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Transforming cities
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expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2016-0010
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Smart Cities – Verheißung oder Bedrohung?

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2016
Andreas Kossak
Seit Jahren wird die Diskussion um die Zukunft praktisch aller Lebensbereiche zunehmend mit dem Begriff „Smart“ in Verbindung gebracht. Das reicht vom „Smart Home“ bis zum „Smart Planet“. Ein zentraler Komplex in diesem Zusammenhang sind die „Smart Cities“. Städte wetteifern darum, wer die smarteste ist oder sein wird. Berlin erklärt sich bereits zur künftigen „Welthauptstadt für Smart-City-Themen“ [1]. Dabei ist das Verständnis davon, was unter dem Begriff zu verstehen ist, nach wie vor sehr unterschiedlich; die publizierten Definitionen und Ziel-Beschreibungen unterscheiden sich beträchtlich.
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30 1· 2016 TR ANSFORMING CITIES THEMA Smart Cities Ausgangslage Die verschiedenen Auffassungen zum Begriff „Smart Cities“ werden durch eine Reihe beispielhafter Zitate deutlich:  „Smart City ist ein Sammelbegriff für technische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Innovationen mit dem Ziel, das städtische Leben nachhaltiger und lebenswerter zu gestalten und gleichzeitig Lösungen für urbane Herausforderungen wie Luftverschmutzung, demographischen Wandel oder Bevölkerungswachstum zu entwickeln“ [2].  „Die hoch entwickelte Smart City kann ein Internet of Things and Services sein: Die gesamte städtische Umgebung ist dabei mit Sensoren versehen, die sämtliche Daten in der Cloud verfügbar machen. So entsteht eine permanente Interaktion zwischen Stadtbewohnern und der sie umgebenden Technologie. Die Stadtbewohner werden so Teil der technischen Infrastruktur einer Stadt“ [2].  „In der Smart City ist der öffentliche Raum nicht mehr nur der physische Raum, sondern ein integrierter Raum, der die virtuelle und reale Welt einschließt. Es entsteht eine integrierte, real-digitale Urbanität. Ein Teil des öffentlichen Lebens wird dabei auch in digitalen Netzwerken stattfinden“ [2].  „Smart City ist der Begriff, der (alle)… Aspekte des digitalen Stadtlebens zusammen fasst… hierzu gehören nicht nur das tägliche Leben (Smart Home) und der Verkehr (Smart Traffic), sondern schlicht alle Lebensbereiche … Durch Vernetzung, intelligente Technik und übergreifende Strategien haben Städte die Möglichkeiten in der Hand, den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts hinsichtlich Nachhaltigkeit, Energie, Mobilität und Gesundheit zu begegnen … und damit eine höhere Lebensqualität für alle zu schaffen“ [3].  „Bürgermeister Scholz … (will), dass in Hamburg neben den Bürgern bald Dinge miteinander sprechen. Egal ob Brücken, Schiffe, Autos, Ampeln, Parkplätze oder Straßenlampen: Sie alle sollen über das Internet oder andere Systeme miteinander verbunden sein. Sensoren messen, Rechner denken und Menschen profitieren - so lautet der Dreiklang der Smart-City-Fans“ [4].  „Die Smart City ist eine informierte, vernetzte, mobile, sichere und nachhaltige Stadt“ [5].  „Smart City-Hype: Die Verdummung der Städte? Innovative Technologien sollen Städte effizienter, nachhaltiger und lebenswerter machen. Doch hinter dem Smart City-Ansatz stecken handfeste Konzerninteressen - und ein gerüttelt Maß an Technologiegläubigkeit. Grund genug, über Risiken und Nebenwirkungen durchoptimierter (und -kontrollierter) Städte nachzudenken“ [1].  „Hochglanzbroschüren und Internetauftritt zeigen städtische Räume, wie man sie aus Science- Fiction-Filmen kennt. Sie mögen effizienter, ordentlicher und vielleicht auch ‚nachhaltiger’ sein, lassen gleichzeitig aber auch viele jener Dinge vermissen, die Städte lebenswert machen… viele jener Attribute, die häufig unter dem Schlagwort Urbanität subsummiert werden, tauchen in ihnen gar nicht auf“ [1].  „Von den Stadtbewohnern ist in den Konzepten der Tech-Konzerne wenig zu lesen. Sie kommen allenfalls am Rande vor, als Konsumenten, deren Gewohnheiten von technischen Systemen beobachtet und gegängelt werden“ [2]. Smart Cities - Verheißung oder Bedrohung? Stadtentwicklungspolitik, Stadtkonzepte, Verkehrsplanung, Digitalisierung, Datensicherheit Andreas Kossak Seit Jahren wird die Diskussion um die Zukunft praktisch aller Lebensbereiche zunehmend mit dem Begriff „Smart“ in Verbindung gebracht. Das reicht vom „Smart Home“ bis zum „Smart Planet“. Ein zentraler Komplex in diesem Zusammenhang sind die „Smart Cities“. Städte wetteifern darum, wer die smarteste ist oder sein wird. Berlin erklärt sich bereits zur künftigen „Welthauptstadt für Smart-City- Themen“ [1]. Dabei ist das Verständnis davon, was unter dem Begriff zu verstehen ist, nach wie vor sehr unterschiedlich; die publizierten Definitionen und Ziel-Beschreibungen unterscheiden sich beträchtlich. 31 1· 2016 TR ANSFORMING CITIES THEMA Smart Cities  Eine Klassifizierung der „10 smartesten Städte in Europa“ basiert auf den Antworten auf die Frage „welche europäischen Städte tun die innovativsten Dinge in den Bereichen Infrastruktur, Technologie und Unternehmergeist? “ [6]. So diffus wie die Diskussion um das Thema, so ambivalent ist bemerkenswerter Weise auch das Spektrum der Bedeutungen, die laut Wörterbuch mit dem englischen Begriff „Smart“ in Verbindung stehen [7]:  Klug, gescheit, schmuck, tüchtig,  schlau, gerissen, unverschämt,  Schmerzen, Kummer, leiden / büßen müssen. Smart City als finales Leitbild der Städte? Die „Smart City“ wird von den Verfechtern als zentrales Leitbild für die künftige Gestaltung der Städte propagiert. Damit sollen die bisherigen Leitbilder abgelöst, bestenfalls integriert und mit digitalen Lösungen für die Probleme der Zukunft verknüpft werden. Das betrifft insbesondere folgende Leitbilder der jüngeren Vergangenheit:  Autogerechte Stadt (Bild 1)  Menschengerechte Stadt,  Umweltgerechte Stadt  Nachhaltige Stadt Unmittelbar nach Ende des zweiten Weltkrieges begann in Deutschland der „Wiederaufbau“. Der Ansatz dafür reichte von der Wiederherstellung der zerstörten Gebäude bis hin dazu, die Zerstörungen als „Chance“ zu nutzen, völlig neue Stadtstrukturen zu entwickeln. Im Vordergrund stand dabei zunächst das Prinzip der „gegliederten und aufgelockerten Bebauung“. Hamburg ist dafür ein interessantes Beispiel. Dort war trotz beträchtlicher Bombardements die Raumstruktur der Innenstadt weitgehend erhalten geblieben. Gleichwohl hat der seinerzeitige Oberbaudirektor Otto Meyer-Ottens im Jahr 1949 für die Stadt ein „Bebauungsschema“ vorgestellt, in dessen Mittelpunkt ein „City-Band“ stand, bestehend aus Hochhaus-Scheiben in lockerer Reihung. Bis auf die Hauptkirchen und das Rathaus waren in dem Schema alle alten Gebäude und Bild 1: Das Leitbild einer autogerechten Stadt hatte schwerwiegende Eingriffe in die Substanz von Städten zur Folge. © pixabay 32 1· 2016 TR ANSFORMING CITIES THEMA Smart Cities Raumstrukturen verschwunden (Bild 2; [8]). Das Konzept wurde glücklicher Weise von der Bürgerschaft abgelehnt. Mit Beginn der Phase einer sogenannten „stürmischen Entwicklung des Kraftverkehrs“ Mitte der 1950er Jahre kam auf die Städte eine neue Bedrohung zu - in Form des Leitbildes „autogerechte Stadt“. Bis die horrenden Nachteile hinreichend erkannt