eJournals Italienisch 45/90

Italienisch
ita
0171-4996
2941-0800
Narr Verlag Tübingen
10.24053/Ital-2023-0020
101
2024
4590 Fesenmeier Föcking Krefeld Ott

Poesie da Tu io e Montale a cena, Italienisch/Deutsch

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2024
Gabriella Sica
ita45900005
Poesie da Tu io e Montale a cena, Italienisch/ Deutsch Gabriella Sica Valentino nel vento Gli orologi che lo ossessionavano sono inchiodati a quell’ora il sole della mattina si è oscurato poco dopo mezzogiorno quando lui se n’è andato gli amici in qualche stanza dispersi stanno a singhiozzare s’inchinano da Villa Strohl Fern i pini alla logora dimora risuonano di te i travertini di Roma il sarcofago di Piazza del Popolo ansima prosciugato si sentono i ruggiti dei leoni immoti i gabbiani portano su un’ala il nastro del lutto il carrozziere vicino ha smesso di ribattere auto. I vigili fanno le multe al tempo di così poche proroghe e spietato le strade e i ponti si sono rannicchiati non sentono più i tuoi rapidi passi ogni cosa dice addio all’altra e tu dici addio a noi e a ogni amico DOI 10.24053/ Ital-2023-0020 nessuno trova più le parole un gran silenzio è sceso su Roma come un’ampia ombra. È il tempo che vince la vita lenta il volgere delle stagioni le lacera repentino e crudele ora si leva una gran folata una lunga fiumana di luce da Ponte Milvio travolge l’aria corre per la consolare Flaminia sui suoi sandali leggeri spicca dai binari l’ampio volo ora silenzioso varca l’immane maestosa porta prova aldilà il suo scherzetto su noi beffati noi rimasti a terra. Furtiva una lacrima sfugge da te a me una goccia a mezz’aria che si posa sul mio viso è la tua ultima lacrima asciutta tutta sola e brillante l’estrema scultura il tuo saluto caro ora che l’età delle lacrime è passata e sai cos’è stata sfiorito il maggio delle rose ora la mandi al mio cuore scherzosamente è una carezza la vita la sento mentre sto ferma in piedi e in attesa del tram a Piazza della Marina mi volto indietro nel vuoto irreale e vuoto ora che si è spezzato l’elastico dei giorni e degli anni pigiati nell’operosa vendemmia e sai tu ora lo sai come è andata per te per noi DOI 10.24053/ Ital-2023-0020 6 Gabriella Sica per i poeti e gli amici già andati via. E intanto il vento un vento improvviso interminato che sa di bora travolge la piazza popolosa corteggia riccioli accende sorrisi la bella estate ancora canta è Valentino all’opera perenne sorvola le strade di Roma lieve più lieve dell’aria corre con il fiume scorre scorre è luce pura e infinita corre verso la foce in fondo verso l’amato mare il suo essere si estenderà ancora. 9-26 luglio 2016 Valentino im Wind Die Uhren, von denen er besessen war, sind zu jener Stunde angehalten die Morgensonne hat sich verdunkelt kurz nach der Mittagsstunde als er gestorben ist die Freunde sind in einem Zimmer verschwunden schluchzend die Pinien der Villa Strohl Fern verneigen sich vor der abgenutzten Wohnung die Travertin-Mauern Roms sind Widerhall von Dir der Sarkophag auf der Piazza del Popolo röchelt trocken man hört das Brüllen der reglosen Löwen die Möwen tragen auf einem Flügel das Trauerband der Autoschlosser in der Nähe hat aufgehört zu hämmern. Die Polizisten strafen die Zeit DOI 10.24053/ Ital-2023-0020 Poesie da Tu io e Montale a cena, Italienisch/ Deutsch 7 die keinen Aufschub gewährt und kein Erbarmen kennt die Straßen und Brücken haben sich zurückgezogen sie hören deine schnellen Schritte nicht mehr jedes Ding sagt einem anderen Ding Adieu und du sagst uns Adieu und jedem Freund keiner findet mehr Worte eine große Stille senkte sich auf Rom so wie ein großer Schatten. Es ist die Zeit, in der das langsame Leben den Wechsel der Jahreszeiten besiegt sie plötzlich und grausam zerreißt es erhebt sich ein großer Sturm eine lange Lichtflut vom Ponte Milvio fegt die Luft durch die Via Flaminia auf ihren leichten Sandalen hebt von den Gleisen ab, im weiten Flug durchquert sie schweigend das riesige majestätische Tor macht drüben ihre Scherze über uns, die wir auf der Erde geblieben sind. Eine heimliche Träne fließt von Dir zu mir ein Tropfen mitten in der Luft der sich sanft auf mein Gesicht