eJournals Internationales Verkehrswesen 77/1

Internationales Verkehrswesen
iv
0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2025-0005
0331
2025
771

Das Problem der Schnittstelle beim Vergleich der Verkehrsträger Schiene und Straße

0331
2025
Hermann Knoflacher
Beim Vergleich der Verkehrsträger öffentlicher Verkehr und Straßenverkehr wird ein scheinbar kleines Detail wenig beachtet: die Die Unterschiede der Schnittstellen zwischen den Ausgangs- und Endpunkten der Wege und Transporte im Raum oder in der Fläche und den Verkehrsträgern Bahn und Straße. Die Wirkung wird in dem Beitrag in einer Analyse der Verkehrsmittelwahl seit 1950 und einem Systemvergleich anhand vorliegender Daten und Forschungsergebnisse beschrieben und zeigt die damit ausgelösten Eigendynamik auf die Wettbewerbsbedingungen im System.
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Randbedingungen veränderte. Im Personenverkehr und auch im Güteverkehr wurden immer größere Anteile auf die Straße verlagert. Da bei sektoraler Betrachtung diese Wechselbeziehung ausgeblendet wird, erfolgt das auch mit der verkehrspolitischen Berücksichtigung und Verantwortung. Dieser kurze Beitrag versucht diesen Zusammenhang anhand der vorhandenen Daten darzustellen, weil er für die „Wettbewerbsbedingungen“, einem zentralen Begriff der Bahnreform, wesentlich erscheint. Vorbemerkung In den medialen Kommentaren 1 zu „30 Jahre Bahnreform“ wie den Stuttgarter Nachrichten 2 oder NZZ 3 , wird die Eisenbahn wie auch in anderen Ländern sektoral behandelt. Nicht berücksichtigt wird dabei die Vorgeschichte der DB-AG als weltweit agierender Konzern mit Verzweigungen und verkehrsträgerübergreifenden Beteiligungen im Personen-, Güter- und sonstigen Verkehr 4 bei dem die 1950 einsetzende Dynamik der Massenmotorisierung die 1. Anlass und Ausgangssituation der Bahnreform 1994 In der Bilanz der DB AG zu 30 Jahre Bahnreform 5 wird die Ausgangssituation so dargestellt: „Die Entwicklung in der Zeit ab 1950 in Westdeutschland zeigt einen kontinuierlichen Marktanteils- und Bedeutungsverlust der Schiene sowohl im Personenals auch im Güterverkehr. So sank der Anteil im Personenverkehr von 36 Prozent im Jahr 1950 auf rund 7 Prozent 1993. Im Güterverkehr nahm der Anteil von 56 Prozent Das Problem der Schnittstelle beim Vergleich der Verkehrsträger Schiene und Straße Sektorale Systemsicht, Bahnreform, Wettbewerbsbedingungen, öffentliche Aufwendungen, Schnittstellen, Bahnhöfe, Autoabstellplätze Beim Vergleich der Verkehrsträger öffentlicher Verkehr und Straßenverkehr wird ein scheinbar kleines Detail wenig beachtet: die Die Unterschiede der Schnittstellen zwischen den Ausgangs- und Endpunkten der Wege und Transporte im Raum oder in der Fläche und den Verkehrsträgern Bahn und Straße. Die Wirkung wird in dem Beitrag in einer Analyse der Verkehrsmittelwahl seit 1950 und einem Systemvergleich anhand vorliegender Daten und Forschungsergebnisse beschrieben und zeigt die damit ausgelösten Eigendynamik auf die Wettbewerbsbedingungen im System. Hermann Knoflacher Internationales Verkehrswesen (77) 1 ǀ 2025 18 DOI: 10.24053/ IV-2025-0005 auf knapp 17 Prozent ab. Zurückzuführen ist dies vor allem auf die Entwicklung des Straßenverkehrs zum Massenphänomen, die durch verkehrspolitische Prioritätensetzung zusätzlich befördert wurde. Der Straßengüterverkehr wurde liberalisiert. Es wurden über Jahrzehnte deutlich mehr Mittel in die Straße als in die Schiene investiert.