weniger als jeden zehnten Weg. Bild 2: Soziodemographische Eigenschaften und Verkehrsmittelbesitz der Teilnehmenden INFRASTRUKTUR Parkproblematik DOI: 10.24053/ IV-2024-0057 Internationales Verkehrswesen (76) 4 ǀ 2024 24 Im Hinblick auf die Parksituation für Pkw im öffentlichen Raum der Karlsruher Südstadt gaben 12 der 38 Teilnehmenden an, unzufrieden zu sein. Weitere 18 Personen waren mit der Parksituation eher unzufrieden. Eher zufrieden zeigten sich hingegen nur zwei Teilnehmende. Dementsprechend planten 24 der 38 Personen, den ihnen zur Verfügung gestellten Tiefgaragenparkplatz in den drei Monaten des Realexperiments immer zu nutzen und die übrigen 14 Personen, diesen manchmal zu nutzen. Nutzungshäufigkeit der Tiefgarage In der Mobilitätsbefragung gab die Mehrzahl der Befragten an, dass sich eine Quartiersgarage innerhalb einer bestimmten fußläufigen Entfernung befinden müsste, damit sie sich dort einen Stellplatz mieten würden. Dabei schwankten die Angaben zwischen zwei und zehn Minuten. Mithilfe der Parktagebücher und Interviews hat sich gezeigt, dass die Nähe des Wohnortes zur Tiefgarage die Nutzungshäufigkeit zwar beeinflusst, diese aber nicht vollumfänglich erklären kann. So nutzten einige Teilnehmende, die in unmittelbarer Nähe wohnen, die Tiefgarage nur für einen geringen Teil ihrer Parkvorgänge im Quartier, während andere, die etwas weiter entfernt wohnen, die Tiefgarage häufig nutzten. Aus diesem Grund werden wir im Folgenden weitere Beweggründe für die Nutzung bzw. Nicht- Nutzung der Tiefgarage beleuchtet. Zugänglichkeit der Tiefgarage Viele Teilnehmende berichteten, dass für sie die Zugänglichkeit ein entscheidender Grund war, die Tiefgarage zu nutzen: „Also ich hab die Tiefgarage sehr viel in Anspruch genommen, es war halt sehr unkompliziert für mich, weil die Tiefgarage in der Parallelstraße ist, also sehr, sehr nah zu meiner Wohnung und man hat immer einen Parkplatz gefunden.“ (Abschlussinterview ID_40) Die Zugänglichkeit wurde aber nicht nur durch die fußläufige Entfernung zum Wohnort bewertet, sondern auch in Relation zur Verfügbarkeit von Parkplätzen im öffentlichen Raum. So berichteten manche Teilnehmende davon, dass sie die Tiefgarage nur an bestimmten Wochentagen oder zu bestimmten Tageszeiten nutzten, an denen der Parkdruck besonders hoch war, so dass die Tiefgarage in diesem Moment schneller zugänglich war, während an anderen Tagen oder Tageszeiten die Stellplätze im öffentlichen Raum schneller zugänglich waren. Hieraus kann geschlossen werden, dass die Zugänglichkeit nicht nur von der räumlichen Nähe der Tiefgarage zum Wohnort, sondern auch von der zeitlich variierenden Parksituation im öffentlichen Raum abhängt. Entsprechend scheint das Nutzungsmuster eines Pkw einen entscheidenden Einfluss auf die Zugänglichkeit der Tiefgarage und damit auf deren relative Nutzungshäufigkeit zu haben. Sicherheitsaspekte Neben der Zugänglichkeit der Tiefgarage standen für Teilnehmende auch Sicherheitsaspekte im Vordergrund. Hiermit können zwei verschiedene Dinge gemeint sein. Einerseits der Schutz des Pkw, beispielsweise vor Witterung, Vandalismus oder unerwartet aufgestellten Halteverbotsschildern. Vor allem diejenigen, die ihr Auto nicht täglich benötigten, sondern es auch einmal für einige Tage ungenutzt stehen ließen, berichteten über die Erleichterung, nicht regelmäßig nachsehen zu müssen, ob mit dem Auto alles in Ordnung war. „Vor allem weil wir auch manchmal dann eben mehrere Tage oder Wochen nicht da sind. Und dann auch wissen, dass das Auto sicher abgestellt ist im Parkhaus und da halt nicht an der Straße irgendwas sein kann.