eJournals Internationales Verkehrswesen 77/3

Internationales Verkehrswesen
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expert verlag Tübingen
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Weniger Autos durch Free-Floating Carsharing?

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Kathrin Viergutz
Rund 5,5 Millionen Menschen nutzen in Deutschland Carsharing – davon nutzen etwa 4,5 Millionen Free-Floating Carsharing (FFCS). Doch welche Auswirkungen hat Free-Floating Carsharing auf das Mobilitätsverhalten der Nutzer:innen und welchen Beitrag kann es zur Verkehrswende leisten? Eine aktuelle Untersuchung gibt Einblick in die Mobilitätsgewohnheiten der Nutzer:innen des größten deutschen Free-Floating-Anbieters MILES.
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zent der Fahrzeugflotte befinden sich in nur fünf Ländern (INVERS 2023). Deutschland ist mit großem Abstand der größte Markt, gefolgt von Polen und Italien mit jeweils rund 5.000 Fahrzeugen, was jeweils etwa 10 Prozent der europäischen Flotte entspricht (IN- VERS 2023). Spanien belegt Platz vier, Frankreich Platz fünf. Ein Blick auf den deutschen Markt zeigt: Carsharing-Angebote sind in 1.285 deutschen Städten und Gemeinden verfügbar. Zum 1. Januar 2024 verzeichnete der Bundesverband Carsharing e. V. (2024) insgesamt 5,5 Millionen registrierte Carsharing-Nutzer: innen im stationsbasierten und Free-Floating-Segment. Der überwiegende Teil davon nutzt Free-Floating Carsharing: Allein 2024 waren 4,5 Millionen Personen im FFCS-Segment registriert (Bundesverband Carsharing e. V. 2024). Dies unterstreicht die Bedeutung der R und 5,5 Millionen Menschen nutzen in Deutschland Carsharing. Davon nutzen etwa 4,5 Millionen Free-Floating Carsharing (FFCS). Doch welche Auswirkungen hat Free-Floating Carsharing auf das Mobilitätsverhalten der Nutzer: innen und welchen Beitrag kann es zur Verkehrswende leisten? Eine aktuelle Untersuchung gibt Einblick in die Mobilitätsgewohnheiten der Nutzer: innen des größten deutschen Free-Floating-Anbieters MILES. Free-Floating Carsharing (FFCS): Eine deutsche Innovation mit europäischer Bedeutung Free-Floating Carsharing wurde erstmals 2009 in Ulm eingeführt und stellt seitdem eine flexible Ergänzung zu bestehenden Verkehrsmitteln dar. Heute ist der europäische Markt für FFCS stark konzentriert: 70 Proflexiblen Nutzungsmerkmale von FFCS in Deutschland. Die Anbieter im FFCS-Segment stellen rund 26.000 Fahrzeuge bereit. Free-Floating Carsharing war 2023 zudem maßgeblich für das Wachstum des gesamten Carsharing-Marktes verantwortlich, angetrieben insbesondere durch die dynamische Expansion von MILES. Die 2016 gegründete und in Berlin ansässige MILES Mobility GmbH ist Deutschlands größter Anbieter im Free-Floating Carsharing (Bundesverband Carsharing e. V. 2024) und ein zentraler Akteur auf dem europäischen Mobilitätsmarkt. Das Unternehmen ist in 12 Städten aktiv, darunter große Metropolen wie Berlin, Hamburg, München und Köln (MILES Mobility GmbH 2024). Mit einer Flotte von über 21.000 Free-Floating-Fahrzeugen zum Zeitpunkt der Erhebung betreibt MILES rund 40 Prozent aller FFCS-Fahrzeuge in Europa. Das Weniger Autos durch Free-Floating Carsharing? Eine MILES-Studie