“ Der Straßenverkehr, der sich zum „Massenphänomen“ entwickelte und „zusätzlich befördert wurde“ ist keine Naturerscheinung, sondern wie die Eisenbahn ein künstliches, von Menschen gemachtes System, dessen Wirkungen und Auswirkungen weder schicksalshaft noch unvermeidlich, sondern zu verantworten sind. Auch die Ideologie des Neoliberalismus, von der EU befördert, wird im Zusammenhang mit dem Straßengüterverkehr hervorgehoben und dürfte wohl Einfluss auf die Bahnreform gehabt haben. Die Dringlichkeit einer Sanierung der Zusammenführung von DB und Deutscher Reichsbahn war offensichtlich und durch die finanzielle Situation gegeben: „1993 erwirtschafteten die deutschen Bahnen einen Jahresfehlbetrag in Höhe von 15,6 Milliarden (Mrd.) Deutsche Mark (DM). Die Umsatzerlöse der Bahnen in Höhe von 16,9 Mrd. DM deckten nicht einmal ansatzweise die Personalkosten in Höhe von 26,3 Mrd. DM. Die Kreditverbindlichkeiten betrugen 1993 insgesamt 66,2 Mrd. DM“. Im Güterverkehr zeigt sich auch gegenüber anderen Verkehrsträgern eine deutliche und zunehmende Dominanz des Straßengüterverkehrs seit 1950, wie in der Grafik des Bundesverbandes Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung aus 2018. Daten, wie in dem Diagramm, bilden die Wirkungen politisch, technisch und ideologisch beeinflusster Strukturbedingungen im Verkehrssystem ab. Der Güterverkehr soll aber in dem Beitrag nicht näher behandelt werden. 2. Ein Ausschnitt der öffentlichen Aufwendungen für den privaten Autoverkehr Die Ausgangssituation des Verkehrssystems 1994 war, wie in Bild 1 dargestellt, bereits durch die private Motorisierung bestimmt. Der Pkw-Bestand in Deutschland lag bei 35,5 Millionen. Für jedes einzelne Fahrzeug wurde nicht nur ein, sondern mehrere Abstellplätze „vorgesehen“ und den Nutzern auch in so genannten besten Lagen meist kostenlos zu Verfügung gestellt. Die Wohnungsmieten lagen damals im Mittel bei rund 7 Euro 6 pro m 2 . Und das in der Regel in mehrgeschossigen Gebäuden, so dass sich bezogen auf den Quadratmeter Siedlungsboden dieser Wert entsprechend der Geschoßzahl erhöht. Ein nutzbarer Autoabstellplatz benötigt rund 20 m 2 Fläche, die meist auch dem Bodenverbrauch entspricht. Rechnet man nur die Flächenmiete für ein Geschoß, ergibt das 140 Euro an Kosten pro Monat, sozusagen als Zuschuss der öffentlichen Hand - und das nur für einen Abstellplatz. Im Jahr ergibt das einen Betrag von 1.680 Euro. Der „Mietenzuschuss für das kostenlose Abstellen von Pkw“ für ganz Deutschland ergab damals bereits einen Betrag von rund 60 Milliarden Euro pro Jahr. Ein Betrag, der heute durch den weiter geförderten Bestand an Autos auf 42,5 Millionen Pkw und einer Verdoppelung der Mieten auf 14 Euro/ m 2 bei über 140 Milliarden Euro anzusetzen ist. Von fairen Wettbewerbsbedingungen kann allein aufgrund dieser Vergleiche keine Rede sein. Es wird aber in den Kommentaren ausgeblendet oder nicht wahrgenommen, dass der öffentliche Verkehr und insbesondere die Eisenbahnen nicht nur finanziell, sondern auch strukturell im Wettbewerb grundlegend benachteiligt werden. 