PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Konflikte in Projekten – Bremse oder Katalysator?
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Irene Timmers
Konflikte in Projekten sorgen für Stress, Unruhe, Verzögerung und führen vielleicht sogar zum Projektabbruch. Sie sind unliebsam, störend, hinderlich und „unnötig“. Es gibt zahlreiche Modelle, Techniken und Methoden, Konflikte zu vermeiden oder sie zu lösen – und dennoch treten Konflikte auf. Was also tun damit?
Konflikte sind Zeichen, dass in Situationen Klarheit und Transparenz fehlt. Dieses Fehlen manifestiert sich in ineffizienten Organisationsstrukturen, unklaren Rollen oder Schnittstellen sowie in unterschiedlichen Bedürfnissen, Interessen, Werten oder ähnlichem. Wenn ich mir diese Sicht zunutze mache, kann ich erkennen, an welchen Stellen ich für mehr Klarheit und Transparenz im Projekt zu sorgen habe. Und damit schaffe ich nicht nur die Grundlage für Konfliktlösung, sondern stelle das Projekt stabil und damit nachhaltig auf. Denn wo Klarheit herrscht, kann effizient und effektiv gearbeitet werden.
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38 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0024 Ein Booster für den Projekterfolg Konflikte in Projekten-- Bremse oder Katalysator? Irene Timmers Für eilige Leser | Konflikte in Projekten sorgen für Stress, Unruhe, Verzögerung und führen vielleicht sogar zum Projektabbruch. Sie sind unliebsam, störend, hinderlich und „unnötig“. Es gibt zahlreiche Modelle, Techniken und Methoden, Konflikte zu vermeiden oder sie zu lösen-- und dennoch treten Konflikte auf. Was also tun damit? Konflikte sind Zeichen, dass in Situationen Klarheit und Transparenz fehlt. Dieses Fehlen manifestiert sich in ineffizienten Organisationsstrukturen, unklaren Rollen oder Schnittstellen sowie in unterschiedlichen Bedürfnissen, Interessen, Werten oder ähnlichem. Wenn ich mir diese Sicht zunutze mache, kann ich erkennen, an welchen Stellen ich für mehr Klarheit und Transparenz im Projekt zu sorgen habe. Und damit schaffe ich nicht nur die Grundlage für Konfliktlösung, sondern stelle das Projekt stabil und damit nachhaltig auf. Denn wo Klarheit herrscht, kann effizient und effektiv gearbeitet werden. Schlagwörter | Konfliktprävention, Konfliktbewältigung, stabile Projektteams, Kommunikationsstruktur, Mediation, Projekterfolg sichern, Führung ohne Führungsverantwortung, Projektleitung Was sind Konflikte? Im Internet las ich eine Geschichte. Darin erzählte eine Person, dass sie eine wichtige Präsentation in Englisch halten sollte. Sie war sich unsicher in Bezug auf die Gestaltung der Präsentation und ihrer Englischkenntnisse. Ein neuer Kollege hatte sich angeboten, bei derartigen Themen zu unterstützen. Sie schickte ihm die Präsentation mit der Bitte, ihr zu helfen. Doch es kam keine Reaktion und so musste sie die Präsentation ohne Überarbeitung halten. Beim nächsten Treffen mit dem Kollegen hatte sie den Eindruck, dass er sie auslachte-- ganz nach dem Motto, „Dir habe ich es gezeigt“. Die Geschichte aus Sicht des Kollegen erzählt las sich komplett anders. Der Kollege war neu im Unternehmen und hatte ein Projekt erhalten, in das er sich einarbeitete und wollte sich damit als Neuling „beweisen“. Die Dringlichkeit des Anliegens der Kollegin war ihm nicht klar. Beim Treffen befremdete ihn das Verhalten der Kollegin und so zog er sich eher zurück und mied den direkten Kontakt. Diese Geschichte zeigt, wie unterschiedlich eine Situation wahrgenommen wird: Während es für die eine Person schon ein richtiger Konflikt ist, ist bei der anderen Person nur ein merkwürdiges