für Hamburg, Köln und München Mobilitätsverhalten, Verkehrswende, Umwelt, Pkw-Bestand, Mobilitätsgewohnheiten Rund 5,5 Millionen Menschen nutzen in Deutschland Carsharing - davon nutzen etwa 4,5 Millionen Free-Floating Carsharing (FFCS). Doch welche Auswirkungen hat Free-Floating Carsharing auf das Mobilitätsverhalten der Nutzer: innen und welchen Beitrag kann es zur Verkehrswende leisten? Eine aktuelle Untersuchung gibt Einblick in die Mobilitätsgewohnheiten der Nutzer: innen des größten deutschen Free-Floating-Anbieters MILES. Kathrin Viergutz DOI: 10.24053/ IV-2025-0042 Internationales Verkehrswesen (77) 3 ǀ 2025 28 Preismodell von MILES ist im Bereich der Kurzstrecken grundsätzlich streckenbasiert (Abrechnung nach gefahrenen Kilometern) und gilt daher als besonders nutzerfreundlich (Dahlmann 2024). Warum wirkungsbezogene Forschung im Bereich des Free-Floating Carsharings entscheidend ist Free-floating Carsharing ist mittlerweile ein fester Bestandteil der urbanen Mobilitätslandschaft in Deutschland. Im Unterschied zum stationsbasierten Carsharing können Fahrzeuge beim FFCS flexibel im Stadtgebiet angemietet und wieder abgestellt werden, ohne an feste Stationen gebunden zu sein. Neben der Nutzung für Alltagswege oder Freizeitfahrten wird das Angebot zunehmend auch als potenzielle Alternative zum privaten Pkw diskutiert, insbesondere im Kontext einer nachhaltigen und multimodalen Verkehrswende. Die wissenschaftliche Studienlage zu den Wirkungen von FFCS ist bislang nicht sehr vielfältig. Es liegen nur wenige Untersuchungen vor, von denen viele bereits mehrere Jahre alt sind. Sie stammen aus einer Zeit, in der FFCS noch ein neues, wenig etabliertes Mobilitätsangebot war und häufig nicht als ernstzunehmende Alternative zum eigenen Auto wahrgenommen wurde. Zudem basiert ein erheblicher Teil der bisherigen Forschung auf Daten aus dem Ausland, oftmals aus Städten mit anderen verkehrlichen, rechtlichen oder kulturellen Rahmenbedingungen. Die Übertragbarkeit auf deutsche Städte und die aktuelle Situation ist daher begrenzt. Gerade für Deutschland ist jedoch eine eigene, kontextspezifische Forschung von besonderer Bedeutung: FFCS ist eine deutsche Erfindung. Mit der Einführung des ersten Free-floating Anbieters im Jahr 2009 in Ulm wurde der Grundstein für eine neue Mobilitätsform gelegt. In keinem anderen Land der Welt nutzen heute so viele Menschen Carsharing wie in Deutschland. Entsprechend hoch ist auch die verkehrspolitische Relevanz. Hamburg, Köln und München: Eine Free-floating-Studie Es fehlte bislang eine systematische Untersuchung zu den Wirkungen von Free-floating-Angeboten unter aktuellen Rahmenbedingungen in Deutschland. Mit der hier vorgestellten Studie wurde erstmals das Ziel verfolgt, das FFCS-Angebot der MILES Mobility GmbH in den Städten München, Köln und Hamburg differenziert zu evaluieren. Im Mittelpunkt standen dabei sowohl die Berechnung verkehrlicher Wirkungsgrößen nach dem Evaluationsstandard des Bundesverbands Carsharing (bcs) als auch eine vertiefende Analyse des Nutzungsverhaltens und möglicher Substitutionseffekte. Die Online-Befragung fand im Zeitraum vom 28. April bis zum 12. Mai 2025 statt. Insgesamt nahmen 1.116 registrierte Nutzer: innen an