eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 32/4

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
10.24053/PM-2021-0074
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2021
324 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Von der Arbeit der Fachgruppe Führung im Projekt profitieren und sich an der Neu-Orientierung von Führung beteiligen

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2021
Klaus Wagenhals
Wenn über Erfolgsfaktoren für Projekte diskutiert wurde und wird, ist man sich einig: der Erfolg hängt wesentlich von einer guten Führung und – eng damit verkoppelt – vom guten Miteinander im Team ab.
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68 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0074 Führung, die bewegt-… setzt günstige Rahmenbedingungen und beseitigt Hindernisse auf dem Weg zur Projekt-Excellence Von der Arbeit der Fachgruppe Führung im Projekt profitieren und sich an der Neu- Orientierung von Führung beteiligen Klaus Wagenhals Für eilige Leser | Wenn über Erfolgsfaktoren für Projekte diskutiert wurde und wird, ist man sich einig: der Erfolg hängt wesentlich von einer guten Führung und-- eng damit verkoppelt-- vom guten Miteinander im Team ab. Schlagwörter | BarCamp, Change, New Work, agile Führung 1. Projekte haben sich stark verändert-- daher auch die Führung-… Nun sind aber schon seit über 15 Jahren (in IT-Projekten begonnen) einige gravierende Veränderungen zu beobachten, die den Projektmanager/ -leiter (PM / PL) und den damit bisher verbundenen Führungsansatz vor neue Herausforderungen stellen: • Der sog. „agile Ansatz“ setzt sich mehr oder weniger „rein“, oft aber in einer mit „hybrid“ benannten Zwischenform zwischen „agil“ und „klassisch“ durch, weil damit deutlich messbare Fortschritte für die Projekte erzielbar sind (vgl. dazu z. B. Wolf, 2015); daher wird dieser Ansatz mittlerweile auf ganze Organisationen ausgerollt. • Zentral für das „agile Arbeiten“ ist die Umsetzung der sogenannten „agilen Prinzipien“, die sowohl auf der Prozessals auch der Strukturebene Veränderungen zur Folge haben- - inkl. der Einführung neuer Rollen-Kreationen wie des Scrum Masters (SM), des Product Owners (PO) und des selbstorganisierten Teams (soT), in dem die Bearbeiter des Backlogs zu einer optimalen Teamleistung auf der Basis ihrer geförderten Potenziale und einer Kultur, die auf einem „agilen“ Werte-Kanon aufbaut, zusammenwirken. • Zu Beginn dieser teilweise massiven Veränderungen in den Projekten wirkte das von einigen wichtigen Protagonisten verbreitete Missverständnis, „agiles Projektmanagement“ bedeute, dass man keine Führung mehr brauche und daher auf den PM / PL verzichten könne, prägend. Glücklicherweise wurde dies nach einigen Jahren ausgeräumt mit der Einsicht, dass Führung durchaus nötig sei, aber anders orientiert und umgesetzt werden müsse (vgl. Gloger / Rösler, 2014). Vor diesem Hintergrund ist es nur zu verständlich, dass sich mancher PL / PM die berechtigte Frage stellte, was denn-- sollte sich dieser Hype durchsetzen- - aus ihm wird und wie er sich in dieser Gemengelage positionieren soll und sich ggf. für ein neues Berufsbild qualifizieren muss. Es gab bei uns erhebliche Zweifel, ob dafür die Aneignung der z. B. von der GPM im Rahmen ihrer Qualifizierung (mittlerweile ICB4.0) angebotenen Kompetenzen reichen, um sich sowohl in diesen Change einzumischen als auch sich fit für den souveränen Umgang mit diesem neuen Rollenmix zu machen und den Bezug zum „agilen Projekt-Team“ und zu den sonstigen