eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 36/2

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
10.24053/PM-2025-0022
0512
2025
362 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Resilienz von Arbeitsgemeinschaften

0512
2025
Matthias Eberspächerhttps://orcid.org/0000-0001-7600-1921
Wie reagieren Projektarbeitsgemeinschaften auf innere oder äußere Krisen? Wünschenswert ist eine möglichst selbständige Neuausrichtung an den Projektzielen, ohne dass es zu einem Zusammenbruch der Projektprozesse oder einem Auseinanderfallen der Arbeitsgemeinschaft kommt. Die Autoren Stoverink und Kirkman empfehlen konkrete Maßnahmen zur Steigerung der Resilienz von Arbeitsgemeinschaften. Die Umsetzung dieser Maßnahmen sorgt dafür, dass sich die Arbeitsgemeinschaft zu einem Team formt.
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26 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0022 Teambildung durch Resilienzsteigerung Resilienz von Arbeitsgemeinschaften Matthias Eberspächer Für eilige Leser | Wie reagieren Projektarbeitsgemeinschaften auf innere oder äußere Krisen? Wünschenswert ist eine möglichst selbständige Neuausrichtung an den Projektzielen, ohne dass es zu einem Zusammenbruch der Projektprozesse oder einem Auseinanderfallen der Arbeitsgemeinschaft kommt. Die Autoren Stoverink und Kirkman empfehlen konkrete Maßnahmen zur Steigerung der Resilienz von Arbeitsgemeinschaften. Die Umsetzung dieser Maßnahmen sorgt dafür, dass sich die Arbeitsgemeinschaft zu einem Team formt. Schlagwörter | Projektgruppen, Projektteams, Zusammenarbeitsmodelle, Gruppenarbeit, Teambildung, Teamentwicklung, Projektmanagement-Beratung In einem früheren Beitrag habe ich das Resilienzmodell für Arbeitsgemeinschaften von Stoverink et al. vorgestellt [1] und die Hypothese aufgestellt, dass die Umsetzung der von den Autoren empfohlenen Maßnahmen zur Steigerung der Resilienz jede Arbeitsgemeinschaft in ein Team verwandelt. Zur Überprüfung dieser These wende ich in diesem Artikel das Resilienzmodell von Stoverink et al. auf mein eigenes Modell für Gruppen und Teams an [2]. Resilienzbegriff Analog zu der Resilienz-Definition von Stoverink et al. definiere ich die Resilienz von Arbeitsgemeinschaften als die Fähigkeit aus einer Krise zurückzuspringen. Dabei vermeide ich den Begriff „Team“ den die Autoren in ihren Publikationen synonym für Gruppen und Teams verwenden. Resilienz in großen Organisationen (Unternehmen, Behörden) kann auch Widerstand gegen erwünschte oder notwendige Änderungen bedeuten und ist nicht in jedem Fall positiv zu bewerten. Resiliente Projekt arbeitsgemeinschaften sind nach der Definition in der Lage, sich als Reaktion auf innere und äußere Krisen selbständig wieder an ihren Projektzielen auszurichten. In aller Regel ist dies in Projekten eine erwünschte Eigenschaft. Wie lässt sich die Resilienz von Projektarbeitsgemeinschaften steigern? Vier Schlüsselressourcen Stoverink et al. betrachten vier Schlüsselressourcen, die die Resilienz von Teams unterstützen [3]. In einer Weiterentwicklung ihres früheren Modells [4] nennen sie diese Schlüsselressourcen „Selbstvertrauen“ („Team Confidence“), „Aktionsplan“ („Teamwork Roadmap“), „Improvisationsfähigkeit“ („Team Capacity to Improvise“) und „Psychologische Sicherheit“ („Team Psychological Safety“), s. Abbildung 1. Um einen allgemeinen Abgleich für beide Formen von Arbeitsgemeinschaften zu erlauben, lasse ich in meiner Übersetzung den Begriff „Team“ weg. 1. Selbstvertrauen in Bezug auf die Arbeitsgemeinschaft meint die gemeinschaftlich geteilte Überzeugung, dass die gesteckten Ziele erreicht und die dabei zu erledigenden Aufgaben durch die Arbeitsgemeinschaft gelöst werden können. Kirkman und Stoverink weisen explizit darauf hin, dass das Selbstvertrauen der Arbeitsgemeinschaft nicht einfach die Summe des Selbstvertrauens der einzelnen Mitglieder ist, sondern eine kollektive Eigenschaft der Arbeitsgemeinschaft darstellt [3]. 