eJournals Italienisch 43/86

Italienisch
ita
0171-4996
2941-0800
Narr Verlag Tübingen
10.24053/Ital-2021-0019
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
2021
4386 Fesenmeier Föcking Krefeld Ott

«Goethe Vigoni Discorsi»

121
2021
Christiane Liermann Traniello
ita43860001
«Goethe Vigoni Discorsi» 1 Schmerzhaft war es für die europäischen Gesellschaften, zu erleben, dass das Corona-Virus imstande schien, Partner auseinander zu treiben. Viele Italiener fühlten sich im Stich gelassen − gerade von den Deutschen. Aus Deutschland kamen viel zu lange keine öffentlich sichtbaren Zeichen von Solidarität, welche doch in der italienischen politischen Kultur ein besonders hochgeschätzter Wert ist. Umgekehrt fühlten sich zahlreiche Deutsche in ihren Hilfsbemühungen unterschätzt, weil diese Hilfen in der italienischen Öffentlichkeit nicht ausreichend wahrgenommen wurden. In dieser beklemmenden Situation, im Frühjahr 2020, bildete sich um die Staatskanzlei Hessen und die Goethe-Universität in Frankfurt eine deutschitalienische Gruppe aus Personen, die in dem Vorsatz vereint waren, dem Drama der Pandemie, der Fassungslosigkeit der Bürgerinnen und Bürger und der daraus resultierenden Erstarrung der europäischen Beziehungen ein konstruktives Signal entgegenzusetzen. So entstand der Sammelband der Goethe Vigoni Discorsi. Dieser Titel betont drei wichtige Aspekte: die Mitwirkung der Goethe-Universität, die sozusagen für Frankfurt und Hessen und überhaupt für das deutsche Interesse an Italien steht; die zentrale Rolle der Villa Vigoni als «deutsch-italienisches Zentrum für den europäischen Dialog» mit ihrem Alleinstellungsmerkmal einer deutsch-italienischen Parität in der tragenden Vereinsstruktur, wobei die Villa Vigoni das Discorsi-Projekt als Teil ihres seitens des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Forschungsvorhabens «Impact» mitgestaltet hat; und schließlich die Verneigung vor der italienischen Tradition der ‘ Discorsi ʼ , womit Abhandlungen bezeichnet werden, die gelehrt sind, zugleich aber politische Relevanz beanspruchen und auf Dialog angelegt sind. Wie lässt sich mit der Pandemieerfahrung umgehen, welche Schlüsse müssen gezogen werden? Welche Diagnosen sind rückblickend möglich? Welche Perspektiven lassen sich nach vorne gerichtet skizzieren? Prominente Persönlichkeiten, KünstlerInnen, UnternehmerInnen, ManagerInnen, WissenschaftlerInnen, PolitikerInnen und ‘ normale Bürgerinnen und Bürger ʼ aus Italien und Deutschland teilen in diesen Discorsi des 21. Jahrhunderts ihre Erkenntnisse, Deutungen und Zukunftsvisionen bezüglich der grundstürzenden Zäsur der Pandemie mit, das Ganze eingebettet in die von den Herausgebern initiierte Medienpartnerschaft zwischen den beiden großen Tageszeitungen, La Repubblica und Frankfurter Allgemeine Zeitung, die zeitgleich eine Reihe wichtiger Beiträge veröffentlicht DOI 10.24053/ Ital-2021-0019 1 Hrsg. von Rolf van Dick, Dania Hückmann et al., Como: Villa Vigoni editore ǀ Verlag 2021. 1 haben. Zu den AutorInnen zählen, um nur einige zu nennen, Roberto Saviano, Durs Grünbein, Massimo Cacciari, Volker Schlöndorff, Renzo Piano, die Oberbürgermeister von Mailand und Frankfurt: Giuseppe Sala und Peter Feldmann, Christian Sewing, Maria Grazia Davino. Einige Beiträge rekonstruieren aus der unmittelbaren Nahansicht die erzwungenen Lern- und Anpassungsprozesse, auch in den individuellen Biographien. Andere versuchen, zu diagnostizieren, welche Schwächen und Versäumnisse in der sozialen Architektur das Virus aufgedeckt hat. Wieder andere mahnen, das brutal hohe Lehrgeld, das die Menschheit zahlt, müsse doch innerhalb der einzelnen Gesellschaften oder auch im deutsch-italienischen Austausch, im europäischen Zusammenhalt oder auch in einer verstärkten universalen Solidarität eine zukunftsfähige Antwort finden. Die naturgemäß vielfältigen Reflexionen zu den Erfahrungen in der Krise bilden zusammen eine Art «Tagebuch» (so der Untertitel des Bandes auf Deutsch) aus der Pandemie, welches zugleich eine kritische Bestandsaufnahme unserer gesellschaftlichen Gegenwart ist. Das breite Spektrum an Stimmen lässt sich nicht auf einen Nenner reduzieren. Als Signal für die deutsch-italienische Beziehungen aber tritt die (nicht verabredete) Überzeugung hervor: ex malo Bonum (wie Angelo Bolaffi schreibt). Deutsche und Italiener haben es gemeinsam in der Hand, aus der Tragödie zu lernen, sie haben die Chance, die Krise zum Anlass zu nehmen, es besser zu machen. Christiane Liermann Traniello «Goethe Vigoni Discorsi» 2