Verhalten angekommen, welches nicht zugeordnet werden kann. Ab wann spreche ich von einem Konflikt? Eine Meinungsverschiedenheit, eine kontroverse Diskussion ist noch kein Konflikt. Unterschiedliche Meinungen haben ihre Berechtigung und können nebeneinander bestehen. Wenn sich zwei Menschen lautstark streiten, Schimpfwörter verwenden und mit hochroten Köpfen in unterschiedliche Richtungen auseinandergehen, und dies immer wieder passiert, ist es sehr wahrscheinlich, dass diese einen Konflikt miteinander haben. Und es gibt Konflikte, die nicht so offen nach außen getragen werden. Sie zeigen sich in Sekundärhandlungen. Beispiele sind: häufige, kurze Krankmeldungen, bestimmte Sätze in Kontext mit anderen Personen (z. B. „War ja klar, dass die / der- …“), Termine, die nicht eingehalten werden- … Die Wissen | Konflikte in Projekten - Bremse oder Katalysator? 39 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0024 einzelnen Verhaltensweisen an sich sind nicht „schlimm“. Sie wirken durch die Häufung und die Konzentration auf die anderen Konfliktbeteiligten. Ob ich mich in einem Konflikt befinde, hängt von der eigenen Betrachtungsweise und der Sicht der anderen Konfliktpartei(en) ab. Wie erkenne ich einen Konflikt? Es fällt schwer, insbesondere zu Beginn, derartige Entwicklungen zu erkennen, um bereits in diesem frühen Stadium einem Konflikt entgegenzuwirken. Konflikte bewegen sich gemäß den Eskalationsstufen von Glasl in einer Abwärtsspirale und verhärten sich, wenn Lösungsversuche immer wieder scheitern. Es entwickelt sich ein System, in dem die Beteiligten einem gewissen Muster folgend mehr und mehr das Vertrauen zum*zur Konfliktpartner*in verlieren. In den daraus entstehenden Glaubenssätzen werden bestätigende Handlungen des*der Konfliktpartners*Konfliktpartnerin gesucht. Die Konfliktparteien sind damit beschäftigt, sich abzusichern, einen Imageverlust zu vermeiden, sich Verbündete zu holen oder Fakten zu schaffen, um die eigene Position zu untermauern. Eine zeitraubende und kräftezehrende Arbeit, in der sie immer tiefer in die Spirale geraten. Durch die Fokussierung auf diese Bestätigungshandlungen verengt sich zudem der Blickwinkel („Das war ja klar, dass er mich wieder übergeht“). Mögliche Optionen, diesen Konflikt zu lösen werden damit gar nicht mehr wahrgenommen. [1] Die Werkzeuge zum Erkennen derartiger Entwicklungen, insbesondere in der Anfangsphase bieten auch gleichzeitig einen Lösungsweg bzw. sind die Grundlage zur Vermeidung einer weiteren Eskalation und Entwicklung eines Konfliktes: Zuhören. Person A sagt: „Ich mach das schon.“- - Person B denkt: „Will der Kollege mir damit sagen, dass ich nicht in der Lage bin, das zu erledigen? “ Das könnten typische Gedanken sein. Wenn ich den Raum habe, dann kann ich darüber nachdenken: was macht die Aussage mit mir? Welches Gefühl steigt hier gerade hoch? Und ich kann dieses Gefühl spiegeln oder einfach nachfragen: „Warum möchtest Du die Aufgabe übernehmen? “ Diese Frage eröffnet einen Austausch und vielleicht erfahre ich dann, dass der Kollege ganz andere Beweggründe hat, als ich vermutete. Ein achtsamer Umgang mit mir selbst, mit meiner Umgebung, eine respektvolle und wertschätzende Kommunikation und eine darauf ausgerichtete Struktur (Organisation und Kommunikation) schaffen den Raum, in einen Austausch zu kommen und für Klarheit und Transparenz zu sorgen. Andere Sicht auf Konflikte Das Eisbergmodell von Paul Watzlawick zeigt modellhaft auf, dass in der Kommunikation zwischen Menschen ein kleiner Teil verbal und konkret ausgetauscht wird. Dies sind Informationen wie Zahlen, Daten oder Fakten (wir müssen den