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Transforming cities
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expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2016-0052
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Funktionen von städtischem Grün – Anlage und Unterhalt als kommunale Aufgabe

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Städte weltweit haben gewaltigen Zulauf. Noch nie lebten so viele Menschen in Ballungszentren wie heute. Derzeit zählt bereits die Hälfte der Menschheit zur Stadtbevölkerung und die Vereinten Nationen sehen bis zum Jahr 2050 einen Anstieg auf 75 Prozent voraus. In immer dichter bebauten Ansiedlungen mit großen versiegelten Flächen werden die Auswirkungen des Klimawandels besonders spürbar. Umso wichtiger ist es daher, den öffentlichen Raum mit seinen urbanen Grünflächen und Gewässern als wesentlichen Faktor nachhaltiger Stadtentwicklung wahrzunehmen.
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10 3 · 2016 TR ANSFORMING CITIES FORUM Interview Herr Hasenkamp, welche verschiedenen Funktionen öffentlicher Grünflächen werden zunehmend wichtiger? Grünflächen spielen eine zentrale Rolle für Städte und Gemeinden. Parks etwa sind wichtige soziale Begegnungsstätten, die allen Bürgern zur Verfügung stehen. In ihnen kommen Menschen zusammen, um Sport zu treiben, spazieren zu gehen, zu lesen oder gemeinsam zu grillen. Grünflächen erhöhen die Lebensqualität der Städte und Gemeinden. Je grüner eine Kommune oder Stadt ist, je mehr Raum sie zur Erholung bietet, desto attraktiver ist sie auch für Arbeitskräfte. Außerdem ziehen attraktive Städte Touristen an. Auch das ist natürlich ein wichtiger ökonomischer Faktor. Wie steht es um die ökologischen Vorteile? Stadtgrün verbessert das örtliche Klima. Das ist vor allem vor dem Hintergrund des voranschreitenden Klimawandels bedeutsam. Straßenzüge, die nur aus Beton bestehen, heizen sich an sehr heißen Sommertagen - von denen wir in Zukunft mehr haben werden - schnell auf. Grünflächen jedoch sorgen für Abkühlung und Kältezonen. Auch bei Starkregenereignissen können Grünflächen Überschwemmungen reduzieren. Kann die (verwertbare) Biomasse aus öffentlichem Grün denn auch eine relevante Größe in der städtischen Energieversorgung sein? Grundsätzlich ja. Die getrennt gesammelte, holzige Biomasse aus der Pflege von öffentlichen Anlagen hat einen hohen Heizwert und kann zur Erzeugung von Strom und Wärme genutzt werden. Die energetische Nutzung kann in einer Vielzahl von Anlagen erfolgen, von großen Kraftwerken bis hin zu Holzpelletfeuerungen in Haushalten oder Biogasanlagen. Wenn viel holziger Grünabfall anfällt, kann dies lokal durchaus einen relevanten Anteil an der Energieversorgung darstellen. Aber auch die Kompostierung von Grüngut kann sinnvoll sein. Daher sollte immer geprüft werden, was in dem jeweiligen Fall ökologisch und ökonomisch angezeigt ist. Hat sich die Nutzung von Grünflächen in der letzten Zeit verändert? In der Wahrnehmung vieler kommunaler Unternehmen hat sich die Nutzung von Grünflächen in den vergangenen Jahren stark verändert. So gibt es etwa mehr Bemühungen von Bürgerinnen und Bürgern, die Städte selbst zu begrünen. Da sind zum Teil wirklich interessante Projekte dabei, die zeigen, dass sich die Menschen engagieren wollen. Ein recht prominentes Beispiel ist der Allmende-Garten auf dem Tempelhofer Feld, einem stillgelegten Flughafen in Funktionen von städtischem Grün - Anlage und Unterhalt als kommunale Aufgabe VKU-Vizepräsident Patrick Hasenkamp im Interview Städte weltweit haben gewaltigen Zulauf. Noch nie lebten so viele Menschen in Ballungszentren wie heute. Derzeit zählt bereits die Hälfte der Menschheit zur Stadtbevölkerung und die Vereinten Nationen sehen bis zum Jahr 2050 einen Anstieg auf 75 Prozent voraus. In immer dichter bebauten Ansiedlungen mit großen versiegelten Flächen werden die Auswirkungen des