Transforming cities
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expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2016-0086
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Grüne Welle an der A40
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Jürgen Quindeau
Dachbegrünungen auf flachen Dächern sind in der modernen Architektur schon fast normal. Bei steilen
Dächern üben sich immer noch zu viele Bauherren und Architekten in großer Zurückhaltung. Im Auftrag
der Aral Aktiengesellschaft entwarf der Architekt Manfred Beier couragiert ein als Welle geschwungenes
und begrüntes Dach für eine Raststätte. Die Mannschaft von GRÜN+DACH konnte unter Beweis stellen,
dass es auf grünen Dächern auch mal schräg zugehen kann. Die passende Technik dafür lieferte ZinCo
mit dem Systemaufbau „Begrüntes Schrägdach“.
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32 4 · 2016 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum Lücke geschlossen Die Autobahn A40 ist verkehrstechnisch betrachtet eine der Hauptschlagadern im Ruhrgebiet. Sie reicht über eine Strecke von etwa 100 Kilometern vom holländischen Venlo im Westen über Duisburg, Essen und Bochum bis nach Dortmund im Osten. Als „Stau-Hotspot“ ist sie über die Landesgrenzen von Nordrhein-Westfalen hinaus bekannt, denn für Güterverkehr und Pendler im Ruhrgebiet ist sie unverzichtbar. Allerdings gab es bis zum Jahr 2014 nur eine einzige Tank- und Rastanlage an dieser wichtigen Autobahn, und zwar in Fahrtrichtung Venlo. Erst im Herbst 2014 nahm die Raststätte Beverbach auf der anderen Seite der Autobahn, an der Grenze zwischen Bochum und Dortmund ihren Betrieb auf. Lob vom Bauherrn Aral: „Mit ihrem besonderen Design und dem innovativen Konzept ist die Tank- und Rastanlage in Beverbach eine der originellsten und modernsten Stationen ihrer Art in Europa“. Und in der Tat hat das Architekturbüro Manfred Beier ein innovatives Gebäude geschaffen, das mit Hilfe von Sonnenkollektoren, Photovoltaikmodulen und Dachbegrünung komplett energieneutral ist. Die Inneneinrichtung der Raststätte ist modern und überzeugt mit vielen ausgefallenen Ideen. Der äußere Erholungsbereich mit Spielplatz liegt abgewandt von Grüne Welle an der A40 Begrüntes Schrägdach der Raststätte Beverbach Jürgen Quindeau Dachbegrünungen auf flachen Dächern sind in der modernen Architektur schon fast normal. Bei steilen Dächern üben sich immer noch zu viele Bauherren und Architekten in großer Zurückhaltung. Im Auftrag der Aral Aktiengesellschaft entwarf der Architekt Manfred Beier couragiert ein als Welle geschwungenes und begrüntes Dach für eine Raststätte. Die Mannschaft von GRÜN+DACH konnte unter Beweis stellen, dass es auf grünen Dächern auch mal schräg zugehen kann. Die passende Technik dafür lieferte ZinCo mit dem Systemaufbau „Begrüntes Schrägdach“. Bild 1: Die Raststätte Beverbach an der A40 bei Bochum beeindruckt mit ihrem extravaganten Dach mit „Grüner Welle“. © GRÜN+DACH / ZinCo (alle Bilder des Artikels) 33 4 · 2016 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum der Autobahn. Die Raststätte ist schon von weitem gut sichtbar, denn zum Gebäudeensemble gehört auch der Nachbau eines 16 Meter hohen Förderturms mit zwei Aussichtsplattformen. Steiler als eine schwarze Piste Die „Grüne Welle“ beeindruckt mit ihrer geschwungenen Form und ihrer starken Neigung. Die Dachneigung