3. Schnittstellen im Verkehrssystem Ihre Bedeutung wurde in Systemen und auch im Eisenbahnwesen 7 schon lange erkannt, bevor dieser Begriff in den EDV allgemeine Verbreitung fand. Es sind jene Teile des Systems, die der Kommunikation dienen, in der Naturwissenschaft bezeichnet sie die physikalische Phasengrenze zweier Zustände eines Mediums. „Wenn man ein beliebiges „System“ als Ganzes betrachtet, das es zu analysieren gilt, wird man dieses Gesamtsystem in Teilsysteme „zerschneiden“. Die Stellen, die als Berührungspunkte oder Ansatzpunkte zwischen diesen Teilsystemen fungieren (über die die Kommunikation stattfindet), stellen dann die Schnittstellen dar. Unter Verwendung dieser Schnittstellen kann man die Teilsysteme wieder zu einem größeren Ganzen zusammensetzen.“ Eine Definition, die sowohl die Analyse wie auch die Synthese beschreibt. Erstere entspricht der sektoralen Behandlung des Verkehrssystems, das in die Verkehrsträger zerlegt nach Lösungen sucht, die es in der sektoralen Optimierung erwartet. Es sind das die Programme und Strategien zum Fußgänger- 8 , Rad 9 - und öffentlichen Verkehr, die meist unter Vermeidung von wirksamen Maßnahmen im motorisierten Individualverkehr entwickelt und propagiert werden, wie der Austausch Bild 3: Veränderung der Leistungsanteile der sechs technischen Verkehrsträger im Güterverkehr Bild 1: Eisenbahn- und MIV-Personenverkehr. (Daten: Verkehr in Zahlen) Bild 2: Anteile der Eisenbahnen im Personen- und Güterverkehr. (Daten: Verkehr in Zahlen) Schnittstellen  INFRASTRUKTUR Internationales Verkehrswesen (77) 1 ǀ 2025 19 DOI: 10.24053/ IV-2025-0005 den Gesamtverkehr, wenn man diesen aus ganzheitlicher Sicht betrachtet 18 . 4. Schienenpersonenverkehr nach der Bahnreform 1994 „Die zweite Stufe der Bahnreform mit Ausgliederung der Unternehmensbereiche Personennah- und Personenfernverkehr, Güterverkehr, Bahnhöfe und Fahrweg als Aktiengesellschaften folgte zum 1. Januar 1999.“ 19 Eine Anmerkung zu diesem Auszug aus dem zitierten Bericht: Diese Zerteilung und Individualoptimierung der Einzelteile ist typisch für unternehmerisches Management nach den Prinzipien kurzfristiger Effizienz ohne Rücksicht auf die Folgen und unterscheidet sich von einer gesamtheitlich strategischen und langfristigen Sanierung wie die Behandlung eines lebenden Organismus durch einen Metzger im Unterschied zu einem Ganzheitsmediziner. Das Ziel es ersten ist die Effizienz, durch kurzfristige Optimierung der Einzelteile unter Vernachlässigung der für den lebendigen Organismus wesentlichen komplexen inneren Wechselbeziehungen und dem gesamten Umfeld. Das Ziel des Zweiten ist Resilienz, die Wiederherstellung und Stärkung der inneren Funktionsfähigkeit unter Berücksichtigung des Umfeldes und der Beziehungen zu diesem. Der Vergleich mag ungewohnt sein, entspricht aber den Prinzipien, mit denen man nicht nur in diesem Sektor heute organisatorisch, politisch und technisch in die Systeme eingreift, zu denen auch die Eisenbahnen gehören, wenn man sie als integrierten Teil eines Staatsorganismus versteht. Äußere Kennzeichen der Bahnreform sind auch im Güterbereich schon ab 1994 nachweisbar: Wendet man das Prinzip vergleichbaren Wettbewerbs auch auf den Güterverkehr an, ist die Laderampe die entscheidende Schnittstelle. Ladegleise und Gleisanschlüsse wurden allerdings aus enger betriebswirtschaftlicher Sicht aufgelassen, anstatt strukturelle Bedingungen für einen fairen Wettbewerb zwischen Eisenbahnen und Straßenverkehr zu verbessern (Bild 7). Diese Entwicklung entsprach schon damals nicht den verkehrspolitischen Zielen 20 und seit den 1990er Jahren auch nicht den klimapolitischen Zielen. Unter diesen Bedingungen wurde der motorisierte Straßenverkehr zum strukturbestimmenden Faktor in der Raumentwicklung und dem Wirtschaftssystem gemacht, indem sich die Verkehrspolitik - der von ihr selbst erzeugten Eigendynamik dieses Verkehrssektors - unterwarf. 