Internationales Verkehrswesen
iv
0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2025-0020
0616
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Was passiert mit dem "Sondervermögen Infrastruktur"?
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Alexander Eisenkopf
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Was passiert mit dem „Sondervermögen Infrastruktur“? komplexen und langwierigen Planungs- und Genehmigungsverfahren. Es bleibt zu hoffen, dass die im Koalitionsvertrag vereinbarten Reformen jetzt tatsächlich und schnellstmöglich umgesetzt werden. Jenseits dieser Hindernisse mangelt es aktuell aber auch an einem strategischen Plan des Bundes für die Verwendung der Mittel. Von Seiten der Bahn- und Klimalobby wurde insbesondere das erwartete zukünftige Verkehrswachstum auf der Straße hinterfragt und der vermeintliche Widerspruch höherer Verkehrsleistungen mit den deutschen Klimaschutzzielen betont. Deren propagandistisch zugespitzte Position läuft darauf hinaus, dass wegen der beabsichtigten Klimaneutralität 2045 eigentlich keine Bundesfernstraßen mehr neu gebaut werden dürften, und nur noch Erhaltung auf niedrigem Niveau stattfinden könnte. Die hierdurch freiwerdenden Mittel seien vor allem in die Schiene zu investieren. Mit dem von den Grünen zusätzlich in das Grundgesetz eingebrachten Passus des Vorbehalts der Klimaneutralität wird die Diskussion um die Priorisierung von Schiene oder Straße bei Aus- und Neubau sicherlich wesentlich kontroverser neu entfacht werden. Eine zukünftige Bundesregierung dürfte allerdings gut beraten sein, Forderungen nach einem Moratorium für den Ausbau des Straßennetzes nicht nachzugeben. Neben den prioritären Erhaltungsbzw. Ersatzmaßnahmen, insbesondere an Brücken, muss auch der Ausbau hochbelasteter Fernverkehrsachsen weiter vorangetrieben werden. ▪ B ekanntlich hat sich die neue Bundesregierung mit der nunmehr im Grundgesetz verankerten Ausnahmenregelung für Verteidigungsausgaben und einem „Sondervermögen“ für Infrastruktur von 500 Mrd. Euro über 12 Jahre Blankoschecks für die nächste Legislatur ausstellen lassen. Auch wenn ein solches „Sondervermögen“ grundsätzlich eine fatale wirtschafts- und finanzpolitische Weichenstellung darstellt, „ist es nun einmal da“. Daher ist es besonders wichtig, sich Gedanken über seine sinnvolle Verwendung zu machen: Die Verkehrsinfrastruktur sollte ein Ausgabenschwerpunkt sein, denn seit Jahr und Tag wird in Deutschland über eine den Anforderungen nicht genügende und teilweise marode Verkehrsinfrastruktur geklagt und diskutiert. Wir haben diesbezüglich kein Erkenntnisproblem mehr, sondern ausschließlich ein Umsetzungsproblem, das zuallererst die Finanzierung, dann aber auch die strategischen und operativen Realisierungsbedingungen betrifft. Mit dem „Sondervermögen“ Infrastruktur bzw. „Infrastruktur und Klimaneutralität“, wie man es jetzt apostrophieren müsste, könnte ein Ruck durch Deutschland gehen. Die Verkehrsinfrastrukturinvestitionen des Bundes könnten endlich auf ein Niveau angehoben werden, das für die Substanzerhaltung und die Anpassung der Kapazitäten an den Bedarf einer wachsenden Wirtschaft ausreicht. Neben den keynesianischen Nachfrageimpulsen in der Bauphase, die von einem solchen massiven Fiskalpaket ausgehen werden, aber natürlich ein Strohfeuer bleiben, wird die Ertüchtigung der Verkehrswege wichtige langfristige Wachstums- und Produktivitätseffekte haben. Bleibt es beim letztjährigen Investitionsniveau des ordentlichen Haushalts von 26 Mrd. Euro - ein eher optimistisches Szenario -, könnten in den nächsten 12 Jahren mindestens 450 Mrd. Euro in die Verkehrsinfrastruktur des Bundes investiert werden. Das ist eine gigantische Summe und sollte auf den ersten Blick ausreichen, sogar wenn man sich die bisher artikulierten Bedarfe anschaut. So wurde für die Deutschen Bahn AG bereits ein Zusatzbedarf von 150 Mrd. Euro genannt; für die Straße ist ein Investitionsvolumen von 188 Mrd. Euro über die nächsten 10 Jahre in der Diskussion. Lediglich die Binnenschifffahrt, der „vergessene Verkehrsträger“, wird sich mit ein paar Milliarden zufriedengeben müssen. Allerdings besteht die Gefahr, dass mit den absehbaren Preissteigerungen ein Großteil des zusätzlichen Geldes einfach verpufft. Die mit öffentlichen Schulden angefachte Nachfrage trifft auf eine Volkswirtschaft mit chronischem und sich in Zukunft verstärkendem Fachkräftemangel. Der Baupreisanstieg hat sich zuletzt erheblich beschleunigt: Allein von 2021 bis zum 4. Quartal 2024 erhöhten sich die Preise im Straßenbau laut amtlicher Statistik um 35 %. Bei den Schienenprojekten der Deutschen Bahn haben sich Preise seit 2019 wohl schlicht verdoppelt. Ungemach droht auch wegen mangelnder Planungskapazitäten und überlasteter Vergabeinstitutionen. Hinzu kommen die über- Prof. Dr. rer. pol. Alexander Eisenkopf zu aktuellen Themen der Verkehrsbranche KONTRAPUNKT Alexander Eisenkopf Internationales Verkehrswesen (77) 2 ǀ 2025 8 DOI: 10.24053/ IV-2025-0020