legt ist deine letzte trockene Träne ganz allein und strahlend das letzte Bild dein lieber Gruß jetzt wo die Zeit der Tränen vorüber ist und du weißt wie es war verblüht ist der Mai der Rosen und du sendest sie scherzhaft an mein Herz das Leben ist eine zärtliche Geste, ich spüre sie während ich reglos stehe und auf die Tram auf der Piazza della Marina warte ich drehe mich um zu der unwirklichen und leeren Leere zerrissen ist der Faden DOI 10.24053/ Ital-2023-0020 8 Gabriella Sica vorbei sind die Tage und Jahre unserer emsigen Erntearbeit und du weißt jetzt wie es war für dich und für uns für die Dichter und die Freunde, die bereits gegangen sind. Und inzwischen wälzt der Wind, ein unaufhörlicher plötzlicher Wind der sich wie Bora anfühlt überwältigt die bevölkerte Piazza umwirbt Locken facht Lächeln an der schöne Sommer singt noch immer es ist Valentino bei der immerwährenden Arbeit er überfliegt sanft die Straßen Roms sanfter als die Luft er läuft am Fluß entlang, er fließt er fließt, ist reines und unendliches Licht er läuft zur Mündung am Ende zum geliebten Meer und sein Sein dehnt sich noch weiter aus. 9.-26. Juli 2016 *** E anche tu hai risciacquato con cura nell’Arno i tuoi amati laceri straccetti nel dialettale veneto-fiumano e un po’ in lingua croata irregolare com’eri e ribelle in quel riformatorio fiorentino nel balbettio poco melodioso d‘adolescente in fuga dal terrore alla ricerca di nuove parole quei cari cenci in lingua italiana stracci laceri d’Arno da solo li hai ben lavati a mano e stesi belli puliti e lustri al sole. DOI 10.24053/ Ital-2023-0020 Poesie da Tu io e Montale a cena, Italienisch/ Deutsch 9 Und auch du hast deine geliebten Lumpen sorgfältig im Arno gewaschen im Dialekt aus dem Veneto-Fiume und ein bisschen im Kroatischen unangepasst wie du warst und rebellisch in jenem Florentiner Erziehungsheim im wenig melodiösen Stottern des Heranwachsenden auf der Flucht vor dem Schrecken auf der Suche nach neuen Worten diese Lumpenwagen auf Italienisch Lumpenfetzen aus dem Arno allein hast du sie gut mit der Hand gewaschen und sauber und glänzend in der Sonne aufgehängt. *** I sambuchi Improvvisi a centinaia i sambuchi profumati e fitti a maggio tremanti macchie stellate e bianche a centinaia sulla collina di Torino passeggiando tra i muri e gli orti. “Che bel fiore! Che cos’è? ” chiede Montale. Urla la Spaziani quasi strozzata lei che ha il finissimo olfatto del segugio (un mestiere assicurato diceva il padre alla giovane Spaziani). “Stai scherzando? Sono sambuchi! No! Non riconosci il profumo? Quel tuo magnifico endecasillabo: Alte tremano guglie di sambuchi”. Stupito osserva il poeta: “Ma la poesia si fa con le parole! ”. Con l’esperienza o le sole parole? Tavolate discussioni controversie. Valentino sta zitto, poi in un sospiro: “No! Lei non capisce! Non ha capito DOI 10.24053/ Ital-2023-0020 10 Gabriella Sica dopo cinquant’anni non ha capito che lui scherzava e la prendeva in giro! ”. Ama Montale il sambuco dorato umile tremulo il suo sussurro slanciato nel cielo azzurro il tocco di luce nell’alto inverno. Holunder Plötzlich hunderte von Holunderblüten duftend und dicht im Mai zitternde weiße Flecke wie Sterne Hunderte auf dem Hügel bei Turin während wir zwischen den Mauern und Gärten gehen. „Was für eine schöne Blüte! Was ist das? “ fragt Montale. Die Spaziani schreit sie ist fast erstickt, sie hat einen sehr feinen Geruchssinn wie ein Spürhund (eine sichere Branche sagte der Vater der jungen Spaziani). „Machst Du Witze? Das ist Holunder! Nein! Erkennst Du nicht den Duft? Dein wunderbarer Elfsilbler: Hoch oben zittern Spitzen von Holunder“. Erstaunt bemerkt der Dichter: „Aber man dichtet mit Worten! “ Mit Erfahrung oder nur mit Worten? Tischgesellschaften Diskussionen Kontroversen. Valentino ist still, dann ein Seufzer: „Nein! Sie verstehen es nicht! Sie haben nicht verstanden nach 50 Jahren haben Sie nicht verstanden, dass er scherzte und sie hochnehmen wollte! “ Montale liebt den goldfarbenen Holunder demütig zitternd steigt sein Flüstern in den azurblauben Himmel auf berührt das Licht im Winter da oben. *** DOI 10.24053/ Ital-2023-0020 Poesie da Tu io e