Stakeholdern nicht zu verlieren und entsprechende Führungsaufgaben wahrzunehmen. Parallel dazu ist ebenfalls seit einigen Jahren eine Entwicklung zu beobachten, Wissen | Von der Arbeit der Fachgruppe Führung im Projekt profitieren 69 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0074 • die über die weitere Digitalisierung von Projekt-Gegenständen und Projekt-Abläufen selbst, das Projekt immer komplexer werden lässt, • die das Projektgeschehen in eine immer schneller drehende Spirale von Neuem erproben, Ideen generieren, Feedback-Schleifen organisieren hineinlaufen lässt, was die virtuelle Projektarbeit schon vor Corona vorangetrieben hatte (mit allen bereits erkannten und teilweise auch erforschten Folgen für die Führung, vgl. z. B. Wollsching- Strobel, 2020 oder auch Virtuelle Führung in: Digitale Welt, Ausg. 3 / 2020) • und eine stärkere Beteiligung an der Produktentwicklung bzw. der Entwicklung neuer Dienstleistungen bis hin zu neuen Geschäftsmodellen mit neuen Partnerschaften in einem neu-definierten „Co-Creation-Prozess“ erfordert. Eine erste Studie zur Digitalisierung der Projektarbeit zeigt, dass Ansatzpunkte die Kommunikation und die Zusammenarbeit im Projekt sind-- noch nicht so sehr die Planung, Problemlösung usw. (vgl. Scheurer u. a. in: PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 2 / 2018, 28); Projekte sind natürlich auch das Vehikel zur Durch- oder Umsetzung von Digitalisierung im Unternehmen; leider wird dieser Durchdringungsgrad in der Studie nicht näher beleuchtet. In Bezug auf die Veränderung der Anforderungen konstatieren die Autoren als zentrale Aspekte eine „erhöhte Reaktionsgeschwindigkeit“ und „Flexibilität“. Festgehalten wird darüber hinaus, dass sich die Arbeitsgeschwindigkeit gesteigert hat und sich die Projektmitarbeiter verstärkt selbst organisieren müssen. 2. Unsere Erkenntnisse und Schlussfolgerungen (mit Bezug zu den Diskussionen in den vergangenen BarCamps der Fachgruppe) zu diesen Trends Beide Entwicklungen provozierten in der Fachgruppe interessante Diskussionen, die letztendlich dazu führten, dass wir uns in zwei kleine Projektgruppen teilten: • eine Gruppe beschäftigte sich vertiefend mit den oben angedeuteten Konsequenzen agilen Arbeitens im Projekt inklusive der Frage, was aus dem PL / PM in Zukunft wird (Engelmann / Wagenhals), • die andere Gruppe beschäftigte sich mit den Konsequenzen der Digitalisierung des Projektgeschäfts für die Führung im Projekt (Hinz, Röttger, Widmann). Bevor wir jedoch auf die einzelnen Ergebnisse eingehen und Schlussfolgerungen ziehen, wollen wir einige begriffliche und konzeptionelle Klarstellungen vornehmen, um Missverständnissen vorzubeugen: Führung bedeutet immer Beziehungsarbeit im Sinne von „zielgerichteter Beeinflussung von Menschen durch Wort und Tat“. Da wir alle soziale Wesen sind, beeinflussen wir uns alle gegenseitig-- es gibt aber dennoch Menschen, die es besser als andere verstehen, Menschen in einer Gruppe „hinter“ oder „um“ sich zu scharen, um ein gemeinsames Ziel zu verfolgen-- völlig unabhängig von hierarchischen Strukturen. Allein aus dieser sozialwissenschaftlichen Erkenntnis ergibt sich bereits die Naivität, der vor einigen Jahren von Vertretern des „agilen PM“ öffentlich formulierten Einschätzung, im agilen Projekt bräuchte es keine Führung. Wissen | Von der Arbeit der Fachgruppe Führung im Projekt profitieren 70 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0074 In Projekten ist nun die Beeinflussung der „An-Führer“ in eine hierarchische Struktur