eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 33/4

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
10.24053/PM-2022-0069
91
2022
334 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Der Projektauftraggeber

91
2022
Michael Atzor
Michael Boxheimer
Thomas Hunziker
G. Ortner
Christian Rudischer
Hartmut Wenzler
Für Projektleiter gibt es schon länger umfangreiche Aus- und Weiterbildungsprogramme. Das passt. Auch der Projektauftraggeber ist eminent wichtig für den Erfolg eines Projektes. Doch Auftraggeber zu sein bedeutet mehr als «fire and forget». Das Projekt muss auch nach der schriftlichen Auftragsvergabe intensiv begleitet werden. Das braucht Zeit und Engagement. Sei dies in einer 1:1 Situation mit dem Projektleiter oder als Leiter eines Lenkungsausschusses. Zur erfolgreichen Umsetzung gehört also auch ein angemessenes Projektmanagement-Know-how beim Senior Management, das kompakt vermittelt werden kann. In diesem Leitfaden zeigen wir auf, was ein guter Projektauftraggeber mitbringen sollte.
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18 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0069 Leitfaden zur Governance für erfolgreiche Projekte Der Projektauftraggeber M. Atzor, M. Boxheimer, T. Hunziker, G. Ortner, Ch. Rudischer, H. Wenzler Für eilige Leser | Für Projektleiter gibt es schon länger umfangreiche Aus- und Weiterbildungsprogramme. Das passt. Auch der Projektauftraggeber ist eminent wichtig für den Erfolg eines Projektes. Doch Auftraggeber zu sein bedeutet mehr als «fire and forget». Das Projekt muss auch nach der schriftlichen Auftragsvergabe intensiv begleitet werden. Das braucht Zeit und Engagement. Sei dies in einer 1: 1 Situation mit dem Projektleiter oder als Leiter eines Lenkungsausschusses. Zur erfolgreichen Umsetzung gehört also auch ein angemessenes Projektmanagement-Know-how beim Senior Management, das kompakt vermittelt werden kann. In diesem Leitfaden zeigen wir auf, was ein guter Projektauftraggeber mitbringen sollte. Schlagwörter | Projektauftraggeber, Programmauftraggeber, Lenkungsausschuss, Senior Management, Projektleiter, Programmleiter Der Projektauftraggeber ist eminent wichtig für den Erfolg eines Projektes. Doch Auftraggeber zu sein bedeutet mehr als «fire and forget». Das Projekt muss auch nach der Auftragsvergabe intensiv begleitet werden. Wir zeigen, was es dazu braucht. 1. Einführung Neue Vorhaben werden in den verschiedensten Organisationen mit Projekten umgesetzt. Dadurch sind Projekte das wesentliche Element für die Zukunftsgestaltung. Die Rolle des Projektleiters (in diesem Text ist für die Rollen immer m/ w/ d inkludiert) ist inzwischen ausführlich beschrieben und Qualifikations- und Weiterbildungsprogramme sind etabliert. Für den Projekterfolg ist darüber hinaus der Projektauftraggeber sehr wichtig. Durch einen guten Projektauftraggeber sind die Projektziele klar und passen zur Strategie der Organisation. Durch die Interaktionen mit dem Projektleiter und dem Management der Linienorganisation sorgt der Projektauftraggeber für Klarheit im Projektverlauf. Dieser Beitrag dient dazu die Bedeutung des Projektauftraggebers herauszustellen und die Verantwortung und Aufgaben des Projektauftraggebers zu beschreiben. Für Programmauftraggeber gelten die folgenden Ausführungen entsprechend. Die Fachgruppe „PM goes Boardroom“ der drei deutschsprachigen Projektmanagementgesellschaften GPM, pma und spm befasst sich mit dem Erfolgsbeitrag für die Projektarbeit durch das Top-Management. Aus der Arbeit der Fachgruppe ist diese Publikation entstanden. Die Publikation richtet sich an Führungskräfte, die Projekte beauftragen, aber auch an Top-Führungskräfte, an die Projektauftraggeber berichten. Projektleiter sind gleichermaßen angesprochen und bekommen Impulse für die Zusammenarbeit mit Projektauftraggebern. 