erreicht im steilsten Abschnitt 32 Grad (63 %) und um das einordnen zu können, hilft der Vergleich zu alpinen Skipisten, die bereits ab 22 Grad (40 %) schwarz gekennzeichnet werden. Die Ausführung der Dachabdichtung und der Begrünung musste zwingend eng aufeinander abgestimmt werden. Der Bauherr vergab die anstehenden Arbeiten an die Firma GRÜN + DACH - einem Dachdecker-, Garten- und Landschaftsbaufachbetrieb. Dessen Fachleute modifizierten das Leistungsverzeichnis in Teilen und begannen im Juli 2014 mit den Abdichtungs- und Begrünungsarbeiten. Dachabdichtung mit Kunststoffbahnen Grundlage des Dachaufbaus sind sogenannte Sandwichelemente. Sie bestehen aus einem trapezprofilierten Flachdachsystem mit Dämmkern, das in Bauteilen von einem Meter Breite und Längen von bis zu dreizehneinhalb Metern auf eine vorher montierte Konstruktion aus gebogenen Leimbindern befestigt wurde. Die Außenhülle der Sandwichelemente besteht aus vollverzinktem Stahlblech. Um darauf die Lagesicherung der Dachabdichtung zu gewährleisten, wurde zuerst ein Haftvermittler vollflächig auf die Metalloberfläche aufgetragen. Die einlagige, wurzelfeste Dachabdichtung mit Bahnen aus Ethylen- Vinylacetat-Terpolymer (EVA) mit unterseitiger Kaschierung aus Polyestervlies und Selbstklebeschicht wurde auf der Dachfläche vom First zur Traufe ausgerollt, ausgerichtet und dann durch das Herausziehen einer Trennfolie dauerhaft mit dem vorbereiteten Untergrund verklebt. Anschließend wurden alle Nähte durch Quell- oder Warmgasschweißen homogen geschlossen und nach erfolgter Nahtprüfung versiegelt. Gerade auf geneigten Dachflächen ist die Wurzelfestigkeit eine wichtige Eigenschaft, denn eine zusätzliche Wurzelschutzfolie, wie sie auf Flachdächern oft verwendet wird, ist auf geneigten Dächern nicht lagesicher zu verlegen. Nach Abdichtung der Fläche waren die Details an der Reihe: Neben dem Dachrand wurden Lüfter, Dacheinläufe, Kabeldurchführungen, Ständer für das Sicherungssystem und Konsolen für die Kollektoren fachgerecht an die Dachabdichtung angeschlossen, die Nähte wiederum kontrolliert und versiegelt. Besonders wichtig ist, dass die Nahtfügung bei einer Dachbegrünung in höchster Qualität ausgeführt wird, denn später eine Leckage zu orten und zu beheben, ist sehr aufwändig. Aus optischen Gründen war auf der Dachfläche kein Rand mit einer Kiesschüttung erwünscht, weshalb ein Winkelprofil aus Aluminium um fünfzig Zentimeter eingerückt und umlaufend, parallel zum Dachrand fixiert wurde. Das benutzte Dachtraufprofil DP- 120 aus Aluminium ist mehrfach gekantet und hat eine Höhe von 120 mm. Es ist mit Entwässerungs-Schlitzöffnungen ausgestattet und der Auflageschenkel ist für die Fixierung durch Aufschweißen von Folienstreifen auf der Dachabdichtung gelocht. Bild 2: Haftvermittler wurde aufgetragen und Abdichtungsbahnen wurden verlegt. Bild 3: Schubschwellen im Steilhang und Dachtraufprofil aus Aluminium als Randeinfassung Bild 4: Sorgfalt ist oberstes Gebot beim Eindichten der Schubschwellen. 