PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Vertrauen durch Qualität: Nachhaltige Projektprozesse des Swiss TPH
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Kristina Pelikanhttps://orcid.org/0000-0001-8289-894X
Helen Prytherchhttps://orcid.org/0000-0002-6999-5718
Jakob Zinsstaghttps://orcid.org/0000-0002-8899-6097
Rea Tschopp
Michael Käserhttps://orcid.org/0000-0001-8673-7238
Marco Waser
Tätig in der Schweiz, Europa und mit einem Fokus auf Länder mit niedrigen und mittleren Einkommen wirbt das Schweizerische Tropen- und Public Health-Institut als ein weltweit führendes Institut im Bereich der globalen Gesundheit knapp 80 Prozent seines Gesamtbudgets kompetitiv ein. Eine Kernkompetenz der 995 Mitarbeitenden im Headquarter und im Ausland stellt die Projektarbeit dar – in verschiedenen Projekttypen von Innovation über Validierung bis zur Anwendung. Am Beispiel des Forschungsprojekts im Bereich One Health wird die konkrete Anwendung des internen Projektlebenszyklus aufgezeigt. Obwohl er alternative Subprozesse zulassen muss, ist er dennoch ein sehr aktiver und erfolgreich gelebter Prozess des Swiss TPH, der Qualität schafft und damit Vertrauen: Wirkungsvolle Projekte sind die beste Voraussetzung für nachhaltigen Erfolg.
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33 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 04/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0066 Projektmanagement als Kernkompetenz Vertrauen durch Qualität: Nachhaltige Projektprozesse des Swiss TPH Kristina Pelikan, Helen Prytherch, Jakob Zinsstag, Rea Tschopp, Michael Käser, Marco Waser Für eilige Leser | Tätig in der Schweiz, Europa und mit einem Fokus auf Länder mit niedrigen und mittleren Einkommen wirbt das Schweizerische Tropen- und Public Health-Institut als ein weltweit führendes Institut im Bereich der globalen Gesundheit knapp 80 Prozent seines Gesamtbudgets kompetitiv ein. Eine Kernkompetenz der 995 Mitarbeitenden im Headquarter und im Ausland stellt die Projektarbeit dar-- in verschiedenen Projekttypen von Innovation über Validierung bis zur Anwendung. Am Beispiel des Forschungsprojekts im Bereich One Health wird die konkrete Anwendung des internen Projektlebenszyklus aufgezeigt. Obwohl er alternative Subprozesse zulassen muss, ist er dennoch ein sehr aktiver und erfolgreich gelebter Prozess des Swiss TPH, der Qualität schafft und damit Vertrauen: Wirkungsvolle Projekte sind die beste Voraussetzung für nachhaltigen Erfolg. Schlagwörter | Projektlebenszyklus, Qualitätsdimensionen, Impact, Nachhaltigkeit Knapp 80 Prozent des Gesamtbudgets des Swiss TPH mit 995 Mitarbeitenden und Studierenden aus 96 Nationen werden kompetitiv eingeworben-- mit Forschungs-, Lehr- und Anwendungsprojekten (Swiss TPH Jahresbericht 2024 ) . Das Akquirieren und Umsetzen von Projekten gehört damit zu den Kernprozessen des Swiss TPH, Projektmanagement stellt eine der Kernkompetenzen dar. 1. Der Projektlebenszyklus Der folgend beschriebene Projektlebenszyklus bezieht sich nur auf Projekte, für die externe Mittel eingeworben werden, nicht auf Projekte der Administration und interne Organisationsentwicklungsprojekte. In der Wissenschaft gibt es zwei gegensätzliche zeitliche Logiken bezüglich der Dauer von Projekten: Projektzeit und Prozesszeit. Die tatsächliche Projektzeit wird durch die verschiedenen Projektaktivitäten bestimmt, die im Projektantrag geplant sind und zu Projektergebnissen