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Transforming cities
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expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2016-0004
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Gebäude clever und nachhaltig betreiben

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Christine Lippert
Daniela Hilpert
Digitalisierung hält in Produktion und Industrie unter dem Schlagwort „Industrie 4.0“ Einzug, sie prägt aber in wachsendem Maße auch Lebensbereiche wie Beruf, Arbeit und Wohnen. Die Folge: Arbeitsplätze, Infrastruktur oder auch Gebäude werden zunehmend „smart“. Auch die Stadt Fürth in Bayern setzt mithilfe neuer Technologien auf cleveren und nachhaltigen Einsatz von Ressourcen und finanziellen Mitteln beim Gebäudebetrieb. Um die vielen Bestandsgebäude an den neuesten Stand der Technik anzupassen und zu betreiben, ist Fachwissen gefragt. Der berufsbegleitende Studiengang Facility Management in Nürnberg bildet hier Fachpersonal weiter.
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12 1· 2016 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Infrastruktur · Energie · Kommunikation In der Industrie sind die Begriffe „Digitalisierung“ und „smart“ bereits etabliert, seit längerem breiten sie sich auch in weitere Lebensbereiche aus. Das Buzz- Word „Smart City“ wird derzeit geradezu inflationär gebraucht. Die Schwierigkeit liegt jedoch bereits in der Definition der Begrifflichkeit „smart“. Eine „smarte Stadt“ öffnet sich für clevere und neuartige Technologien und Aktionen und prüft, Gebäude clever und nachhaltig betreiben Die Stadt Fürth in Bayern rüstet Neu- und Bestandsbauten zu „Smart Buildings“ um Facility Management, berufsbegleitender Masterstudiengang, Verbund Ingenieur Qualifizierung gGmbH, Bauen im Bestand Christine Lippert, Daniela Hilpert Digitalisierung hält in Produktion und Industrie unter dem Schlagwort „Industrie 4.0“ Einzug, sie prägt aber in wachsendem Maße auch Lebensbereiche wie Beruf, Arbeit und Wohnen. Die Folge: Arbeitsplätze, Infrastruktur oder auch Gebäude werden zunehmend „smart“. Auch die Stadt Fürth in Bayern setzt mithilfe neuer Technologien auf cleveren und nachhaltigen Einsatz von Ressourcen und finanziellen Mitteln beim Gebäudebetrieb. Um die vielen Bestandsgebäude an den neuesten Stand der Technik anzupassen und zu betreiben, ist Fachwissen gefragt. Der berufsbegleitende Studiengang Facility Management in Nürnberg bildet hier Fachpersonal weiter. an welcher Stelle und in welcher Form sich diese sinnvoll einsetzen lassen. Entscheidend sind dabei immer die Fragen nach dem langfristigen Vorteil für den Nutzer und die Stadt und dem dafür notwendigen Einsatz von Ressourcen, sowohl ökologisch als auch monetär. Städte dürfen sich jedoch nicht an gerade aktuellen, kurzlebigen Trends orientieren. Eine dauerhafte Weiterentwicklung funktioniert nur mit einem mindestens mittelfristigen, besser langfristigen Ziel, das allen Bewohnern und Nutzern einer Stadt einen Mehrwert bietet. Stadt Fürth - Kein Trendsetter, aber smarter Investor „In Sachen Digitalisierung sind wir als Stadt Fürth sicher nicht der Trendsetter“, sagt Christine Lippert, technische Amtsleiterin der Gebäudewirtschaft der Bild 1: Das Rathaus in Fürth als Vorzeigeobjekt eines smarten Gebäudes: Seit mehr als fünf Jahren wird das Rathaus mit Abwärme aus Abwasser beheizt. © Stadt Fürth 13 1· 2016 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Infrastruktur · Energie · Kommunikation Stadt Fürth. „Bei den städtischen Gebäuden sind wir jedoch bereits auf einem guten Weg.