Transforming cities
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expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2016-0062
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Dachbegrünung mit Schafwollmatten
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Susanne Herfort
Bei Dachbegrünungen werden sehr oft schon bereits vorkultivierte Vegetationsmatten verwendet. Diese haben den Vorteil, dass die Pflanzendeckung auf den zu begrünenden Dächern bereits zu Beginn sehr hoch ist. Vegetationsmatten, bestehend aus Schafrohwolle und Kokos, haben den großen Vorteil, dass sie genügend Wasser speichern, aber auch über eine Langzeitdüngewirkung verfügen. Untersuchungen über 10 Jahre zeigen, dass die Matten für extensive Pflanzen bestens geeignet sind.
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50 3 · 2016 TR ANSFORMING CITIES THEMA Urbanes Grün Die Begrünung im urbanen und im ländlichen Raum ist ein wesentlicher Bestandteil des Garten- und Landschaftsbaus (GaLaBau) und in den vergangenen Jahren ein stark wachsendes Segment geworden. Der Umsatz des GaLaBaus, der im Jahr 2015 7,14 Mrd. € betrug, besaß zum Vorjahr eine Wachstumsrate von 4,4 % und ist aufgrund der anhaltenden kräftigen Nachfrage nach Dienstleistungen rund um das Bauen mit Grün stark im Wachsen begriffen [1]. Insbesondere die Bedeutung von Stadtgrün nimmt immer mehr zu. Gegenwärtig werden so z. B. in Deutschland nach Aussagen der Fachvereinigung Bauwerksbegrünung e. V. etwa 8-10 Mio. m² Dachbegrünungen angelegt [2], aber auch begrünte Lärmschutzwälle und -wände werden immer mehr. Der Schwerpunkt des Garten- und Landschaftsbaus liegt mit 77 % im Neuanlegen von Grünflächen, ca. 20 % entfallen auf Pflegetätigkeiten. Neue vorkultivierte Vegetationssysteme werden vielfältig in verschiedenen Sektoren eingesetzt. Sie werden immer beliebter, weil sie zu schnellem Grün verhelfen. Vorkultivierte Vegetationsmatten findet man vor allem in folgenden Bereichen: Außenanlagen im Wohnungsbau Straßenbegleitgrün, Lärmschutzanlagen Friedhofsanlagen Dach- und Fassadenbegrünung Naturnaher Wasserbau Rekultivierung Auf dem Gebiet der Rekultivierung bzw. Renaturierung wird in Zukunft verstärkt gearbeitet werden. Grund hierfür ist die hohe Anzahl an Altlastverdachtsflächen (250 000) mit einer Ausdehnung von rund 900 000 ha [3]. Auch hier können künftig verstärkt vorkultivierte Vegetationsmatten angewendet werden. Aufgrund der steigenden Wachstumsrate im Garten- und Landschaftsbau ist abzusehen, dass der Markt daher weiterhin expandiert. Die Etablierung von neuartigen Vegetationsträgern, wie im Folgenden beschrieben, könnte zu einer sinnvollen Markterweiterung führen. Nutzung von Schafrohwolle Im Bereich des Garten- und Landschaftsbaus wird stets nach neuen gärtnerischen Kultursubstraten gesucht, denn die bisherigen Produkte werden leider nicht immer den ökologischen und vegetationstechnischen Erfordernissen durchgängig gerecht. Insbesondere für extensive Dachbegrünungen werden Materialien für Vegetationsmatten gesucht, die ein gutes Pflanzenwachstum gewährleisten, leicht sind, viel Wasser speichern können und eine nachhaltige Wirkung besitzen. Die Verwendung von Naturfasern und nachwachsenden Rohstoffen wird dabei immer bedeutender. Mittlerweile gibt es eine Reihe von Geotextilien, die aus pflanzlichen Fasern bestehen und erfolgreich im Garten- und Landschaftsbaus eingesetzt werden. Dennoch sind die Stoffeigenschaften dieser Materialien nicht immer optimal und die vollständige Pflanzendeckung auf den Vliesen und Geweben erfolgt über einen meist sehr langen Zeitraum. Schafwolle zählt ebenfalls zu den nachwachsenden 18,5 69 72 87 91 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 Kokos-Matte 400 g/ m² Schafwoll-Kokos-Matte 1000 g/ m² Schafwoll-Kokos-Matte 1500 g/ m² Schafwoll-Kokos-Matte 500 g/ m² Schafwoll-Kokos-Matte 2000 g/ m² Pflanzendeckung [%] Dachbegrünung mit Schafwollmatten Dachbegrünung, Stadtökologie, Vegetationsmatten, Schafwollle Susanne Herfort Bei Dachbegrünungen werden sehr oft schon bereits vorkultivierte Vegetationsmatten verwendet. Diese haben den Vorteil, dass die Pflanzendeckung auf den zu begrünenden Dächern bereits zu Beginn sehr hoch ist. Vegetationsmatten, bestehend aus Schafrohwolle und Kokos, haben den großen Vorteil, dass sie genügend Wasser speichern, aber auch über eine Langzeitdüngewirkung verfügen. Untersuchungen über 10 Jahre zeigen, dass die Matten für extensive Pflanzen bestens geeignet sind. Bild 1: Pflanzendeckung auf Schafwoll- Kokos-Matten mit unterschiedlichem Flächengewicht nach vier Monaten Vorkultivierungszeit. © Herfort 51 3 · 2016 TR ANSFORMING CITIES THEMA Urbanes Grün Rohstoffen und wird gegenwärtig hauptsächlich in der Textilindustrie eingesetzt. In Europa wurde der Absatz von Schafwolle in den letzten Jahren jedoch immer schwieriger. Der Rückgang der Schafhaltung hält seit Jahrzehnten in Deutschland an. Mittlerweile werden in Deutschland nur noch 1,6 Mio. Schafe gehalten. Damit ist in den letzten 10 Jahren der Schafbestand um 62 % gesunken (2006: 2,6 Mio. Schafe) [4]. Die letzte Wollwäscherei in Deutschland schloss 2009, so dass das Nebenprodukt Schafwolle von den Schäfern oftmals nur noch entsorgt werden kann. Schafrohwolle, die als natürlicher und nachwachsender Rohstoff jedoch stets gratis anfällt, besitzt aber nicht nur sehr gute textile Eigenschaften, sondern ist auch für Pflanzen physiologisch äußerst wertvoll. Sie ist zum einen in der Lage, ein Vielfaches ihres Eigengewichtes an Wasser aufzunehmen und kann damit ein guter Wasserspeicher sein, enthält aber auch wichtige Pflanzennährstoffe wie Stickstoff (ca. 10-12 %), Kalium (ca. 4-6 %) und Schwefel (ca. 2 %) und ist zudem vollständig biologisch abbaubar. Somit sind die Voraussetzungen gegeben, dass Schafwolle im Garten- und Landschaftsbau erfolgversprechend eingesetzt werden kann. Einsatz von Schafwoll-Vegetationsmatten Ein vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit gefördertes Forschungsvorhaben in den Jahren 2001 bis 2004 hatte zum Ziel, eine Produkt- und Verfahrensentwicklung zur sinnvollen Nutzung von Schafrohwolle für den Garten- und Landschaftsbau vorzunehmen [5]. Es sollten erstmalig Trägermaterialien auf der Basis ungewaschener und ungereinigter Schafwolle entwickelt werden. Sie sollten einen hohen Gebrauchswert haben und zudem kostengünstig sein. In dem Projekt wurde erstmalig Schafrohwolle mit all ihren Nichtwollbestandteilen (Schweiß, Sand, Pflanzenteile und Kot) zu dünnschichtigen Vegetationsträgern verarbeitet und anschließend im Labor und in der Praxis getestet. Reine Schafwollmatten wurden untersucht und die Kombination mit Kokosfasern, die ein gutes Dränvermögen aufweisen. In den Praxisversuchen wurden für die Vorkultivierung Sedumsprossen (S. album, S. cauticolum, S. kamtschaticum, S. reflexum, S. sexangulare, S. spurium) mit einer Ausstreustärke von 100 g Sprossen/ m² verwendet. Getestet wurde zudem, welche Substratstärke (5 mm; 2,5 mm; 1 mm; ohne Substrat) auf den Matten notwendig ist, um eine hohe Pflanzendeckung zu erreichen. Desweiteren wurde die Langzeitdüngewirkung der Schafwollmatten hinsichtlich der Pflanzenentwicklung untersucht. Vorteile von Vegetationsmatten aus Schafrohwolle Es zeigte sich während der Vorkultivierung, dass sich Schafwoll-Kokos-Matten als Wirrvlies gelegt, als Vegetationsmatten sehr gut eignen. Empfohlen wird, eine dünne Substratschicht bei der Vorkultivierung auf die Rohmatten aufzubringen, da so die Sedumsprossen schneller in das Substrat und in die Matte einwurzeln können. Innerhalb von 4 Monaten erreichten die unterschiedlichen Vegetationsmatten, die alle eine Substratstärke von 5 mm aufwiesen, eine Pflanzendeckung zwischen 69 % und 91 % (Bild 1). Nach der