2. Unter Aktionsplan verstehen die Autoren das gemeinsam geteilte Wissen um die gemeinsamen Ziele und den individuellen Beitrag jedes einzelnen zur Zielerreichung. Dazu sollten die Mitarbeitenden ihre formellen und informellen Rollen und Zuständigkeiten kennen. Dazu gehört, dass die Mitarbeitenden mit ihren Interaktionsmustern vertraut Wissen | Resilienz von Arbeitsgemeinschaften 27 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0022 sind, und ihre gegenseitigen Stärken, individuellen Kompetenzen und Präferenzen kennen. 3. Improvisationsfähigkeit bezeichnet die Kompetenz der Arbeitsgemeinschaft mit den vorhandenen Arbeitsmitteln und Fähigkeiten auftretende Probleme in kurzer Zeit zu lösen, ohne speziell für das Problem externe Ressourcen beschaffen zu müssen. 4. Schließlich wird unter psychologischer Sicherheit ein Arbeitsklima verstanden, das es den einzelnen Mitarbeitenden erlaubt, zwischenmenschliche Risiken einzugehen. Gruppen oder Teams? Zu jeder Schlüsselressource empfehlen die Autoren mehrere Maßnahmen, um die Resilienz von Arbeitsgemeinschaften zu steigern. Diese Maßnahmen wende ich auf mein Modell für Gruppen und Teams an, das ich zunächst kurz vorstelle. Effektive Teams Gute Teams gleichen einem Schweizer Taschenmesser: Sie bewältigen vielfältige Aufgabenstellungen, passen sich flexibel an wechselnde Rahmenbedingungen an und sind in der Lage, Kompetenzlücken gemeinschaftlich zu schließen. Ein effektives Team findet selbstständig den Weg zum Ziel. Der Teamleiter übernimmt für sein Team die Rolle eines Moderators und Unterstützers. Der Projekterfolg liegt in der Verantwortung des gesamten Teams, die Teamleitung vertritt das Team gegenüber den Auftraggebern. Seine Verantwortung liegt in der Transparenz des Projektstatus nach innen und außen. Sein Führungsstil nach Kurt Lewin ist laissez-faire [5]. Effiziente Gruppen Gruppen funktionieren wie eine gut geölte Maschine. Die einzelnen Zahnräder greifen perfekt ineinander, der Ablauf ist präzise festgelegt, es gibt keinerlei innere Reibung. Die Gruppe arbeitet effizient, wenn jedes Mitglied seine Rolle genau kennt und wahrnimmt sowie seine Aufgaben planmäßig erfüllt. Eine Gruppe ist ideal dafür geeignet, genau die eine Aufgabe zu bewältigen, für die sie zusammengestellt wurde. Die Gruppenleitung trägt die alleinige Verantwortung für den Projekterfolg gegenüber den Auftraggebern. Seine Hauptaufgaben umfassen die Definition der Projektstrukturen und die detaillierte Planung, einschließlich der Zuweisung spezifischer Arbeitspakete an jeden Projektmitarbeitenden. Mit der alleinigen Entscheidungs- und Weisungsbefugnis ist der Führungsstil des Gruppenleiters autoritär [5]. Auf die Plätze, fertig, los! Mein Gruppe-Team-Modell umfasst drei Bewertungsbereiche: „Aufstellung“, „Ausrichtung“ und „(Zusammen-)Arbeit“ [2] (s. Abbildung 2). Jeder der Bewertungsbereiche umfasst drei Kriterien. Zu jedem Kriterium gibt es zwei mögliche