“ Die Stadt wird zunehmend attraktiver, sowohl für die Ansiedelung von Gewerbe- und Forschungsinstituten als auch für die Wohnnutzung. Ähnlich wie in vielen Städten hängt das Wachstum jedoch stark von der Verfügbarkeit freier Grundstücke ab. Derzeit ist das Angebot an Baugrund allerdings gering. Daher sind und bleiben auch Bestandsbauten sehr attraktiv. Dieser positive Wachstumstrend bietet eine gute Gelegenheit, die Investitionen zukunftsorientiert in Richtung Smart City auszurichten. Fürth versucht bei neuen und bestehenden Gebäuden zunehmend, regenerative Energien zu nutzen. Was die „clevere“ Nutzung von Energie angeht, ist das Fürther Rathaus zu einem Vorzeigeobjekt geworden: Es wird bereits seit fünf Jahren mit der Abwärme aus Abwasser beheizt (Bild 1). Die Wärme wird dem Abwasser über 70 Wärmetauscher- Elemente entzogen. Dabei erfüllen die Wärmetauscher zwei Funktionen: Sie entziehen dem Abwasser die Wärmeenergie und trennen das saubere Wasser im Wärmepumpenkreislauf von dem schmutzigen Abwasser im Kanal. Die dem Abwasser entzogene Wärme wird einer bivalenten Wärmepumpe (Wasser-Wasser- Wärmepumpe) zugeführt. Diese Wärmepumpe übernimmt die Grundlast, konventionelle Heizkessel den Spitzenbedarf. Die Maßnahme wurde in Eigenplanung der Gebäudewirtschaft der Stadt Fürth geplant und umgesetzt. Im Durchschnitt können so jährlich Heizkosten in Höhe von rund 25 000 EUR eingespart, der Primärenergieverbrauch um 65 % und der CO 2 -Ausstoß um rund 130 t reduziert werden. Von Standortwahl bis WLAN - Schulen stehen im Fokus Das Amt für Gebäudewirtschaft ist für alle Gebäude, Brunnen, Denkmäler, Kunstwerke und technischen Anlagen im Besitz der Stadt Fürth verantwortlich, ein Arbeitsschwerpunkt von Amtsleiterin Lippert liegt im t Bereich der Schulen. In zahlreichen Schulkomplexen müssen Generalsanierungen durchgeführt oder Schulen komplett neu gebaut werden. Bei Neubauten stehen alle Möglichkeiten offen, die Fragestellungen und Lösungsansätze einer Smart City bereits in der Konzeptfindungsphase der Maßnahmen zu berücksichtigen (Bild 2). Das beginnt bereits bei der Standortwahl (Stadtentwicklung) und zieht sich über „smarte Verkehrssteuerung“ (Infrastruktur) und technische Ausstattung (Energie, Nachhaltigkeit und Barrierefreiheit) bis in die einzelnen Klassenräume (Digitalisierung). WLAN beispielsweise kann nach Abstimmung der Datenschutzfragen nun auch in Schulen realisiert werden. Auch im Zuge aktuell laufender Sanierungen werden mehrere Schulen mit WLAN ausgestattet. Die Lehrer können so die neuen Medien umfangreich nutzen und Digitalisierung auch im Klassenzimmer erlebbar machen. Zum Schutz der Schüler im Falle eines Amoklaufes gibt es außerdem ein mittelfristiges Umsetzungsprogramm, nach dem jedes Jahr eine weitere Schule mit einer Amokanlage ausgestattet wird. Diese Anlagen bestehen im Wesentlichen aus Handmeldern, die im Fall einer Bedrohung betätigt werden, und einer Sprachansage, die nach Betätigen der Handmelder auslöst. Mit dieser eindeutigen Mitteilung wissen Schüler und Lehrer, was organisatorisch zu tun ist. Die Alarmierung der Polizei erfolgt durch die Schulleitung. Sowohl bei einer Alarmierung als auch bei einer Störung werden die Gebäudewirtschaft der Stadt Fürth, die Schulleitung und die Hausmeister über SMS benachrichtigt. Bild 2: Auf dem Weg zum Smart Building: Die Mittelschule Otto-Seeling- Schule in Fürth wurde im August 2010 fertiggestellt und mit innovativer Technik ausgestattet. © Stadt Fürth 14 1· 2016 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Infrastruktur · Energie · Kommunikation Ziele definieren und nachhaltig Investieren Die Entwicklung einer Stadt und die Investitionen in diese orientieren sich an ihren Bewohnern und Nutzern. Die Herausforderung dabei: Bürger und Stadtverwaltung entwickeln anhand eigener Bedürfnisse Konzepte und Ideen, die nicht kanalisiert in ganz unterschiedliche - beziehungsweise zu viele verschiedene - Richtungen gehen und oft nicht finanzierbar sind. Ein Beispiel für ein solches Konzept ist