21 Unter diesen Bedingungen wurden auch die Grenzen zwischen Nahverkehr und Fernverkehr künstlich gezogen, weil sie sich weder klar abgrenzen lassen noch zeit- Entwicklung bis zu einer Stagnation zwischen 1990 - 2010 an und erst im letzten Jahrzehnt bis 2019 zeigt sich eine kleine Richtungsänderung, die vor allem durch die Maßnahmen in den Städten zur Eindämmung des Autoverkehrs, Parkgebühren und Parkraummanagement 14 und Erweiterung verkehrsberuhigter Bereiche etc. erzielt wurde. Während die Anzahl der Bahnhöfe der DB mit rund 5.400 gleichgeblieben ist, wurde die Anzahl der „Bahnhöfe“ im MIV, also der Abstellplätze, allein an den Wohnungen von 0,7 Millionen 1950 auf über 47 Millionen erhöht und damit das Verhältnis von 1: 120 im Jahr 1950 auf 1: 8000 im Jahr 2020 zugunsten des Privatautos erhöht. Dazu kommt noch die „Wirksamkeit der Schnittstelle“ 15 , die beim Pkw durch den nach wie vor in den Bauordnungen der Länder tradierten §2 der Reichsgaragenordnung aus 1939 16 , bei 100% liegt, beim ÖV aber mit der Entfernung zum Abstellplatz abnimmt (Walther 1973). Für Verkehrsteilnehmer mit Wahlmöglichkeit ist unter diesen Bedingungen der eigene Pkw das bevorzugte Verkehrsmittel, wozu noch kommt, dass die Gesellschaft auch an den Zielen der Fahrten für jeden „Abfahrtsbahnhof des MIV“ etwa drei „Endbahnhöfe“ als Autoabstellplätze an den Zielen, meist in bester Lage und auch oft noch kostenlos zur Verfügung gestellt hat. Die verkehrspolitische Herausforderung wäre daher eine Verkehrsreform zur Herstellung fairer Wettbewerbsverhältnisse der beiden wichtigsten motorisierten Landverkehrsmittel gewesen, in deren Rahmen die Bahnreform ein Teilbereich wäre. Die Schlussfolgerung des schwedischen Ökonomen Jan Owen Jansson 17 für den Stadtverkehr: „The logical consequence would be to prohibit all motor traffic in the street conceded. This could have meant that the urban motor traffic were concentrated to a limited number of „motor roads“, and that the lion ‚s share of the road network would be reserved for pedestrians and cyclists, and in some cases also for tramways and bus lines. The sparse motor roads with their limited total capacity would not suffice to anything more than some commercial traffic for goods and passengers (taxis)“ gilt auch für der Antriebsenergie von fossil auf elektrisch beim Autoverkehr 10 . Im Verkehrssystem sind das Medium Nachrichten (Informationen), Menschen und Güter. Nach der Definition einer Schnittstelle sind es im Personenverkehr jene Stellen in denen das Medium, also der Mensch oder die Güter, vom System Fußgänger in das System motorisierter Verkehr übergeht. Beim öffentlichen Verkehr sind es die Haltestellen bzw. Bahnhöfe bei den Eisenbahnen, wo die Wege als Fahrten beginnen und enden. Beim Autoverkehr sind es die Autoabstellplätze am Beginn und Ende der Fahrt. Die verbindende Wirkung dieser Schnittstellen nimmt mit der Entfernung von Quelle und zum Ziel vom