Kunden über die Entwicklung informieren <-> wir klären dies unter uns). Hier wird von der sichtbaren Sachebene gesprochen. Der weitaus größere Teil der Kommunikation findet in den Köpfen der Gesprächsteilnehmer*innen statt. Er findet Ausdruck in der Haltung, die sich wiederum in Mimik, Gestik oder im Tonfall zeigt (mein Wert der Ehrlichkeit ist mir wichtig <-> Ich habe ein Bedürfnis nach Selbstbestimmtheit). Hier wird von der nonverbalen Beziehungsebene gesprochen. Ein Konflikt, der auf der Sachebene ausgetragen wird, hat nach dem Modell seine Ursache in einem unterschiedlichen Standpunkt innerhalb der Beziehungsebene. Bspw. kann dies ein unterschiedliches Nähe-Distanz-Bedürfnis sein. Eine Armlänge Abstand halten viele Menschen als eine Distanz zu einer anderen Person, die sie als angenehm empfinden. Wird diese Distanzlänge überschritten oder unterschritten, kann dies die Person stressen. Ihr Anliegen wird sein, die Wohlfühl-Distanzlänge wieder herzustellen. Hat die andere Person eine andere Wohlfühl-Distanzlänge, kann dies zu einem „Distanzlängen- Tanz“ führen. Je nach Erfahrungen, Bedürfnissen, Wünschen, Gelassenheit der Beteiligten führt dies in einen Konflikt, in dem den Beteiligten das unterschiedliche Distanz-Bedürf- Abbildung: Ein Jack Russell auf einem Ast stehend. Oder ist es doch nur ein mit Moos bewachsener Ast? Es gibt verschiedene Ansichten zu einer Situation Wissen | Konflikte in Projekten - Bremse oder Katalysator? 40 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0024 nis nicht bekannt ist. Der Konflikt wird auf der Sachebene zu einem ganz anderen Thema ausgeführt. Die Beziehungsebene stellt alles das dar, was eine Person ausmacht: Motive, Emotionen, Werte, Glaubenssätze, Erwartungen, Erfahrungen oder auch Instinkte, Triebe, Stimmungen und Traumata. Beschäftige ich mich mit dieser Ebene, lerne ich etwas über die andere Person. Das hilft mir, die konfliktäre Situation anders zu betrachten und mit der Reaktion der anderen Person anders umzugehen. Denken wir die obige Situation weiter: Die Person A steht gerade privat enorm unter Druck. Zusätzlich steht sie im Projekt enorm unter Druck, weil gerade vieles aus dem Ruder zu laufen droht. Ein Jobverlust wäre verheerend und die Erledigung dieser Aufgabe bedeutet einen wichtigen Schritt zur positiven Entwicklung im Projekt und damit hin zu mehr Sicherheit für die Person A. Wenn ich als Person B, die die Aufgabe erledigen sollte, darum weiß, ist es für mich nachvollziehbar, dass sie die Aufgabe selbst erledigen möchte-- weil so viel davon abhängt. Konflikte als Mehrwert So unschön ein Konflikt im Moment des Konfliktes sein mag, er bietet eine Chance: Ein Konflikt • weist auf Probleme hin: da ist etwas nicht klar und transparent, da ist etwas ungelöst. • verlangt nach Lösungen: um den Konflikt loszuwerden, braucht es Lösungen. • regt Interesse an: ich interessiere mich für die andere(n) Person(en) und deren Beweggründe / Ansichten. • fordert Kreativität: ich brauche Ideen, um eine Lösung zu finden. • fördert Motivation: ich habe ein Interesse daran, den Konflikt zu lösen, denn er kostet mich Zeit und Kraft. • festigt die Gruppe: die Personen setzen sich mit sich und dem Gegenüber auseinander und kennen sich danach ein Stück besser. • verhindert Stagnation: zur Lösung eines Konfliktes bedarf es einer Veränderung und damit einer Entwicklung. • Wurzel der Veränderung: Eine Situation, eine Struktur, die funktioniert, wird nicht einfach verändert. Erst wenn etwas unangenehm, nicht mehr passend oder hinderlich ist, verändere ich etwas. Konflikte sind unangenehm und zeigen auf, dass etwas nicht passt und stehen meist am Beginn einer Veränderung. Und darum sind Konflikte wertvoll. Wie gehe ich mit Konflikten um Viktor Frankl sagte „Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum. In diesem Raum liegt unsere Macht zur Wahl unserer Reaktion. In unserer Reaktion liegen unsere Entwicklung und unsere Freiheit.