führen. Die Projektzeit beginnt mit der Annahme des Projektantrags und endet mit dem offiziellen Ende des Projekts, das in der Regel mit dem Ende der Förderung gleichzusetzen ist. Die Prozesszeit beginnt bereits- - zum Teil lange- - vor der Einreichung des Projektantrags, mit der Ansammlung von Wissen und Fragestellungen, der Kapitalisierung vorheriger Projekte und vertiefter Recherche für die Antragsentwicklung. Verschiedene, nicht im Projektantrag enthaltene Ereignisse können das Projekt und seine Laufzeit beeinflussen. Diese und das endgültige Ende des Projekts (nach dem Publizieren aller Projektresultate und der Archivierung) ergeben den Unterschied zwischen der Projektzeit und der Prozesszeit. Die tatsächliche Prozesszeit ist an die Projektumstände angepasst (Pelikan 2019). Der Projektlebenszyklus des Swiss TPH beginnt mit der obligatorischen „Notice of Intent (NoI) to the Directorate“, mit der Go / No-go Decision, gefolgt vom Subprozess „Acquisition“, bestehend aus Projektdesign, Auswahl der Projektbeteiligten, Budgeterstellung und Einreichen des Projektantrags. Vor der Bewilligung eines Projektes steht dem Projekt kein Budget zur Verfügung. Ab der Einreichung der NoI ist es für die Projektleitenden möglich, Unterstützung der dem Swiss TPH Direktorat unterstellten Project and Grant Unit (PGU) zu erhalten. Die PGU hat zum Ziel, Forschende und Projektleitende des Wissen | Vertrauen durch Qualität: Nachhaltige Projektprozesse des Swiss TPH 34 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 04/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0066 Swiss TPH bei der strategischen Ausrichtung der Projekte, der Aufrechterhaltung der Schnittstelle mit den Geldgebern und der Entwicklung von Forschungsförder-Anträgen zu beraten und unterstützen, unter Anwendung ihres Erfahrungswissens. Die PGU unterstützt in wissenschaftlicher, administrativer und rechtlicher Hinsicht die Projektleitung, um die Qualität der institutionellen Projekte in allen Phasen hochzuhalten. Parallel dazu erfolgt eine erste Risikoabschätzung in Form einer Plausibilitätsanalyse für benötigte interne Ressourcen und externe Qualitätsanforderungen. Zur Sicherstellung, dass diese neue Projektidee im Einklang mit der Institutsstrategie ist, wird der Bezug zu den strategischen Zielen dargelegt. Die NoI wird direkt in die Swiss TPH Projektdatenbank eingetragen und stellt somit den Beginn der Projektdokumentation am Swiss TPH dar. Die NoI wird von der Institutsleitung genehmigt, eventuell mit Auflagen oder Empfehlungen versehen oder abgelehnt, was für Transparenz sorgt und internen Wettbewerb vermeidet. Basierend auf der genehmigten NoI wird ein qualitativ hochwertiger Projektantrag erstellt. Dieser Entwicklungsprozess unter Beteiligung verschiedenster Kompetenzen ist entscheidend, um den Kundenbedürfnissen bei der Akquisition gerecht zu werden, was die Chancen zur Bewilligung maximiert. In Zeiten der Entkolonialisierung und des modernen Projektmanagements ist es üblich, sich von Anfang an auf einen Co-Creation-Prozess einzulassen: Projekte werden nicht mehr von der Schweiz aus top-down konzipiert- - unsere langjährigen und neuen Partner, die in der Alltagsrealität des betreffenden Landes verwurzelt sind, fungieren als Schlüssel für die Entwicklung relevanter Vorschläge in den aktuell turbulenten Zeiten des Wandels. Das Swiss TPH verfügt über ein umfangreiches Netzwerk von akademischen und