Bahnhof oder Abstellplatz exponentiell ab 11 . Die Ursache für dieses Verhalten liegt in den tiefsten Schichten der Verrechnung von Körperenergie im Stammhirn und führt beim Pkw unter den vorherrschenden Bedingungen zu einer schwer vorstellbaren Bindung auf der physischen Ebene unseres Verhaltens 13 . Dieses Verhalten bestimmt entscheidend die Verkehrsmittelwahl, was sich auch im Wettbewerb zwischen Eisenbahn und MIV in Deutschland deutlich zeigt. Die Bild 4, interpretiert als Beziehung nach dem Weber-Fechner-Gesetz, beschreibt eine rasch steigende Abneigung gegenüber dem öffentlichen Verkehr mit zunehmendem Privatautobesitz, die den Anteil des öffentlichen Verkehrs bereits zwischen 1950 bis 1960 mehr als halbierte (Bild 5). Wenn auch mit abnehmender Tendenz hielt diese Bild 4: Akzeptanzfunktion für Fußwege zu Haltestellen des ÖV. (Grafik Autor, Daten Peperna 1982 12 ) Bild 5: Motorisierung - ÖV-Anteil ab 1950 Bild 6: Verlauf der Anteile von MIV und ÖV 1950 - 2020 (Daten: Verkehr in Zahlen) INFRASTRUKTUR  Schnittstellen Internationales Verkehrswesen (77) 1 ǀ 2025 20 DOI: 10.24053/ IV-2025-0005 für den Personenverkehr eingesetzt. Diese Annahme liegt sicher mehr oder weniger zu hoch, weil allein der Sektor Güterverkehr und weiteres „Sonstiges“ nicht berücksichtigt werden. Unter dieser groben Annahme würden sich rechnerisch folgende Zuschüsse pro Fahrgast für den Nah- und Fernverkehr ergeben: Vergleicht man die Folgekosten des privaten Autoverkehrs, die nach einer aktuellen Studie 26 bei 104 Milliarden Euro (ohne Staukosten, die es ja ohnehin im System gar nicht gibt) liegen, macht dieser Teil der „stillen Subventionen des Pkw-Verkehrs“ aus öffentlichen Mitteln rund 16 Cent je Pkw- Kilometer aus. Berücksichtigt man noch die marktwirtschaftlichen Kosten der beanspruchten Flächen für Abstellplätze, wie bahnen 24 . Wie sich die quantitativen Indikatoren dieser Teilbereiche unterscheiden, zeigen die Entwicklungen der Fahrgastzahlen seit 1994 und ebenso der Anteile des Fernverkehrs (Bild 8). Während die Zahl der Bahnbenutzer im Nahverkehr seit der Bahnreform beinahe verdoppelt wurde, hat im gleichen Zeitraum der Anteil im Fernverkehr etwa relativ abgenommen (Bild 9). Auch die Personenkilometer im Nah- und Fernverkehr zeigen eine vergleichbare Entwicklung (Bild 10). Was überraschend erscheinen mag, ist die Veränderung der Reiseweiten seit 1994: die mittleren Reiseweiten im Fernverkehr nahmen zu, im Nahverkehr hingegen ab. Kennt man das Lill´sche Reisegesetz aus 1889, weiß man, dass die häufigsten Wege der Menschen nicht nur damals, sondern auch heute deutlich kürzer sind als selbst die mittleren Reisewege im Eisenbahn- Nahverkehr. Wenn man im Fernverkehr, wie es gerne propagiert wird, als Konkurrenz zum Flugverkehr auftreten will, dann hat man nur Erfolg, wenn der Bahnhof als Schnittstelle näher liegt als der Flughafen, was historisch bedingt zum Glück für die Bahn noch zutrifft. Wenn man im Fernverkehr den Erfolg in den Reisezeiteinsparungen durch Geschwindigkeit sucht und dafür Bahnhofshalte aufgibt, dann orientiert man sich an einer Größe, die es im System gar nicht gibt: Zeiteinsparung durch Geschwindigkeit! Aber auch das wusste man schon spätestens seit 1989 25 . 