Klimawandels besonders spürbar. Umso wichtiger ist es daher, den öffentlichen Raum mit seinen urbanen Grünflächen und Gewässern als wesentlichen Faktor nachhaltiger Stadtentwicklung wahrzunehmen. VKU-Vizepräsident Patrick Hasenkamp © VKU 11 3 · 2016 TR ANSFORMING CITIES FORUM Interview Berlin, der durch die Nutzer selbst verwaltet wird. Hinzu kommt, dass die Menschen mehr Zeit draußen verbringen, grillen und picknicken. Das belebt die Städte. Es entstehen dadurch allerdings auch große Mengen Müll, vor allem auch durch den wachsenden Anteil an To-Go-Verpackungen, die die Mülleimer überquellen lassen. Viele Menschen lassen ihren Müll einfach liegen, anstatt ihn zu entsorgen. Das alles ist mit Kosten und Aufwand verbunden. Was kann gegen die Vermüllung der Parks und Grünflächen unternommen werden? Der VKU und seine Mitglieder versuchen, die Bürgerinnen und Bürger durch Kampagnen, etwa durch die europaweite Aktion „Let´s clean up Europe“ zu sensibilisieren. Let´s clean up Europe vereint Initiativen, die Aufräumaktionen in Städten und Gemeinden durchführen. Die Teilnehmerzahlen 2016 in Deutschland waren beeindruckend: Knapp 170 000 Teilnehmer haben gut 940 000 Kilogramm Müll gesammelt. Was sollte politisch getan werden, um der Vermüllung entgegenzuwirken? Den kommunalen Stadtreinigern machen die stetig wachsenden Mengen an To-Go-Bechern und -Verpackungen sehr zu schaffen. Angaben der Deutschen Umwelthilfe (DUH) zufolge werden in Deutschland stündlich 320 000 Coffee-To-Go-Becher verbraucht. Jährlich sind das rund 2,8 Milliarden Einwegbecher. Das ist zu viel! Die Entwicklung hin zu To-Go-Bechern und sonstigem Einweggeschirr verbraucht enorm viele Ressourcen. Sie schadet der Umwelt und dem Stadtbild. Zudem kostet das Sammeln der Verpackungen aus Papierkörben, von der Straße, aus Gebüschen oder Parks Zeit und Geld. Der aktuelle Entwurf des europäischen Kreislaufwirtschaftspaketes sieht vor, die Herstellerverantwortung auch in dem Bereich der To-Go-Verpackungen auszubauen. Der VKU unterstützt die Einführung solcher Regelungen auch in Deutschland. Ein verpackungsarmes und recyclingfreundliches Produktdesign kann den Ressourcenverbrauch deutlich reduzieren. Auch sollten die Hersteller der To-Go-Verpackungen für die Reinigung der öffentlichen Räume finanziell Verantwortung übernehmen. Welcher Anteil des kommunalen Haushalts fließt im Durchschnitt in die Pflege und den Unterhalt urbaner Grünflächen? Das lässt sich nicht pauschal beantworten. Grünflächenpflege funktioniert heute oft über Grünpflege- Managementsysteme, einer Unterteilung nach Pflegeklassen sowie verbindlichen Leistungsverzeichnissen mit verbindlichen Festpreisen. Vielen Bürgerinnen und Bürgern ist nicht bewusst, welcher Aufwand hinter der Pflege von Parks und Grünflächen steckt. Nehmen Sie eine Stadt mit 50 000 Einwohnern: Zu pflegen sind dort knapp 300 Hektar mit über 13 000 Stadtbäumen, 140 Spielplätzen, Laubsammlung im Stadtpark. © Stadtreinigung Hamburg 12 3 · 2016 TR ANSFORMING CITIES FORUM Interview sieben Friedhöfen, diverse Sportstätten und drei Stadtparks. Das verursacht eine Menge Aufwand. Oft fließen jedoch nur wenige Prozent des kommunalen Haushalts in den Unterhalt. Doch vergessen wir nicht: Diese Ausgaben dienen dem Menschen - sie steigern die soziale und wirtschaftliche Attraktivität der Kommune oder der Stadt! Wie wird der Unterhalt organisiert? Wer die Pflege von Grünflächen übernimmt, ist von Kommune zu Kommune unterschiedlich geregelt. Oft sind es Baubetriebshöfe, die verantwortlich sind. Seit mehreren Jahren beobachten wir allerdings auch, dass Grünflächenpflege in die Verantwortung der Abfallwirtschafts- und Stadtreinigungsbetriebe geht. Typischerweise sind alle Grünflächen, auch die Liegenschaften und Verkehrsinseln, in einem Grünflächenkataster hinterlegt und zusätzlich alle Flächen leistungsmäßig erfasst, bewertet, qualifiziert und mit einem Preis für die Auftraggeber