Ausprägungen: eine, die besonders für Gruppenarbeit geeignet ist, und eine, die sich gut für Teamarbeit eignet. Abbildung 3 bietet einen Überblick über alle neun Kriterien und ihre Zuordnung zu den Bewertungsbereichen. Die beiden Extremwerte jedes Kriteriums (z. B. „festgelegt & bekannt“ versus „abgestimmt und akzeptiert“) sind Endpunkte eines Kontinuums. Real existierende Arbeitsgemeinschaften nehmen in der Regel zu jedem einzelnen Kriterium einen Punkt (oder sogar eine Bandbreite) auf diesem Kontinuum ein. Grundsätzlich gilt aber: Je stärker die Ausprägungen auf der rechten Seite zutreffen, desto teamähnlicher ist die Arbeitsgemeinschaft, je weiter die Ausprägungen der linken Seite zutreffen, desto gruppenähnlicher ist die Arbeitsgemeinschaft. Abbildung 1: Das Resilienz-Modell nach Stoverink et al. Abbildung 2: Die drei Bewertungsbereiche des Gruppe / Team-Modells Abbildung 3: Die neun Bewertungskriterien des Gruppe / Team-Modells Wissen | Resilienz von Arbeitsgemeinschaften 28 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0022 1 Steigerung des Selbstvertrauens Kirkman und Stoverink empfehlen der Leitung von Arbeitsgemeinschaften fünf Maßnahmen zur Steigerung des gemeinsamen Selbstvertrauens: • Sicherstellen, dass Ziele und Prozesse „kristallklar“ sind, • befähigende Führung, • transformationale Führung, • ethische Führung und • Krisensimulationen. Die Durchführung dieser Maßnahmen kann sich auf die jeweiligen Kriterien des Gruppe / Team-Modells so auswirken, dass die Ausprägung für Gruppen gefördert wird (Bezeichnung „G“ in den Abbildungen), die Ausprägung für Teams gefördert wird („T“), oder neutral ist („N“). Abbildung 4 gibt einen Überblick meiner Einschätzung über die Auswirkung der fünf Maßnahmen auf alle neun Bewertungskriterien des Gruppe / Team-Modells. Beispielhaft stelle ich die Auswirkungen von befähigender Führung („empowering Leadership“) auf die Ausprägungen aller neun Kriterien vor. Befähigende Führung überträgt Verantwortung an die einzelnen Mitarbeitenden und bindet die Arbeitsgemeinschaft in Entscheidungsfindungen ein. Auswirkungen befähigender Führung auf die Aufstellung von Arbeitsgemeinschaften Eine Gruppe benötigt klare Rollenverteilungen, sodass jedes Mitglied seinen festen Platz und Verantwortungsbereich in der Projektorganisation kennt. Diese Rollensicherheit wird am besten durch eine hierarchische Aufbauorganisation erreicht. Im Gegensatz dazu profitiert ein Team von einer Zusammenarbeit auf Augenhöhe, was eine heterarchische Organisationsform voraussetzt, bei der alle Teammitglieder gleichberechtigt sind. Eine befähigende Führung widerspricht einer hierarchischen Aufbauorganisation. Selbst wenn eine Arbeitsgemeinschaft formal eine hierarchische Organisationsform hat, sorgt befähigende Führung dafür, dass sich die Berichts- und Entscheidungswege auf die Mitarbeitenden verlagert. Insofern fördert diese Maßnahme eine gelebte heterarchische Organisation. Unter „Kompetenzen der Mitarbeitenden“ fallen sowohl fachliche Fähigkeiten als auch Persönlichkeitsmerkmale der Mitarbeitenden. In Gruppen sind die fachlichen Fähigkeiten das entscheidende Kriterium für die Auswahl. Im Gegensatz dazu benötigen Teams neben fachlichen Kompetenzen auch komplementäre Persönlichkeiten. Dies ist erforderlich, um die für erfolgreiche Teamarbeit notwendigen informellen Teamrollen abdecken zu können. Eine befähigende Führung profitiert sowohl von ausreichenden fachlichen