eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 36/1

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
10.24053/PM-2025-0012
0404
2025
361 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Entlang des Stromes

0404
2025
Jens Köhler
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62 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0012 Kolumne Entlang des Stromes Jens Köhler Die Kolumne „Ehrlich und Priesberg“ möchte mit unterhaltsamen Dialogen rund um das Thema „Mensch-- Kommunikation, Verhalten, Entscheidungen“ Denkanstöße für den PM-Alltag geben. Priesberg und Ehrlich treffen sich bei der Essensausgabe. Es geht schleppend voran, da sich manche nicht entscheiden können, was sie essen möchten. Priesberg legt los: „So geht es auch in meinem Projekt zu. Es gibt keine Entscheidungen mehr, sondern nur noch Stillstand.“ Sie nehmen schließlich ihre Tabletts und setzen sich in eine ruhige Ecke in der Kantine. Ehrlich holt einen Zettel hervor und beschreibt ihn bedeutungsvoll auf beiden Seiten. „Hier, lies dir das durch“, spricht er zu Priesberg, als er ihm den Zettel übergibt. Priesberg schaut ungläubig auf die Worte und dreht ihn um. Er schüttelt den Kopf und dreht ihn abermals um. „Was soll das? “, ruft er. „Auf dem Zettel steht jeweils ‚bitte wenden‘.“ „Das ist die Situation, in der sich entscheidungsunfähige Projekte befinden“, erläutert Ehrlich. „Das weiß ich selbst“, entgegnet Priesberg gereizt, „warum zeigst du mir das? “ „Ganz einfach. In vielen Situationen spielen Teile des Projekts mit sich selbst oder den Stakeholdern Ping-Pong. Sie merken es nur nicht im Gegensatz zu dir beim Zettel.“ Priesberg wechselt das Thema: „Werden wir mal konkret. Ich bin in einem größeren Projekt zur Einführung von Generativer KI. Mit ihr soll das Lesen technischer Dokumentationen weitestgehend automatisiert werden. Durch Fragen an einen KI-gesteuerten Assistenten erhält man gleich die benötigte Antwort.“ Ehrlich entgegnet: „Interessant. Und wo ist das Problem? Das ist doch schon Stand der Technik.“ „Im Team gibt es zwei Gruppen. Die einen sind sich nicht sicher, ob bei der automatischen Zusammenfassung wichtige technische Details übersehen werden. Sie weisen häufiger darauf hin, dass Generative KI von der Tagesform abhängt und so manches Mal sich weigert, Begriffe zu nennen“, erläutert Priesberg. „Lass mich raten, auf der anderen Seite gibt es die Teammitglieder, die den Einsatz von KI befürworten“, fällt ihm Ehrlich ins Wort. „Ja, so kann man es in etwa sagen. Es gibt dann endloses Abwägen. Bislang liegt kein Projektergebnis vor“, schließt Priesberg ab. „Und du bist sicher, dass euer Team nicht merkt, dass es in einer Endlosschleife steckt? “, hakt Ehrlich nach. „Ganz sicher. Das Team stört sich nicht daran, dass es kein Ergebnis hat, sondern erfreut sich an den Diskussionen“, antwortet Priesberg resigniert. „Kannst du mir die Blockade genauer beschreiben? “, bohrt Ehrlich nach, „wie äußern sich denn die Skeptiker? “ „Zum Beispiel mit der Aussage: ‚Ich möchte nur anmerken, festgestellt zu haben, dass KI manche Erinnerungslücken hat.‘“, führt Priesberg aus. Ehrlich fragt weiter: „Wie ist die Atmosphäre im Team? Ist sie freundlich oder auf Krawall? “ „Definitiv freundlich. Deswegen bin ich auch so verwundert“, antwortet Priesberg. Ehrlich fragt weiter: „Und wie reagieren die Enthusiasten auf die Blockade? “ Priesberg übernimmt: „Sie wiegeln ab und verweisen auf die Zukunft. ‚Es wird sicher Mittel und Wege geben, dies zu lösen‘, versuchen sie zu beruhigen.“ „Und das wiederum bestärkt die Skeptiker“, spricht Ehrlich, „ich glaube, ich habe es: Die Teammitglieder versuchen sich gegenseitig die Schwierigkeiten im Projekt zu erklären. Kein Wunder, dass Entscheidungen in den Hintergrund rücken.“ Priesberg überlegt: „Also eine übertragbare Situation, wie bei meinem Zettel vorhin. Wie kommt man denn da raus? “ Ehrlich erklärt: „Ganz einfach. Bitte deine Skeptiker, sie sollen nicht immer sagen, sie hätten ein Problem gefunden, sondern bitte die Enthusiasten im Team um eine Lösung. Etwa: ‚Ich habe festgestellt, dass sich die KI seltsam verhält. Wie können wir diese Herausforderung stemmen? ‘ Ich bin mir dann sehr sicher, schnell eine konkrete Lösung auf dem Tisch zu haben.“ Priesberg ist skeptisch und fragt: „Woher nimmst du die Gewissheit? “ Ehrlich grinst: „KI liegt im Strom der Zeit. Niemand wird sich ihr verschließen können. Wie das ausgeht - ungewiss. Aber es hat eine magnetische Wirkung.“ Priesberg stutzt: „Geht das auch ein wenig konkreter? “ „Klar. Wenn die Skeptiker anerkennen, dass man gegen die KI nicht schwimmen sollte, dann blockieren sie sich nicht mehr mit den Enthusiasten, sondern können sich auf die technische Umsetzung der gestellten Aufgabe fokussieren“, fasst Ehrlich zusammen. Priesberg schließt nachdenklich ab: „Mit der Strömung gelangt man leichter zum Ziel - wenn diese in Richtung des Ziels fließt.“ Eingangsabbildung: © iStock.com / Comeback Images Jens Köhler Dr. Jens Köhler, BASF SE, fokussiert sich auf die Digitalisierung in Forschung und Entwicklung. Sein Spezialgebiet ist die Regulation sozialer Komplexität zur Effizienz- und Effektivitätssteigerung von Projektteams. Anschrift: BASF SE, RGQ / IM, 67 056 Ludwigshafen, eMail: Jens.Koehler@basf.com