5. Leistungen des Bundes an die DB-AG und den Privaten Pkw- Verkehr: ein grober Vergleich Die in der 30. Jahresbilanz angegebenen Zahlen der Bundesmittel beziehen sich auf Infrastruktur und „Sonstiges“. Da das „Sonstige“ nicht näher aufgeschlüsselt vorliegt, wird zur einfachen Berechnung angenommen, die „Bundesmittel“ würden lich und auch räumlich stabil sind 22 . Beim Fernverkehr wird zwar eine Entfernung von 50 km als untere Grenze angegeben 23 , allerdings stammt dieser Vorschlag aus 1949 und den damaligen Vorstellungen über das Verkehrssystem und die Zukunft der Eisen- Bild 8: Fahrgäste im DB AG Nah- und Fernverkehr Bild 10: Personenkilometer in Nah- und Fernverkehr 1994 - 2019 Bild 9: Prozent-Anteil der Fahrgäste im Fernverkehr Bild 11a und b: Mittlere Reiseweiten im Nah- und Fernverkehr 1994 -2019, absolut und relativ Bild 12 a und b: „Bundesmittel“ je Fahrgast und je Personenkilometer im Nah- und Fernverkehr Bild 7: Aufgabe privater Gleisanschlüsse - seit 1990. (Grafik: Allianz pro Schiene 06/ 2022) Schnittstellen  INFRASTRUKTUR Internationales Verkehrswesen (77) 1 ǀ 2025 21 DOI: 10.24053/ IV-2025-0005 22 Wikipedia Nahverkehr, https: / / de.wikipedia.org/ wiki/ Nahverkehr. 23 Wikipedia Fernverkehr, https: / / de.wikipedia.org/ wiki/ Fernverkehr. 24 Pirath, C. Die Grundlagen der Verkehrswirtschaft, Springer Verlag 1949. 25 Knoflacher, H. Des Kaisers neue Kleider oder Hochgeschwindigkeitsstrecken - was hat die Fläche davon? Zeitschrift für Verkehr und Umwelt (Verkehrspolitik), Nr.4/ 1989, Seite 6-9. 26 Externe Kosten des Verkehrs in Deutschland, Straßen-, Schienen-, Luft- und Binnenschiffverkehr, Iinfras, Zürich 2017. 27 Höland, Ch. Darum rollen immer mehr SUV durch Deutschland, RedaktionsNetzwerk Deutschland, 25.09.2019. 28 Paradigm Change in Transport and Urban Planning, Practical Experiences - Theoretical Background. The 4th China-EU Social Ecological and Legal Forum, Conference Proceedings. China September 25-27, 2014, Seite 30-41. Eingangsabbildung: © iStock.com/ philinnz4 ENDNOTEN 1 Kommentar zu 30 Jahren Bahnreform Die Deutsche Bahn blieb immer ein finanzieller Verschiebebahnhof, General Anzeiger Bonn vom 27.12.2023. 2 Welche Fehler Bahn und Politik gemacht haben, Stuttgarter Nachrichten vom 01.01.2024. 3 Die Deutsche Bahn setzt zur «grössten Bahnreform seit dreißig Jahren» an, NZZ vom 23.01.2024. 4 Deutsche Bahn, Integrierter Bericht 2022. 5 30 Jahre Bahnreform, Deutsche Bahn AG, Wirtschaft, Politik und Regulierung, Berlin 2024. 6 Mieten und Preise für Wohn- und Gewerbeimmobilien in Deutschland im Vergleich der Jahre 1990 und 2022, Statista Research Department, 02.01.2024. 7 Eduard Lill: Die Grundgesetze des Personenverkehrs. In: Zeitschrift für Eisenbahnen und Dampfschiffahrt, 1889. 8 Besser Gehen in Österreich! Masterplan Gehen 2030, BMKV 2022. 9 Masterpläne Radverkehr der Städte, z. B. Reutlingen und v. a. 10 Sustainable and Smart Mobility Strategy, 2021. 11 Walther, K. Nachfrageorientierte Bewertung der Streckenführung im öffentlichen Personennahverkehr. Dissertation TU Aachen, Aachen 1973. 12 Peperna, O. Die Einzugsbereiche von Haltestellen öffentlicher Nahverkehrsmittel im Straßenbahn- und Busverkehr. Diplomarbeit an der TU Wien, 1982. 13 Knoflacher, H. Zur Frage des Modal Split, Straßenverkehrstechnik, Heft 5, 1981. 14 Knoflacher, H. Die 365-Euro-Jahreskarte in Wien, eine Analyse und Umfeldanalyse, Der Nahverkehr 10/ 2023. 15 Walther bezeichnet dies als „Ansprechbarkeit der Haltestelle“. 