Umsetzungspartnern auf der ganzen Welt und arbeitet mit ihnen zusammen an ehrgeizigen, aber realisierbaren Innovationen, um die Spitzenforschung weiter voranzutreiben. Hierbei ist ein gegenseitiges Lernen auf Augenhöhe für Veränderungen über Kontexte und Kontinente hinweg essenziell. Verschiedene Anwendungsprojekte gehen einen weniger digitalen Weg mit einem wöchentlichen „Tender-Meeting“ unter Beteiligung aller Einheitsleitenden. Diese analysieren die Möglichkeiten für neue Projekteingaben und entscheiden gemeinsam, welche Projektanträge entwickelt und eingereicht werden. In diesem alternativen Subprozess wird keine NoI erstellt. Dieses Vorgehen ist oft ressourcenschonender, auf diesen alternativen Einstieg in den Projektprozess folgen jedoch die gleichen Projektphasen des hier beschriebenen Projektlebenszyklus. Sobald ein Projektantrag von den Geldgebern angenommen wird, beginnt der Subprozess „Inception“ mit Vertragsverhandlungen, Eröffnung von Projektkostenstellen, Anschaffungen von Betriebsmitteln und der Einstellung von Projektmitarbeitenden sowie die Durchführung oder Aktualisierung von Risiko- oder Kapazitätsbewertungen der Partner und die Erstellung eines Projekthandbuchs, das die Umsetzung eines Projekts nach hohen administrativen und technischen Standards unter Einhaltung der nationalen Gesetzgebung des betreffenden Landes und der Anforderungen des Swiss TPH Headquarters regelt. Dieser Ansatz stellt sicher, dass Fragen, wie die Aufschlüsselung nach Geschlecht und Alter (Jugendliche / Nicht-Jugendliche) sowie Inklusionsaspekte, wie die Einbeziehung von Menschen mit Behinderungen oder Menschen, die anderen Schwachstellen ausgesetzt sind (z. B. Binnenvertriebene oder Flüchtlinge, die möglicherweise keine offiziellen Papiere haben), ausreichend berücksichtigt werden. Swiss TPH spielt hier eine Schlüsselrolle, um sicherzustellen, dass seine Arbeit keinen Schaden anrichtet und dass alle, die sich für das Projekt engagieren, nicht ungewollt in der Öffentlichkeit sichtbar werden oder weiteren Risiken ausgesetzt sind. Die Projektphase „Realisation“ beschäftigt sich mit dem Management der Grants mit jährlichen partizipativen Planungsworkshops, Arbeitsplänen, Monitoring, technischen und Abbildung 1: Projektlebenszyklus am Swiss TPH-- Projektmanagement bildet als iterativer Prozess den Kern des Projektlebenszyklus und unterstützt als Rückgrat die Prozesse aller Projektphasen Wissen | Vertrauen durch Qualität: Nachhaltige Projektprozesse des Swiss TPH 35 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 04/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0066 finanziellen Reports, die in der Projektdatenbank für Sichtbarkeit und Controlling dokumentiert werden. Für das Überprüfen der Projektfortschritte wird ein Beirat mit externen Beteiligten, ein Lenkungsausschuss oder eine andere Leitungsstruktur eingesetzt, um Berichte zu genehmigen und Fortschritte zu ermöglichen. In der Phase der „Capitalisation“ werden die Projektergebnisse für möglichst bedeutende Wirkung zielgruppenspezifisch kommuniziert: Publikationen, Policy Briefs, Vorträge- - aber auch Videos, Theaterstücke und Kurzberichte für Entscheidungstragende. Die Kapitalisierung eines qualitativ hervorragenden Projekts ist die beste Voraussetzung für eine erfolgreiche Bewerbung um ein neues Projekt. Zuletzt folgt der Subprozess „Archiving / Reuse“: Projektleitende sind gesetzlich verpflichtet, bestimmte Teile