2. Die Position des Projektauftraggebers in der Linien- und Projektorganisation Hier wird die Position des Projektauftraggebers zunächst generisch beschrieben, für jedes Projekt wird die Ausprägung der Position im jeweiligen Kontext bestimmt. Der Projektauftraggeber ist meist eine Führungskraft der Linienorganisation. Sie trägt in der Linienorganisation die Verantwortung, dass strategische und / oder operative Ziele ihrer Organisationseinheit erreicht werden. In dieser Rolle kann / wird sie Projekte vorbereiten (lassen) und- - nach ggf. erforderlicher interner Abstimmung und Genehmigung- - beauftragen, die dann dazu beitragen, die (strategischen) Ziele der Linienorganisation zu erreichen. pm_04_2022.indb 18 pm_04_2022.indb 18 02.09.2022 13: 53: 05 02.09.2022 13: 53: 05 Wissen | Der Projektauftraggeber 19 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0069 Beispiel 1: Ein Unternehmen hat ein neues Produkt entwickelt und will es produzieren und vertreiben, um Umsatz und Ergebnis zu steigern. Die zuständige Führungskraft lässt die Planung und den Bau der Produktionsanlagen vorbereiten und den Business Case erstellen. Die erforderlichen internen und externen Genehmigungen werden eingeholt und zunächst der Projektauftrag für die Planung mit dem Projektleiter fixiert. Mit seinem Team plant der Projektleiter die Produktionsanlage und bereitet die Realisierung vor. Die Führungskraft lässt dann den Business Case prüfen und vereinbart den Projektauftrag für die Realisierung der Anlage mit dem Projektleiter. Mit dem Team realisiert der Projektleiter die Produktionsanlagen und übergibt sie nach dem Produktionsanlauf an den Projektauftraggeber und das verantwortliche Werk. Das neue Produkt trägt danach zum Umsatz und Ergebnis des Unternehmens bei. Beispiel 2: Zur Effizienzsteigerung bei Geschäftsprozessen durch Digitalisierung lässt die zuständige Führungskraft Geschäftsprozesse auf organisatorische und technische Szenarien prüfen und entsprechende Business Cases erstellen, auch um die Projekte priorisieren zu können. Die Genehmigung für das wichtigste Projekt wird erteilt oder eingeholt und der Projektauftrag mit dem Projektleiter fixiert. Mit seinem Team plant und realisiert der Projektleiter das Projekt und übergibt die IT-Lösung nach dem Produktionsanlauf an den Projektauftraggeber und seine Organisation zur Nutzung. Der Auftraggeber setzt die geplante Kostensenkung um. Projekt und Business Case (Boxheimer, 2016) In der Projektorganisation trägt die Führungskraft die Verantwortung dafür, dass die Ziele aus dem Business Case für die von ihr beauftragten Projekte erzielt werden-- siehe Abb. unten. Für die Planung und Realisierung des Projektes beauftragt sie einen Projektleiter. Zur Steuerung des Projektes wird, bei größeren und / oder strategisch wichtigen Projekten, ein Lenkungsausschuss (LA) eingerichtet. Die Verantwortung des Projektleiters ist es, die im Projektauftrag festgelegten Ergebnisse zu liefern, damit die Ziele aus dem Business Case erreicht werden können. Für die Umsetzung der Goverance-Strukturen für ein Projekt gibt es in der Praxis eine