Transforming cities
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expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2016-0083
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Fernwärmenetz mit unterirdischem Pufferspeicher
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Barbara Rockstroh
Das kommunale Fernwärmenetz der Gemeinde Murg in Südbaden heizt seit September 2014 mit Hackschnitzeln zur Versorgung von Schule und Einfamilienhäusern. Es nutzt einen großen unterirdischen Pufferspeicher, um die Lastspitzen im Netz auszugleichen und dem Heizkessel einen gleichmäßigen Grundlastbetrieb mit langen Laufzeiten zu ermöglichen.
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20 4 · 2016 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Energie Unterirdische Speicherbehälter erfreuen sich zunehmender Beliebtheit, gerade bei Modernisierung von großen, bisher mit Gas betriebenen Heizanlagen - wie in Murg. Ein Brennstoffspeicher war dort nicht erforderlich. Bei der Umstellung auf Hackschnitzel änderte sich das. Das Brennstofflager und der zusätzlich installierte Pufferspeicher wurden, weil dafür innerhalb des Gebäudes kein Platz war, im Zuge der Heizungsmodernisierung unterirdisch eingebaut. Kommunales Contracting Das Fernwärmenetz in Murg- Niederhof ist schon das zweite dieser Art in der 7 000 Einwohner zählenden Gemeinde an der Schweizer Grenze, zwischen Hochrhein und Südschwarzwald. Wer meint, Contracting und Fernwärme sei vor allem Sache großer Städte mit eigenen Stadtwerken, täuscht sich. Auf der Website der Kommune erklärt Bürgermeister Adrian Schmidle, was Murg auszeichnet: „Wir sind eine lebendige Wohngemeinde mit hoher Lebenskultur und ökologischer Verantwortung. Wir sind offen, familienfreundlich und innovativ.“ In diesem Sinne hat Ortsbaumeister Wolfgang Vögtle die fortschrittlichen und für alle Beteiligten lukrativen Konzepte realisieren lassen. Seine Idee: Immer wenn die Heizzentrale eines großen gemeindeeigenen Gebäudes modernisierungsbedürftig ist- - wie zuletzt bei den Schulen im Zentrum von Murg und im Ortsteil Niederhof - werden benachbarte Hausbesitzer aufgefordert, sich zu beteiligen. Deren Vorteil ist, dass sie fortan nur noch die Wärme bezahlen und nicht mehr die Erneuerung ihrer Heiztechnik finanzieren müssen. Auch für die Gemeinde dieses kommunalen Contracting-Modells entsteht ein finanzieller Vorteil, denn große Heizzentralen lassen sich im Verhältnis preiswerter bauen und betreiben, als die sonst alleine für die Schulen notwendigen kleineren. Das zweite kommunale Fernwärmenetz in Murg-Niederhof hat 34- Übergabestationen. Verbraucher sind neben Schule und Sporthalle 30 private Wohnhäuser, ein Kirchengemeindehaus und ein Kindergarten in einigen hundert Metern Umkreis. Insgesamt wurden 2 090 m flexible Doppel-Kunststoffrohre verlegt. Darin zirkuliert Wasser mit einem Leitungsdruck von 2- bar und einer Temperatur zwischen 80-°C Vorlauf und 50-°C Rücklauf. Fernwärmenetz mit unterirdischem Pufferspeicher Gemeinde Murg stellt von Gas auf Holzbrennstoffe um und bezieht Anlieger ein Barbara Rockstroh Das kommunale Fernwärmenetz der Gemeinde Murg in Südbaden heizt seit September 2014 mit Hackschnitzeln zur Versorgung von Schule und Einfamilienhäusern. Es nutzt einen großen unterirdischen Pufferspeicher, um die Lastspitzen im Netz auszugleichen und dem Heizkessel einen gleichmäßigen Grundlastbetrieb mit langen Laufzeiten zu ermöglichen. Bild 3: Heizzentrale Fernwärmenetz Murg- Niederhof. Doppelpumpe der Fernwärmeleitung mit Regelgruppe/ Umschaltventil für den Spitzenlastkessel. © König Bild 