“ [2] Wie ich mit einem Konflikt umgehe, ist eine Frage der Haltung. Nehme ich den Reiz meines Gegenübers auf und spiele ihn weiter? Antworte ich genau darauf und gehe in die Widerrede? Und schüre damit das Potenzial zur Eskalation? Oder spüre ich in mich hinein und überlege, was mich an dem, was mein Gegenüber gesagt oder getan hat, gerade so bewegt, so „triggert“? Und frage nach: „Wie hast Du das gemeint? Habe ich das richtig verstanden, dass- …? “ Oder spiegele mein Gefühl: „Das macht mich gerade wütend, durcheinander, sprachlos-…“? Ein Beispiel Das Teammitglied Paul hat die Aufgabe, Ihnen Informationen bis zu einem bestimmten Termin zu liefern. Diese wollen Sie in eine Präsentation bauen, die sie am folgenden Tag vor dem Lenkungsausschuss vorstellen. Paul meldet sich an dem Termintag krank und gibt keinerlei Informationen zum Stand der Bearbeitung der Aufgabe. Sie finden im gemeinsamen Datenpool keine Informationen dazu. Sie erledigen die Aufgabe gemeinsam mit einem anderen Kollegen. Sowohl beim Kollegen als auch bei Ihnen bleiben wichtige Aufgaben liegen. Es ist nicht das erste Mal, dass so etwas mit Paul passiert. Kennen Sie derartige Situationen? Fangen Sie schon innerlich an zu kochen? Wie gehen Sie damit also um? Wir denken die Situation weiter: Handelt es sich um einen Konflikt? Aus der eigenen Sicht betrachtet, könnte es durchaus sein, dass Sie die Situation bereits als konfliktär betrachten. Wie steht es mit Paul? Das wissen Sie nicht, da Ihnen seine Sichtweise fehlt. Der Kollege kommt zwei Tage später wieder zur Arbeit und Sie sprechen mit ihm: Variante 1: Sie: „Hey Paul, das war ja wohl nichts am Montag! Ich hätte dringend die Informationen für die Präsentation für den Lenkungsausschuss benötigt. Jetzt durften Hans und ich uns darum kümmern. Das war eigentlich Deine Aufgabe.“ Paul: „Scheint ja trotzdem funktioniert zu haben.“ Sie: „Darum geht es nicht. Es war Deine Aufgabe und das ist auch nicht das erste Mal, dass so etwas passiert. Ich muss mich drauf verlassen können, dass Aufgaben zuverlässig und termingerecht erledigt werden.“ Paul: „Hey Mann, ich kann doch nichts dafür, wenn ich ausfalle. Das war keine Absicht.“ Sie merken, Paul weicht aus, und am Ende wissen Sie immer noch nicht, was er für eine Sichtweise auf die Situation hat. Sie haben wahrscheinlich den Eindruck, dass es ihm egal ist und sie werden vermutlich noch unzufriedener. Sie haben das Gefühl, Paul nicht erreichen zu können. Warum? Weil Sie nicht Ihre Sicht schildern, sondern ihm sein Verhalten vorwerfen. Variante 2: Sie: „Hey Paul, schön, dass Du wieder da bist. Wie geht es Dir? Paul: „Wieder ganz ok.“ Sie: „Das freut mich zu hören. Ich möchte mit Dir über die Aufgabe sprechen, die Du bis Montag zu erledigen hattest. Die Aufgabe beinhaltete die Bereitstellung von Informationen, die ich für die Präsentation für den Lenkungsausschuss am Dienstag benötigte. Da ich keine Informationen dazu gefunden habe, mussten Hans und ich am Montag recherchieren und Deine Aufgabe übernehmen. Sowohl bei ihm als auch bei mir sind dadurch wichtige Aufgaben liegen geblieben. Das hat mich sehr geärgert.“ Paul: „Das war mir nicht bewusst, dass die Aufgabe so dringend war.“ Wissen | Konflikte in Projekten - Bremse oder Katalysator? 