große Bandbreite an Implementierungsmöglichkeiten: • Es gibt Projekte, bei denen kein Lenkungsausschuss gebildet wird. • Manchmal ist der Auftraggeber nicht Mitglied im Lenkungsausschuss, sondern delegiert diese Aufgabe. • Projekte werden auch aus der Linienorganisation initiiert, ohne dass eine Führungskraft beteiligt ist. Für ein derartiges Projekt wird dann der Auftraggeber „gesucht“. Die Position des Auftraggebers ist im Kontext der Organisation zu sehen, die Projekte ausführt, um spezifische Ergebnisse zu erreichen und ist von vielfältigen Faktoren abhängig: • Der strategischen bzw. operativen Bedeutung eines Projektes für die Ziele der Organisation. • Die Bedeutung, die die Führung der Organisation den Projekten und dem Projektmanagement zuschreibt. • Der Kompetenz des Projektauftraggebers im Projektmanagement. • Der Professionalität des Projektmanagements in der Organisation. • Der Größe des Projektes (Budget, Laufzeit, das mit dem Projekt verbundene Risiko die geplanten Ergebnisse zu erreichen, Anzahl der beteiligten Organisationseinheiten). • Dem im Projekt angewendeten Vorgehensmodell (z. B. V- Modell, SCRUM-…). • Den im Unternehmen allenfalls angewendeten Managementframeworks (z. B. EFQM, SAFe®,-…). Ein Ergebnis aus einer Studie über Governance-Strukturen in Projekten und Programmen soll den aktuellen Stand in der Praxis illustrieren: Jeder dritte Projekt-/ Programmauftraggeber (PAG) gehört der obersten Führungsebene an (Vorstand, Geschäftsführung), ein weiteres knappes Viertel leitet eine Sparte (Geschäftsfeld, Region). Zusammen sind also 57 % aller Auftraggeber Manager mit unternehmerischer Gesamtverantwortung. Erwartungsgemäß ist dieser Anteil bei Programmen höher (70 %) als bei Projekten (54 %). Produkt-, Prozess oder Portfoliomanager findet man deutlich seltener in der Auftraggeberrolle, ebenso Manager mit funktionaler Verantwortung (Abteilungsleiter). pm_04_2022.indb 19 pm_04_2022.indb 19 02.09.2022 13: 53: 05 02.09.2022 13: 53: 05 Wissen | Der Projektauftraggeber 20 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0069 3. Die Rolle des Projektauftraggebers im Lebenszyklus eines Projektes Die verschiedenen Rollenbilder des Projektauftraggebers können differenziert betrachtet werden. Die Erwartungen in diese Rollen lassen sich dabei in mehrere Lebenszyklusabschnitte gliedern: Vor dem Projektstart (in der Vorprojektphase) ist die Rolle des PAG eine sehr aktive und wird von seinen Nutzenerwartungen bzw. strategischen Zielen bestimmt. Die Verantwortung bezieht sich besonders auf: • Projektideen in seinem Verantwortungsbereich werden mit jeweils einem realistischen Business Case entwickelt. • Projektziele werden SMART definiert. • Entscheidungen werden auf Basis der zusammengestellten Informationen getroffen, die mit der Unternehmensstrategie in Einklang stehen. • Für das Projekt erforderlichen Ressourcen (Budget, Personal) werden bereitgestellt. • Ein Anforderungsprofil wird für die Projektleitung entwickelt, eine kompetente Projektleitung gesucht und mandatiert. • Das Projekt wird (schriftlich) beauftragt. Während am Projekt gearbeitet wird, verändert sich die Rolle in eine das Projekt begleitende Richtung. Der Projektauftraggeber hat dabei aber weiter wichtige Verantwortlichkeiten für das Projekt und für den Business Case wahrzunehmen: • Steuerung der Projektleitung gemeinsam mit dem Lenkungsausschuss. • Promotor des Projektes in der eigenen Organisation, aber auch nach außen (z. B. zu