Fähigkeiten als auch von komplementären Persönlichkeiten der Mitarbeitenden. In einer bestehenden Arbeitsgemeinschaft werden durch befähigende Führung aber keine bestehenden Persönlichkeiten geändert. Die befähigende Führung ist also neutral gegenüber den Kompetenzen der Mitarbeitenden. „Diversität“ bezeichnet das Ausmaß an demografischen Unterschieden innerhalb einer Arbeitsgemeinschaft. Für eine Gruppe ist eine geringe Diversität vorteilhaft. Homogene Gruppen zeichnen sich unter anderem durch eine effektivere Kommunikation, wenige interne Konflikte, eine niedrigere Krankheitsrate und eine höhere Leistung in der Umsetzung konkreter Aufgaben aus. Im Gegensatz dazu können heterogene Teams einen größeren Lösungsraum abdecken, breiter abgestimmte Ergebnisse liefern und eine größere Kreativität bei der Entwicklung neuer Ideen zeigen. Eine höhere Diversität der Arbeitsgemeinschaft erhöht vermutlich die Wirksamkeit befähigender Führung, da in die Entscheidungsfindung unterschiedlichere Standpunkte einbezogen werden als in einer homogenen Gruppe , was allerdings auch den Zeitaufwand für die Entscheidung erhöht. Andererseits hat eine befähigende Führung aber keinerlei Auswirkung auf die Diversität der Arbeitsgemeinschaft, die Auswirkung ist neutral. Abbildung 4: Auswirkungen der Maßnahmen zur Steigerung des Selbstvertrauens von Arbeitsgemeinschaften auf die Bewertungskriterien des Gruppe / Team-Modells: 16x Team (T), 29x Neutral (N), 0x Gruppe (G). Beispiel: Befähigende Führung fördert bei den Kriterien Organisation, Umgang mit Konflikten und Umgang mit Problemen und Planabweichungen die Ausprägungen (s. Abb. 3), die gut für Teams sind (T). Keine Auswirkung hat befähigende Führung auf die Kriterien Kompetenzen, Diversität, Ziele, Rollen, Zusammenarbeitsmodell und Umgang miteinander (N). Keine Maßnahme fördert die Ausprägungen, die gut für Gruppen sind (G). Details, s. Text. Wissen | Resilienz von Arbeitsgemeinschaften 29 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0022 Auswirkungen befähigender Führung auf die Ausrichtung von Arbeitsgemeinschaften Teams müssen ihre Ziele gemeinsam abstimmen oder vorgegebene Ziele zumindest akzeptieren. Eine Zielerreichung ist ohne die gemeinsame Verpflichtung des Teams unwahrscheinlich. Für Gruppen reicht es, wenn die Mitarbeitenden die Ziele kennen. Eine Verpflichtung der Gruppe oder einzelner Mitarbeitender auf die Ziele ist nicht notwendig. Die Zielerreichung von Gruppen resultiert aus der Einhaltung des Projektplans, die Kenntnis der Ziele ermöglicht es den Mitarbeitenden, ihre Arbeit auszurichten und zu erkennen, wenn Tätigkeiten nicht zur Zielerreichung beitragen. Eine befähigende Führung sorgt für eine stärkere Auseinandersetzung der Mitarbeitenden mit den Projektzielen. Solange die Arbeitsgemeinschaft aber keine Möglichkeit hat, auf diese Ziele direkten Einfluss zu nehmen, sorgt eine befähigende Führung nicht für eine höhere Akzeptanz: Die Auswirkung ist neutral. Ein Team muss seine Rollen gemeinsam abstimmen und akzeptieren. Jede Rolle muss individuell auf die Fähigkeiten und Persönlichkeiten der Teammitglieder abgestimmt sein. Diese gemeinsame Abstimmung stellt sicher, dass die vereinbarten Rollen den Persönlichkeitsmerkmalen entsprechen und dass jeder die Aufgaben und Verantwortlichkeiten der anderen kennt. Im Gegensatz dazu werden in einer Gruppe die Rollen basierend auf den fachlichen Fähigkeiten der Mitarbeitenden von der