1: Fernwärmenetz Murg-Niederhof. Heizzentrale auf dem Schulgelände unter der Sporthalle (rechts), geöffneter unterirdischer Hackschnitzelspeicher (links). © König Bild 2: Heizzentrale Fernwärmenetz Murg-Niederhof mit Grundlastkessel für Hackschnitzel 390 kW. Automatische Brennstoffzufuhr (hinten links), automatischer Ascheaustragung (rechts). Spitzenlastkessel für Gas 500 kW (hinten rechts). © König 21 4 · 2016 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Energie Der vorhandene Gasanschluss bleibt bestehen und wird bei Bedarf kurzzeitig für den neuen Spitzenlastkessel genutzt. Der kann das Wärmenetz mit 500- kW notfalls allein versorgen - wenn der Grundlastkessel ausfällt, gewartet wird oder nicht genug Leistung bringt. Für die Abdeckung der Grundlast läuft nun ein Hackschnitzelkessel mit 390-kW. Dieser holt sich automatisch das Brennmaterial aus dem in den Außenanlagen neu eingebauten Hackschnitzelbunker. Dazu wurde ein Fördersystem installiert, das die Hackschnitzel vom Boden des Lagers durch die Außenwand der Heizzentrale bis zum Brenner transportiert. Das im Vergleich zu Holzpellets dreimal größere Speichervolumen ist hier kein Problem, denn die Kosten waren, in Verbindung mit den ohnehin erforderlichen Tiefbauarbeiten für 2- km Fernwärmenetz, relativ günstig. Weshalb Hackschnitzel? Die Gemeinde Murg entschied sich aus ökologischen und ökonomischen Gründen, im Grundlastbetrieb von fossilem Gas auf regenerative Holzhackschnitzel umzustellen. Holzbrennstoffe aus der Region punkten bei Umwelt, Klima, Volkswirtschaft und Betriebskosten, denn sie sind nachwachsend, CO 2 -neutral, tragen zu einer 100-prozentigen Wertschöpfung im Inland bei und sind für die Kunden preiswerter zu beziehen als die fossilen Brennstoffe aus fernen Ländern. Darüber hinaus besteht nicht das politische Risiko eines Lieferboykotts, und Unfälle beim Transport sind weit weniger gefährlich als bei Öl oder Gas. Der Brennstoff Hackschnitzel stammt von einem einheimischen Landwirt, der in rund 500 m Entfernung von der Heizzentrale seinen Betrieb hat. Er ist auch zuständig für das Abholen der Asche, die er auf seinen Äckern als Dünger ausbringen kann. Von der Gemeinde Murg wird die von den Hackschnitzeln erzeugte Wärme bezahlt, nicht die Menge oder das Gewicht seiner Ware. Damit lohnt sich die Lieferung trockenen, hochwertigen Brennstoffs. Und je besser dessen Qualität, desto weniger Wartung ist bei Kessel und Lager erforderlich. Hackschnitzel haben ein Gewicht von rund 200 kg/ m³. Sie werden als Schüttgut angeliefert und vom Lieferanten direkt bei geöffneter Abdeckung in den Speicher gekippt. In Murg ist in der rechteckigen Öffnung, die sich über die gesamte Länge und Breite des Behälters erstreckt, ein Rüttelsieb eingebaut, das während des Befüllens elektrisch in Bewegung versetzt wird. So lassen sich Hohlräume und Schüttkegel weitgehend verhindern, wodurch die Entnahme am Speicherboden störungsfrei funktioniert und das Volumen des Behälters optimal ausgenutzt wird. Der Inhalt von 150 m 3 entspricht 30- t Füllgewicht bzw. 12 000 L Heizöläquivalent. Die üblichen, oben offenen Transportcontainer fassen 40 m³ bzw. 8 Tonnen. Der Lieferant kann hier also bereits nachfüllen, wenn ein Drittel oder die Hälfte des Vorrats aufgebraucht ist. Wirtschaftlich durch Pufferspeicher Wie der unterirdische Hackschnitzelbehälter ist auch der Pufferspeicher in unmittelbarer Nähe zur Heizzentrale des Fernwärmenetzes eingebaut. Darin wird die vom Hackschnitzelkessel stammende Wärme gespeichert, bis sie für Heizung und Warmwasserbereitung in den 34 Übergabestationen