“ (Abschlussinterview, ID_26) Andererseits kann Sicherheit auch Planungssicherheit bedeuten zu wissen, dass, egal wann, ein garantierter Parkplatz zur Verfügung steht und nicht erst lange gesucht werden muss. „Ja, man war nen bisschen flexibler oder es hat nicht mehr so ´ne Rolle gespielt sich zu überlegen, wann fährt man mit dem Auto weg und wann ist es dann vielleicht ´ne schwierige Zeit, wenn man zurückkommt und unter Umständen lang nach ´nem Parkplatz suchen muss, das ist dann halt als Überlegung weggefallen.“ (Abschlussinterview ID_15) Sicherheitsaspekte, die auf mögliche Gefahrensituationen in der Tiefgarage hindeuten (z. B. Angst vor Überfällen), wurden von keinem der Teilnehmenden erwähnt. Dies ist auch nicht verwunderlich, da die Teilnahme freiwillig war und dementsprechend davon ausgegangen werden kann, dass sich nur Menschen ohne derartige Befürchtungen gemeldet haben. Typisierung von Parkstrategien bei Verfügbarkeit einer Quartiersgarage Aus beiden Aspekten, der Zugänglichkeit und den Sicherheitsaspekten, lassen sich aus unserer Sicht drei prototypische Parkstrategien ableiten, die sich in ihrer Nutzungsintensität unterscheiden: die situationsabhängigen Optimierer, die kostenbewussten Langzeit-Parker sowie die Sorglos-Parker. Die situationsabhängigen Optimierer Die Optimierer nutzen die Tiefgarage in Situationen, in denen sie im öffentlichen Raum keinen besseren Stellplatz finden. So hatte sich bei einigen Teilnehmenden relativ schnell eine Parksuchroute etabliert, die an der eigenen Wohnung vorbeiführte und an deren Ende die Tiefgarage lag. Nur wenn sich auf dieser Route kein besserer Parkplatz im öffentlichen Raum fand, wurde der Tiefgaragenstellplatz genutzt. Die situationsabhängigen Optimierer waren die größte Gruppe im Sample. Im Unter- Bild 3: Selbstberichtete Häufigkeit der Nutzung verschiedener Verkehrsmittel im Alltag der 38 Teilnehmenden an der Vorabbefragung zum typischen Mobilitätsverhalten Parkproblematik INFRASTRUKTUR DOI: 10.24053/ IV-2024-0057 Internationales Verkehrswesen (76) 4 ǀ 2024 25 Effekte auf die Pkw-Nutzung beobachtet werden. Einige Teilnehmende nutzten ihren Pkw durch die Inanspruchnahme der Tiefgarage seltener, weil der Weg zur Tiefgarage als aufwändig empfunden wurde. In manchen Situationen wurden dadurch alternative Verkehrsmittel attraktiver. Andere hingegen berichteten von einer erhöhten Pkw-Nutzung, da der sichere Stellplatz in der Tiefgarage die Hemmschwelle senkte, das Auto zu verwenden, insbesondere in Situationen, in denen sie ansonsten wegen der mühsamen Parkplatzsuche darauf verzichtet hätten. Wiederum andere gaben an, dass sich ihre Pkw-Nutzungshäufigkeit nicht verändert habe, jedoch sei die Flexibilität bei der Ausführung bestimmter Aktivitäten gestiegen. So fühlten sie sich weniger gezwungen, bestimmte Wochentage oder Zeiten für Erledigungen (z. B. Einkäufe) zu wählen, weil die Tiefgarage ihnen beim nach Hause kommen einen sicheren Stellplatz garantierte. Es zeigte sich auch, dass der wahrgenommene Parkdruck, der von vielen im ersten Interview genannt wurde, sich nur selten bewahrheitete. Oft fanden die Teilnehmenden einen Parkplatz im öffentlichen Raum, der für sie zugänglicher war als der Stellplatz in der Tiefgarage. Diese Diskrepanz zwischen wahrgenommenem und tatsächlichem Parkdruck kann möglicherweise dadurch erklärt werden, dass problematische, nervige Parkereignisse stärker oder detaillierter erinnert werden. Eine objektive Untersuchung durch systematische Zählungen zu verschiedenen Tageszeiten könnte hier genauere Erkenntnisse liefern. Abschließend bleibt mit Blick auf die Diskussion um Quartiersgaragen festzuhalten, dass die Nutzungsabsicht von deren Verortung im Quartier sowie der allgemeinen