16 Verordnung über Garagen und Einstellräume (Reichsgaragenordnung - RGaO -) vom 17. Februar 1939 (Reichsgesetzblatt I S. 219). 17 Jansson, J. O. Counterfactual Analysis of Urban Transport Development“, 16th OECD Symposium Budapest, 2003. 18 Knoflacher, H. Katalysatoren für Nichtmotorisierte, Seite 82 - 102, Eigenverlag. Wien 1985. 19 30 Jahre Bahnreform, Ziele und Instrumente der Bahnreform, 2024, Seite 10. 20 Haefeli, U. Entwicklungslinien deutscher Verkehrspolitik im 19. und 20. Jahrhundert. Handbuch der Verkehrspolitik, Springer 2014. 21 Knoflacher, H. Grundlagen der Verkehrs- und Siedlungsplanung, Verkehrsplanung, Bühlau Verlag Wien, 2007. oben ausgeführt, beansprucht der private Autoverkehr für seine vergleichbare spezifische Leistung im Verkehrssystem deutlich mehr öffentliche Mittel als die Eisenbahnen. Die nach wie vor anhaltende Zunahme des Bestandes und die zunehmende Zahl weit übergewichtiger und übermotorisierter Fahrzeuge, SUV und der Anteil von 70 % gewerblich genutzter Neuzulassungen von Pkw 27 sind nur ein Teil der Staatszuschüsse zugunsten des Autoverkehrs, die weiterhin die Wettbewerbsbedingungen zum Nachteil der Eisenbahnen in Deutschland verstärken. 6. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen In „30 Jahre Bahnreform“ Deutsche Bahn AG, Wirtschaft, Politik und Regulierung, 2024 wird in zwei Kapiteln (Seiten 5 und 8) auf das System hingewiesen, mit dem die Eisenbahnen primär im Wettbewerb stehen, dem motorisierten Straßenverkehr. Hingegen ist die öffentliche Wahrnehmung wie auch Kritik fast ausschließlich sektoral auf die Bahn bezogen, ohne die Randbedingungen und deren Veränderungen zu beachten. Es ist dies kein deutsches Phänomen, sondern findet sich praktisch in allen EU-Ländern ebenso wie auch in der EU-Politik, wo die Widersprüche zwischen den Klimazielen und der gewohnten Praxis des „Sowohl als auch“ an den Folgen immer deutlicher werden. Anhand des Datenmaterials für den Personenverkehr wurde eine Grobanalyse der Systembedingungen der Eisenbahnen und des privaten Pkw-Verkehrs vorgenommen, die sich auf die strukturellen Unterschiede und einen Teil der Kosten der beiden Systeme beziehen. Wenn man den Anteil der klimaverträglichen Verkehrsträger, zu denen auch die Eisenbahnen gehören, den Umweltzielen entsprechend rasch und wirksam erhöhen will oder muss, müssen auch die bisher vernachlässigten strukturellen Wettbewerbsnachteile an den Schnittstellen gegenüber dem Straßenverkehr wesentlich verringert werden. Eine Forderung die sich auch aus dem Paradigmenwechsel des Verkehrswesens 28 ergibt. ■ Hermann Knoflacher, Em. o. Univ. Prof. Dipl. Ing. Dr. tech., Technische Universität Wien, Institut für Verkehrswissenschaften, Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik hermann.knoflacher@tuwien.ac.at \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissen schaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissen schaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikations wissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprach wissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Alt philologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissen schaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft INFRASTRUKTUR  Schnittstellen Internationales Verkehrswesen (77) 1 ǀ 2025 22 DOI: 10.24053/ IV-2025-0005