Kunden). • Unterstützung der Projektleitung gegenüber internen und externen Stakeholdern. • Unterstützung der Projektleitung dort, wo deren Entscheidungsbefugnis nicht ausreicht (z. B. bei Problemen in der Ressourcenallokation). • Überwachung des Business Case (gegebenenfalls nachkalkulieren). • Intervention (u. a. im Krisenfall) inkl. Entscheidungen über Abbruch, Sistierung oder Change Requests (Scope, Budget, Deadlines). • Projektabnahme. Durch eine aktive Rolle nach dem Projektabschluss hat der Projektauftraggeber die Mittel, den Nutzen des Business Case zu realisieren. Erst dadurch wird aus einem erfolgreichen Projekt auch ein Erfolg für das Unternehmen. Seine Verantwortung umfasst insbesondere: • Sicherung der Akzeptanz für die Projektergebnisse in der Organisation oder beim Kunden. • Einsatz der Projektergebnisse zur Erfüllung des Business Cases. • Aktualisierung des Business Case. 4. Die Rolle des Projektauftraggebers bei verschiedenen Vorgehensmodellen Auf Basis der Größe und Komplexität eines Projektes wird (z. B. im Projektdesign) bestimmt, wie die Rollen, Aufgaben und Verantwortlichkeiten des Projektauftraggebers definiert werden, und wie bzw. welche Methoden des Projektmanagements eingesetzt werden. Aufgaben des Auftraggebers im klassischen Projektmanagement: • Klare Projektziele aus der Unternehmens- oder Bereichsstrategie ableiten bzw. auf Basis von Projektideen von Mitarbeitern, Kunden, Wettbewerbern, Innovationsprogrammen oder sonstigen Anregungen etc. entwickeln (lassen). • Business Case erstellen (lassen) als Basis für die Entscheidung, ob ein Projekt beauftragt wird. • Regelmäßig während der Projektlaufzeit prüfen (lassen), ob der Business Case weiterhin funktioniert- - falls erforderlich das Projekt an Veränderungen anpassen oder abbrechen. Funktion der Auftraggeber in der Stammorganisation (Rudischer, 2020) pm_04_2022.indb 20 pm_04_2022.indb 20 02.09.2022 13: 53: 05 02.09.2022 13: 53: 05 Wissen | Der Projektauftraggeber 21 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0069 • Budget und Finanzierung bereitstellen. • Einen Lenkungsausschuss einrichten, die Mitglieder berufen sowie regelmäßige Treffen planen. • Die Mitglieder des Lenkungsausschusses zur Realisierung des geplanten Nutzens verpflichten, nachdem die Projektergebnisse realisiert wurden, und selbst dafür sorgen, dass der Nutzen laut Business Case erreicht wird. • Projektleiter auswählen, beauftragen sowie-- ggf. mit dem Vertreter der künftigen Nutzer des Projektergebnisses- - den Projektauftrag formulieren bzw. an der Formulierung mitarbeiten lassen. • Anstehende Entscheidungen zeitnah treffen. • Regelmäßige Kommunikation mit dem Projektleiter sowie dem Projektteam und dem Senior Management. • Beziehungen zu relevanten Stakeholdern aufbauen und regelmäßig mit ihnen kommunizieren. • Den Projektleiter führen und bei der Lösung von Konflikten unterstützen. • Zwischenergebnisse und das Projektergebnis beurteilen und abnehmen-- ggf. mit dem Vertreter der künftigen Nutzer des Projektergebnisses- - und den Projektleiter sowie das Projektteam entlasten. • Den Projektleiter unterstützen, die Effizienz im Projektmanagement zu steigern (Kommunikation und Zusammenarbeit im Projektteam, Kompetenz der Personen, Verbesserung von Abläufen). • Genügend eigene Zeit für das Projekt reservieren. Mit zunehmender Verbreitung agiler Vorgehensmodelle sollen auch die (damit veränderten) Aufgaben des Auftraggebers im agilen Umfeld betrachtet werden. Das