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Transforming cities
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expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2016-0023
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Modernisierung des grenzüberschreitenden Hochwasserschutzes

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Joel Stratemann
Im Rahmen von Modernisierungsmaßnahmen hat die niederländische Wasserbehörde Rivierenland veraltete Technik durch innovative Automatisierungskomponenten von Phoenix Contact ersetzt. Johan van IJmeren, Senior Project Manager bei Waterschap Rivierenland, war an der praktischen Umsetzung beteiligt. Die neuen Geräte tragen zum grenzüberschreitenden Hochwasserschutz bei und reduzieren zudem den Engineering-Aufwand bei gleichzeitig höherer Anlagenverfügbarkeit deutlich.
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4 2 · 2016 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Ressourcen · Infrastruktur · Kommunikation In der Vergangenheit versorgten Flüsse nicht nur Menschen und Tiere mit dem lebensnotwendigen Wasser, sondern bildeten auch die Grundlage für überregionalen Handel. Die steigenden Bevölkerungszahlen und die daraus resultierende fortschreitende Urbanisierung bedingen heute eine stetig wachsende städtische Infrastruktur. Daraus ergeben sich neue Herausforderungen für den Umgang mit den natürlichen Ressourcen der Erde. Dabei reicht es nicht aus, lediglich lokale Anforderungen und Ereignisse zu berücksichtigen. Denn die Schneeschmelze in der Schweiz, starker Regen in Frankreich oder ein heftiges Gewitter in Deutschland wirken sich auf den Pegelstand der durch die Länder fließenden Flüsse aus. Vor diesem Hintergrund ist eine Modernisierung des grenzüberschreitenden Hochwasserschutzes Sinkende Engineering-Kosten bei steigender Anlagenverfügbarkeit Hochwasserschutz, Wasserwirtschaft, Automatisierungstechnik Joel Stratemann Im Rahmen von Modernisierungsmaßnahmen hat die niederländische Wasserbehörde Rivierenland veraltete Technik durch innovative Automatisierungskomponenten von Phoenix Contact ersetzt. Johan van IJmeren, Senior Project Manager bei Waterschap Rivierenland, war an der praktischen Umsetzung beteiligt. Die neuen Geräte tragen zum grenzüberschreitenden Hochwasserschutz bei und reduzieren zudem den Engineering-Aufwand bei gleichzeitig höherer Anlagenverfügbarkeit deutlich. 5 2 · 2016 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Ressourcen · Infrastruktur · Kommunikation grenzüberschreitende Wasserregulierung notwendig, um Städte und Gemeinden vor Hochwasser und Überflutungen abzusichern. Das Schöpfwerk in Nimwegen ist ein Beispiel für die Zusammenarbeit verschiedener Länder, da es sich um ein Kooperationsprojekt zwischen den Niederlanden und Deutschland handelt (Bild 1). Durch die Regelung des Wasserpegels in den Flüssen sorgt das Bauwerk dafür, dass die Bürger in Ooijpolders und der Düffelt sowie die niederrheinischen Poldergebiete dauerhaft vor Hochwasser geschützt sind und so für die Landwirtschaft nutzbar bleiben. Darüber hinaus muss der Wasserstand in diesen Gebieten auch in trockenen Zeiten reguliert und die Wasserversorgung sichergestellt werden. Schnelle Verarbeitung und Ausgabe der Signale Im Rahmen eines Projekts der International Water Association (IWA) werden insgesamt 165 Wehre und 135 Kanalschöpfwerke auf moderne Technologien umgerüstet. Das betrifft ebenfalls das 1932 erbaute denkmalgeschützte Schöpfwerk in Nimwegen, das von der in Tiel ansässigen Wasserbehörde Rivierenland betrieben wird. Die Behörde ist für den Wasserhaushalt eines Gebiets verantwortlich, das grob umschrieben zwischen Rhein/ Lek und der Maas liegt und sich von der deutschen Grenze bis zum Kinderdijk 15 Kilometer südöstlich von Rotterdam erstreckt. 