hinterlegt. Für die permanent mitlaufende Nachkalkulation müssen alle Mitarbeiterleistungen, Fahrzeugleistungen, Fremdleistungen und alle Sachkosten täglich lückenlos dokumentiert werden. Pflege und Unterhalt öffentlicher Räume werden im Zuge von Einsparungen für Städtehaushalte schwieriger. Sind Public Private Partnerships zur alternativen Finanzierung sinnvoll? PPP-Modelle können mancherorts sinnvoll sein. Man darf sich dabei jedoch auch nichts vormachen und sich dann reicher rechnen, als man ist. Entscheidungen für oder gegen PPP müssen immer vor Ort ganzheitlich betrachtet werden. Steht die angespannte Haushaltslage der Kommunen der Pflege und dem Erhalt von städtischen Grünflächen entgegen? Die Budgets für die Grünflächenpflege sind unterschiedlich hoch. Ihre Höhe hängt nicht zuletzt davon ab, welchen Stellenwert die Kommunen dem Thema beimessen. Vor dem Hintergrund der ökologischen und ökonomischen Vorteile eines hohen kommunalen Grünflächenanteils, plädieren wir dafür, die Budgets angemessen zu verteilen. Wie wollen Sie das machen? Zunächst einmal ist es aus unserer Sicht notwendig, den Wert von städtischem Grün und damit auch die wertvolle Arbeit der entsprechenden ausführenden kommunalen Unternehmen deutlich zu machen. Diese verfügen in Deutschland derzeit jedoch über keine angemessene Interessenvertretung. Diese Lücke möchte der VKU schließen und hat daher in der Sparte Abfallwirtschaft und Stadtreinigung einen Ausschuss für Baubetriebshöfe gegründet. Neben der Interessenvertretung soll auch die Vernetzung gestärkt werden. Die neuen Mitglieder können außerdem die Beratungsangebote des VKU nutzen. Viele bereits in der Sparte Abfallwirtschaft und Stadtreinigung organisierte Unternehmen stehen vor ähnlichen betriebswirtschaftlichen oder rechtlichen Herausforderungen wie Baubetriebshöfe, sodass sich hier Synergien ergeben. Perspektivisch soll zudem der fachliche Erfahrungsaustausch auch auf regionaler und Landesebene gestärkt werden. Bereits vor fünf Jahren wurde im Städtetag Baden-Württemberg ein solcher Arbeitskreis gebildet. War dies auch ein Grund, das Thema nun bundesweit auszuweiten? Die Initiative, eine bundesweite Plattform für die Baubetriebshöfe im VKU einzurichten, kam vom Zusammenschluss der rund 190 Arbeitsgruppenmitglieder (Städte, Gemeinden, Verbände) aus Baden- Württemberg. Zudem gibt es in den Landesgruppen NRW und Küste bereits Arbeitsgruppen, die sich mit den Themen beschäftigen, die für Baubetriebshöfe relevant sind, etwa die Grünflächen- und Straßenunterhaltung. Der Gedanke lag also nahe, einen derartigen AK auf Bundesebene zu organisieren, damit die Baubetriebshöfe auch auf nationaler Ebene eine verbandliche Heimat und die Möglichkeit des Erfahrungsaustauschs bekommen. Welche Ziele verfolgt die Arbeitsgruppe und welche Vorteile können sich die Bauhofleiter und -mitarbeiter von dieser Arbeitsgruppe erhoffen? Wir wissen aus unseren vielen anderen Gremien, dass Erfahrungsaustausch eines der wichtigsten Anliegen unserer Mitglieder ist. In einem ersten Schritt wird es also darum gehen, Bedarfe der Mitglieder festzustellen und Synergien mit anderen Bereichen und Gremien des VKU zu heben. Thematische Überschneidungen gibt es viele: Gebäudewirtschaft, Mobilität, Fuhrpark, Maschinenpark, gemeinsame Nutzung von Betriebswerkstätten und -tankstellen, Beschaffungswesen, Tiefbauleistungen, vergleichbare Mitarbeiterstrukturen und Qualifikationen, Stadtreinigung und Winterdienst. Auf dieser Basis können dann Brancheninformationen erarbeitet werden, von denen dann alle Betriebe profitieren. Außerdem soll die Interessenvertretung auf Ebene der Länder, des Bundes und der Europäischen Union aufgebaut werden. Der VKU ist der Spitzenverband der kommunalen Wirtschaft in Deutschland, verfügt über Büros in den Ländern, in Berlin und in Brüssel und ist gut vernetzt. Diese Strukturen sollen auch die Baubetriebshöfe nutzen können.