und offensichtlich geworden waren, wurde im Zuge von Stadtumbauten in Verfolgung des betreffenden Leitbildes mehr städtische Bausubstanz zerstört als durch die Bombardements des zweiten Weltkrieges. Der Leiter des Hamburger Tiefbauamtes, Otto Sill, sah in diesem Zusammenhang schon vorauseilend seine große Stunde gekommen. Sein Lösungskonzept: ein Netz sechsspuriger, 40 Meter breiter Stadtautobahnen von 140 km Länge - einschließlich Untertunnelung der Außenalster und Überbauung eines innerstädtischen Kanals in bester Wohnlage [9]. Auch dieses Konzept stieß bei Politik und Landesplanung glücklicher Weise nicht auf Zustimmung. Seinerzeit wurde von einem Sättigungsgrad der privaten Motorisierung von unter 200 Pkw je 1000 Einwohner ausgegangen. Heute sind es etwa 600 Pkw je 1000 Einwohner. Als erste „Gegenbewegung“ gegen die „autogerechte Stadt“ empfahl die vom Bund eingesetzte „Kommission Gemeindeverkehr“ (1961/ 64) ein Umsteuern nach dem Prinzip „Vorrang für den ÖPNV“. In dieser Hinsicht handelte Hamburg damals exemplarisch. Anstatt dem zunehmenden Druck des Automobilverkehrs auf die Innenstadt durch Ausbau der Straßen und Schaffung zusätzlichen Parkraums nachzugeben, wurde das Parkraumangebot im Zentrum reduziert. Nach Chicago (1955) und London (1958), wurde um 1960 das weltweit dritte Park-and- Ride-System in Verbindung mit dem ÖPNV eingerichtet. Das Stadtschnellbahnnetz wurde erweitert, im Jahr 1965 der weltweit erste ÖPNV-Verkehrsverbund gegründet [9]. Die besorgte Diskussion um den Zustand der Städte verdichtete sich gleichwohl in der Folge auf nationaler Ebene. Zu den Schlüsselveröffentlichungen in diesem Zusammenhang gehörten:  Gerd Albers: Was wird aus der Stadt? (1972)  Alexander Mitscherlich: Die Unwirtlichkeit der Städte (1972)  Paulhans Peters: Stadt für Menschen (1973)  Ulrich Conrads: Umwelt Stadt. Argumente und Lehrbeispiele für eine humane Architektur. (1974) Conrads forderte: „Jenseits der Nutzung von Arealen und der Unterbringung von Menschen müssen Werte wieder entdeckt werden, die weder messbar noch ökonomisch auswertbar sind: Stadtarchitektur als sinnliches Erlebnis und Gehäuse für Begegnungen“ [10]. Der Physiker Karl Steinbuch verlangte in seinem Standardwerk „Mensch, Technik, Zukunft - Probleme von morgen“ (1971) explizit mit Bezug auf die „Bereiche Städtebau und Raumplanung, Umweltschutz, Informatik, Massenkommunikation, Automatisierung und Ausbildung“, „aus sachverständiger Einsicht in die Probleme unserer Zeit, die Verwirklichung humaner Ziele“ abzuleiten [11]. Trotz der beträchtlichen Unterschiede gegenüber den Bedingungen deutscher und europäischer Städte kamen maßgebliche Impulse für das Verständnis sowie die gebotenen Zielsysteme des Städtebaus und der Stadtgestaltung bemerkenswerter Weise aus den USA; das gilt vor allem für die Schriften:  Kevin Lynch: Das Bild der Stadt (1960)  Jane Jacobs: Tod und Leben großer amerikanischer Städte (1961) Beide Werke erschienen schon wenig später in deutscher Sprache. Kevin Lynch hat insbesondere die Auseinandersetzung mit den relevanten Wahrnehmungsebenen der Stadtgestalt und damit auch mit den Maßstäben für deren Bewertung angeregt [12]:  Orientierung  Stimulans  Abwechslung  Äußere Erscheinung  Soziale Brauchbarkeit  Identität  Identifikation  Historische Bezüge Sie sollten auch für die Zukunft als Maßstäbe gelten, unabhängig davon, wie „smart“ Städte sind oder sein wollen. In den Visionen der Verfechter der Digitalisierung der Städte und des Lebens in solchen Städten kommen die betreffenden Kriterien nur am Rande oder gar nicht vor. Bild 2: Der Hamburger Oberbaudirektor Otto Meyer- Ottens stellte im Jahr 1949 ein Bebauungsschema für die Stadt