Gruppenleitung zugewiesen und bekannt gemacht. Dokumentierte Rollenbeschreibungen sorgen für Klarheit, Transparenz und möglichst klare Abgrenzungen der Verantwortungsbereiche. Eine befähigende Führung erhöht die Akzeptanz der eigenen Rolle und sorgt im Falle einer Fehlbesetzung für Transparenz. Befähigende Führung allein sorgt aber nicht für eine Anpassung der Rollen oder einen Abgleich mit den Persönlichkeiten, die Auswirkung der Maßnahme beurteile ich deshalb als neutral. Teams müssen ihr Zusammenarbeitsmodell gemeinsam abstimmen und akzeptieren, um sicherzustellen, dass es die Persönlichkeitsmerkmale der Teammitglieder, die vereinbarten Rollen sowie die gemeinsamen Ziele berücksichtigt. Dies fördert eine effektive Zusammenarbeit, die auf den Stärken jedes Mitarbeitenden aufbaut und unterstützt die Bildung eines gemeinsamen transaktiven Gedächtnisses (s. unten unter Improvisationsfähigkeit). In Gruppen übernimmt die Gruppenleitung die Verantwortung für das Zusammenarbeitsmodell. Sie definiert die Ablauforganisation und kommuniziert diese an die Arbeitsgemeinschaft. In einer funktionierenden Gruppe hält sich jedes Mitglied genau an seine Rollenbeschreibung, die Anweisungen aus dem Projekthandbuch sowie an die aktuellen Arbeitsanweisungen. Das Zusammenarbeitsmodell umfasst auch den Umgang mit eventuellen Kompetenzlücken. In einer Gruppe können solche Lücken durch die dauerhafte oder temporäre Hinzunahme kompetenter Ressourcen oder durch individuelle Schulungen der betroffenen Mitarbeitenden geschlossen werden. Im Gegensatz dazu lernen Teammitglieder voneinander und miteinander, wodurch das Team mit den gemeinsam bewältigten Herausforderungen wächst. Wie schon bei den Ausrichtungs-Kriterien „Ziele“ und „Rollen“, ist eine befähigende Führung mit einem abgestimmten und akzeptierten Zusammenarbeitsmodell wirksamer. Solange die Gruppenleitung aber an dem von ihr festgelegten Modell festhält, ist auch hier die Auswirkung befähigender Führung neutral. Auswirkungen befähigender Führung auf die Zusammenarbeit In einer Gruppe sollte der Umgang sachlich und aufgabenorientiert sein. Die Kommunikation zielt darauf ab, notwendige Informationen für den Arbeitsauftrag abzustimmen. Aufgrund der überschneidungsfreien und unabhängigen Einzelaufgaben sind nur wenige bilaterale Abstimmungen nötig. Offene Fragen sollten möglichst durch die Gruppenleitung geklärt werden, statt bilateral. Im Gegensatz dazu ist die Kommunikation in einem Team respektvoll, offen, ehrlich, inklusiv und wertschätzend. Kommunikation beinhaltet hier immer einen beziehungsorientierten und nur manchmal auch einen aufgabenorientierten Anteil, wobei die Klärung von Beziehungen vor der Sachklärung steht. Dieser Kommunikationsstil fördert und erhält das Vertrauen im Team. Teams und ihre Mitglieder benötigen psychologische Sicherheit, um Fehler machen zu dürfen und aus Fehlentscheidungen sowie Planabweichungen gemeinsam lernen zu können. Wieder ist befähigende Führung in einem Team wirksamer als in einer Gruppe , da die Teammitglieder die ihnen übertragene Verantwortung optimal untereinander aufteilen und sich gegenseitig unterstützen können. Befähigende Führung allein sorgt aber nicht für einen beziehungsorientierten Umgang miteinander. Befähigende Führung in einer Gruppe kann beispielsweise zu schnelleren Entscheidungen führen, wenn Mitarbeitende ohne Rücksprache mit der Gruppenleitung Verantwortung übernehmen dürfen: Die Auswirkung