abgeschlossener Projekte mindestens 10 Jahre nach Vertragsende aufzubewahren. Forschungsdaten werden möglichst auf entsprechenden Plattformen publiziert und somit für alle Projektbeteiligte und andere Forschende verfügbar gemacht. Alle diese Schritte werden in der Projektdatenbank dokumentiert, zuletzt werden die im Rahmen des Projektes entstandenen Publikationen und Daten mit dem Projekt verlinkt. Projektergebnisse und auch während des Projektes entstandene Ideen, Erfahrungen und Lessons Learned werden für künftige NoIs verwendet. Entgegen den häufig verwendeten linearen Projektprozessen (beispielsweise Hermes online) wird am Swiss TPH ein nachhaltiger Projektlebenszyklus gelebt. Ab der Realisierungsphase werden Erkenntnisse gewonnen, die eine essenzielle Grundlage für das Erwerben von Folgeprojekten darstellen. Der Effizienz verpflichtet, werden auch Erkenntnisse nicht angenommener Projektanträge für Folgeanträge verwendet. 2. Projektqualität Die Qualität der Projekte wird basierend auf dem magischen Dreieck (Atkinson 1999), bestehend aus den Parametern Zeit, Budget und Umfang betrachtet. Wird ein Parameter verändert, bedarf dies Änderungen an den anderen Parametern, um weiterhin die Qualität aufrechtzuerhalten. Beispielsweise führt eine Kürzung des Budgets ohne Anpassung von Zeitplan und Umfang zu einer Verschlechterung der Qualität. Nur qualitative hochwertig durchgeführte und erfolgreich abgeschlossene Projekte führen zur Finanzierung von Folgeprojekten. Der große Anteil an kompetitiv eingeworbenem Institutsbudget verpflichtet das Swiss TPH dazu, sich stark an den Anforderungen seiner verschiedenen Geldgeber zu orientieren. Einerseits sind dies direkte Auftraggeber, beispielsweise der Global Fund, der konkrete Projekte in Auftrag gibt. Andererseits ist es auch die öffentliche Gesellschaft, deren Bedürfnisse und Schwierigkeiten Grundlagen für verschiedene Forschungsförder-Programme darstellen, auf die sich Forschende mit Projektvorschlägen bewerben. Ein qualitativ hochwertiges Projekt hält nicht nur die Vorgaben bezüglich Zeit und Budget ein, sondern begeistert auch durch Übertreffen inhaltlicher Anforderungen der jeweiligen Geldgeber und anderer Stakeholder. Mit (mehrheitlich) öffentlichen Geldern erarbeitetes Wissen muss auch öffentlich zugänglich sein. Die Projektergebnisse werden an unterschiedliche Zielgruppen kommuniziert. Am Swiss TPH geschieht dies nicht nur durch hochwertige Publikationen in anerkannten Fachzeitschriften, die Qualität der Veröffentlichung von Projektergebnissen zeigt sich auch im Impact auf verschiedenen anderen Ebenen. Durch seinen hohen Qualitätsanspruch bei der Antragserstellung sowie das Kundenversprechen, neue wissenschaftliche Erkenntnisse in die Validierung und Anwendung zu bringen, erreicht das Swiss TPH bei verschiedenen Geldgebern eine überdurchschnittliche Erfolgsquote. 3. Projektbeispiel Jigjiga One Health Initiative Die Jigjiga One Health Initiative (JOHI) ist ein von der schweizerischen Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) finanziertes, auf 12 Jahre (2015-2026) angelegtes Forschungs- und Umsetzungsprojekt zur Verbesserung der operativen Gesundheitsforschung und der Entwicklungskapazitäten in Äthiopien. Die besonderen Bedürfnisse von nomadischen Pastoralistengemeinschaften werden bei öffentlichen Dienstleistungen oft benachteiligt. Dies ist auch im Gesundheitssek- Abbildung 2: Eintrag in der Projektdatenbank (Ausschnitt) Wissen | Vertrauen durch Qualität: Nachhaltige Projektprozesse des Swiss TPH 36 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 04/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0066 tor der Fall, daher wird hier ein regionales One-Health-Kompetenzzentrum aufgebaut mit dem Ziel, die Gesundheit und das Wohlbefinden der Pastoralistengemeinschaften am Horn von Afrika zu verbessern (Zinsstag et al. 2021). Akquise Aufgrund der Fachkenntnisse der Projektleitung im Bereich One Health hat das Swiss TPH den Zuschlag für dieses Projekt erhalten. JOHI wird zu gleichen Teilen vom Swiss TPH und den Partnern, Jigjiga Universität (JJU) und Armauer Hansen Research Institute (AHRI) in Addis Abeba durch Sacheinlagen und andere Eigenmittel finanziert. Hierfür werden von allen Projektleitenden kontinuierlich kleinere Anträge, um die Anforderung an die Eigenleistung zu erfüllen. Dieses Projekt durchläuft den gezeigten Projektlebenszyklus also für jede Projektphase erneut, lernt aus den vergangenen Projektphasen und gewinnt stets neue Grundlagen für weitere Projekte. Auf den durch die Institutsleitung genehmigten NoI folgte der Projektantrag und die Erweiterung des Eintrags in der Projektdatenbank. Neben der strategischen Einbettung wurde u. a. auch der Bezug zu den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen (SDG) dokumentiert. Da im Laufe des Projektes auch Master- und Promotionsstudierende ausgebildet werden, sind auch diese Aktivitäten vermerkt. Die Projektdatenbank erhält jeweils den aktuellen Status des Projektes. Realisierung Das JOHI Projekt wird unter Berücksichtigung der Project Cycle Management Guidelines der Europäischen Kommission (EC 2004) und des Leitfadens der Schweizer Kommission für Forschungspartnerschaften mit Entwicklungsländern (KFPE 2012) durchgeführt. In intensiven Gesprächen erreichten die Projektbeteiligten ein gemeinsames Verständnis zur Durchführung des Projektes nach internationalen und nationalen Standards der involvierten Länder- - beispielsweise mit halbjährlichen Lenkungsausschusssitzungen, an denen alle Akteure des Gesundheitswesens auf regionaler und föderaler Ebene teilnehmen. Außerdem gibt es vierteljährliche Fachausschüsse. Durch den angewandten, partizipatorischen Ansatz trafen sich Pastoralistengemeinschaften, Beteiligte von Distrikten, Regionen und Bundesstaaten, WissenschaftlerInnen und Nichtregierungsorganisationen (NRO) zu gemeinsamen Workshops. Einem transdisziplinären Prozess folgend, wurden alle sozialen Herausforderungen, die einer Lösung bedürfen, von den Pastoralistengemeinschaften gesammelt und von den Projektmitarbeitenden nach Dringlichkeit priorisiert. Das Gleichgewicht zwischen den Bedürfnissen / Prioritäten der Gemeinschaft, den Prioritäten der Regierung und den wissenschaftlichen Fragestellungen steht hierbei im Fokus. Basierend auf ihren unterschiedlichen nationalen und fachlichen Hintergründen (Tiermedizin, Humanmedizin, Ernährungswissenschaft, Soziologie, Anthropologie, Ökologie, öffentliche Gesundheit usw.) führen die Projektmitarbeitenden die Feldforschung in der Somali-Region Äthiopiens mit einem integrierten One Health-Ansatz durch, wodurch ein Mehrwert für Mensch und Tier erreicht wird. Diese Art der wissenschaftlichen Arbeit in einem solchen Projektprozess, dessen Zusammensetzung sich je nach Projektphase ändert und der von den beteiligten Projektpartnern geprägt ist, ist ohne kommunikative