vor, in dessen Mittelpunkt ein „City-Band“ aus Hochhaus- Scheiben stand. © Egbert Kossak [8] 33 1· 2016 TR ANSFORMING CITIES THEMA Smart Cities Bild 3: Sogenannte „Smombies“ nutzen digitale Medien so ekzessiv, dass sie sich aus der realen Welt auskoppeln und in der virtuellen Welt verlieren. © pixabay Gegenwärtige Herausforderungen Aufgrund der sich immer stärker abzeichnenden Auswirkungen der nicht zuletzt in den Städten verursachten Luftverschmutzung, des nicht unmaßgeblich darauf zurückzuführenden Klimawandels und der Verknappung von Ressourcen kamen die Zielsetzungen im Sinne einer „umweltgerechten“ und „nachhaltigen“ Stadt zum Aufgabenkatalog der Stadtentwicklung hinzu. Re-Urbanisierung und demographischer Wandel schufen neue zusätzliche und veränderte Herausforderungen - in jüngster Zeit nun auch die Migration und die Bedrohung durch den Terrorismus. Dem müssen sich die Städte zweifellos stellen. Dabei können digitale Medien vielfältige wertvolle Lösungsbeiträge liefern. Das darf aber nicht bedeuten, dass die „klassischen“ und auch in Zukunft grundsätzlich unverändert gültigen primären Qualitäten und Merkmale der Urbanität sowie des urbanen Lebens in Frage gestellt oder gar abgelöst werden. In den eingangs zitierten Passagen finden sich Formulierungen, die sehr treffend die Probleme und Missverständnisse in diesem Zusammenhang kennzeichnen. Immerhin werden in einigen Materialien, die sich mit „Smart Cities“ beschäftigen, durchaus auch Komponenten angesprochen, die dem „traditionellen“ Verständnis von Urbanität, Stadtgestaltung und Städtebau zuzuordnen sind. Das geschieht allerdings meist eher unsystematisch und selektiv. Ein Beispiel ist das Ranking der „10 Smartest Cities in Europe“ [6]. In der Reihenfolge der Erst-Nennung sind das die Komponenten:  Grüne Stadt  Hohe Lebensqualität  Herausragende Architektur  Belebte/ lebhafte Straßen  Fantastische Museenlandschaft  Moderne Stadtentwicklung  Attraktivität für Kreative  Moderne Stadterneuerung  Lebendige Kulturszene  Interessante Architektur  Zoos, Opernhäuser, Symphonieorchester  Schöne Straßen in der historischen Altstadt  Einzigartiger Mix von Kreativität und hoher Lebensqualität Kernprobleme des „Smart-City“-Ansatzes Soziale, psychische, gesundheitliche Implikationen der Digitalisierung Das Jugendwort 2015 lautet „Smombie“, das ist eine Kombination aus Smart Phone und Zombie; es steht für die totale Auskopplung aus der wirklichen Welt und das völlige Versinken in einer virtuellen Welt durch exzessive Nutzung der digitalen Medien (Bild 3). Dieses Verhalten beschränkt sich allerdings zunehmend nicht nur auf Jugendliche. Auf Fuß- und Radwegen hat der in der urbanen Wirklichkeit lebende Städter immer häufiger Schwierigkeiten, das Geh- und Fahrverhalten entgegenkommender Fußgänger oder Radfahrer, die „entrückt“ auf ihre Kommunikationsgeräte starren, abzuschätzen, um ihnen ausweichen zu können. Da vielfach die Ohren zusätzlich mit Kopfhörern von der Umwelt abgeschirmt sind, helfen auch keine Ansprache und kein Klingelsignal. Gelegentlich ist das Smart Phone dabei unter absurden Verrenkungen zwischen Ohr und Schulter geklemmt, weil mit den Händen das Gepäck oder der Kinderwagen gehandhabt werden muss. Mobbing im Internet ist inzwischen zu einem gravierenden Problem der jungen Generation geworden. Welche psychischen Konsequenzen die exzessive Nutzung der digitalen Medien hat, ist bisher kaum untersucht. Das gilt auch für die zahllosen brutalen Kriegs-, Zerstörungs- und Kampfsport-Spiele. Mit einer umfassenden Digitalisierung und Vernetzung von Menschen, Sachen und Umwelt nimmt der Elektro-Smog rapide zu. Dessen Einfluss auf die Gesundheit und die Gehirnfunktionen