ist neutral. In gut organisierten Gruppen sind Beziehungskonflikte die Ausnahme. Sachbezogene Konflikte stehen im Vordergrund, und offene Konflikte sollten vermieden werden, da sie den Leistungsfortschritt behindern. Konflikte werden über ein etabliertes Eskalationsverfahren gelöst, wobei im Notfall Mitarbeitende ausgetauscht werden können. In Teams sollte jeder Konflikt offen angesprochen und im Konsens gelöst werden. Ungelöste Konflikte beeinträchtigen das soziale Gefüge des Teams und gefährden die Zielerreichung. Befähigende Führung vermeidet formale Entscheidungen durch die Leitung und ermöglicht die gemeinsame Abstimmung und Konsensfindung im Team. Die Auswirkung befähigender Führung fördert den teamartigen Umgang mit Konflikten. In Gruppen entlastet die Meldung eines Problems an die Gruppenleitung den meldenden Mitarbeitenden. Die Verantwortung für die Problemlösung oder den Umgang mit Planabweichungen liegt bei der Gruppenleitung. In einem Team sind alle Mitarbeitenden gemeinsam für die Lösung von Problemen und Planabweichungen verantwortlich, da diese die Erreichung der Team-Ziele gefährden. Nur gemeinsam können notwendige Maßnahmen beschlossen und umgesetzt werden. Befähigende Führung hat genau diesen teamartigen Arbeitsmodus gemeinsamer Team-Verantwortung für Probleme Wissen | Resilienz von Arbeitsgemeinschaften 30 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0022 und Planabweichungen zum Ziel: Die Auswirkung unterstützt die Teambildung. Einschätzung der Maßnahmen zur Steigerung des Selbstvertrauens Wie aus meinen Ausführungen zur Maßnahme „befähigende Führung“ hervorgeht, sind nicht alle meine Einschätzungen zu den Auswirkungen (s. Abbildung 4) eindeutig. Beispielsweise fördert eine ethische Führung auch einen respektvollen Umgang miteinander und unterstützt ein abgestimmtes und akzeptiertes Zusammenarbeitsmodell. Da aber auch ein Gruppenleiter nach ethischen Grundsätzen führen kann, habe ich die Auswirkung dieser Maßnahme insgesamt als neutral bewertet. In Summe sorgt die Umsetzung aller fünf Maßnahmen dafür, dass sich die Eigenschaften der Arbeitsgemeinschaft in 16 Fällen in Richtung der Ausprägung von Teams verschiebt, 29-mal bleibt die Wirkung neutral, in keinem Fall wird die Ausprägung für Gruppen gefördert. 2 Etablierung eines Aktionsplans Die Autoren empfehlen fünf Maßnahmen zur Etablierung eines Aktionsplans innerhalb der Arbeitsgemeinschaft: • Durchführung regelmäßiger Besprechungen, • Durchführung von Interaktionstrainings, • beteiligende Führung, • Weiterentwicklungsorientierung und • Krisensimulationen. Unter „Interaktionstraining“ verstehen die Autoren das, was gemeinhin unter „Teambuilding“ verstanden wird: Ein Training, bei dem die Etablierung und Verbesserung gemeinsamer Arbeitsabläufe im Mittelpunkt steht und nicht die Erledigung konkreter Aufgaben. Weiterentwicklungsorientierung meint die Ermutigung der Mitarbeitenden durch die Leitung, die persönliche Weiterentwicklung als erwünschten Teil ihrer Aufgabe zu sehen und dazu neue Dinge auszuprobieren und Risiken einzugehen. Die fünfte Maßnahme habe ich wieder „Krisensimulation“ genannt (wie schon unter „Selbstvertrauen“). Die Autoren unterscheiden hier praktische Übungen (unter Selbstvertrauen) und die Diskussion hypothetischer Szenarien (unter Aktionsplan). In beiden Fällen geht es um die Simulation möglicher Krisen und wie die Arbeitsgemeinschaft damit umgeht. Abbildung 5 zeigt meine Einschätzung über die Auswirkungen der fünf Maßnahmen auf die Bewertungskriterien des Gruppe / Team-Modells. Auch hier ergibt sich keine einzige positive Wirkung für die Ausprägung von Gruppen, aber in 28 Fällen eine Förderung der Ausprägung von Teams (bei 17 neutralen Wirkungen). Insbesondere die Bewertungsbereiche „Ausrichtung“ und „Arbeit“ werden durch die Maßnahmen sehr stark in Richtung „Team“ verschoben. 