mit der Position des PL / PM eingebunden, mit der es über viele Jahre möglich war, die „Geführten“ zum Folgen zu veranlassen. Das ist ihnen in den allermeisten Fällen nicht aufgrund ihrer hierarchischen Führungsposition gelungen- - weil sie ja bekanntermaßen ohne Weisungsbefugnis auskommen mussten- - sondern aufgrund der Nutzung entsprechender Führungskonzepte und individueller Führungsstile. Das waren und sind Konzepte, in denen der wertschätzende, zielführende und die Möglichkeiten des Einzelnen berücksichtigende Umgang wichtig ist, was sowohl das Verhalten-- insbesondere die Kommunikation-- als auch die dahinter liegende Haltung ausmacht. Ein weiterer wichtiger Faktor scheint die Klarheit der Ziele bzw. die Involviertheit der Teammitglieder in die Zieldefinition oder in die Erarbeitung einer Vision zu sein. Insofern ergibt sich hieraus die einfache Idee, sich jeweils genau anzuschauen, welche Art von Kommunikation und welche anderen Handlungen (wie z. B. Zieldefinition und Rollenklärung) in der jeweiligen Projektsituation angemessen und vor allem wirkungsvoll sind. Gerade der letztere Punkt scheint uns in der neueren Führungsdebatte im agilen Projekt zu wenig berücksichtigt zu werden. Eine weitere Klarstellung betrifft das Rollenkonzept: In der ICB4.0 sowie in anderen Qualifizierungs-Ansätzen begegnen wir immer wieder dem „BELBIN-Modell“ mit acht Rollen, die es nach dessen Ansicht im Projekt gibt. Weil wir diesen Ansatz für sehr verkürzt und insofern für das Begreifen der augenblicklichen Veränderungen in den Rollensets im Projekt nicht hilfreich finden, nutzen wir den sozialwissenschaftlich begründeten Rollenansatz von MORENO (1958 ff. auch mit Bezug auf LEWIN,1965). Dort wird Rolle in zweierlei Richtungen definiert: • Sie ist einerseits die kulturell-gesellschaftlich gewordene Handlungs-Stereotype (oft zusammengefasst in einem Berufsbild) bezogen auf verschiedene Aufgaben wie z. B. beim Arzt. • Sie ist andererseits der auf ein Individuum bezogene Handlungs- und Interpretationsspielraum für die Bearbeitung von Aufgaben in einem bestimmten Kontext-- ist also abhängig von der jeweiligen Persönlichkeit, deren Kompetenz und dem in jeder Person liegenden Potenzial sowie dem zur Verfügung gestellten Rahmen. Insofern sprechen wir bei der Einführung von Scrum Master (SM), Product Owner (PO), selbstorganisiertem Team (soT) und darüber hinaus von „agilen Coachs“ u. ä. nicht von Rollen, sondern von der jeweils spezifischen Kombination verschiedener Rollen (=Rollen-Sets), die zur Bewältigung der Anforderungen erforderlich sind. Wenn man nun verstehen will, wie sich Führungsrollen (=-aufgaben) neu verteilen, dann macht es Sinn, die Führungsaufgaben / Rollen des PL / PM zu differenzieren und darauf zu achten, welche in welchem neuen Rollen-Set „landen“ (z. B. geht die bisher beim PL / PM angesiedelte Methodenkompetenz auf den SM über). Wenn gleichzeitig in der agilen Projektwelt das Team nicht nur als „Vollzeit-Projekt-Team“ definiert wird, sondern sich zum soT entwickeln soll, dann sind auch dort Rollen enthalten und zu spielen, die bisher vom PL / PM zu bespielen waren- - müssen also neu definiert, zugeordnet und eingeübt werden, um die Übernahme von Verantwortung zu gewährleisten und die Selbstorganisation im Team zu stärken. 