194 Polderschöpfwerke halten den Wasserstand in den Gräben des Flussgebiets auf dem gewünschten Niveau. Die größeren Schöpfwerke können bis zu 60 000 Liter Wasser pro Sekunde von einem tieferen in einen höher gelegenen Wasserlauf pumpen. Auf diese Weise lässt sich der Wasserbedarf der einzelnen Gebiete genau auf den jeweils benötigten Verbrauch abstimmen (Bild 2). Im Pumpschöpfwerk in Nimwegen wurde die bisher verwendete Relais-Technologie gegen moderne Automatisierungstechnik von Phoenix Contact ausgetauscht. Eine zentral installierte leistungsfähige Steuerung vom Typ RFC 470 PN 3TX regelt nun bis zu drei große Pumpen, die eine Gesamtförderleistung von maximal 16 Kubikmeter Wasser pro Minute aufweisen (Bild 3). Das bedeutet, dass pro Sekunde etwa 80 gefüllte Badewannen abgepumpt werden. Die zentrale Steuerung liest die großen Frequenzumrichter der unterschiedlichen Pumpen über das Profinet-Protokoll aus, sodass die Aggregate ständig überwacht werden können. In der Anlage verteilte Profinet-Buskoppler IL PN BK DI8 DO4 2TX ermöglichen die Anbindung verschiedener Sensoren und Aktoren über digitale und analoge Signale (Bild 4). Aufgrund des eingesetzten Bussystems lassen sich Bild 3: Die im Schöpfwerk in Nimwegen installierten Pumpen werden von einer Hochleistungs- Steuerung RFC 470 PN 3T X geregelt. Bild 1: Das 1932 erbaute Schöpfwerk in Nimwegen wird ebenfalls auf moderne Automatisierungstechnik umgerüstet. Bild 2: Die größeren Schöpfwerke können bis zu 60 000 Liter Wasser pro Sekunde von einem tieferen in einen höher gelegenen Wasserlauf pumpen. 6 2 · 2016 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Ressourcen · Infrastruktur · Kommunikation alle in der Anlage anfallenden Signale schnell einlesen, verarbeiten und wieder ausgeben. Einfache Diagnosemöglichkeiten unterstützen die Mitarbeiter während einer Störung bei der Fehlersuche, was die Verfügbarkeit des Schöpfwerks deutlich erhöht. Komfortable Visualisierung und Bedienung per Touch Panel Neben einer schnellen Diagnose müssen die Mitarbeiter während des Betriebs komfortabel in den Prozess eingreifen können. Dazu ist ein Panel mit Touch-Funktionen in die Schaltschranktür eingebaut worden, das die kontinuierliche Bedienung und Überwachung des Bauwerks und der Aggregate direkt vor Ort erlaubt (Bild 5). Sämtliche Mess- und Betriebsdaten werden jederzeit auf dem gut ablesbaren Display angezeigt und bei Bedarf manuell durch die Mitarbeiter verändert. Wegen der hohen Investitions- und Service-Kosten, die bei Nutzung eines SCADA-Systems für Updates und regelmäßige Wartungen anfallen, haben sich die Verantwortlichen der Wasserbehörde Rivierenland für die web basier te V isualisierung s- Software WebVisit von Phoenix Contact entschieden. Die Lösung zeichnet sich durch niedrige Kosten über die gesamte Lebensdauer aus. Außerdem eröffnet sie im Vergleich zu anderen Technologien eine hohe Flexibilität bei der Erstellung betreiberspezifischer Visualisierungs-Oberflächen. Die vor Ort im Schöpfwerk befindliche Visualisierungs-Lösung kommuniziert über eine Ethernet-Verbindung direkt mit der zentralen Steuerung RFC 470 PN 3TX und stellt den aktuellen Zustand der Aggregate sowie Messwerte und Betriebsdaten über Web-Seiten auf dem Panel dar. Mit dem Zugang zum Internet können die Mitarbeiter jetzt über einen gesicherten VPN-Tunnel (Virtual Private Network) die derzeitigen Werte aller Schöpfwerke und Wehre abrufen, was im Fall einer Störung zu einer schnellen Reaktion und dem sofortigen Einleiten geeigneter Maßnahmen führt. Ein weiterer Vorteil für die Mitarbeiter ergibt sich aus dem einheitlichen Design der einzelnen Web-Seiten, das eine intuitive Bedienung ermöglicht. Für die Programmierung der Steuerungen und die Dokumentation wurde ebenfalls ein ähnlicher Standard entwickelt. Aufgrund dieser Vereinheitlichung lassen Bild 4: In der Anlage verteilte Profinet-Buskoppler ermöglichen die Anbindung verschiedener Sensoren und Aktoren. Bild 6: Die im Schöpfwerk installierte zentrale Steuerung RFC 470 PN 3T X arbeitet die Steuerbefehle ab und sendet aktuelle Betriebsdaten über die VPN-Verbindung an die Leitwarte. Bild 7: Die konfigurierbaren Tablet-PCs sind sowohl für den Einsatz im Innenwie Außenbereich geeignet. © Phoenix Contact (für sämtliche Bilder des Beitrags) Bild 5: Der in den Schaltschrank eingebaute Panel-PC mit Touch-Funktionen erlaubt die kontinuierliche Bedienung und Überwachung des Schöpfwerks vor Ort. 7 2 · 2016 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Ressourcen · Infrastruktur · Kommunikation INFORMATION