Effizienz nicht zu realisieren (Pelikan und Zinsstag 2024). Die folgende Abbildung zeigt die Managementstruktur von JOHI in den ersten Projektphasen, in denen das Projektmanagement (Line Manager, Backstopping und Coaching) von der Projektleitung am Swiss TPH durchgeführt wurde-- zusammen mit einem Projektkoordinator, der sowohl am Swiss TPH als auch an der JJU arbeitete. Seit der zweiten Projektphase wird die Feldforschung von der JJU geleitet, daraufhin wurde die Managementstruktur angepasst: JJU übernahm die Leitung als JOHI-Koordinator. Der ursprüngliche Vertrag zwischen DEZA und JOHI wurde in separate Verträge zwischen der DEZA mit der JJU und dem Swiss TPH aufgeteilt. Darin konzentriert sich das Swiss TPH auf das Backstopping und das Coaching mit separater Buchhaltung und Rechnungsprüfung. Die übrige, in Abbildung 3 gezeigte Organisationsstruktur, bleibt gleich. Kapitalisierung und Impact Die Kapitalisierung dieses Projektes beinhaltet nicht nur wissenschaftliche Publikationen (wobei hier besonders auf die Positionierung der äthiopischen Beteiligten als Nachweis ihrer wissenschaftlichen Exzellenz geachtet wurde), die Einbettung in die akademische Lehre und Fach-Vorträge, sondern auch Beiträge in Somalisch und ein Handbuch zu One Health für Äthiopien, das ins Somalische und Amharische übersetzt wird. Abbildung 3: Managementstruktur des JOHI-Projektes Wissen | Vertrauen durch Qualität: Nachhaltige Projektprozesse des Swiss TPH 37 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 04/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0066 Während sich die erste Phase auf Ausbildung und operative Forschung konzentrierte, liegt der Schwerpunkt der zweiten Phase auf dem politischen Dialog und Intervention. Die Projektbeteiligten verfassen Grundsatzpapiere, führen einen politischen Dialog auf nationaler und regionaler Ebene und entwickeln mittel- und langfristige politische Strategien. Erfolgreiche Forschungsresultate sollen auf den ganzen Somali Regional Staat (SRS) oder auch darüber hinaus angewandt werden. Zum Beispiel wird das integrierte Überwachungs-Reaktionssystem für Menschen, Tiere und Umwelt (Osman 2023) gegenwärtig auf weite Gebiete des SRS ausgeweitet und auch im Grenzgebiet von Äthiopien und Kenia, mit Mitteln der Daimler-Benz Stiftung getestet. JOHI trug mit einer Teilfinanzierung zum Bau eines neuen Schlachthofs in Gode (SRS) bei. Ebenso wurde ein lokales Labor aufgebaut, das künftig autark vor Ort betrieben wird. Diese nachhaltige Kapitalisierung ist der Kern dieses Projektansatzes. Archivierung und Wiederverwendung Das JOHI-Projekt ist noch nicht abgeschlossen, jedoch werden bereits Erkenntnisse aus jeder Phase in die nächste Phase (deren Finanzierung jeweils neu beantragt werden musste) übertragen. Eine Kopie aller Projektdaten bleibt zur Archivierung und Wiederverwendung bei den Projektpartnern in Äthiopien. Das Projekt wurde im Auftrag der DEZA zweimal extern evaluiert, die Evaluationsberichte trugen zu gewissen Anpassungen und Neuausrichtungen bei. Zahlreiche Krisen durch politische Unruhen, Dürreperioden und die Covid-19-Pandemie beeinflussen den Projektverlauf. Unerwartet wichtig waren häufige Wechsel in den äthiopischen Regional- und Bundesbehörden, in der Leitung der JJU aber auch der DEZA selbst bei gleichbleibender Projektleitung seitens des Swiss TPH und des Koordinators der JJU. Dabei ging viel institutionelles Wissen verloren, das neu aufgebaut werden musste. 