ist bisher kaum erforscht. Erste Studien dazu weisen jedenfalls eher auf deutlich nachteilige und gesundheitsschädliche Wirkungen als auf die Vertretbarkeit ihrer Ausblendung. Sogar orthopädische Probleme aufgrund körperlicher Fehlhaltungen und Verkrampfungen beim Konsum der Angebote des Internets treten bereits zunehmend auf. Wahrung der Privatsphäre / Datensicherheit Die „Wahrung der Privatsphäre“ ist eine der Komponenten, die regelmäßig im Zusammenhang mit der Digitalisierung diskutiert werden. In „Smart Cities“ soll sie angeblich sichergestellt werden. Vor dem Hintergrund der bereits heute fast flächendeckenden Nutzung von Mobiltelefonen und Navigations- 34 1· 2016 TR ANSFORMING CITIES THEMA Smart Cities Bild 4: Lassen sich die Daten der Smart Citizens wirklich schützen? © pixabay geräten, die jederzeit problemlos geortet und gehackt werden können, erweist sich der betreffende Anspruch als substanzlos. Die Vernetzung der Städter im Rahmen der „Smart City“ soll um ein Vielfaches intensiver sein; eine gesicherte Wahrung der Privatsphäre ist dann praktisch ausgeschlossen (Bild 4). Ein bezeichnendes Beispiel für den gegenwärtigen Umgang mit dem Thema bietet auch in diesem Fall die Stadt Hamburg. „Wer in Hamburg eine Straftat begeht, sollte das nicht am Hafen tun. Den überwachen 150 Kameras. Doch der ‚Smart Port ’ ist erst der Anfang. Die amerikanische Technikfirma Cisco will aus der Stadt eine ‚Smart City ’ machen … Wer nachfragt, wie persönliche Daten in einer vernetzten Stadt geschützt werden sollen, bekommt eine erstaunliche Antwort. Bei der Planung des Projekts Smart City, sagt (der oberste Hamburger) Datenschützer Caspar, sei er bisher nicht einbezorr gen worden“ [4]. Sicherheit (Safety and Security) Zu den besonders anspruchsvollen Komponenten der „Smart City“ gehört das autonome Fahren mit Automobilen. Nach Überzeugung der Verfechter wird es bis spätestens 2030 auch in den Städten realisiert sein. MIT-Professor Davis Mindell, US-Experte auf dem Gebiet der Automation im Verkehrswesen hat in einer aktuellen Veröffentlichung als Voraussetzung für eine „volle Automatisierung“ im Straßenverkehr benannt, alle Automobile müssten  sämtliche Hindernisse in der unmittelbaren Umgebung rechtzeitig und korrekt identifizieren können,  über jederzeit perfekt aktualisierte Straßenkarten verfügen,  mit einer Software ausgestattet sein, die absolut einwandfrei funktioniert. Mindells Fazit: „Es ist völlig unrealistisch, dies zu erwarten“ [13]. Das gilt zweifellos nicht für alle Bereiche einer „Smart City“ - aber für eine Vielzahl. Deshalb sollten Schwachstellen, mögliche negative Auswirkungen, die Grenzen der Vertretbarkeit und der tatsächliche Beitrag aller digitalen Komponenten geprüft werden. Die Erfahrungen insbesondere aus jüngster Zeit mit der Tätigkeit von Geheimdiensten und Hacker-Organisationen sowie dem weltweiten (Cyber-)Terrorismus sollten Anlass genug sein, zu erkennen, dass es in der Realität auch in Zukunft keine Datensicherheit gibt und die digitale Welt in hohem Maße anfällig für Manipulationen ist und bleibt. Smarte Stadtentwicklungspolitik? Bereits 1972 schloss der renommierte Städtebau- Professor Gerd Albers seine Veröffentlichung mit dem Titel „Was wird aus der Stadt? “ mit der These, dass die „wichtigen Entscheidungen für die Zukunft der Stadt auf politischer, nicht auf technischer Ebene fallen werden“ [14]. Das gilt heute unverändert - auch und insbesondere für die Frage, welches Ausmaß die Digitalisierung annehmen soll bzw. wie dies politisch und ethisch vertretbar ist. Angesichts der vielfältigen und beträchtlichen neuen Herausforderungen, vor denen Städte stehen, steht zu befürchten, dass die