Scaled Agile Framework® (www.scaledagileframework.com, SAFe®) wird zur Planung und Realisierung von Vorhaben mit mehreren / vielen nach agilen Prinzipien arbeitenden Teams eingesetzt. Bei vielen Vorhaben handelt es sich um die kontinuierliche Entwicklung / Weiterentwicklung im Lebenszyklus von Produkten, z. B einer Website, oder um Projekte für Kunden. Hier werden die Aufgaben des Auftraggebers im Konzept von SAFe® dargestellt- - sie sind meist der Rolle des Business Owner (C-level executive) zugeordnet. SAFe® stellt ein umfassendes System für agiles Management von Vorhaben bereit, das alle relevanten Unternehmensebenen und Stakeholder umfasst. SAFe® wurde zunächst für Softwareprodukte eingesetzt, inzwischen wird es aber auch in anderen Bereichen angewendet. Aufgaben des Auftraggebers: • Ziele für die Entwicklung / Weiterentwicklung von Produkten aus der Firmen- oder Bereichsstrategie ableiten bzw. auf Basis von Ideen von Mitarbeitern, Kunden, Wettbewerbern, Innovationsprogrammen oder sonstigen Anregungen etc. entwickeln (lassen), Visionen formulieren und vermitteln. • Business Case erstellen (lassen) als Basis für die Entscheidung, ob die Entwicklung / Weiterentwicklung von Produkten beauftragt wird, der Business Owner ist verantwortlich, dass der angestrebte geschäftliche Nutzen erreicht wird. • Regelmäßig während des Lebenszyklus prüfen (lassen) ob der Business Case weiterhin funktioniert, die Backlogs weiter realisiert werden- - falls erforderlich das Vorhaben an Veränderungen anpassen oder stoppen. • Budget und Finanzierung bereitstellen bzw. das Funding unterstützen. • Anstehende Entscheidungen zeitnah treffen. • Regelmäßige Kommunikation mit Product Management, Release Train Engineer und Systemarchitekt(en), den Projektteams sowie weiteren relevanten Stakeholdern bei Anlässen wie Program Increment (PI) Planning, System Demo, Iteration Retrospective, Release Management. • Beitragen, die Effizienz zu steigern (z. B. im Inspect & Adapt event, sowie durch die Kompetenzentwicklung der Personen und die Verbesserung von Abläufen), die operative Umsetzung liegt bei den Teams. • Genügend eigene Zeit reservieren. • Bei verschiedenen Anlässen wie den im 3-monatigen Zyklus stattfindenden Portfolio-Planung, Program Increment (PI) Planning den geschäftlichen Kontext darstellen und den Backlog nach dem angestrebten geschäftlichen Nutzen priorisieren, um den besten Nutzen für die Organisation zu erreichen. • Unterstützen bei der Implementierung von SAFe® und Skalierung der Agilität. • Unterstützen beim Backlog Refinement (auf Feature-Ebene). • Monitoren von eventuellen externen Abhängigkeiten. • Fachlicher Ansprechpartner sein für die Epics, für die er zuständig ist (als Epic Owner). • Teamziele beim Program Increment (PI) Planning bewerten. • Probleme lösen, die die Teams aus eigener Kraft nicht beseitigen können. In der Praxis werden größere Unternehmen mit mehreren Frameworks parallel arbeiten (müssen). Je nach Vorhaben passt mehr der Produkteentwicklungsansatz wie z. B. SAFe®, bei Projekten wird es jedoch besser mit dem klassischen Projektmanagement-Ansatz funktionieren. Wichtig: Agilität ist auch in klassisch geführten Projekten möglich und erwünscht. Wie ein Lenkungsausschuss (LA) mit mehr oder weniger Agilität funktionieren kann, zeigt ein Praxisbeispiel der Schweizer Bundesbahnen. Die linke Spalte in der Tabelle zeigt die Methodik mit Steuerung, Kooperation und Organisation. Die anderen vier Spalten zeigen die Ausprägungen „Klassisch“ (ganz links) bis „Agil“ (ganz rechts). Die Funktion des Auftraggebers in der Rolle des LA-Leiters ist je nach Ausprägung der Agilität eine Andere. 