Transforming cities
tc
2366-7281
2366-3723
expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2016-0088
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2016
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Nachhaltige Bestandserhaltung von öffentlichen Abwasseranlagen und ihre Refinanzierung
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2016
Thomas Wedmann
Michael Hippe
Die Erhaltung des Bestandes unserer Abwasseranlagen ist inzwischen eine der zentralen Aufgaben der Abwasserbeseitigung. Die Optimierung der Bestandserhaltung, die zugehörige Finanzierung und insbesondere das Zusammenwirken aus beiden sind deshalb von großer wasserwirtschaftlicher und ökonomischer Bedeutung. Sie sind Thema des aktuell abgeschlossenen Forschungsprojektes NaBAR, welches gemeinsam durch die Hochschule Ruhr-West, die Technische Universität Dortmund, die Kommunal Agentur NRW und die Franz Fischer Ingenieurbüro GmbH unter Beteiligung der Kooperationspartner Stadtentwässerung Düren und Städtischer Abwasserbetrieb Leichlingen erarbeitet wurde. In diesem Artikel werden die Ergebnisse des Handlungsbereiches „Sanierungsstrategie und daraus resultierende Zustands- und Gebührenentwicklung“ vorgestellt.
tc140041
41 4 · 2016 TR ANSFORMING CITIES THEMA Städtische Infrastrukturen Zur Aufstellung einer optimierten Sanierungsstrategie wurden zunächst die verschiedenen möglichen Strategieansätze gemäß DWA-A 143-14 analysiert und daraus dann eine Kombination aus zustandsbasiertem, gebietsbezogenem und Substanzwertansatz entwickelt. Gerade für kleine und mittlere Kommunen kann aus dieser Kombination eine sinnvolle Sanierungsstrategie erarbeitet werden, die umweltrechtlichen, wirtschaftlichen und den Nachhaltigkeitsanforderungen gerecht wird. Zur Verifizierung der optimierten Strategie waren zum einen die langfristige Zustandsentwicklung und zum anderen die Kosten-, Vermögens- und Gebührenentwicklung zu betrachten. Hierfür bieten inzwischen Zustandsprognosemodelle eine wertvolle Unterstützung. Bei ihrer Anwendung können genauere und detailliertere Aussagen zur zukünftigen Entwicklung getroffen werden als mit rein statischen Betrachtungen. Allerdings erfolgen bei den bisher bekannten Modellierungen der Zustandsentwicklung die Alterung und der Sanierungseingriff eher kontinuierlich. Sie bilden damit den in der Realität vorhandenen 15-Jahres-Zyklus von Untersuchung und Sanierung gerade bei der gebietsorientierten Sanierung nicht ab, so dass es zu einer entsprechenden Verfälschung gegenüber der in der Praxis regelmäßig tatsächlich realisierten Sanierung kommen kann. Aus diesem Grund wurde in dem hier vorliegenden Forschungsprojekt eine sehr komplexe, detaillierte Modellierung gewählt. Für beide Modellkommunen wurden die Gebiete gemäß Inspektionsplan separat jeweils um 15 Jahre gealtert und die zeitlich ver- Nachhaltige Bestandserhaltung von öffentlichen Abwasseranlagen und ihre Refinanzierung Infrastruktur, Bestandserhaltung, Sanierungsstrategien, Finanzierung Thomas Wedmann, Michael Hippe Die Erhaltung des Bestandes unserer Abwasseranlagen ist inzwischen eine der zentralen Aufgaben der Abwasserbeseitigung. Die Optimierung der Bestandserhaltung, die zugehörige Finanzierung und insbesondere das Zusammenwirken aus beiden sind deshalb von großer wasserwirtschaftlicher und ökonomischer Bedeutung. Sie sind Thema des aktuell abgeschlossenen Forschungsprojektes NaBAR, welches gemeinsam durch die Hochschule Ruhr-West, die Technische Universität Dortmund, die Kommunal Agentur NRW und die Franz Fischer Ingenieurbüro GmbH unter Beteiligung der Kooperationspartner Stadtentwässerung Düren und Städtischer Abwasserbetrieb Leichlingen erarbeitet wurde. In diesem Artikel werden die Ergebnisse des Handlungsbereiches „Sanierungsstrategie und daraus resultierende Zustands- und Gebührenentwicklung“ vorgestellt. Bild 1: Modellierungsumsetzung. © Franz Fischer Ingenieurbüro GmbH Bild 2: Ereignisermittlung für jeden Kanal. © Franz Fischer Ingenieurbüro GmbH 42 4 · 2016 TR ANSFORMING CITIES THEMA Städtische Infrastrukturen setzte Bearbeitung von Inspektion und Sanierung in diesen Intervallen modelliert. Für den gewählten Betrachtungszeitraum von 90 Jahren waren somit für jede Modellierung insgesamt 90 Rechenläufe erforderlich. Im Ergebnis konnten die intervallartig vorliegenden Erkenntnisse und die daraus bedingten Sanierungsentscheidungen detailgetreu nachgebildet werden. Bei der Modellierung des Sanierungseingriffs wurde darauf geachtet, dass die wirtschaftliche Bild 3: Sanierungskosten Kanalnetz Düren und Leichlingen 2015 bis 2105. © Franz Fischer Ingenieurbüro GmbH Bild 4: Prognostizierte Entwicklung der Buchwerte