34 4 · 2016 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum Schubschwellen gegen Abrutschen der Begrünung Zur Lagesicherung des Begrünungsaufbaus auf einer Gesamtlänge des Daches von ungefähr 25- Metern zwischen Traufe und First in der größten Ausdehnung und einem Höhenunterschied von 5,70 Metern müssen besondere Maßnahmen ergriffen werden. Im Vorfeld wurden verschiedene Möglichkeiten diskutiert - alternativ zwischen Aufhängen und Abstützen der Dachbegrünung. Die Entscheidung fiel schließlich zu Gunsten der Variante, bei der Schubschwellen den Begrünungsaufbau abstützen. Dazu wurden zuerst die anfallenden Lasten, die jeweils auf die Schubschwellen treffen, in Meterschritten ermittelt, danach die Dimension der Schwellen und deren Befestigung errechnet. Die unterste Schwelle sitzt bei 10-Grad Dachneigung, auf ihr lasten etwa 320 kg/ m im wassergesättigten Zustand. Auf der mittleren Schubschwelle bei 27 Grad liegen 455 kg/ m und auf der oberen bei 20 Grad rund 260 kg/ m. In der Folge wurde ein Konstruktionsvollholz (KVH) in einer Stärke von 6- x- 6- cm durch die Abdichtung in den Sandwichelementen mit Edelstahlschrauben 6,3 x 115 mm in einem Abstand von 25 cm verschraubt. Anschließend wurden die Schwellen mit Zuschnitten der Abdichtung eingefasst und mit der Flächenabdichtung homogen verschweißt. Die Baulänge der Schubschwellen ist auf maximal fünf Meter begrenzt, danach gibt es jeweils eine Unterbrechung, damit es oberhalb nicht zu einem Wasseranstau kommen kann, der sich im Vegetationsbild der Begrünung bemerkbar machen würde. Dachbegrünung in vier Schritten Im ersten Schritt der Begrünungsarbeiten wurde die Speicherschutzmatte SSM 45 über die gesamte zu begrünende Fläche verlegt, eine verrottungsfeste Fasermatte aus Polyester/ Polypropylen mit eingenadeltem Trägervlies. Dieses Geotextil funktioniert nicht nur als Schutzlage für die Dachhaut, sondern kann auch Wasser bis zu 5 L/ m² speichern. Darauf folgte in einem zweiten Schritt das Kernstück des Systemaufbaus „Begrüntes Schrägdach“: das schubabtragende Dränageelement Floraset FS 75, bestehend aus expandiertem Polystyrol-Hartschaum in einer Höhe von 75 mm, mit hohen Noppen zur Verzahnung des Vegetationssubstrats und zur Aufnahme des Substratschubs. Es verfügt über Wasserspeichermulden, Öffnungen zur Belüftung und Diffusion, sowie ein unterseitiges Mehrrichtungskanalsystem, um überschüssiges Regenwasser sicher abzuführen. Bei einem Eigengewicht von etwa 1- kg/ m² bietet es eine Druckbelastbarkeit von rund 25 kN/ m². Auf der „Grünen Welle“ stützen sich jeweils bis zu fünf Reihen bzw. fünf Meter dieser Dränageelemente auf die Schubschwellen. Auf Grund des „schwierigen Geländes“ wurden Fasermatte und Dränage Reihe für Reihe von unten nach oben verlegt, wobei gerade im steilsten Bereich mit großer Vorsicht agiert werden musste, um nicht mit allen Bauteilen nach unten zu rutschen. Das gilt natürlich erst recht beim Aufbringen des Dachsubstrates im dritten Schritt, das ebenfalls von der Traufe zum First hin aufgebracht wurde. Angeliefert im Silofahrzeug, wurde es mit Schläuchen auf das Dach geblasen, was mehr Personal erforderte als auf einem Flachdach. Bild 5: Speicherschutzmatte und schubabtragendes Dränageelement werden verlegt, der Bereich für die Sonnenkollektoren bleibt frei. Bild 6: Systemerde „Steinrosenflur“ wird auf das Dach geblasen. Bild 7: Die Vegetationsmatten werden im Randbereich angepasst. 