Parksituation vor Ort abzuhängen scheint. Nicht zu vernachlässigen ist dabei, dass eine Quartiersgarage einen sorgloseren Umgang mit dem Pkw möglich macht, der sowohl die Pkw-Nutzung als auch den Pkw-Besitz erhöhen kann. ■ LITERATUR [1] Kraftfahrtsbundesamt: Der Fahrzeugbestand am 1. Januar 2024, [online], 4.3.2024, Online im Internet: https: / / www.kba.de/ DE/ Presse/ Pressemitteilungen/ Fahrzeugbestand/ 2024/ pm08_fz_ bestand_pm_komplett.html [2] Kunst, Friedemann: Stadt und Auto ein Thesenpapier, In: Deutsche Akademie für Städtebau und Landesplanung (DASL) (Hrsg.), Almanach 2014/ 2015 „Stadt & Auto“, 2015, p. 185-198, [3] Horn, Burkhard; Kiel, Thomas; Lojewski, Hilmar und Deutscher Städtetag. Nachhaltige städtische Mobilität für alle: Agenda für eine Verkehrswende aus kommunaler Sicht [online]. Berlin und Köln, 2018. Online im Internet: https: / / www.staedte- Die Sorglos-Parker Die Sorglos-Parker schätzen vor allem die Unbekümmertheit bzw. Planungssicherheit beim Nachhause kommen - das traf sowohl auf Personen zu, die das Auto häufig nutzten als auch auf Personen, die es eher selten benötigen. Häufig wohnen die Sorglos-Nutzer in der Nähe der Tiefgarage. Anders als die situationsabhängigen Optimierer, sind die Sorglos-Parker in der Regel auf direktem Weg in die Tiefgarage gefahren, ohne Ausschau nach einem besseren Parkplatz im öffentlichen Raum zu halten. Teilweise beinhaltete der Nachhauseweg einen kurzen Stopp vor der Wohnung, um Sachen ein- oder auszuladen, um im Anschluss die Tiefgarage auf direktem Weg aufzusuchen. Diese Gruppe nutzte die Tiefgarage am häufigsten und zeigte unter allen Teilnehmenden die höchste Zahlungsbereitschaft. Fazit Das Experiment zog vor allem multimodale Verkehrsteilnehmende an, von denen viele angaben, im Alltag nicht auf ein Auto angewiesen zu sein. Diese Gruppe repräsentiert jedoch nicht die durchschnittliche Bevölkerung der Karlsruher Südstadt, was bei der Interpretation, vor allem aber bei der Generalisierung der Ergebnisse, berücksichtigt werden sollte. Dennoch liefert die Studie wertvolle Einblicke in die Bedingungen, unter denen Quartiersgaragen eine akzeptable und nachhaltige Lösung für Bestandsquartiere sein könnten. Neben den verschiedenen Parkstrategien, die sich im Zuge der Intervention gezeigt haben, konnten während des Untersuchungszeitraumes auch unterschiedliche suchungszeitraum fanden die Optimierer häufig einen zugänglicheren Stellplatz im öffentlichen Raum, so dass sie die Tiefgarage am seltensten von allen Teilnehmenden nutzten. Bei den situationsabhängigen Optimierern handelt es sich häufig um Pkw- Vielfahrende, die den Parkdruck im öffentlichen Raum nicht unbedingt als belastend empfanden, sondern eher als nötiges Übel, welches zum Autofahren dazugehört und sich mit gekonntem Parken meistern lässt. Wichtiger als die Kosten für die Tiefgarage ist den Optimierern die situationsbedingte Zu- und Abgangszeit. Die kostenbewussten Langzeitparker Die Langzeitparker nutzen die Tiefgarage vor allem wenn sie wissen, dass der Pkw für längere Zeit abgestellt werden soll - z. B. über das Wochenende oder unter der Woche, wenn sie sich sicher sind, dass der Pkw nicht gebraucht wird. Entsprechend handelt es sich dabei häufig um Personen, die diesen Pkw nicht besonders häufig nutzen. Entsprechend ist ihr Anspruch an einen Bezahlstellplatz in erster Linie der Schutz des Pkw (vor Vandalismus, Witterung oder unerwarteten Ereignissen). Viele Langzeitparker äußerten sich im Abschlussgespräch darüber, wie erleichtert sie waren, nicht mehr zu vergessen, wo ihr Auto geparkt war oder sich keine Sorgen mehr um ihr Auto machen zu müssen. Die Langzeitparker zeigten