Montale a cena, Italienisch/ Deutsch 11 Tu io e Montale a cena Non è un gioco questo di stasera è un incontro a sorpresa il più imprevedibile per noi due tu io e Montale a cena. Dall’aldilà fremente di piacere canta per l’impensabile occasione: “Tu mi invitasti a cena il tuo dovere ora sai ascoltami, verrai tu con me a cena”. E dire che non ci si era mai pensato prima qui da conoscenti appena a un simile invito certo è che noi e il convitato immortale incallito scanzonatore ci siamo rallegrati oltremodo banchettando ilari noi tre insieme al secolo nuovo brindando come un niente lo snodo al Novecento il rallentato addio brindando a uno scorcio nuovo e bello canticchiando la celebre aria tra qualche bel venticello con tanta carne al fuoco e un nodo. Du ich und Montale beim Abendessen Das ist kein Spiel heute Abend es ist ein Überraschungstreffen das unvorhersehbarste für uns beide du ich und Montale beim Abendessen. Zitternd vor Vergnügen, singt er aus dem Jenseits für das undenkbare Zusammentreffen. „Du ludest mich zum Mahle; Weisst du nun, was dir ziemet? Gib Antwort mir, wirst mein Mahl du nun auch teilen? “ Und zu sagen, dass man nie daran gedacht hat als wir uns gerade kennengelernt hatten DOI 10.24053/ Ital-2023-0020 12 Gabriella Sica eine solche Einladung auszusprechen sicher ist, dass wir und der unsterbliche Gast eingefleischter Spötter uns mehr als gefreut haben alle drei fröhlich zusammen feiernd dem neuen Jahrhundert zuprostend wie ein Nichts die Ablösung vom 20.-Jahrhundert der verlangsamte Abschied auf eine neue und schöne Abkürzung anstoßend die berühmte Arie singend mit einem schönen Lüftchen mit viel Fleisch auf dem Feuer und einem Knoten. *** Provo ad abbracciarvi uno per uno nella grigia sotterranea nube tre volte mi avvicino a voi miei amati miei cari amici larghe apro le braccia nella fitta gravosa coltre di nebbia stringo fumo e vento fino a che mi sveglio ricordando il sogno e il vento con le mani vuote al petto. Non altri che me abbraccio non altro rimane di quanto è stato se non il radioso ordito di un sogno affollato di volti fatti d’aria. Ich versuche euch der Reihe nach zu umarmen in der grauen unterirdischen Wolke dreimal nähere ich mich euch meine Lieben, meine lieben Freunde ich öffne weit die Arme in der dichten schweren Nebeldecke ich umarme Rauch und Wind bis ich erwache ich erinnere den Traum und den Wind DOI 10.24053/ Ital-2023-0020 Poesie da Tu io e Montale a cena, Italienisch/ Deutsch 13 mit den vor der Brust geöffneten Händen. Ich umarme niemanden außer mir es gibt nichts mehr außer dem, was gewesen ist wenn nicht das strahlende Gewirr eines Traums mit Gesichtern aus Luft bevölkert. *** Il glicine in fiore L’hanno tagliato il glicine fiorito fragile ombra alla bellezza violacea e suprema indice sacro di leggerezza e grazia sensuale l’hanno tagliato acidi con l’accetta nel giardino del poeta dove c’era anche un fico ospitale che triste si è seccato. Il glicine generoso e fiorito che puntellava il muro scrostato ora piange per quanto è grande il male inflitto dagli uomini alla natura per gli accenti freddi di luglio per il caduco fiore ma spuntano dal tronco le foglie più del solito tremolanti sta nascendo ancora qualche bel fiore. 26 luglio 2018 Die Glyzinie in Blüte Sie haben die blühende Glyzinie beschnitten fragiler Schatten der Schönheit violett, atemberaubend ein heiliges Zeichen der Leichtigkeit und der sinnlichen Anmut sie haben sie mit einer Axt geschnitten im Garten des Dichters DOI 10.24053/ Ital-2023-0020 14 Gabriella Sica wo es auch einen einladenden Feigenbaum gab der traurig vertrocknet ist. Die großzügige und blühende Glyzinie die die abblätternde Wand stützte weint um das große Leid das die Menschen der Natur zufügen um die kalten Momente im Juli um die flüchtige Blume aber aus dem Stumpf wachsen Blätter die mehr als sonst zittern schöne Blumen schlagen wieder aus. 26. Juli 2018 Da/ Aus: Gabriella Sica: Tu io e Montale a cena. Poesie per Zeichen. Latiano: Interno Poesia Editore 2019. Übersetzt von Caroline Lüderssen, Paolo Frosio und Francesco Pozzebon DOI 10.24053/ Ital-2023-0020 Poesie da Tu io e Montale a cena, Italienisch/ Deutsch 15