4. Projektprozesse mit flexibler Anwendung Der am Swiss TPH gelebte integrierte Ansatz, mit globaler Reichweite von Innovation über Validierung bis zur Anwendung effektiv zu agieren, ist ohne erfolgreiches Projektmanagement nicht nachhaltig realisierbar. Der beschriebene Projektprozess muss im Einklang mit der institutionellen Gesamtstrategie, Umsetzung und Führung sein (Waser et al. 2021). Allerdings müssen die Prozesse auch für heterogene Projektteams umsetzbar sein, die zum einen international, zum anderen intrabis transdisziplinär agieren. In diesem Zusammenhang ist zuweilen eine Nichteinhaltung von Prozessen unausweichlich. Beispielsweise werden manche Fördermöglichkeiten sehr kurzfristig publiziert (oder spät gesehen), sodass der reguläre Ablauf eine Eingabe verhindern würde. Ebenfalls kommen Anfragen von externen Projektpartnern zur aktiven Teilnahme an Projektanträgen zuweilen später als im internen Prozessablauf vorgesehen, oder zusätzliche wissenschaftliche Disziplinen und weiterführende Expertise müssen kurzfristig herangezogen werden. Sollen aus strategischen Gründen solche Gelegenheiten nicht ausgelassen werden, muss der beschriebene Projektlebenszyklus mit seinen Abläufen genügend Flexibilität bieten. Auch wenn das Swiss TPH großen Wert auf seine Kernprozesse und Subprozesse legt, um den institutionellen Qualitätsanforderungen zu genügen, wird Flexibilität für manche Projektphasen, wo notwendig, gelebt. 5. Literatur [1] Swiss TPH Jahresbericht 2024, https: / / issuu.com / communications.swisstph / docs / swiss_tph_jahresbericht_2024" (Stand 25. 06. 2024). [2] Hermes, Bundeskanzlei, Digitale Transformation und IKT-Lenkung, https: / / www.hermes.admin.ch / de / projektmanagement / methodenueberblick.html (Stand 25. 06. 2025). [3] Pelikan, Kristina: Enhancing and analysing project communication. Berlin, Frank & Timme 2019. [4] Zinsstag, Jakob; Gobu, Lensse; Tschopp, Rea; Abdikadir, Mohammed Ibrahim: The Jigjiga One Health Initiative. Swiss TPH Impact Story 06. 07. 2021. Basel, Swiss TPH. [5] European Commission, EuropeAid Cooperation Office: Aid Delivery Methods-- Project Cycle Management Guidelines. Brüssel 2019. [6] Kommission für Forschungspartnerschaften mit Entwicklungsländern (KFPE): Leitfaden für grenzüberschreitende Forschungspartnerschaften, Bern, KFPE 2012.[7] Osman, Yahya; Zinsstag, Jakob; Abtidon, Rahma; Hattendorf, Jan; Crump, Lisa; Wali, Halane; Mo’alin, Ahmed; Muhumed, Abdifatah; Tschopp, Rea. Operationalizing a communitybased One Health surveillance and response in Adadle district of Ethiopia. In: CABI One Health 2: 1 / 2023: 12. [8] Atkinson, Roger: Project management: cost, time and quality, two best guesses and a phenomenon, its time to accept other success criteria. In: International Journal of Project Management 17: 6 / 1999, 337-342. [9] Pelikan, Kristina; Zinsstag, Jakob: Sind WissenschaftlerInnen Experten oder Laien? Wissenschaftskommunikation bei transdisziplinärer Zusammenarbeit. In: Busch Albert; Luttermann Karin (Hrsg.): Professionskommunikation. Hildesheim, Universitätsverlag 2024, 99-120. [10] Waser, Marco; Beatrice-Matter, Sabina; Utzinger, Jürg: Durchgängiger Strategieprozess als Erfolgsfaktor einer exzellenten Organisation. In: Management und Qualität, 01-02 / 2021,1-3. Eingangsabbildung: © iStock.com / SilverV Das Schweizerische Tropen- und Public Health-Institut (Swiss TPH) Als weltweit führendes Institut