klassischen Gesichtspunkte und Regeln des Städtebaus, der Stadtentwicklung, der Stadtgestaltung und der Bürgerbeteiligung unter deren Druck auf der Strecke bleiben. Erste Anzeichen dafür sind bereits erkennbar - in Form örtlicher Außerkraftsetzung von Baurecht, Lockerung des Denkmalschutzes oder des Schutzes von Grünflächen. Es wird sorgfältig zu prüfen sein, ob - und gegebenenfalls inwieweit - die veränderten Anforderungen das traditionelle „Gesicht der Stadt verändern“ [15] sowie städtebauliche und stadtgestalterische Grundprinzipien in Frage stellen müssen. Fazit, Schlussfolgerungen Das Label „Smart City“ beherrscht seit Jahren fast inflationär Diskussionen um die Zukunft unserer Städte und die Bemühungen von kommunalen Politikern und Verwaltungen, diesbezüglich führend zu sein oder zu werden. Dabei gibt es bis heute keine auch nur einigermaßen einvernehmliche Definition dieses Begriffs. Überwiegend wird das Thema beherrscht von den Verfechtern einer maximalen Digitalisierung aller Lebensbereiche. Damit wird das Wesen von qualitätvoller Urbanität jedoch eher konterkariert als bereichert. Die implizierten beträchtlichen Bedrohungen eines humanen Lebens in den Städten werden bisher weitgehend verdrängt bzw. unterschlagen. Digitalisierung kann in vielen Bereichen ohne Zweifel wertvolle Beiträge liefern; das diesbezügliche Potenzial sollte „sachverständig“ 35 1· 2016 TR ANSFORMING CITIES THEMA Smart Cities unter dem Gesichtspunkt der „Verwirklichung humaner Ziele“ [11] ausgelotet und gegebenenfalls ausgeschöpft werden. Vor diesem Hintergrund erscheint es dringend erforderlich, zeitgemäße Leitbilder und Orientierungsrahmen für den Städtebau, die Stadtentwicklung und die Stadtgestaltung zu entwickeln. Die Digitalisierung darf dabei jedenfalls nicht dominieren; sie muss eine dienende Rolle spielen und auf diejenigen Bereiche beschränkt und konzentriert werden, in denen sie tatsächlich zu einer Bereicherung des städtischen Lebens sowie einer Schonung der Umwelt und der Ressourcen beiträgt - ohne konterkarierende Nebenwirkungen. LITERATUR [1] Novy, J.: Smart City-Hype: Die Verdummung der Städte; Carta, 11. 02. 2016 [2] Anonymus: Smart Cities - Zwischen Anspruch und Wirklichkeit; Wikia, Stand 20. 10. 2015 [3] Stadt Düsseldorf: Smart City - einfach leben in der Zukunft - Digitale Stadt Düsseldorf; Düsseldorf 20. 05. 2015 [4] Läsker, C.: Die Hansestadt, die alles weiß; Süddeutsche.de digital, 14. 05. 2014 [5] Anonymus: Zukunft ist jetzt; ict-smart-cities-center.com, Stand 29. 10. 2015 [6] Cohen, B.: The 10 smartest cities in Europe; Stand 29. 10. 2015 [7] Schöffler/ Weis: Englisch-Deutsch Wörterbuch; Klett- Verlag 1980 [8] Kossak, E.: 1100 Jahre Stadtbild Hamburg; Dölling und Galitz Verlag 2012 [9] Kossak, A.: Ausgewählte Meilensteine der Hamburger Verkehrspolitik; DER NAHVERKEHR, 11/ 2012 [10] Conrads, U.: Umwelt Stadt - Argumente und Lehrbeispiele für eine humane Architektur; rororo Sachbuch 1974 [11] Steinbuch, K.: Mensch Technik Zukunft - Probleme von Morgen; rororo Sachbuch 1972 [12] Lynch, K.: Das Bild der Stadt; Bauwelt Fundamente 16, Bertelsmann Fachverlag 1968 [13] Poole, B.: Some new thoughts on autonomous vehicles; Surface Transportation Innovations, November 2015 [14] Albers, G.: Was wird aus der Stadt? Aktuelle Fragen der Stadtplanung; Serie Piper, München 1972 [15] Anonymus: Dorothee Stapelfeld baut auf; Welt am Sonntag, 22. 11. 2015 Dr.-Ing. Andreas Kossak, Kossak Forschung & Beratung, Hamburg Kontakt: drkossak@aol.com AUTOR Studierende lesen Transforming Cities als ePaper ein Jahr lang kostenlos. Anschließend zum Vorzugspreis. www.transforming-cities.de Wer´s früher liest, ist länger schlau TranCit StudiAbo