Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2025-0037
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Die EU will Verkehrssicherheit auch durch neue Gesetze verbessern
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Frank Hütten
Obwohl weniger Unfälle ein von den EU-Staaten allseits akzeptiertes Ziel sind, werden manche Legislativvorschläge, mit denen es erreicht werden soll, kontrovers diskutiert. Ein Beispiel ist die Debatte über häufigere TÜV-Prüfungen.
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Die EU will Verkehrssicherheit auch durch neue Gesetze verbessern Obwohl weniger Unfälle ein von den EU-Staaten allseits akzeptiertes Ziel sind, werden manche Legislativvorschläge, mit denen es erreicht werden soll, kontrovers diskutiert. Ein Beispiel ist die Debatte über häufigere TÜV-Prüfungen. I m Vergleich mit anderen Regionen der Welt sind die Straßen in der Europäischen Union sehr sicher. Global kommen nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO jährlich im Durchschnitt über 180 von einer Million Einwohnern eines Staates bei Verkehrsunfällen ums Leben. Der entsprechende Wert für die EU liegt bei 44 von einer Million Menschen, in Deutschland bei 33 und im EU-Staat mit den sichersten Straßen - Schweden - bei 20. 2024 ist die Zahl der Verkehrstoten in der EU um drei Prozent im Vergleich zum Vorjahr gesunken, im Zeitraum von 2010 bis 2020 wurde ein Rückgang um 36 Prozent verzeichnet. Der globale Vergleich ist also ermutigend und der Trend positiv, allerdings hat die EU noch einen langen Weg vor sich, will sie ihre selbst gesteckten Ziele erreichen. 2018 wurde formuliert, dass 2030 in der EU 50 Prozent weniger Menschen im Straßenverkehr getötet oder schwer verletzt werden sollen. Für 2050 lautet das Ziel: „Vision Zero“ - niemand soll mehr bei einem Verkehrsunfall sterben. Deshalb arbeiten die EU-Gesetzgeber weiter an Vorschriften, die Europas Straßen zunehmend sicherer machen sollen. Neben technischen Normen setzen sie dabei auch auf Rechtsvorschriften. Die jüngsten Beispiele dafür sind eine neue Führerscheinrichtlinie sowie Vorschriften zur Bestrafung ernster Verkehrsdelikte, die im EU-Ausland begangen werden und Vorschriften zur EU-weiten Durchsetzung von Fahrverboten. Diese drei Rechtstexte haben gerade das EU-Gesetzgebungsverfahren durchlaufen. Unter anderem soll damit erreicht werden, dass die Fahrausbildung verbessert wird, Fahranfänger keinen Tropfen Alkohol getrunken haben, wenn sie ans Steuer gehen, dass Fahren mit überhöhter Geschwindigkeit, unter Alkoholeinfluss, ein Überfahren roter Ampeln und andere schwere Verkehrsdelikte im EU-Ausland nicht straffrei bleiben und dass in einem Land verhängte Fahrverbote auch in anderen Mitgliedstaaten durchgesetzt werden. Was diese Gesetzesänderungen bringen, muss sich erst noch zeigen. Dass es zunehmend schwierig werden dürfte, der „Vision Zero“ mit rechtlichen Vorgaben näher zu kommen, zeigen die ersten Reaktionen im Europäischen Parlament und im EU-Verkehrsministerrat auf das sogenannte „Roadworthiness Paket“, das die EU-Kommission im Frühjahr vorgelegt hat. Darin geht es um die Kontrolle der Straßenverkehrstauglichkeit von Pkw, Lieferwagen, Bussen und Lkw. Diese Vorschläge dürften nicht einfach so grünes Licht der EU-Gesetzgeber bekommen. Etwa die Idee, dass die Mitgliedstaaten Lärm- und Abgasemissionen eines bestimmten Anteils aller Fahrzeugtypen künftig mit Fernmessungen vom Straßenrand aus kontrollieren sollen. Das verursache erhebliche Kosten und sei schwer umsetzbar, sagte Frankreichs Verkehrsminister Philippe Tabarot im Ministerrat. Auch Spanien, Ungarn, Lettland, Slowenien, Estland, Finnland und Zypern äußerten sich kritisch, lediglich Bulgarien begrüßte den Vorschlag deutlich. Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) sagte, Fernmessungen hingen davon ab, ob die Finanzierung gewährleistet werden könne. Die größten Wellen hat in dem neuen Gesetzespaket aber der Vorschlag geschlagen, dass Pkw und Vans, die älter als zehn Jahre sind, künftig jedes Jahr zum TÜV sollen. In den meisten EU-Staaten ist das laut Kommission bereits Pflicht, zum Teil bereits ab einem Alter von drei oder vier Jahren. Deutschland gehört zu einer Gruppe von elf Mitgliedsstaaten, in denen diese Fahrzeuge seltener zum TÜV müssen. Deutsche Europaabgeordnete von CDU, CSU, FDP und SPD lehnen eine höhere Frequenz ab und haben sie als unnötig und überzogen kritisiert. Bundesverkehrsminister Schnieder hat darauf hingewiesen, dass nur sehr wenige Unfälle älterer Vans und Pkw auf erhebliche technische Mängel zurückzuführen seien. Er sehe aus diesem Grund „keine Notwendigkeit“ für einen jährlichen TÜV. Allerdings seien auch Abgase und Lärm zu bedenken, fügte Schnieder hinzu. Im EU-Verkehrsministerrat gab es etwas mehr Kritik als Zustimmung zu den Plänen. EU-Verkehrskommissar Apostolos Tzitzikostas räumte ein, dass durch häufigere technische Untersuchungen zusätzliche Kosten für Autobesitzer und Verwaltung entstehen. Eine Inspektion koste umgerechnet allerdings zwischen einem und sechs Euro im Monat. „Selbst wenn wir nur ein einziges Menschenleben dadurch retten könnten, wäre das die Mühe wert“, appellierte Tzitzikostas. Tatsächlich ließen sich durch jährliche Untersuchungen aber wohl einige Tausend tödliche Unfälle vermeiden, sagte er. ■ Frank Hütten EU-Korrespondent der DVZ Deutsche Verkehrs-Zeitung B E R I C H T A U S B R Ü S S E L VON FRANK HÜTTEN DOI: 10.24053/ IV-2025-0037 Internationales Verkehrswesen (77) 3 ǀ 2025 6