der Erhebung teil. Die Studie wurde vom unabhängigen Institut Schreier durchgeführt. Warum Menschen in Hamburg, Köln und München MILES nutzen - und wofür Die Ergebnisse werden für die beiden Teilgruppen „Wenignutzer“ (eins bis elf Nutzungen innerhalb der vergangenen zwölf Monate) und „Häufignutzer“ (zwölf und mehr Nutzungen) unterteilt. Die beiden wichtigsten Gründe für eine MILES-Mitgliedschaft sind in beiden Nutzergruppen, also sowohl bei Wenigals auch Häufignutzer: innen , nahezu identisch: An erster Stelle steht die flächendeckende Verfügbarkeit im Stadtgebiet („MI- LES ist in meiner Stadt überall verfügbar“: Häufignutzer: innen 71 %, Wenignutzer: innen 63 %), gefolgt vom praktischen Nutzen für Menschen ohne eigenes Auto („Ich hatte bzw. habe kein eigenes Auto, brauche aber gelegentlich eines“: Häufignutzer: innen 56 %, Wenignutzer: innen 35 %). Auch die Fahrtzwecke zeigen ein klares Nutzungsmuster. Die fünf am häufigsten genannten Anlässe sind in beiden Gruppen identisch, unterscheiden sich aber in der Gewichtung: Für Wenignutzer: innen dominiert der Bedarf an Transportmöglichkeiten („Transport großer Gegenstände / Umzüge“: 50 %), während bei Häufignutzer: innen vor allem alltägliche Fahrten wie „Einkäufe und Besorgungen“ (56 %) sowie „Jemanden besuchen“ (55 %) im Vordergrund stehen. Ein Blick auf die Städte zeigt regionale Unterschiede: In Hamburg wird Carsharing besonders häufig für Freizeitaktivitäten genutzt, in Köln dient es überdurchschnittlich oft dem Arbeitsweg. In München hingegen steht das Auto häufig für Ausflüge zur Verfügung. Häufignutzer: innen, die neben MILES auch stationsbasiertes Carsharing verwenden, wurden gezielt nach ihren Nutzungspräferenzen befragt. Dabei zeigt sich ein deutliches Muster: In sechs von neun abgefragten Nutzungsszenarien wird das flexible Free- Floating-Angebot bevorzugt, insbesondere für spontane Pendelwege zur Arbeit oder Ausbildungsstätte, für Hol- und Bringfahrten, Freizeitaktivitäten, Besuche sowie Einkäufe und Besorgungen. Diese Ergebnisse unterstreichen die systemischen Stärken von Free-Floating Carsharing im Alltag: Es bietet kurzfristige Verfügbarkeit, räumliche Flexibilität und eignet sich besonders gut für unregelmäßige, spontane Fahrten. Weniger private Pkw durch MILES Ein Blick auf die verfügbaren privaten Pkw zeigt deutliche Unterschiede zwischen Wenig- und Häufignutzer: innen. Während Wenignutzer-Haushalte im Durchschnitt über ein Auto verfügen (1,0 Fahrzeuge pro Haushalt), liegt der Schnitt bei Häufignutzern nur bei 0,5 Fahrzeugen - bei einer identischen Haushaltsgröße von durchschnittlich 2,3 Bild 1: MILES trägt zur Entscheidung gegen ein eigenes Auto bei Bild 2: Ohne Carsharing-Angebot in der Stadt würde die Anzahl der privaten Pkw steigen Carsharing  MOBILITÄT DOI: 10.24053/ IV-2025-0042 Internationales Verkehrswesen (77) 3 ǀ 2025 29 Häufignutzer: innen gehen davon aus, dass sie ohne die Mitgliedschaft bei MILES „auf jeden Fall“ oder „wahrscheinlich“ ein (zusätzliches) Auto angeschafft hätten (Abbildung 3). Das unterstreicht die Rolle von FFCS als wirksames Mittel zur Reduktion von Pkw-Besitz. Weniger oder mehr Pkw? Eine Bilanz anhand der Ersetzungsquote Eine von Städten und lokalen Entscheidungsträgern häufig nachgefragte Kennzahl ist die Ersetzungsquote nach dem Standard des Bundesverbands Carsharing (bcs). Zur Ermittlung dieser Quote wurde das bewährte bcs-Verfahren angewendet. Im Mittelpunkt stehen drei zentrale Fragen der Nutzerbefragung:  Wie viele Autos befinden sich aktuell im Haushalt?  