41 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0024 Sie: „Ok, ich nehme wahr, dass ich zukünftig klarer und transparenter die Dringlichkeit mitteile. Mir ist wichtig, dass mir bei Krankmeldung der Bearbeitungstand der Terminaufgaben und der Ablageort der bisherigen Ergebnisse mitgeteilt werden. Ist das ein Punkt, bei dem Du mitgehen kannst? “ Paul: „Ja, das kann ich machen.“ Sie: „Schön. Dann lass uns das für die Zukunft vereinbaren und ich schreibe es in-… Mir ist aufgefallen, dass Du in letzter Zeit häufiger ausfällst. Kann ich hier etwas für Dich tun? Gibt es etwas, was Du mir sagen möchtest? “ In der zweiten Variante haben Sie Paul „abgeholt“, in dem Sie zunächst Ihre Beobachtung schildern: Informationen fehlten, Mehrarbeit für Sie und den anderen Kollegen. Und im Anschluss erzählten Sie, wie es Ihnen damit geht: Sie sind verärgert. Und damit geben Sie Paul die Chance zu verstehen, was passiert ist (denn er war ja krank und hat es nicht mitbekommen) und darauf zu reagieren. Mit der Vereinbarung schaffen Sie die notwendige Klarheit, wie in Zukunft diese Verärgerung vermieden werden kann. Und im zweiten Schritt öffnen Sie den Raum, ins Gespräch zu kommen und vielleicht herauszufinden, was die Beweggründe für Paul sind, so zu handeln, wie er bisher gehandelt hat (häufige Ausfälle, nicht mitteilen, wie der Stand der Aufgabe ist). Die Situation zeigt, dass mein Gegenüber häufig gar nicht mitbekommt, dass sein oder ihr Verhalten etwas bei Ihnen ausgelöst hat, dass bei Ihnen etwas aus dem „Unterwasserbereich des Eisbergmodells“ berührt hat, ein Bedürfnis, ein Interesse, einen Wert oder etwas anderes verletzt hat. Indem ich dies transparent mache, schaffe ich den Raum und damit die Möglichkeit, dies als Gegenüber zu realisieren. Eine Voraussetzung dafür ist, dass ich mir dessen bewusst bin, dass hier etwas verletzt wurde. Und dafür braucht es diesen Raum, von dem Viktor Frankl spricht. Den Raum, einen Augenblick innezuhalten, bei sich zu bleiben und sich Gedanken zu machen, was hier gerade passiert-- in mir und mit mir. Den Raum aufspannen Und dafür benötige ich eine entsprechende Atmosphäre und den Raum, so etwas tun zu können. Mit der Variante 2 aus dem obigen Beispiel spannen Sie einen derartigen Raum auf. Indem Sie als Vorbild vorangehen und eine Kommunikationsform (vor-)leben, die eine offene Aussprache erlaubt. Indem Sie die Zeit einräumen, einander zuzuhören, das Gehörte zu betrachten und offen darüber zu sprechen, wie es einem mit der jeweiligen Situation geht. Dazu bedarf es Vertrauen. Und genau das bauen Sie auf, indem Sie als Beispiel, als Vorbild vorangehen. Und indem Sie überlegen, was sie tun können, um dem Gegenüber zu helfen, die Situation aus Ihrer Sicht zu sehen und so zu handeln, dass diese Situation zukünftig vermieden wird. Modelle und Methoden einsetzen zur Konfliktlösung Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, mit bestehenden Konflikten umzugehen. Ein Modell, welches ich gerne einsetze in Teamkonflikten und auch in der Konfliktprävention, ist das Riemann-Thomann-Modell. Menschen zeigen in ihrem Verhalten unterschiedliche Grundausrichtungen in unterschiedlicher Ausprägung. Die nach Riemann und Thomann vier Grundausrichtungen verhalten sich gegensätzlich zueinander. Die Menschen zeigen meistens zwei Richtungen bzw. Bedürfnisse oder auch nur eine, die maßgeblich für ihr Empfinden und Verhalten sind und damit auf ihre Kommunikation und Beziehung zu anderen Menschen Einfluss haben. [3] Die Teammitglieder sich innerhalb des Riemann-Thomann- Kreuzes aufstellen zu lassen, kann sehr aufschlussreich sein: in Hinblick auf die Teamzusammensetzung und auf Konflikte. Teamzusammensetzung: • Ein Bereich wird durch das Team nicht „abgedeckt: Wie geht das Team damit im Alltag um? Springt hier immer jemand ein, um diese Lücke zu füllen? Sorgt dieses Fehlen für Konflikte oder Reibereien? Abbildung 2: Indem ich transparent und klar meine Sichtweise kommuniziere, öffne ich einen Raum, in dem sich meine Gesprächspartner sicher fühlen, sich ebenfalls öffnen und (wieder) Vertrauen fassen Wissen | Konflikte in Projekten - Bremse oder Katalysator? 