Tablet-PCs für den mobilen Einsatz im Innen- und Außenbereich Phoenix Contact hat die Industrie-Tablet-PCs für den mobilen Einsatz weiterentwickelt: Der neue Industrial Tablet Computer (ITC) 8113 mit verbesserter Prozessorleistung und brillantem Full-HD-Display überzeugt sowohl im Innenals auch im Außeneinsatz (Bild 7). Die Wasserbehörde Rivierenland in Zahlen  rund 950.000 Einwohner  38 Kommunen  39 Kläranlagen  3992 km Gräben und Bäche  1070 km Deiche  538 km Druckleitungen  140 km Wasserstraßen  1617 Wehre  194 Polderschöpfwerke  170 Kanalschöpfwerke INFORMATION sich die Engineering-Kosten für die Wasserbehörde Rivierenland erheblich reduzieren sowie entsprechende Ressourcen einsparen. Zuverlässige Datenübertragung über das Fernwirk- Protokoll IEC 60870-104 Zur dauerhaften Überwachung der räumlich weit verteilten Außenanlagen ist die Ankopplung an ein übergeordnetes Leitsystem zwingend erforderlich. Deshalb wurde in der Zentrale der Wasserbehörde Rivierenland eine ständig besetzte Leitwarte eingerichtet. Die wichtigsten Mess- und Betriebsdaten werden nun über ein spezielles Fernwirk-Protokoll ausfallsicher und zuverlässig ausgetauscht. Die Kommunikation zwischen den dezentralen Bauwerken und der Leitwarte erfolgt dabei über gesicherte ADSL-Internetverbindungen. Mit IEC 60870-104 verwendet die Wasserbehörde einen auf fernwirktechnische Anforderungen spezialisierten Standard, der einen sicheren und verlustfreien Datenaustausch zwischen den einzelnen Stationen und dem zentralen Leitsystem erlaubt. Die im Schöpfwerk installierte zentrale Steuerung arbeitet die von den Mitarbeitern der Leitwarte veranlassten Steuerbefehle ab und sendet aktuelle Betriebsdaten über die VPN-Verbindung an die Leitwarte. Sollte die Datenübertragung unterbrochen sein, werden sämtliche Informationen mit einem Zeitstempel versehen und im Speicher des RFC 470 PN 3TX abgelegt. Sobald die Kommunikation wiederhergestellt ist, übermittelt die Steuerung die Daten in der richtigen Reihenfolge an die Leitwarte. Somit geht kein in den dezentralen Stationen auftretendes Ereignis verloren und die Mitarbeiter können alle Betriebsdaten einsehen (Bild 6). Joel Stratemann Mitarbeiter im Bereich Water and Wastewater Treatment des Geschäftsbereichs Industry Management Infrastructure, Phoenix Contact Electronics GmbH, Bad Pyrmont Kontakt: info@phoenixcontact.de AUTOR Ressourcenschonende Versorgung kleinerer Außenbauwerke Neben der Modernisierung der bislang in den Schöpfwerken und Wehren verbauten Relais- Technologie strebt die Wasserbehörde Rivierenland bis 2030 eine neutrale Energiebilanz an. Um dieses Ziel zu erreichen, werden unter anderem an kleineren Wehren erneuerbare Energiequellen genutzt. Solar-Panels und kleine Windkraftanlagen erzeugen die für die Versorgung der Außenbauwerke notwendige Energie lokal, sodass sie nicht aufwändig zur Verfügung gestellt werden muss. Damit die regenerativ produzierte Energie zum Betrieb der jeweiligen Anlage ausreicht, ist der Einsatz von elektrischen Komponenten mit geringem Stromverbrauch zwingend erforderlich. Vorhandene ineffiziente Geräte werden daher durch sparsame Automatisierungsprodukte von Phoenix Contact ersetzt. Dieser Tausch ermöglicht einen ressourcenschonenden Betrieb sämtlicher Wehre und leistet folglich einen Beitrag zum Schutz der Umwelt. ansprechendes Design und umfassendes Zubehör, sondern ist auch für den Einsatz im Service- Umfeld optimiert. Durch sein reduziertes Gewicht von 1800 g lässt sich er leicht transportieren. Die Geräte in Schutzart IP54, frontseitig in IP65, sind für den Einsatz im In- und Outdoorbereich geeignet. Ein Zehn-Finger-Multi-Touch- Display und Windows 7 respektive Windows 8 mit aktueller Intel- Prozessorarchitektur der vierten Generation sorgen für eine einfache Bedienung und hohe Leistung. Zur drahtlosen Verbindung in das vorhandene Netzwerk stehen wahlweise eine Funkkommunikation über WLAN 802.11 a/ g/ n, Bluetooth 2.0 Class 1 und Class 2 sowie ein UMTS/ LTE- Datenkommunikationsmodul zur Verfügung. Moderne industrielle Netzwerke erfordern zunehmend mobile Arbeitsschritte und ferngesteuerte Prozesse. Der konfigurierbare Tablet-PC verfügt nicht nur über ein