erfolgreichen Vorkultivierung der Vegetationsmatten wurde dann geprüft, ob die Anforderungen der Richtlinie für die Planung, Ausführung und Pflege von Dachbegrünungen (FLL) erfüllt wurden. Sowohl die bautechnischen als auch die vegetationstechnischen Zielsetzungen mussten berück- Bild 2: Neu verlegte Schafwoll-Kokos- Matten im Mai 2006. © Herfort Bild 3: Neu verlegte Schafwoll-Kokos- Matten Ende Juni 2006. © Herfort Bild 4: Schafwoll-Kokos- Matten im Sommer 2009. © Herfort 52 3 · 2016 TR ANSFORMING CITIES THEMA Urbanes Grün sichtigt werden. Neun Monate nach der Verlegung bestätigten sich die positiven Eigenschaften der Schafwoll-Kokos-Matten: Die Vegetationsmatten bestehen für Anzucht, Transport, Verlegung und Verwendungszweck aus geeigneten Trägereinlagen. Die Vegetationsmatten können mit einem zugfesten Armierungsgewebe ausgestattet werden, so dass sie den Anforderungen an Geotextilien entsprechen. Die Vegetationsmatten sind gleichmäßig dick ausgebildet und gestatten eine hohlraumfreie Verlegung. Die Vegetation ist durch Kulturmaßnahmen ausreichend abgehärtet, wenn sie über die Wintermonate auf den Vorkultivierungsflächen bleibt. Der Gesamtdeckungsgrad kann durch optimale Kulturmaßnahmen während der Vorkultivierungszeit (Minimum vier Monate) 75 % und mehr betragen. Wenn die Matten ausreichend hygienisiert sind, ist kein Fremdbesatz festzustellen. Durch Gewinnung, Transport und Verlegung entsteht kein Verlust beim Füllsubstrat. Im Mai 2006 wurde an der Humboldt-Universität zu Berlin ein extensives Gründach (ca. 350 m²) mit vorkultivierten Schafwollmatten errichtet (Bild 2 bis Bild 4). Dieses Dach wurde über Jahre nicht gedüngt und die Pflanzendeckung betrug auf den vollsonnigen Dachbereichen stets 100 % (Bild 4). Pflege und Düngung Bezüglich der Pflegegänge war es in den 10 Jahren des Bestehens erforderlich, mindestens ein Mal im Frühjahr das Unkraut und die aufgegangenen Baumsämlinge zu entfernen. Insbesondere auf den schattenexponierten Dachflächen wurden die Sedumpflanzen von Beikräutern aus der Umgebung verdrängt (Bild 5). Das zeigt, dass die entwickelten Vegetationsmatten für schattige Bereiche mit angepassten Standortmischungen vorkultiviert werden müssen. Desweiteren konnte festgestellt werden, dass die Schafwoll-Kokos-Matten nach 10 Jahren vollständig biologisch abgebaut sind. Im Frühjahr 2016 wurde das erste Mal eine flächendeckende Düngung mit einem Langzeitdünger durchgeführt. Ausblick Dieses Beispiel hat gezeigt, dass dünnschichtige Vegetationsmatten aus Schafwolle und Kokosfasern für extensive Dachbegrünungen funktionieren. Der Transfer kann nun erfolgreich beginnen. Die Langzeiterfahrungen zeigen, dass Dachbegrünungen mit Schafwoll-Kokos-Matten äußerst nachhaltig sind und dass in den ersten 5 bis 10 Jahren keine zusätzlichen Düngergaben erforderlich sind (Bild 6), was ein positiver ökonomischer Faktor ist. Gegenwärtig forscht das IASP an dickschichtigen Vegetationsmatten aus Schafrohwolle mit Staudenpflanzen zum Beispiel für den Einsatz im Bereich der intensiven Dachbegrünung. Dieses Projekt wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert. Mit ersten Ergebnissen ist Ende des Jahres 2016 zu rechnen. LITERATUR [1] https: / / www.galabau.de/ branchendaten.aspx [2] http: / / www.gebaeudegruen.info/ [3] Geschäftsbericht des Bundesverbandes Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau e.V., Stand 2012 (Veröff./ 2013). [4] Statistisches Bundesamt, Wiesbaden 2016. [5] http: / / www.iasp.asp-berlin.de/ iasp115.html Bild 5: Extensive Dachbegrünung mit schattenexponierten Flächen, Sommer 2015. © Herfort Bild 6: Schafwoll-Kokos- Matten nach acht Jahren ohne Düngung. © Herfort Dipl.-Ing. Susanne Herfort Wissenschaftliche Mitarbeiterin Institut für Agrar- und Stadtökologische Projekte an der Humboldt-Universität zu Berlin (IASP) Kontakt: susanne.herfort@iasp.hu-berlin.de AUTORIN