im Bereich der globalen Gesundheit fokussieren wir als Kernprozesse auf Akquise und erfolgreiche Umsetzungen von Projekten. Basierend auf der einzigartigen Kombination von Forschung, Bildung und Dienstleistung wollen wir die Gesundheit und das Wohlbefinden verbessern, indem wir Krankheiten und Gesundheitssysteme besser verstehen und dieses Wissen für das Bewirken sichtbarer Veränderungen einsetzen. Unserem translationalen Ansatz folgend-- von der Innovation über die Validierung bis hin zur Anwendung-- arbeiten wir beispielsweise in der Reisemedizin und an der Bekämpfung von Ausbrüchen in der Schweiz, an globaler Gesundheitssicherheit in der Ukraine, bis hin zur Entwicklung und Bereitstellung neuartiger Diagnostika und Impfstoffen entsprechend globaler Anforderungen. Dies gelingt uns in 437 aktiven inter- und transdisziplinären Projekten in mehr als 126 Ländern (Swiss TPH Jahresbericht 2024 ), durch die wir die globale Gesundheit durch Innovation, Partnerschaften und praktische Anwendung fördern. Wissen | Vertrauen durch Qualität: Nachhaltige Projektprozesse des Swiss TPH 38 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 04/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0066 Dr. Kristina Pelikan Dr. Kristina Pelikan verbindet eigene Forschung mit täglicher Umsetzung, wobei ihr aktueller Arbeitsbereich das Wissensmanagement des Swiss TPH ist. Mit Fokus auf kontinuierlicher Verbesserung arbeitet sie an Prozessen des Wissensmanagement-Zyklus, parallel gehört sie zum Qualitätsmanagement-Team. Anschrift: kristina.pelikan@swisstph.ch Internet: www.swisstph.ch https: / / orcid.org / 0000-0001-8289 - 894X Dr. Helen Prytherch Dr. Helen Prytherch arbeitet an der Konzipierung, Vorbereitung, Umsetzung und Überwachung von diversen Projekten am Swiss TPH mit Schwerpunkt Stärkung von Gesundheitssystemen. Sorgt dafür, dass die Thematik Geschlecht und Inklusion in den diversen Projektprozessen integriert wird. https: / / orcid.org / 0000-0002-6999 - 5718 Prof. Dr. Jakob Zinsstag Als Professor für Epidemiologie leitet Jakob Zinsstag am Swiss TPH die Abteilung für Human- und Tiergesundheit. Er forschte acht Jahre in Gambia, Westafrika, und war vier Jahre lang Leiter des Centre Suisse de Recherches Scientifiques an der Elfenbeinküste. Er gilt als Pionier der inter- und transdisziplinären Forschung zu One Health. https: / / orcid.org / 0000-0002-8899 - 6097 Dr. Rea Tschopp Rea Tschopp ist One Health-Epidemiologin und hat einen veterinärmedizinischen Hintergrund im Bereich der öffentlichen Gesundheit. Als Leiterin der One Health-Forschungsgruppe am Swiss TPH und der One Health-Abteilung am Armauer Hansen Research Institute leitet sie das JOHI-Projekt. Dr. Michael Käser Michael Käser ist Wissenschaftler im Bereich Life Science und Infektionsbiologie. Er leitet die Project and Grant Unit, in der er im Rahmen von Forschungsanträgen und dem Management von großen und internationalen Verbundprojekten das Forschungsmanagement für das Swiss TPH etabliert hat. https: / / orcid.org / 0000-0001-8673 - 7238 Dr. Marco Waser Marco Waser leitet das Qualitätsmanagement, dies umfasst die Prozesse der Strategieentwicklung und -umsetzung sowie die Lebenszyklusprozesse von Forschungsprojekten. Er hat den Projektlebenszyklus und die entsprechende Projektdatenbank am Swiss TPH eingeführt und ist für Monitoring / Evaluation des gesamten Projektportfolios zuständig. Anschrift: marco.waser@swisstph.ch