das „Urban Gardening“. Finden sich langfristig keine privaten „Kümmerer“ dieser zum Gartenbau genutzten städtischen Flächen, fallen die Aufgaben des Betriebs oder die Kosten zurück auf die Stadtverwaltung. Und spätestens zu diesem Zeitpunkt muss man sich die Frage stellen: Welchen Nutzen hatte diese Investition? Wäre es nicht „ökologischer“ gewesen, die Finanzmittel in bereits vorhandene und dauerhaft geschützte Bereiche wie Hochwasser- und Überschwemmungsschutz oder die notwendige Sanierung bestehender Grünanlagen zu investieren? Hier beginnt bereits Nachhaltigkeit. Fachwissen als Grundlage für dauerhaft erfolgreiches Gebäudemanagement Architekten stecken sehr viel Engagement in die Planung überwiegend neuer Gebäude. Nach der Übergabe an den Nutzer ist ihre Arbeit meist abgeschlossen. Jedes Gebäude hat jedoch ein „Leben nach der Übergabe“. Und der zukünftige Schwerpunkt der Bautätigkeit wird im Bestand liegen. Bisher achten leider noch zu wenige Architekten darauf, dass das Augenmerk neben städtebaulichen und architektonischen Gesichtspunkten vor allem bereits vor der Planung auf die Bedürfnisse der Nutzer und späteren Betreiber gelegt werden sollte. Die Kunst des Architekten und Fachplaners besteht darin, Gebäude zu errichten bzw. umzubauen, die den Bedürfnissen des Nutzers gerecht werden und dennoch architektonische und städtebauliche Qualität besitzen. Bei der Auswahl der technischen Komponenten und Anlagen muss bereits bei der ersten Energiekonzeptfindung bekannt sein, wer die technischen Anlagen im Betrieb betreut. Die zunehmende Technisierung erfordert qualifiziertes Personal. Werden die Anlagen nicht optimal betrieben, ist das Ziel einer nachhaltigen Planung verfehlt. Am Beispiel der Abwärmenutzung des Rathauses lässt sich dies zeigen. Hier war es notwendig, die bivalente Wärmepumpe und den konventionellen Heizkessel auf den Betrieb abzustimmen. Die ortsnahe Beobachtung und Steuerung der Anlagen durch einen geschulten Hausmeister kann hier viele teure Handwerkerstunden ersetzen. Deshalb ist es wichtig, dass alle Beteiligten so früh wie möglich den späteren jahrzehntelangen Betrieb gemeinsam abstimmen. Weiterbildung für Bau-Experten Dem Thema „Lebenszyklus“ hat sich der Weiterbildungsstudiengang „Facility Management“ von Verbund Ingenieur Qualifizierung gGmbH (Verbund IQ) und der Technischen Hochschule Nürnberg verschrieben. „Die Offenheit gegenüber neuen Technologien, die Ausrichtung am Lebenszyklus der Gebäude und an den unterschiedlichen Nutzern hat mir geholfen, die unterschiedlichen Fragestellungen des Gebäudemanagements in der jeweiligen Situation diskutieren zu können“, begründet Lippert ihre Studienwahl. t Der berufsbegleitende Masterstudiengang schafft in drei Semestern das technische, betriebswirtschaftliche und methodische Fundament, um Immobilien über ihren Lebenszyklus hinweg effizient zu betreiben. Neben dem hohen Praxisbezug hat der Amtsleiterin besonders der Austausch mit den Kommilitonen gefallen, „von denen jeder ein sehr unterschiedliches Fachwissen mitbrachte, angefangen von Betriebswirten über Architekten bis hin zu Maschinenbau- und Elektroingenieuren. So sind Kontakte und Einblicke in neue Bereiche entstanden, die mir die Notwendigkeit für stetige Offenheit für Neues verdeutlicht haben“. Informationen zum berufsbegleitenden Masterstudiengang Facility Management unter: http: / / www.verbund-iq.de/ master/ master-facility-management/ oder direkt bei Carsten Schmidhuber, Bildungsberater bei Verbund IQ, carsten.schmidhuber@verbund-iq.de. rr INFORMATION Daniela Hilpert Kaltwasser Kommunikation, Nürnberg Kontakt: dhi@kaltwasser.de AUTORINNEN Dipl.-Ing. (FH) Christine Lippert Technische Amtsleiterin der Gebäudewirtschaft der Stadt Fürth und Amtsleiterin der Bauordnungsbehörde Kontakt: christine.lippert@fuerth.de