3 Steigerung der Improvisationsfähigkeit Zur Steigerung der Improvisationsfähigkeit werden zwei Maßnahmen empfohlen: • Bildung eines transaktiven Gedächtnisses und • Steigerung der Kreativität der Arbeitsgemeinschaft. Unter transaktivem Gedächtnis verstehen die Autoren, dass jedes Teammitglied die Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten jedes anderen kennt und auch die jeweiligen Persönlichkeitsmerkmale, Präferenzen und sozialen Beziehungen untereinander. Zur Steigerung der Kreativität wird unter anderem eine Förderung des Informationsaustauschs der Mitarbeitenden untereinander, die Unterstützung von Perspektivwechseln, gemeinsames Brainstorming usw. empfohlen. Abbildung 5: Auswirkungen der Maßnahmen zur Etablierung eines Aktionsplans auf die Bewertungskriterien des Gruppe / Team-Modells: 28x Team (T), 17x Neutral (N), 0x Gruppe (G) Wissen | Resilienz von Arbeitsgemeinschaften 31 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0022 Abbildung 6 zeigt meine Einschätzung über die Auswirkungen der beiden Maßnahmen auf die Bewertungskriterien des Gruppe / Team-Modells. Auch hier ergibt sich wieder eine starke Unterstützung der Ausprägungen von Teams (11x T, 7x N kein G). 4 Steigerung der psychologischen Sicherheit Sechs Maßnahmen empfehlen die Autoren zur Steigerung der psychologischen Sicherheit innerhalb des Teams: • Etablierung eines Klimas der Inklusion, • Verfügbarkeit der Leitung für Ideen aus der Arbeitsgemeinschaft, • offene Diskussion von Fehlern, • transformationale Führung (s. auch unter „Selbstvertrauen“), • Perspektivwechsel und • die Schaffung einer Vertrauensbasis. Abbildung 7 zeigt auch hier wieder eine sehr starke Teamausprägung (24x T, 30x N, 0x G). Beispielhaft erläutere ich die Auswirkung dieser Maßnahmen auf das Bewertungskriterium „Zusammenarbeitsmodell“. Unter einem Klima der Inklusion verstehen die Autoren die aktive Einbindung jedes einzelnen Mitarbeitenden in die Abstimmungen und Entscheidungsfindung. Im Rahmen der Festlegung des Zusammenarbeitsmodells sorgt dies für ein im Team abgestimmtes und akzeptiertes Vorgehen. Dagegen hat die reine Verfügbarkeit der Leitung für Ideen der Mitarbeitenden noch keinen direkten Einfluss auf die Abstimmung des Zusammenarbeitsmodells. Genauso steht es mit der Diskussion von Fehlern: Der Wunsch nach einer offenen Fehlerkultur kann Teil des durch die Gruppenleitung festgelegten Vorgehensmodells sein, sorgt aber nicht notwendigerweise für eine Abstimmung des Zusammenarbeitsmodells selbst. Transformationale Führung ist ein Führungsstil, der darauf abzielt, Mitarbeitende durch Inspiration, Vision und persönliche Entwicklung zu motivieren und zu höheren Leistungen zu befähigen. Führungskräfte mit diesem Stil schaffen eine emotionale Bindung, fördern Sinnhaftigkeit in der Arbeit und regen zur persönlichen Weiterentwicklung an. Eine direkte Auswirkung auf das Zusammenarbeitsmodell ergibt sich daraus aber nicht. Die Ermutigung zum Perspektivwechsel sorgt dafür, dass die Mitarbeitenden sich in die Situation und