gebraucht wird. Gebäude-Energiebedarf: Energiebedarf eines Gebäudes (Gebäude-Energiebedarf < installierte Heizleistung) Installierte Heizleistung: Maximal mögliche Leistung eines Heizkessels Jahres-Heizenergiebedarf: Energiebedarf des Gebäudes ohne Warmwasser Primärenergie: Tatsächliche Energiemenge in der natürlich vorkommenden Energieform am Entstehungsort (exklusive Transport, Verarbeitung und Nutzungsgrad) UA-Wert: Leitparameter für die Wärmeverlustrate eines Speichersystems bezogen auf das Speichervolumen und die Geometrie in [W/ K] Schichtladerohr: Ermöglicht die Einbringung des Wassers im Beladekreis des Speichers in Schichten mit gleichem Temperaturniveau Glattrohr wärmeübertrager: Wärmeübertragung über die Rohroberfläche einer meist zentrisch aufgewickelten Rohrleitung, ohne zusätzliche Wärmeübertragungsrippen; ermöglicht auch Systemtrennung zweier Kreisläufe Plattenwärmetauscher: Systemtrennung von Kreisläufen mit unterschiedlichen Wärmeträger- Flüssigkeiten oder unterschiedlichen Temperatur-Spreizungen über eine Vielzahl von eng aneinander liegenden Platten Prallteller: zur verwirbelungsreduzierten Einleitung von Kreislaufwasser Auslassbogen: zur verwirbelungsreduzierten Einleitung von Kreislaufwasser BEGRIFFE BEI HEIZTECHNIK UND PUFFERSPEICHERN Bild 4: Fernwärmenetz Murg-Niederhof. Schnitt-Darstellung des unterirdischen Pufferspeichers ThermoSol, aus dem das Netz im Normalbetrieb die Wärme zieht. © Zeichnung: Mall 22 4 · 2016 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Energie Der Pufferspeicher hat einen Betriebsdruck bis zu 3 bar und ist Teil eines Ladebzw. Entnahmekreislaufs. Große Rohrdimensionen erlauben ein schnelles Be- und Entladen der Wärme. Ein weiterer Vorteil ist die einfache Montage, denn die Schnittstellen liegen außerhalb des Speichers. Sein inneres Gefüge ist vom Hersteller druckgeprüft. Erwähnenswert sind auch die Abdeckung mit zwei übereinander liegenden Verschlüssen und die Entwässerung des Zwischenraums der beiden Dichtungsebenen bei eventuell entstehendem Kondenswasser. Ein unterirdischer Pufferspeicher sollte mit möglichst kurzen, wärmegedämmten Rohrleitungen in das Heizungssystem eingebunden werden, damit keine nennenswerten Wärmeverluste entstehen - eine der Voraussetzungen für den effizienten Betrieb von großen Heizanlagen. Puffervolumen mit der in Murg nötigen Dimension von 13 400- L würde im Innenraum konventionell nur über eine Kaskade hintereinander aufgestellter und geschalteter Behälter erreicht. Schon ab 3 000 L Fassungsvermögen würde es selbst bei einem Neubau schwierig, solche Behälter innerhalb des Gebäudes unterzubringen. Maße von Türöffnung und Raumhöhe sind der Grund. Wird die Wärme aber unterirdisch gelagert, können Fertigteilbehälter aus Beton bis zu den im Straßenverkehr für Tieflader zulässigen Abmessungen gefertigt werden. Das spart gegenüber Lösungen aus Ortbeton Baukosten und Bauzeit, denn das Versetzen eines solchen Pufferspeichers in die Erde dauert in der Regel nicht mehr als eine Stunde. Die Bauweise ähnelt einer Thermoskanne. „Das Wasser, in Murg 13 400-L, befindet sich in einem Stahlbehälter. Zwischen diesem und der äußeren robusten Hülle aus fugenlosem Stahlbeton sorgt Glas-Granulat-Dämmstoff für eine lange Nutzungsdauer“, erklärt Clemens Hüttinger vom Hersteller Mall in Donaueschingen. Als UA-Wert für den Wärmeverlust gibt er 6,4 W/ K an. Dies ist das Ergebnis der wissenschaftlichen Untersuchung am Institut für Solarenergieforschung Hameln, einer Einrichtung der Universität Hannover. Das günstige Verhältnis von Inhalt und Oberfläche des zylindrischen