42 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0024 • Ein Bereich ist „überbelegt“: Wie fühlen sich die Teammitglieder in diesem Bereich? z. B. beengt oder wohl? • Die erste Situation kann dafür sorgen, dass sich jede*r freizustrampeln versucht und es dadurch leicht zu Konflikten kommen kann. Es bedarf an dieser Stelle vielleicht eine sehr klare und transparente Abgrenzung, die bisher fehlt. • Im zweiten Fall kann es sein, dass das Team wenig Veränderungsbereitschaft zeigt und sich damit nicht entwickelt. Konfliktbearbeitung: • Einzelne Teammitglieder stellen die Kolleg*innen so hin, wie diese Person es sieht. Häufig sehen sich die Personen in der Eigenansicht anders als in der Fremdansicht. Dies eröffnet Raum zum Austausch. • Es kann auch sein, dass Teammitglieder sich an eine Stelle innerhalb des Kreuzes aufstellen, die sie innehaben im Team, die jedoch nicht ihren Bedürfnissen entsprechen. Man kann die Teammitglieder sich auch so aufstellen lassen, wie sie es gerne hätten. • Auch die Punkte aus der Teamzusammensetzung dienen hier zur Konfliktbearbeitung. Wenn Unter- oder Überrepräsentanz vorhanden sind, gibt es ein Ungleichgewicht, dass zu Konflikten führen kann. Welcher Weg für welchen Konflikt Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, Konflikte zu vermeiden und Konflikte zu bearbeiten. Ich als Vorbild Ich kann mein Verhalten ändern und einen bestimmten Rahmen setzen. Ich habe vor einiger Zeit Menschen in einem Training begleitet, die es gewohnt sind, körperlich zu arbeiten. Das Training war interaktiv gestaltet und Ergebnisse aus Gruppenarbeiten wurden an der Metaplanwand gemeinsam besprochen. Für mich ist es nicht selbstverständlich, dass diese Menschen sich nach vorne stellen und etwas präsentieren. Ich habe dies wertgeschätzt und mich bei jedem Einzelnen bzw. der jeweiligen Gruppen bedankt. Nach zwei Tagen wechselte der Trainer und ich durfte die Gruppe weiterhin als Hospitantin begleiten. Ein Unterschied im Training war, dass sich der Trainer bei den Teilnehmenden nicht bedankte. Und da passierte etwas in meinen Augen wundervolles: Als ein Teilnehmer, der auch bei mir im Training sehr still war, etwas vortrug, sagte ein anderer Teilnehmer: „Das hast Du toll gemacht“ und hat geklatscht. Und beim nächsten Vortragenden klatschte die gesamte Gruppe. Was war passiert? Die Teilnehmer hatten meine Wertschätzung wahrgenommen und als angenehm empfunden. Als dies nicht mehr erfolgte, ergriffen sie die Initiative. Sie übernahmen Eigenverantwortung und sorgten für sich selbst. Indem ich also als Vorbild agiere, indem ich mir überlege, was ich ändern kann, wirke ich nach außen. Das dauert manches Mal ein wenig. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es funktioniert. Und „Danke“ sagen ist eine kleine Geste, die sich schnell in den Alltag einbauen lässt und die meine Wertschätzung zeigt. Abbildung 3a: Riemann-Thomann-Modell: Riemann-Thomann-Kreuz mit Ausprägungen Abbildung 3b: Riemann-Thomann-Modell: Team mit „Unterbelegung“ im Riemann-Thomann-Kreuz Abbildung 3c: Riemann-Thomann-Modell: Team mit „Überbelegung“ im Riemann-Thomann-Kreuz Wissen | Konflikte in Projekten - Bremse oder Katalysator? 