3. Ergebnisse der Arbeitsgruppe „Agiles Arbeiten im Projekt“ Aus der 2018 / 19 von unserer kleinen Arbeitsgruppe innerhalb der Fachgruppe durchgeführten Studie zur Zukunft des PL / PM im agilen Umfeld ergaben sich zusammengefasst folgende Erkenntnisse: • Große Projekte mit mehreren Jahren Dauer und vielen Mio. Euro Investitionssumme sind aufgrund ihrer Bedeutung häufig bei den Divisionsleitern aufgehangen oder direkt bei der GF bzw. einem Management-Board. In diesen Projekten bleibt der PL / PM die generell verantwortliche Funktion, teilweise personell aufgeteilt in eine kaufmännische und eine technische PL. Agile Ansätze fanden wir hier eher in Teilprojekten, wo dann die Teilprojektleitung durch SM oder PO ersetzt wird (Branchen: Aerospace, Maschinenbau). • Kleinere Projekte arbeiten deutlich häufiger mit dem agilen Ansatz; diese Projekte sind teilweise in Abteilungen oder Bereichen aufgehangen, teilweise aber auch beim Wissen | Von der Arbeit der Fachgruppe Führung im Projekt profitieren 71 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0074 Portfoliomanagement oder beim Head of PM. In mehreren Fällen werden die Agil-Teams von einem PO oder PMO betreut- - für den SM gilt gleiches; berichtspflichtig sind sie teilweise wie gehabt an die Abteilungsleiter oder Projektsponsoren (Branchen: Energie, IT, Mischkonzern). • Im Sinne von „dezentraler Führung“ werden die Führungsaufgaben teilweise verteilt- - z. B. weg vom PL / PM auf den SM- - teilweise auch überlappend gelassen, um sich gegenseitig abzusichern (vor allem auch nach „außen“). Die Tabelle auf der zweiten Seite des Artikels zeigt im Überblick Veränderungen, die wir gefunden haben: • Hieraus lässt sich ein erhöhter Anspruch an die „Selbstorganisation“ des Teams ableiten, was aber in allen Interviews als Reibungspunkt benannt wird und was aufgrund der hierarchisch ausgerichteten Organisationen auch zu erwarten ist. Daraus folgern wir, dass es für PM / PL hilfreich wäre, etwas von Change und neuen Organisationsmodellen („New Work“) zu verstehen, um so ordnend, ggf. auch verändern eingreifen zu können. Dieser Punkt ist vertiefungswürdig. 4. Ergebnisse der Arbeitsgruppe „Digitalisierung des Projektgeschäfts“ Eine andere Arbeitsgruppe innerhalb der Fachgruppe (Hinz / Röttger/ Widmann) beschäftigte sich mit den Folgen der Digitalisierung im Projektgeschäft und erarbeitete folgende Erkenntnisse (s. auch Protokoll zum BarCamp 2018): • Projektführung ist mit Nutzung digitaler Medien leichter geworden. • E-Mail und persönliches Gespräch sind die bevorzugten Kommunikations-Medien. • Es braucht mehr Anstrengung, um Aufmerksamkeit zu erreichen und zu halten. • Kürze und Bilder sind die wesentlichen Elemente, die bei der Gestaltung von Kommunikation beachtet werden- - ebenso werden Fragen und andere Aspekte oft aufgrund mangelnder Zeit vorweggenommen. • Die Informationsflut ist hoch-- alle wollen mitentscheiden, dies ist aber genau deshalb oft nicht zielführend. • Führung im virtuellen Team benötigt spezifische Regeln, mehr Aufmerksamkeit, sich kümmern, nachhalten-… Die letztere Frage zeigt, die gespaltene Einschätzung von Führungspersonen zu ihrer Wirksamkeit im virtuellen Team- Setting, siehe Schaubild auf der vorherigen Seite; hier wäre natürlich eine Vertiefung denkbar, die genauer spezifiziert, welcher Führungsstil denn gewählt wurde und welcher als „angemessen“ für die virtuelle Zusammenarbeit gesehen wird. Daneben können wir uns durchaus vorstellen, weitere Forschungsfragen zu stellen, die sich dann auch stärker um die Nutzung kollaborativer Tools sowie von KI, z. B. im Bereich Optionen-Aufbereitung, Plan-Alternativen u. ä. drehen. Hier ist noch viel ungeklärt (vgl. dazu auch Schäfer, 2018; Eberspächer, 2021). Festzuhalten ist, dass PM / PL oder andere Personen im Projekt mit Führungsaufgaben ausreichend Medienbzw. System-Kompetenz benötigen, um eine emanzipierende, lösungsorientierte Anwendung im Projekt zu gewährleisten. Dies setzt voraus, sich methodisch und tool-mäßig immer wieder einen Überblick zu verschaffen und auszuwählen, was zum Projekt und zu den MitarbeiterInnen passen könnte (vgl. dazu Frey, 2016, aber auch den Beitrag von Nagel auf dem diesjährigen BarCamp 2021). 