Pufferspeichers ThermoSol ist die wichtigste Voraussetzung zur Minimierung der Wärmeverluste. Außerdem verhindert die 25 cm starke Recyclingglas-Wärmedämmung ein schnelles Auskühlen. Auswertung der ersten Heizperiode „Der Holzkessel läuft immer nur auf diesen Speicher und wird über eine Pufferregelung angesteuert. Das Netz zieht sich die Wärme aus dem Puffer“, erklärt der für die haustechnische Planung und Dimensionierung zuständige Fachingenieur Torben Steenhoff. „Ist die zur Verfügung stehende Wärme im Pufferspeicher aufgebraucht, bzw. sinkt die Vorlauftemperatur im Netz unter den Sollwert, fährt die Verbrennung der Hackschnitzel auf Volllast hoch. Reicht dies aufgrund hohen Wärmebedarfs nach einer einstellbaren Zeitverzögerung nicht aus, heizt der zusätzlich installierte Gaskessel über die hydraulische Weiche direkt in das Fernwärmenetz nach“. Bei Ausfall des Holzkessels oder Wartungsarbeiten geht der Gaskessel in Betrieb und versorgt das Netz über ein Umschaltventil direkt, unter Umgehung des Pufferspeichers. Bild 7: Fernwärmenetz Murg-Niederhof, eine von 34 Übergabestationen. Verbraucher sind neben Schule, Sporthalle, Kindergarten und Kirchengemeindehaus auch 30 private Wohnhäuser. © Steenhoff Bild 5: Fernwärmenetz Murg-Niederhof. Unterirdischer Pufferspeicher, Anschlussleitungen. © Mall Bild 6: Fernwärmenetz Murg-Niederhof. Verlegen der flexiblen Doppel- Kunststoffrohre zu 34 Übergabestationen. © Steenhoff 23 4 · 2016 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Energie Nach der ersten Heizperiode 2014/ 2015 stellt Steenhoff aufgrund seiner Aufzeichnungen fest: „Erst durch die ausgleichende Wirkung des Pufferspeichers konnte der Hackschnitzelkessel preiswert, Material schonend und gleichmäßig mit langen Laufzeiten im Grundlastbetrieb heizen. Der Pufferspeicher hat in dieser Saison alle Leistungsspitzen, vor allem die des Winterbetriebs, abgefangen“. Bauherrschaft und Planer wussten, dass der kontinuierliche Wärmebedarf der überwiegend aus Wohnhäusern bestehenden Verbrauchsstellen in diesem Sinne von Vorteil ist. Doch einen so deutlichen Erfolg hatte man nicht erwartet. Weitere Informationen: Planerhandbuch „Unterirdische Lagersysteme für Biomasse, Pellets und Wärme“. Mall GmbH, Donaueschingen, 2015, www.mall.info Adresse des Objekts: Schulstr. 4, 79730 Murg-Niederhof Bauherrschaft: Gemeinde Murg Fachplanung Haustechnik: Ingenieurbüro Steenhoff, Todtnau Ausführung: Tröndle Haustechnik, Waldshut-Tiengen Inbetriebnahme: September 2014 Investitionsvolumen Heizzentrale: ca. 480 000 Euro Investitionsvolumen Fernwärmenetz und Übergabestationen: ca. 560 000 Euro Fernwärmenetz: 2 090 m, 2 bar, 80/ 50 °C Anzahl Übergabestationen: 34 Jahreswärmebedarf geschätzt: 1 200 000 kWh/ a Kesseltyp Hackschnitzel: KÖB/ Viessmann Pyrotec, 390 kW Kesseltyp Gas: Viessmann Vitocrossal 200, 500 kW Hackschnitzelspeicher: Ortbetonbehälter und Rüttelsieb für 150 m³/ 30 t/ Heizöläquivalent 12.000 L mit Entnahmesystem Förderschnecke Pufferspeicher: Mall-Betonfertigteilbehälter ThermoSol 13400 Nutzvolumen: 13 400 L Maximaler Betriebsdruck: 3 bar Minimale/ Maximale Betriebstemperatur: 10 °C/ 95 °C Anzahl Beladekreise/ Entladekreise: 1/ 1 Einbauten: 4 Tauchrohre Bild 8: Fernwärmenetz Murg-Niederhof. Die Trasse der Fernwärmeleitung ist im Straßenbelag erkennbar (links). Angeschlossen sind 30 private Wohnhäuser, eine Schule mit Sporthalle, ein Kirchengemeindehaus und ein Kindergarten (rechts). © König PROJEKTDATEN FERNWÄRMENETZ MURG-NIEDERHOF Barbara Rockstroh Sachverständigen- und Fachpressebüro König Kontakt: mail@klauswkoenig.com AUTORIN Anzeige