35 4 · 2016 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum Bis zu fünf Dachgärtner bewegten den Förderschlauch über das Dach, um das Dachsubstrat gleichmäßig mit einer Menge von 100 L/ m² aufzubringen und zu planieren. Das verwendete Vegetationssubstrat „Steinrosenflur“ für extensive Dachbegrünungen besteht aus Recycling-Tonziegeln Zincolit und ausgesuchten mineralischen Zuschlagstoffen, angereichert mit Zincohum (Substratkompost und Faserstoffen). Es entspricht den Anforderungen der FLL-Richtlinien an Vegetationssubstrate für Extensivbegrünungen in Mehrschichtbauweise und den Vorgaben der Düngemittelverordnung. Es ist flugfeuerbeständig, frostbeständig und strukturstabil. Seine maximale Wasserspeicherkapazität beträgt rund 40 Vol.-% bei einem Volumengewicht von bis zu 1400 kg/ m³ in wassergesättigtem Zustand. Im vierten und letzten Arbeitsschritt brachten die Dachgärtner die Bepflanzung in Form von vorkultivierten Pflanzenmatten auf. Diese Vegetationsmatten wurden über eine Vegetationsperiode im Freien für die schnelle Flächendeckung, speziell auf Schräg- und Tonnendächern oder auf windexponierten Dachflächen, mit vier bis acht bewährten Sedum- Sorten auf einer Trägereinlage vorkultiviert. Das ist vergleichbar mit der Anzucht und Verwendung von Roll- oder Fertigrasen, nur dass die als Rollen gelieferten Pflanzenmatten in der Regel größer und schwerer sind. Die hier verwendeten Matten hatten eine Größe von 1,00 x 2,00 Meter mit einem Liefergewicht von etwa 40 kg pro Rolle. Sie wurden auf dem Dach dicht gestoßen verlegt, eine Arbeit, die wiederum im Steilhang besonders hohe Ansprüche an die Geschicklichkeit, Kraft und Standfestigkeit der Dachgärtner stellte. Mit der durchdringenden Startbewässerung wurden die Begrünungsarbeiten dann beendet und nach vier bis sechs Wochen waren die Pflanzenmatten schon gut im Substrat verwurzelt und zur Pflege begehbar. Der Systemaufbau „Begrüntes Schrägdach“ sorgt dauerhaft für Lagesicherheit und Pflanzenwachstum. Mehr Mut zu schrägen Dächern Die Raststätte Beverbach ist in der Tat innovativ und ihr Erscheinungsbild sehr markant. Nicht nur der ruhrgebietstypische Förderturm mit seinen Aussichtsplattformen, sondern auch die „Grüne Welle“, mit einer 590 m² großen Dachbegrünung auf der elegant geschwungenen Dachkonstruktion, tragen zu diesem Eindruck bei. Es ist zu wünschen, dass sich immer mehr Bauherren und Architekten an solche Dachformen herantrauen, denn erfahrene Dachgärtner haben die technischen Mittel und das Knowhow zur Umsetzung, sie warten nur darauf, dies auch anwenden zu können. Anhalten und Pause machen: Für Autofahrer, die auf der Autobahn A40 unterwegs sind, gibt es nun zumindest an der Raststätte Beverbach eine „Grüne Welle“. Bild 8: Die Anordnung der Schubschwellen erfolgte nach genauer Berechnung. Bild 9: Systemaufbau „Begrüntes Schrägdach“ • Vorkultivierte Vegetationsmatten • Systemerde „Steinrosenflur“ • Floraset FS 75 • Speicherschutzmatte SSM 45 • Dachaufbau mit wurzelfester Dachabdichtung Bauprojekt: Dachabdichtung und Dachbegrünung der Raststätte Beverbach Ausführung: GRÜN+DACH, Jürgen Quindeau, Heiligenhaus Bauherr: Aral Aktiengesellschaft, Bochum Bauzeit: Juli - September 2014 Dachfläche: ca. 590 m² Architekten: Manfred Beier, Bad Hersfeld Dachkonstruktion: Pinschmidt GmbH & Co KG, Dörpen Dachabdichtung: alwitra GmbH & Co., Klaus Göbel, Trier Begrünungsaufbau: Systemaufbau „Begrüntes Schrägdach“ ZinCo GmbH, Nürtingen PROJEKTDATEN RASTSTÄTTE BEVERBACH Dipl.-Ing. Jürgen Quindeau Grünplanung + Dachdecker ZinCo GmbH Kontakt: info@zinco-greenroof.com AUTOR Neigung bis 32° SCHUBSCHWELLE SCHUBSCHWELLE SCHUBSCHWELLE Anordnung der Schubschwellen