5. Der Anspruch an Führung verändert sich-- wie wird dies konzeptionell und in der Praxis abgebildet und was heißt das für die GPM? Führung wird also mehr auf „Augenhöhe“, mehr als „Dienstleistung“ am Team gefordert, muss sich aber noch besser als „Schaffer für Rahmenbedingungen“ zeigen, was sowohl die Vermittlung nach außen / nach „oben“ umfasst, als auch die Rolle des „Förderers von Selbstorganisation, von reibungsloser Teamarbeit und von Lernprozessen“ während des Projektablaufs. Maßgeblich sind sowohl die Stationen Erproben, mit dem Kunden abstimmen, Fehler machen und reflektieren (Feedback-Schleifen), besser machen usw. sowie die Rolle des Vernetzers und des „Einrichters von Zusammenarbeitsplattformen“ als auch die des „Ermöglichers“ von moderner Problemlösung über die Cloud. Das fordert in der Tat- - auch in Beantwortung der Anforderungen durch die Umsetzung der agilen Werte und Prinzipien- - eine andere Haltung, überarbeitete Glaubenssätze, passendes Verhalten mit dem jeweils angemessenen Kommunikationsstil sowie genügend Variabilität und dem Bewusstsein über die Bedeutung der Vorbildrolle. Auf der Suche nach passenden Führungskonzepten landet man natürlich ganz schnell bei wohlfeilen „Rezept-Angeboten“ wie dem aus den 70er Jahren stammenden „servant leadership“-Ansatz von Greenleaf, vgl. dazu Hinterhuber u. a., 2006). Attraktiv macht diesen Ansatz, dass er von einer humanistischen Grundhaltung ausgeht, den wertschätzenden und „dienenden“ Umgang in den Vordergrund stellt. Er ist aber aus unserer Sicht nicht genügend auf die organisationalen Veränderungen ausgerichtet, wo es um das klare Positionieren und die Beeinflussung von Personen in lang gewachsenen Hierarchien geht. Ein Ansatz, der Führung situations- und kontextbezogen sowie Typ-orientiert sieht, ist der ebenfalls etwas ältere „situational leadership“-Ansatz von Blanchard/ Herschey (1976). Dieser ist attraktiv, weil er dem Anspruch, die jeweils individuellen Kompetenzen und Potenziale des Projekt-Teams besser für das cross-funktionale Zusammenspiel im Interesse eines gemeinsamen Ziels zu nutzen und zu fördern, sehr entgegenkommt. Allerdings müsste in diesem Ansatz der Blick ebenfalls auf die organisationalen Rahmenbedingungen erweitert und auf das Thema „Herstellung hoher Transparenz“ gerichtet werden, um vor diesem Hintergrund noch den „beteiligungsorientierten“ Führungsstil, der gut mit dem „transformationalen“ Stil verknüpfbar ist, mit einzubeziehen. Transparenz und Offenheit und lebendiger Austausch auf „Augenhöhe“ legt auch dezentrale Entscheidungsstrukturen nahe; dazu gab es im diesjährigen BarCamp einen Beitrag von Karen Schmidt zu den „Decision Hats“, mit deren Hilfe schneller zu Entscheidungen gefunden werden kann. Wir sind allerdings skeptisch, was die in neueren Fachartikeln oft bejubelten Chancen von Digitalisierung und Agilisierung für mehr Demokratie angeht. Da wird Transparenz überschätzt: das Offenlegen von Stati, von Sachverhalten, das Ansprechen von Fehlern, von Problemen im Projektfortschritt Wissen | Von der Arbeit der Fachgruppe Führung im Projekt