Wie viele Fahrzeuge (einschließlich privat genutzter Dienstwagen) standen dem Haushalt in den zwölf Monaten vor der ersten Carsharing-Anmeldung zur Verfügung?  Wie viele Autos gäbe es im Haushalt, wenn künftig kein Carsharing mehr angeboten würde? Der Vergleich dieser Angaben erlaubt Rückschlüsse auf reale Veränderungen beim Pkw-Besitz sowie auf hypothetische Entwicklungen ohne Carsharing. So lässt sich der tatsächliche Einfluss von Free-Floating Carsharing auf den privaten Autobestand realitätsnah einschätzen. Ziel ist eine belastbare Aussage darüber, ob FFCS tatsächlich private Pkw ersetzt oder, wie Kritiker befürchten, Personen. Der Anteil autofreier Haushalte ist bei Häufignutzern mit 62 Prozent deutlich höher als bei Wenignutzern (36 Prozent). Bemerkenswert ist auch der Vergleich mit der Situation vor der ersten Carsharing-Nutzung: Damals waren nur 23 Prozent der Wenignutzer- und 32 Prozent der Häufignutzer-Haushalte autofrei. Die Zahlen deuten darauf hin, dass Free-Floating-Carsharing insbesondere bei intensiver Nutzung zur Reduktion des privaten Autobesitzes beitragen kann. Die Ergebnisse zeigen, dass das Free- Floating-Angebot von MILES in vielen Fällen zur Reduktion privater Pkw beigetragen hat. Genauer nachgefragt ergibt sich das folgende Ergebnis (Abbildung 1): Bei sieben Prozent der Wenignutzer: innen hatte MILES einen sehr großen, bei elf Prozent einen großen Einfluss auf die Entscheidung, ein Auto abzuschaffen oder keinen (weiteren) Pkw anzuschaffen. Für weitere 19 Prozent war das Angebot teilweise mitentscheidend. Bei den Häufignutzer: innen fällt der Einfluss noch deutlicher aus: Für ein Drittel (33 Prozent) spielte MILES eine große oder sehr große Rolle, bei weiteren 28 Prozent war das Angebot zumindest teilweise mitentscheidend. Die Ergebnisse verdeutlichen, wie stark Free-Floating Carsharing das Mobilitätsverhalten beeinflusst. In einem hypothetischen Szenario, in dem es kein Carsharing-Angebot mehr in der eigenen Stadt gäbe, würde sich der Anteil autofreier Haushalte nahezu halbieren (Abbildung 2). Unter den Wenignutzer: innen bliebe nur noch rund ein Sechstel (16 Prozent) ohne eigenes Auto - aktuell sind es 36 Prozent. Bei den Häufignutzer: innen würde der Anteil von derzeit 62 auf nur noch 32 Prozent sinken. Auch die durchschnittliche Anzahl an Pkw pro Haushalt würde deutlich steigen: Bei den Wenignutzer: innen von 1,0 auf 1,3 Fahrzeuge, bei den Häufignutzer: innen sogar von 0,5 auf 1,1 - also mehr als eine Verdopplung. Dies unterstreicht die Rolle von Carsharing als echte Alternative zum privaten Autobesitz. Noch deutlicher wird der Effekt beim Blick auf mögliche Autokäufe: 16 Prozent der Wenignutzer: innen und sogar 29 Prozent der zusätzliche (Carsharing-)Fahrzeuge auf die Straße bringt. Tabelle 1 veranschaulicht am Beispiel Hamburgs, wie viele private Pkw durch die Nutzung von MILES abgeschafft wurden. Grundlage ist die Auswertung von Veränderungen