der Kanalnetze von Düren und Leichlingen. © Franz Fischer Ingenieurbüro GmbH Sanierungsentscheidung für den jeweiligen Einzelfall im Vordergrund steht. Sie darf nicht durch den Strategieansatz überdeckt werden - pauschale Änderungen der Entscheidungsregeln, wie z. B. die Erhöhung des investiven Sanierungsanteils, werden diesem Anspruch nicht gerecht. Bild 1 zeigt die Modellierung von Alterung und Eingriff, in Bild 2 ist der Entscheidungsweg für den Sanierungseingriff dargestellt. Für die Modellierung des Alterungsverhaltens und des zutreffenden Sanierungseingriffs war neben der prioritätsorientierten auch eine substanzorientierte Zustandsklassifizierung erforderlich. Diese wurde mit dem Programm TPSanierung auf Basis des im DWA-Leitfaden zur strategischen Sanierungsplanung dargelegten Substanzklassifizierungsmodells vorgenommen. Für die Zustandsprognose wurde das Programm KanewZ eingesetzt. Dabei werden die Zustandsübergänge auf Basis eines Semi-Markov-Modells modelliert und die Zustandsverteilung auf Basis der GompertZ-Verteilung abgebildet. Für die Anwendung des Modells wurden die Zustandsübergangsfunktionen durch Parametrisierung und Stratifizierung kalibriert, wobei für die Stratifizierung die Kennwerte System, Tiefenklasse und Nennweite als signifikant herausgearbeitet wurden. Mit den Modellierungsergebnissen für die ungestörte Alterung konnten zunächst die angesetzten kalkulatorischen Nutzungsdauern von 75 Jahren für Düren und 71,5 Jahren für Leichlingen bestätigt werden. Mit Anwendung der optimierten Strategie erhöht sich die Gesamtnutzungsdauer schrittweise bis zum Ende des Betrachtungszeitraums auf 114 bzw. 118 Jahre. Damit wird ein direkter und wirtschaftlich notwendiger Beitrag zum Erhalt des Infrastrukturvermögens geleistet. Die erforderlichen Sanierungskosten bleiben dabei überschaubar (siehe Bild 3): Für das ältere Kanalnetz von Düren betragen die mittleren Kosten 43 4 · 2016 TR ANSFORMING CITIES THEMA Städtische Infrastrukturen 10 €/ m·a, für das jüngere Kanalnetz von Leichlingen 7 €/ m·a. Es ist davon auszugehen, dass bei Kanalnetzen im ländlichen Raum ohne größere Kernbereiche die Kosten noch niedriger liegen. Der Reparaturanteil bewegt sich im Mittel zwischen 20 % und 30 %. Auftretende Spitzen sowohl bei den Gesamtkosten als auch beim Reparaturanteil können ohne weiteres durch Verschieben in Folgejahre abgefedert werden. Ein zumindest nicht in dieser Höhe erwartetes Ergebnis der Prognose sind die fallenden Buchwerte. Während in Düren aufgrund des höheren Alters und des damit relativ gesehen deutlich niedrigeren Ausgangsniveaus die Abschreibungen nach etwa 26 Jahren durch die zunehmenden Investitionen kompensiert werden, fallen in Leichlingen die Buchwerte bis 2071 deutlich ab (siehe Bild 4). Die Entwicklung der Buchwerte vor allem in Leichlingen macht deutlich, dass die Formulierung eines abstrakten Ziels zum Erhalt des vorhandenen Anlagenwertes zu unsinnigen und entsprechend zu unwirtschaftlichen Investitionen führen würde, denn bei der hier vorgenommenen Modellierung wird die Sanierungsentscheidung immer streng nach Wirtschaftlichkeitsprinzipien getroffen. Die daraus folgende Entwicklung der aus den Kanälen resultierenden Gebührenanteile für die Modellkommunen Düren und Leichlingen ist in Bild 5 dargestellt. In Düren werden die mit den Restbuchwerten sinkenden Zinsen durch die aus der Investitionstätigkeit resultierenden Steigerung der Abschreibungen kompensiert, so dass der Verlauf der Realgebühren (ohne Preissteigerung) insgesamt konstant ist. Anders sieht es in Leichlingen aus: Hier können die mit den Buchwerten stark sinkenden Zinsen nicht in dem Maße kompensiert werden, so dass es zu real sinkenden Gebührenanteilen kommt. Daraus wird zum einen deutlich, dass die Anwendung der dargestellten optimierten Sanierungsstrategie gebührenverträglich und somit eine nachhaltige Bestandserhaltung finanziell darstellbar ist. Zum anderen muss zumindest für Leichlingen festgestellt werden, dass es in Zukunft zu einem sinkenden Kapitalrückfluss aus dem Kanal kommt. Da eine verstärkte Investitionstätigkeit zur Vermeidung dieses Rückgangs technisch/ wirtschaftlich nicht sinnvoll ist, sollten für eine stabile, nachhaltige Finanzierung andere Wege, wie z. B. die Zulässigkeit gebührenwirksamer Rückstellungen, ermöglicht werden. Bild 5: prognostizierte Entwicklung der Abschreibungen auf Wiederbeschaffungszeitwerte. © Franz Fischer Ingenieurbüro GmbH AUTOREN Dipl.-Ing. Thomas Wedmann Franz Fischer Ingenieurbüro GmbH Kontakt: thomas.wedmann@fischer-teamplan.de Dipl.-Ing. Michael Hippe Franz Fischer Ingenieurbüro GmbH Kontakt: michael.hippe@fischer-teamplan.de