5. Entscheidungen des Projektauftraggebers Vor dem Projektstart und während der Projektlaufzeit werden vom Projektauftraggeber verschiedene Entscheidungen getroffen. Jede Entscheidung basiert auf Entscheidungsvorlagen, die in der Projektvorbereitung von der beauftragten Arbeitsgruppe und während des Projektes vom Projektleiter mit dem Projektteam erstellt werden. Die erste Entscheidung, die getroffen werden muss, ist es, ob das Vorhaben umgesetzt werden soll oder nicht. Dazu wird eine Arbeitsgruppe beauftragt, aus einer Projektidee die Informationen zusammenzutragen, die benötigt werden, um über die Umsetzung zu entscheiden. Diese Informationen werden im Business Case dokumentiert. pm_04_2022.indb 21 pm_04_2022.indb 21 02.09.2022 13: 53: 06 02.09.2022 13: 53: 06 Wissen | Der Projektauftraggeber 22 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0069 • Annahmen zu Kosten- und Zeitplanung während der Planung und Realisierung des Vorhabens. • Rahmenbedingungen für die Umsetzung festlegen. • Frühe Phase der Risikoanalyse und Risikomanagement der Nutzenrealisierung. • Annahmen zu Umsätzen, Kosten während der Nutzung des Ergebnisses. Falls zur Entscheidung über die Umsetzung weitere Gremien erforderlich sind, liegt es in der Verantwortung des Projektauftraggebers dafür zu sorgen, dass die Entscheidungsvorlage diesen Gremien (z. B. einem Portfoliogremium) präsentiert und die Entscheidung gefällt wird. Nach positiver Umsetzungsentscheidung muss die passende Organisationsform gefunden werden: Manche Vorhaben können in den bestehenden Strukturen der Linienorganisation umgesetzt werden, in vielen Fällen wird jedoch ein Projekt oder eine Kette aus mehreren Projekten (z. B. Planungs-, Realisierungs- und Rolloutprojekt) besser geeignet sein. Möglicherweise werden die Projekte auch im Rahmen eines bestehenden Programms beauftragt oder zu einem neuen Programm zusammengefasst. Die Herbeiführung dieser Entscheidung liegt wiederum in der Verantwortung des Projektauftraggebers, er wird dabei auf die in der Organisation vorhandene PM-Expertise (z. B. eines PM Office oder erfahrener Projekt- und Programmmanager) zurückgreifen. Im Projektverlauf muss der Projektauftraggeber sicherstellen, dass über das weitere Vorgehen entschieden wird, wenn es zu Abweichungen zur ursprünglichen Planung kommt. Dabei kann der Projektauftrag geändert werden oder das Projekt sistiert, aber auch abgebrochen werden. Solche Entscheidungen hängen unter anderem davon ab: • Wie sich Rahmenbedingungen verändert haben bzw. wie man sich anpassen kann. • Ob (neue) Wettbewerber mit neuer Technologie auf den Markt kommen. • Ob die Annahmen des Business Case über die Nutzung des Projektergebnisses (z. B. erwartete Umsätzen) aufrechterhalten werden können oder unrealistisch werden. • Ob das Projekt im Plan bleibt oder wesentliche Abweichungen auftreten (z. B. Krise im Projektteam, Technologie nicht funktionsfähig, mehr Zeit oder Kosten erforderlich). Zum Projektende werden die Projektergebnisse vom Projektauftraggeber abgenommen, und der Projektleiter wird bei Erreichung der Projektziele entlastet. Für den geschäftlichen Erfolg gemäß dem Business Case ist der Auftraggeber / der Lenkungsausschuss verantwortlich. Klassisch oder Agil im Lenkungsausschuss (SBB AG, 2021) pm_04_2022.indb 