profitieren 72 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 32. Jahrgang · 04/ 2021 DOI 10.24053/ PM-2021-0074 führt nur dann zu einem demokratischeren Verhalten auf Führungsebene, wenn es gelingt, die transparenten Daten nicht zum Bloßstellen der beteiligten Personen zu missbrauchen, wenn genug Vertrauen aufgebaut ist, für Diskussionen, Problemlösungen „auf Augenhöhe“, und Kritik an dem, der die Verantwortung trägt, keine negativen Konsequenzen für den Kritiker zur Folge hat. Es wird gleichzeitig für all das Förderung und Ermutigung brauchen, wie beispielhaft in den Studien von Pearce u. a. (2003) nachgewiesen wurde (der von den Autoren davon abgeleitete Stil fassen die Autoren unter „empowerment“ zusammen). Damit wird deutlich, dass es für die Entwicklung dieses neuen Führungsverständnisses keineswegs nur eine Kompetenzerweiterung (und schon gar nicht nur die Aneignung von „Skills“, wie das modern gerne genannt wird) braucht, sondern immer auch das Einüben von Haltungs-/ Einstellungs- Veränderungen-- und das braucht Zeit und Mut (vgl. auch die Studie von Google (2013)). Diese Ausführungen sollten zeigen, dass es nicht nur hochinteressant und anregend für die eigene Führungsarbeit im Projekt ist, sich in so einen offenen Austausch über verschiedene Führungsansätze und -aspekte im Rahmen unseres BarCamps (an dem am 23. 4. 2021 über 60 Personen teilgenommen haben, von denen 12 BeiträgerInnen waren) einzubringen, sondern auch, wie dringend nötig die Fortsetzung dieses Austauschs im Interesse einer weiteren Unterstützung der PL / PM sowie anderer Führungspersonen in den Projekten in einem so „heiklen“ Feld wie dem der Führung ist. Um Sie zur Teilhabe an dieser Diskussion und an den Ergebnissen zu ermuntern, haben wir den für das BarCamp eingerichteten MS-Teams-Kanal bestehen lassen. Sie sind also herzlich eingeladen, sich dort zu diesem Artikel oder zu anderen Punkten der Führungsdiskussion zu beteiligen. Gleichzeitig wurde hoffentlich deutlich, dass wir mit den hier vorgestellten Ausarbeitungen, Interviews, Beiträgen in Zeitschriften und in Blogs die Diskussion um „zukunftsweisende Führung“- - sowohl konzeptionell, als auch im praktischen Projektgeschehen und keineswegs nur konzentriert auf den PL / PM- - vorantreiben wollen. Und wir wollen damit natürlich Anregungen und Hinweise liefern, wohin sich die weitere Qualifizierung von Führungspersonal in den Projekten entwickeln und auf welche Inhalte sie zielen muss- - in Ergänzung bzw. in Ausfüllung zum Kompetenz-Kanon, wie er in der ICB4.0 formuliert ist. Eingangsabbildung: © iStock.com/ kaisersosa67 Klaus Wagenhals Geb 1953, hat als gelernter Industrie-Soziologe und Organisations-Psychologe einige Jahre in Projekten in unterschiedlichen Rollen gearbeitet, war dann 10 Jahre Geschäftsführer einer mittelständischen Beratungsfirma und ist seit 1998 freier Berater mit den Schwerpunkten Begleitung von Change-Prozessen in Richtung „agil“, Optimierung von Projekten Richtung „excellence“ sowie Unterstützung von Führungspersonen vorwiegend im mittleren Management. 2007 gründete er zusammen mit KollegInnen das Netzwerk metisleadership- - näheres s. unter www.metisleadership.com; Dr. Wagenhals hat sich in zahlreichen Disziplinen und Methoden weitergebildet und engagiert sich sowohl als Autor und Speaker zu obigen Themen als auch ehrenamtlich, z. B. für die Gesellschaft für Projektmanagement (GPM) in der Regionalleitung der Region KA, aber auch in verschiedenen Fachgruppen und bei den Wirtschaftspsychologen Rhein-Main.