im Haushaltsbesitz von Pkw, differenziert nach der Nutzungshäufigkeit von MILES. Diese Segmentierung ermöglicht eine realistischere Hochrechnung, da sich die Wirkung von Free-Floating-Carsharing je nach Nutzungshäufigkeit deutlich unterscheidet. Zur Vermeidung verzerrender Effekte wurde zusätzlich eine strengere Berechnungsmethodik angewandt, die über den bcs-Standard hinausgeht: Je mehr Anbieter ein Haushalt nutzt, desto geringer fällt der auf MILES anrechenbare Anteil pro ersetztem Pkw aus (z. B. 1,0 bei exklusiver Nutzung, 0,5 bei einem weiteren Anbieter, 0,33 bei zwei weiteren usw.). Die so ermittelten reduzierten Fahrzeuge wurden auf die Gesamtzahl der MILES-Nutzer: innen in Hamburg hochgerechnet. Ergebnis: 59.015 abgeschaffte private Pkw. Das gleiche Vorgehen wurde auch für Köln und München angewendet. Tabelle 2 zeigt die hochgerechneten Effekte der Pkw-Abschaffung in Hamburg, Köln und München im Vergleich zur jeweiligen MILES-Flottengröße. Die Berechnung erfolgte analog zur Methodik in Hamburg. Dabei wurde die Anzahl der abgeschafften privaten Pkw in Relation zur Zahl der eingesetzten MILES-Fahrzeuge gesetzt. Das Ergebnis ist eindeutig: In allen drei Städten ersetzt ein MILES-Fahrzeug durchschnittlich rund 20 private Pkw (Hamburg: 17,6; Köln: 13,2; München: 23,0). Diese Ersetzungsquote unterstreicht das Potenzial von Free-Floating Carsharing, einen signifikanten Beitrag zur Reduktion des motorisierten Individualverkehrs zu leisten. Die etwas geringere Quote in Köln deutet zudem darauf hin, dass die Wirkung besonders dann stark ausfällt, wenn das Angebot ausreichend skaliert ist - also viele Fahrzeuge verfügbar sind und die Nutzbarkeit entsprechend steigt. Kritische Würdigung der Ergebnisse Die Nutzerbefragung zeigt eine deutlich positive Wirkung des Free-Floating Carsharings auf den privaten Autobesitz. Besonders auffällig ist die hohe Ersetzungsquote: Bild 3: MILES ist eine Alternative zum Kauf eines privaten Pkw Hamburg Anzahl Teilnehmende an der Befragung Ersetze private Pkw laut Befragung Anzahl MILES Nutzer laut Nutzerdatenbank Hochgerechnete Anzahl reduzierter privater Pkw 52-mal oder öfter 117 63 1.824 974 12bis 51-mal 254 130 57.352 29.335 2bis 11-mal 208 44 109.066 23.290 einmal 19 2 47.495 5.416 Summe 59.015 Tabelle 1: Anzahl durch MILES ersetzte private Pkw in Hamburg (modifizierte Ersetzungsquote) MOBILITÄT  Carsharing DOI: 10.24053/ IV-2025-0042 Internationales Verkehrswesen (77) 3 ǀ 2025 30 Ein FFCS-Fahrzeug ersetzt im Durchschnitt 20 private Pkw, ein Wert, der deutlich über dem Durchschnitt vergleichbarer Studien (etwa 1: 10 laut Bundesverband Carsharing) liegt. Die Ersetzungsquote gilt als zentrale Kennzahl zur Bewertung der Wirkung von Carsharing auf den privaten Autobesitz. Sie basiert auf Selbstauskünften der Nutzer und wird nach einer standardisierten Methodik des Bundesverbands Carsharing berechnet, was die Vergleichbarkeit erhöht. Die in der vorliegenden Studie besonders starke starke Wirkung auf den Pkw-Besitz lässt sich vor allem durch die Zusammensetzung der FFCS-Nutzerschaft erklären. Im Gegensatz zum stationsbasierten Carsharing, das vor allem umweltbewusste Nutzer anspricht, die auch ohne ein Carsharing- Angebot kein eigenes Auto