allerdings die geringste Zahlungsbereitschaft für einen Tiefgaragenstellplatz. Ein häufiges Argument war, dass sie das Auto ja sowieso nicht häufig bräuchten und deswegen nicht bereit seien, noch mehr Geld dafür aufzuwenden. Bild 4: Typische Parkstrategien der Teilnehmenden für die Nutzung der Tiefgarage INFRASTRUKTUR Parkproblematik DOI: 10.24053/ IV-2024-0057 Internationales Verkehrswesen (76) 4 ǀ 2024 26 Buchtipp Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 \ 72070 Tübingen \ Germany \ Tel. +49 (0)7071 97 97 0 \ info@narr.de \ www.narr.de In Verhandlungen mit Geschick punkten „Never give without taking“ ist das Verhandlungsmotto von Ludger Schneider-Störmann. Verhandlungen in gesättigten Märkten mit hartem Wettbewerb sind kon iktreich. Der Autor beschreibt gängige Kon ikttypen und erläutert alle Facetten für ein erfolgreiches Management von Online- und Face-to-Face-Verhandlungen. Er gibt Anleitungen für eine perfekte Vorbereitung und Durchführung. Das Buch richtet sich an Studierende der Betriebswirtschaftslehre, des Wirtschaftsingenieurwesens sowie des Vertriebs und alle Studierende mit Interesse am Vertrieb. Es eignet sich auch hervorragend für die Praxis. Ludger Schneider-Störmann Kon ikte und Verhandlungsmanagement im Vertrieb 1. Au age 2024, 258 Seiten €[D] 24,90 ISBN 978-3-8252-6267-9 eISBN 978-3-8385-6267-4 hood, Journal of Transport Geography, 5.2020, Vol. 85, p. 102714, DOI 10.1016/ j.jtrangeo.2020.102714, [10] Ibeas, A.; Dell’Olio, L.; Bordagaray, M. und Ortúzar, J. 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Eingangsabbildung: © iStock.com/ dies-irae tag.de/ files/ dst/ docs/ Publikationen/ Positionspapiere/ Archiv/ nachhaltige-staedtische-mobilitaet-2018.pdf [4] Agora Verkehrswende. Umparken den öffentlichen Raum gerechter verteilen. Zahlen und Fakten zum Parkraummanagement [online]. 2022. Online im Internet: https: / / www.agora-verkehrswende.de/ fileadmin/ Projekte/ 2022/ Umparken/ Agora-Verkehrswende_Factsheet_Umparken_ Auflage-4.pdf [5] Fleischer, Torsten; Puhe, Maike und Schippl, Jens: Gesellschaftliche Einstellungen zu Fragen der Mobilitätswende. Ausgewählte Ergebnisse aus einer repräsentativen Befragung in Deutschland, Internationales Verkehrswesen, 2024, Vol. 76, no. 1, p. 17-23, [6] Kirschner, Franziska und Lanzendorf, Martin: Support for innovative on-street parking policies: empirical evidence from an urban neighborhood, Journal of Transport Geography, 1.1.2020, Vol. 85, p. 102726, DOI 10.1016/ j.jtrangeo.2020.102726, [7] Blees, Volker. Nr. 13: Fehlnutzung des öffentlichen Straßenraums durch parkende Kraftfahrzeuge. Fallstudie am Beispiel Darmstadt-Arheilgen. Arbeitsberichte Fachgruppe Mobilitätsmanagement. Hochschule RheinMain. Wiesbaden, 2021. [8] Würl, Benjamin und Linder, Franz. Parken ohne Ende? Eine AGFS-Broschüre zum Thema Nahmobilität und Autoparken [online]. 2015. Online im Internet: https: / / www.agfs-nrw.de/ fileadmin/ user_upload/ parkraum_brosch_2015_WEB.pdf [9] Scheiner, Joachim; Faust, Nico; Helmer, Johannes; Straub, Michael und Holz-Rau, Christian: What’s that garage for? Private parking and on-street parking in a high-density urban residential neighbour- Maike Puhe, Dr., Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) maike.puhe@kit.edu Lukas Burger, M.Sc., Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Verkehrswesen (IfV) lukas.burger@kit.edu Christof Hupfer, Prof., Dr., Hochschule Karlsruhe (HK A), Baden-Württemberg Institut für nachhaltige Mobilität (BWIM) christoph.hupfer@bw-im.de Andreas Rall, M.Sc., Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Verkehrswesen (IfV) andreas.rall@kit.edu Anzeige Parkproblematik INFRASTRUKTUR
