eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 36/4

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
10.24053/PM-2025-0075
pm364/pm364.pdf0922
2025
364 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Zurück in die Vergangenheit

0922
2025
Jens Köhler
pm3640068
68 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 04/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0075 Jens Köhler Ehrlich sieht Priesberg ganz aufgeregt aus einem Projekttreffen kommen. „Wir haben eben unser Projektportfolio geplant. In einem großen Event mit Ausblick auf das große Ganze. Eines ist klar: Auch kleine Projekte werden wir mit agilen Methoden bearbeiten“, legt Priesberg los. Ehrlich zuckt mit den Schultern. „Ich habe keine Lust auf eine weitere Diskussion über agile Methoden.“ Priesberg regt sich spürbar auf: „Ob man agile Methoden nutzt, ist doch eine Frage der Moral! “ Ehrlich ist wieder am Diskurs interessiert und grinst: „Wieso? “ „Wieso, wieso“, äfft ihn Priesberg nach, „wenn man die Welt retten will, dann sind doch agile Methoden ganz weit oben. Mit den alten Methoden erreicht man doch nichts mehr! Das hat uns doch dahin geführt, wo wir gerade sind! “ „Aha, jetzt geht es nicht mehr um dein Projektportfolio, sondern gleich um die Rettung der ganzen Welt. Deine Schlussfolgerung ist schon abenteuerlich: Weltrettung ist moralisch gut, alte Methoden retten die Welt nicht mehr, also sind sie böse.“ Ehrlich klatscht langsam in seine Hände. Er legt schnell nach: „Jetzt sage ich dir was: Es ist aus meiner Sicht unmoralisch, die Firma hängen zu lassen, nur um der Methoden wegen. Wenn ein Projekt nicht rechtzeitig fertig wird, weil man die ‚alten Methoden‘ nicht anwenden möchte, dann ist das aus meiner Sicht höchst unmoralisch.“ Priesberg kontert: „Vielleicht verstehst Du die Komplexität einfach nicht. Wer so denkt, gehört halt außerhalb des Diskurses gestellt.“ „Der moralische Hausgott“, spottet Ehrlich. „Jetzt haben wir schon zwei: Deine Weltrettung und meine Performance der Firma. Und wenn das nicht hilft, wird man einfach für zu dumm erklärt.“ Sie gehen eine Zeit lang schweigend auf dem Gang nebeneinander. Es scheint, dass jede Kommunikation überflüssig geworden ist. Ehrlich fragt nach einiger Zeit: „Um was geht es denn bei einem deiner kleinen Projekte? “ Priesberg antwortet: „Um eine einfache Datenbank, mehr nicht. Ein fertiges Anforderungsdokument-- ein Programmierer.“ Ehrlich bohrt nach: „Wer muss was bis wann erledigen, das ist doch die Grundformel. Und die kann man in diesem Projektchen sehr einfach beantworten. Und: Wozu dient denn die Datenbank überhaupt? “ „Damit sollen Stammdaten für größere Systeme gepflegt werden, die Schnittstellen dazu sind Teil des Projekts“, erläutert Priesberg. „Also liefert diese Datenbank offensichtlich einen Mehrwert, egal nach welcher Methode die Arbeiten organisiert werden, Hauptsache effizient, oder etwa nicht? “ fragt Ehrlich. „Ja“, sagt Priesberg kleinlaut. Ehrlich legt nach: „Und welche Bedeutung spielt in dieser Frage die Weltrettung? “ Priesberg antwortet wieder kleinlaut: „Keine“. „Für mich stellt sich eher die Frage, wie man aus solchen absurden Meta-Diskussionen herauskommt oder erst gar nicht hineingelangt“, spricht Ehrlich mehr zu sich selbst. „In dem man die Sachebene anspricht und auf die absurde Metaebene verweist“, gibt Priesberg zu. „Am Ende gewinnen die Projekte, sei es in Firmen oder außerhalb, die sachlich fundiert sind und messbare Ergebnisse erzielen, das sollte die Richtschnur sein“, fasst Ehrlich zusammen. „Ziemlich ‚old school‘, findest du nicht? “, erwidert Priesberg. „Und schon wieder eine moralische Bewertung“, kontert Ehrlich: „Und du siehst, so schnell kommt man aus diesem Schema nicht heraus.“ „Gibt es da nicht ein einfaches Rezept? “, fragt Priesberg. Ehrlich überlegt „Vielleicht geht das so: Wenn du merkst, dass auf eine konkrete Frage eine allgemeine Antwort kommt, so wie eben bei ‚old school‘, dann solltest du misstrauisch werden und den Diskurs auf die Sachebene lenken, oder wenn das nicht hilft, das wirkende Metasystem ansprechen und hinterfragen-- das ist doch die einzig wahre Zukunft, oder nicht? “ Priesberg überlegt kurz: „Einzig wahre Zukunft? Was willst du dahinter verstecken? “ „Das Schöne, Wahre und Gute. Wenn wir so arbeiten, dann führt dies geradewegs dorthin“, legt Ehrlich nach. „Auf den Weg zur Rettung der Welt? “, fragt Priesberg. Sie gehen wieder schweigend nebeneinander her. Doch jetzt müssen beide laut lachen. Der Knoten ist geplatzt. „Da hast du die Kurve in letzter Sekunde noch gekriegt“, stichelt Ehrlich. „Weg mit den moralischen Hausgöttern und hin zur konkreten Arbeit-- wer muss was bis wann machen-- sei es agil oder klassisch, dann wird es auch was mit der Rettung der Welt“, fasst Priesberg augenzwinkernd zusammen. Jens Köhler Dr. Jens Köhler, BASF SE, fokussiert sich auf die Digitalisierung in Forschung und Entwicklung. Anschrift: BASF SE, RGQ / IM, 67 056 Ludwigshafen, eMail: Jens.Koehler@basf.com Kolumne Zurück in die Sachlichkeit Die Kolumne „Ehrlich und Priesberg“ möchte mit unterhaltsamen Dialogen rund um das Thema „Mensch-- Kommunikation, Verhalten, Entscheidungen“ Denkanstöße für den PM-Alltag geben.