Rolle der anderen Mitarbeitenden hineinversetzen. Dies hat unter anderem über ein gut abgestimmtes Rollenmodell direkten Einfluss auf die Teamprozesse. Die Etablierung einer Vertrauensbasis erfolgt nach den Autoren unter anderem durch einen vertrauensvollen, verbindlichen und wertschätzenden Umgang miteinander. Insbe- Abbildung 6: Auswirkungen der Maßnahmen zur Steigerung der Improvisationsfähigkeit von Arbeitsgemeinschaften auf die Bewertungskriterien des Gruppe / Team-Modells: 11x Team (T), 7x Neutral (N), 0x Gruppe (G) Abbildung 7: Auswirkungen der Maßnahmen zur Steigerung der psychologischen Sicherheit von Arbeitsgemeinschaften auf die Bewertungskriterien des Gruppe / Team-Modells: 24x Team (T), 30x Neutral (n), 0x Gruppe (G) Wissen | Resilienz von Arbeitsgemeinschaften 32 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0022 sondere die Verbindlichkeit und der vertrauensvolle Umgang haben direkte Auswirkung auf die Gestaltung und Detaillierung der Teamprozesse und des Zusammenarbeitsmodells. Zusammenfassung Die Anwendung der in dem Modell von Stoverink et al. empfohlenen Maßnahmen zur Steigerung der Resilienz von Arbeitsgemeinschaften auf mein Gruppe / Team-Modell bestätigt die im früheren Beitrag [1] aufgestellte Vermutung, dass nur Teams wirklich resilient sind. Der Versuch, die Resilienz einer Arbeits gruppe durch diese Maßnahmen zu steigern führt fast zwangsläufig zur Bildung eines Teams. Einige Maßnahmen (z. B. Ziele und Prozesse, befähigende und beteiligende Führung, Inklusion) prägen direkt Eigenschaften aus, die ein Team explizit von einer Gruppe unterscheidet. Insbesondere die Kriterien im Bewertungsbereich Arbeit wird durch fast alle empfohlenen Maßnahmen in Richtung der Team-Ausprägungen verschoben (43x T, 9x N, 0x G). Die Resilienz von Gruppen ohne die vier Schlüsselressourcen hängt allein an der individuellen Resilienz der Gruppenleitung. Deren Aufgabe ist es, die Arbeitsgemeinschaft vor äußeren Einflüssen und Änderungen zu schützen, um die Resilienz des Projekts zu gewährleisten. Literatur [1] Matthias Eberspächer, „Sind Projektgruppen resilienter als Projektteams? “; in: PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 2 / 2022 [2] Matthias Eberspächer, „Auf die Plätze, fertig, los! “; in: PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 2 / 2023 und IAPM-Blog https: / / msg.direct/ gt (zuletzt abgerufen März 2025) [3] Bradley Kirkman, Adam Stoverink, „Unbreakable- - Building and Leading Resilient Teams“, Stanford Business Books, Stanford, 2023 (alle zitierten Textstellen sind vom Autor aus dem Englischen übersetzt) [4] Adam Stoverink, Bradley Kirkman, Sal Mistry, Benson Rosen (2020), „Bouncing Back Together: Toward a Theoretical Model of Work Team Resilience“, The Academy of Management Review, 45. 395-422. 10.5465 / amr.2017.0005 (alle zitierten Textstellen sind vom Autor aus dem Englischen übersetzt) [5] Führungsstile nach Kurt Lewin, s. z. B. bei Wikipedia https: / / msg.direct/ lewin (zuletzt abgerufen März 2025) Eingangsabbildung: msg Matthias Eberspächer Dr. Matthias Eberspächer arbeitet als Projektmanager bei msg in München und als Dozent für Programm- und Portfoliomanagement an der HAW Landshut. Sein Interesse gilt der Optimierung von Projektvorgehensmodellen, der Zusammenarbeit in Projekten sowie Methoden zur Erhöhung der Wirksamkeit von Projektmanagementberatung. eMail: matthias.eberspaecher@msg.group ORCID: 0000-0001-7600 - 1921