besitzen würden, erreicht FFCS eine breitere Zielgruppe, die vor allem Komfort, Flexibilität und urbanen Lebensstil schätzt. Dadurch spricht FFCS auch Menschen an, die klassische ökologische Carsharing-Modelle bisher kaum genutzt haben. Hier liegt das transformative Potenzial: FFCS bietet eine niedrigschwellige, alltagsnahe Alternative zum privaten Pkw, insbesondere zum Zweitwagen. Ein besonders starker Effekt zeigt sich bei den 30bis 40-Jährigen. In dieser Lebensphase mit beruflichen und familiären Anforderungen steigt oft der Besitz von Zweitwagen. Die Studie legt nahe, dass FFCS hier gezielt als Alternative wirkt und so zur Reduktion von Fahrzeugbeständen in Städten beiträgt, ohne Mobilitätsbedarfe einzuschränken. Insgesamt belegen die Ergebnisse, dass FFCS als großflächiges, flexibles und nutzerfreundliches Angebot ein wichtiges Instrument der Verkehrswende sein kann. Besonders durch die Ansprache neuer Zielgruppen leistet es einen bedeutenden Beitrag zum Wandel vom privaten Autobesitz hin zu geteilten, urbanen Mobilitätsformen. Erkenntnis 1: Positive Bilanz - MILES verringert den Gesamtbestand an Pkw Die Ergebnisse zeigen, dass MILES-Free- Floating Carsharing zu einer spürbaren Reduktion privater Pkw beiträgt. Jedes Carsharing-Fahrzeug ersetzt im Durchschnitt deutlich mehr als ein privates Auto (ca. 20), sodass unter dem Strich weniger Fahrzeuge auf den Straßen unterwegs sind. Damit leistet MILES einen messbaren Beitrag zur Entlastung urbaner Räume und zur Förderung nachhaltiger Mobilität. Erkenntnis 2: Carsharing als Alternative zum Autokauf Für viele Nutzer: innen wird Carsharing zu einer echten Alternative zum eigenen Auto. Die flexible Verfügbarkeit und einfache Nutzung machen den Kauf eines (Zweit-)Wagens oft überflüssig. Erkenntnis 3: Carsharing als Impulsgeber für neue Mobilitätsgewohnheiten Die Ergebnisse zeigen deutlich: Free-floating Carsharing ist mehr als ein praktisches Mobilitätsangebot: Es ist aufgrund seiner Skalierung der und der hohen Durchdringung in den Städten ein konkreter Hebel zur Reduktion des motorisierten Individualverkehrs in Städten. Es schafft neue Freiheiten für Menschen ohne eigenes Auto, entlastet die Städte Verkehr und fördert eine nachhaltigere Mobilitätskultur. Nutzer: innen kombinieren verschiedene Verkehrsmittel flexibler und hinterfragen den eigenen Autobesitz. Was bedeuten die Ergebnisse für Städte und Nutzer: innen? Die Ergebnisse verdeutlichen: Free-Floating Carsharing bietet großes Potenzial für nachhaltigere und lebenswertere Städte. Besonders wirksam wird FFCS, wenn es Teil eines ganzheitlichen Mobilitätskonzepts ist. In Kombination mit einem gut ausgebauten öffentlichen Nahverkehr, sicheren Rad- und Fußwegen sowie intelligenter Verkehrsplanung kann Carsharing den Autoverkehr gezielt verringern und wertvollen urbanen Raum für Menschen und Grünflächen schaffen. Für Nutzer: innen bedeutet FFCS mehr Komfort und Flexibilität, ohne auf individuelle Mobilität verzichten zu müssen - und das bei deutlich geringerem Bedarf an privaten Pkw. Free-Floating-Carsharing senkt durch seine flexible Verfügbarkeit die Hemmschwelle, auf das eigene Auto zu verzichten, und erleichtert den Umstieg auf multimodale Mobilität. Free-floating