43 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 35. Jahrgang · 02/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0024 Gemeinsame Gestaltung des Zusammenarbeits- Raumes Wie das Beispiel oben mit dem Ausfall von Paul zeigt, sind in der Zusammenarbeit Vereinbarungen hilfreich. Ich baue ein Verständnis dafür auf, was mein Gegenüber braucht, um mit mir gut zusammenzuarbeiten. Und gemeinsam getroffen ist die Verbindlichkeit einer Vereinbarung hergestellt. Denn wenn die Vereinbarung gemeinsam erarbeitet ist und ich mich darin wiedererkenne, halte ich mich eher daran, als wenn jemand anderes es vorgibt. Mediation Und manches Mal reicht das nicht aus. Dann braucht es eine Mediation. Ein Schritt davor ist eine Konfliktmoderation. Bevor ich als Projektleitung einen Konflikt moderiere, stelle ich mir die Frage, inwieweit ich Betroffene bin. In einer Supervision erzählte eine Führungskraft, dass sie einen Konflikt zwischen zwei Mitarbeitenden mediierte und es stellte sich heraus, dass durch eine andere Form der Führungsarbeit der Konflikt gelöst werden könnte. Damit war sie Teil des Konfliktsystems. Sowohl bei der Moderation als auch der Mediation ist Allparteilichkeit eine notwendige und hinreichende Voraussetzung. Und Allparteilichkeit ist nicht gleich unparteiisch. Als Mediatorin sorge ich dafür, dass alle Konfliktparteien ausreichend Gehör finden, dass sie einen geschützten Raum bekommen, in dem sie davor bewahrt werden, verletzt zu werden, in dem sie die Möglichkeit haben, zu sprechen, miteinander zu sprechen und die Sprechanteile ausgeglichen sind- - nicht im mathematischen Sinne, sondern für die Beteiligten ausgeglichen. Wenn ich also das Gefühl habe, diese Allparteilichkeit nicht herstellen und wahren zu können, ist es sinnvoll, eine externe Person hinzuzuziehen. Mediation schafft den Raum für die Konfliktparteien, aus einer anderen Perspektive auf den Konflikt zu schauen und Lösungen zu erarbeiten, die alle Seiten bereit sind zu tragen und zu leisten. Fazit Wenn Menschen zusammenarbeiten, dann „menschelt“ es. Ich kann das als störend und hinderlich betrachten. Und ich kann es als sinnvoll und hilfreich betrachten. Ein Konflikt kann eine enorme Kraft entwickeln. Und es lohnt sich, diese aufzugreifen. Wenn ich damit bewusst arbeite, kann ich diese Kraft besser steuern und dort einsetzen, wo sie mir hilft, das Projekt stabil zu halten. Ich bleibe damit in der Handlungsfähigkeit und schaffe damit einen Raum des Vertrauens, den es braucht, um ein Miteinander zu gestalten Abbildung 4: Die Kraft eines Konfliktes aufzugreifen und bewusst damit zu arbeiten, sichert die eigene Handlungsfähigkeit und den Projekterfolg Irene Timmers Irene Timmers ist zertizierte Mediatorin, Projektmanagerin und Systemischer Coach sowie Agile Coach Mit ihrem Unternehmen Balanceakt (www.balanceakt.life) unterstützt sie Unternehmen und Menschen, in der heutigen Zeit neue Wege zu gehen und Hindernisse wegzuräumen-- mit dem Ziel, dass die Menschen zukünftig selbstständig den Balanceakt schaffen und Ihr Leben wieder farbenfroh ist. und zu entwickeln. Mit jedem gelösten Konflikt, mit jeder gemeinsamen Vereinbarung erweitere ich diesen Raum des Vertrauens und damit den Projekterfolg. Literatur [1] Die Mediation, 04 / 2023, Timmers, Irene: Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne-- Mediation in der Konfliktbewältigung, S. 36-39 [2] https: / / www.aphorismen.de / zitat / 72 505, https: / / gutezitate.com / zitat / 146 403 [3] Das Quartett der Persönlichkeit: Das Riemann-Thomann- Modell in Beziehungen und Konflikten Eingangsabbildung: © iStock.com / fizkes Fotos: Irene Timmers