22 pm_04_2022.indb 22 02.09.2022 13: 53: 06 02.09.2022 13: 53: 06 Wissen | Der Projektauftraggeber 23 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 33. Jahrgang · 04/ 2022 DOI 10.24053/ PM-2022-0069 6. Fähigkeiten und Kompetenzen des Projektauftraggebers Grundlegende Kenntnisse des Projektauftraggebers finden sich in den Kompetenzfeldern „People“, „Project“, „Perspective“ der ICB4 (International Competence Baseline) der IPMA. Letztlich sind es vor allem zwei Elemente, die die Qualität des Projektauftraggebers definieren: • ein gutes Geschäftsverständnis und • Persönlichkeit. Das grundlegende Geschäftsverständnis ist die Voraussetzung dafür, Fehlentwicklungen, Risiken und Chancen frühzeitig zu erkennen, um so klare Projektaufträge zu formulieren. Je komplexer und technologiegetriebener die Geschäftsmodelle sind, desto weniger reichen Erfahrung und gesunder Menschenverstand aus. Dann wird es notwendig, die Strukturen und Abläufe von Projekten auch im Detail zu verstehen. Eine starke Persönlichkeit ist eine Voraussetzung, um in einem konsensgeprägten Umfeld erfolgreich Gehör zu finden, Entscheidungen voranzubringen und kritische Bemerkungen zuzulassen. Darüber hinaus sind spezifische Kompetenzen vor allem in den folgenden Bereichen erforderlich: • Risikomanagement aus dem Verständnis des Geschäftes betreiben. • Leadership, Funktion als Vorbild. • Mindset für Business Excellence, Project Excellence. • People Management: Communication, Teambuilding, Collaboration. • Business Management and Administration, Marketing. • Negotiation, Politics, Governance. • Fachliche Kenntnisse, Marktkenntnisse. • Steigerung der Effektivität & Effizienz im Projektmanagement. • Steigerung der Effektivität & Effizienz von Geschäftsprozessen. • Personalentwicklung, Organisationsentwicklung. Literatur Boxheimer, Michael: PM für Führungskräfte, unveröffentlichtes Manuskript, 2016 GAPPS-- Global Alliance for Project Performance Standards: A Guiding Framework for Project Sponsors, Sydney, 2015 IPMA- - International Project Management Association: Individual Competence Baseline for Project, Programme & Portfolio Management Version 4.0 (ICB 4), Zürich Schweiz, 2015 Rudischer, Christian: Governancestrukturen in Projekten und Programmen, PM goes Boardroom, 2020 http: / / www.rudischer.consulting / ext / pmgb / Ergebnisbericht_Governancestrukturen.pdf SBB AG: LA Guide für Vertreter in Lenkungsausschüssen, Divisionen Markt- und Produktion Personenverkehr, unveröffentlichtes Manuskript, 2021 Eingangsabbildung: © iStock.com / sesame Dr. Ing. Michael Atzor Senior Consultant, atzorconsult eMail: dr.michael.atzor@gmail.com Michael Boxheimer Michael Boxheimer Projekt- und Prozess- Managementsysteme eMail: mib@boxheimer-projects.com Thomas Hunziker Thomas Hunziker, MAS Projektmanagement Leiter des Project Management Office, Schweizerische Bundesbahnen SBB, Divisionen Markt- und Produktion Personenverkehr eMail: thomas.hunziker3@sbb.ch Prof. (FH) Dr. Gerhard Ortner Prof. (FH) Dr. Mag. Gerhard Ortner Fachhochschulprofessor, Masterstudiengang Projektmanagement und Organisation, Fachhochschule des BFI Wien gerhard.ortner@fh-vie.ac.at Dr. Christian Rudischer Dr. Christian Rudischer Rudischer Management Consulting eMail: christian@rudischer.consulting Hartmut Wenzler Hartmut Wenzler Executive Director DPMO KARL STORZ SE & Co. KG Email: hartmut.wenzler@karlstorz.com pm_04_2022.indb 23 pm_04_2022.indb 23 02.09.2022 13: 53: 06 02.09.2022 13: 53: 06