Carsharing ist weit mehr als eine Ergänzung zum bestehenden Verkehrsangebot: Eingebettet in nachhaltige Maßnahmen wirkt FFCS als starker Impulsgeber, der die Lebensqualität in Städten steigert und den Weg zu einer ressourcenschonenden, zukunftsfähigen Mobilität ebnet. Kommunen, Verkehrsplaner: innen und Unternehmen sind daher gefordert, Carsharing gezielt zu fördern und in ihre Strategien einzubinden, um die Chancen für eine erfolgreiche Verkehrswende voll auszuschöpfen. Fazit: FFCS als flexibles Angebot mit Potenzial für die Verkehrswende Carsharing ist in vielen deutschen Städten längst fester Bestandteil urbaner Mobilität. Besonders das Free-Floating-Carsharing (FFCS), bei dem Fahrzeuge flexibel im Stadtgebiet geparkt und genutzt werden können, ergänzt den Umweltverbund dynamisch. Die aktuelle Studie des Instituts Schreier, bei der das Free-floating-Angebot von MILES untersucht wurde, belegt: FFCS leistet einen konkreten Beitrag zur Verkehrswende und gewinnt weiter an Bedeutung. Ein zentraler Befund: Ein breit verfügbares Free-Floating Carsharing trägt dazu bei, den privaten Autobesitz zu reduzieren oder sogar den Verzicht auf ein eigenes Auto zu ermöglichen. Wer Carsharing nutzt, überdenkt oft den Sinn eines eigenen Fahrzeugs, vor allem für gelegentliche Fahrten oder den Arbeitsweg. Durch die flexible und spontane Nutzung spricht FFCS zudem neue Zielgruppen an, die bisher kein stationsbasiertes Carsharing genutzt haben. So entfaltet sich die verkehrsentlastende Wirkung besonders stark. Die hohe Ersetzungsquote ist nicht zuletzt auf die starke Präsenz und Verfügbarkeit von MILES in den untersuchten Städten zurückzuführen. Das Angebot ist dort im Alltag vieler Menschen tatsächlich relevant und leicht zugänglich. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass sich die verkehrswirksamen Potenziale von Free-floating Carsharing vor allem dann entfalten, wenn das System in großem Maßstab und mit hoher Flächenabdeckung betrieben wird. Eine erfolgreiche Skalierung, also die Übertragung dieses Modells auf weitere Städte oder Stadtteile sowie eine Erhöhung der Fahrzeugverfügbarkeit ist daher entscheidend für eine spürbare Wirkung auf den städtischen Autoverkehr. ▪ LITERATUR Bundesverband Carsharing e.V. (2024b). Carsharing- Statistik. https: / / www.carsharing.de/ carsharingstatistik Dahlmann, D. (2024). Wieso Carsharing weitestgehend gescheitert ist - und was ein Anbieter besser macht als die Konkurrenz. Business Insider 25 Nov 2024. https: / / www.businessinsider.de/ gruenderszene/ automotive-mobility/ wieso-carsharing-weitestgehend-gescheitert-ist-und-wasein-anbieter-besser-macht-als-die-konkurrenz/ INVERS (2023): INVERS Mobility Barometer Vol 2: European Free-Floating Carsharing. MILES Mobility GmbH (2024). Fact Sheet. https: / / miles-mobility.com/ en-de/ press Eingangsabbildung: © MILES Mobility GmbH Kathrin Viergutz, Head of Research bei MILES Mobility Reduzierte private Pkw MILES Carsharing Fahrzeuge Ersetzungsquote Hamburg 59.015 3.346 1: 17,6 Köln 10.598 805 1: 13,2 München 50.629 2.202 1: 23,0 Tabelle 2: Ermittelte Ersetzungsquoten in Hamburg, Köln, München Carsharing  MOBILITÄT DOI: 10.24053/ IV-2025-0042 Internationales Verkehrswesen (77) 3 ǀ 2025 31