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expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2017-0005
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Smart Data für den Katastrophenschutz von morgen

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Stefan Jäger
Rund zwei Milliarden Euro haben Elementarschäden wie Stürme und Überschwemmungen laut dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft alleine im Jahr 2016 verursacht. Bedingt durch den Klimawandel könnten solche Naturereignisse laut Experten noch häufiger werden. Umso wichtiger wird es deshalb, in Zukunft gut vorbereitet zu sein, um schnell und souverän auf solche Ereignisse reagieren zu können. Das Projekt „sd-kama – Smart Data Katastrophenmanagement“ entwickelt ein geointelligentes und echtzeitfähiges Informationssystem, das mithilfe von Smart Data zielgerichtetes Katastrophenmanagement ermöglicht.
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9 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES FORUM Standpunkt Ausgelöst durch das Tief „Axel“ traf Anfang Januar die stärkste Sturmflut seit zehn Jahren die Küsten Deutschlands und richtete insbesondere an den Küsten Mecklenburg-Vorpommerns Schäden in Millionenhöhe an. Schnelle Hilfe ist in Fällen wie diesen dringend erforderlich. Leider benötigen Hilfskräfte meist viel Zeit, um sich ein Bild von der aktuellen Lage zu machen. So geht wichtige Zeit verloren, in der Menschenleben gerettet werden und Infrastrukturen verschont bleiben könnten. Das Sammeln, Strukturieren und Auswerten von Geo- und Wetter-Daten in Echtzeit kann entscheidende Informationen für Rettungsstäbe zu Tage fördern und ein schnelles und gezieltes Agieren ermöglichen. Schon lange haben Apps auf dem Smartphone und Plug-Ins auf dem Computer, die uns über die gegenwärtige und zukünftige Wetterlage informieren, Einzug in unseren Alltag gehalten. Lokale Wetterstationen können per SMS oder App vor schweren Unwettern und möglichen Hochwassern in der Region warnen. Doch aufhalten kann der technische Fortschritt diese Naturgewalten nicht. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, in einem Katastrophenfall einen möglichst umfassenden Überblick über die Situation zu bekommen und rechtzeitig Rettungsmaßnahmen einzuleiten. Das ist heute jedoch oft noch schwierig. Häufig gibt es kein aktuelles und umfassendes Bild von der Lage in den betroffenen Gebieten, beispielsweise in Bezug auf das Ausmaß und die Intensität des Hochwassers. Informationen über drohende Deichbrüche, Schäden an Gebäuden und Gefahren für deren Bewohner bleiben lange unbekannt. Eine zerstörte Infrastruktur zwingt Rettungskräfte zudem zu Umwegen. Die Verantwortlichen können die Lage vor Ort oft nur schlecht einschätzen und dadurch nicht schnell und gezielt genug reagieren. Intelligente Daten schaffen einen Überblick Eine Plattform, die die wichtigsten Informationen bündelt und einen gegenwärtigen Überblick bietet, kann helfen. Das Projekt „sd-kama - Smart Data Katastrophenmanagement“, das im Rahmen des Technologieprogramms „Smart Data - Innovationen aus Daten“ vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert wird, unterstützt Katastrophenstäbe sowie alle Akteure des vorbeugenden und aktiven Katastrophenschutzes wie Rettungskräfte oder Behörden aktiv. Das Projekt entwickelt derzeit ein geointelligentes und echtzeitfähiges Informationssystem, das ein zielgerichtetes Katastrophenmanagement ermöglicht. Smart Data für den Katastrophenschutz von morgen Geointelligentes und echtzeitfähiges Informationssystem für ein effizientes Katastrophenmanagement Smart Data, Big Data, Katastrophenmanagement, Katastrophenschutz Stefan Jäger Rund zwei Milliarden Euro haben Elementarschäden wie Stürme und Überschwemmungen laut dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft alleine im Jahr 2016 verursacht. Bedingt durch den Klimawandel könnten solche Naturereignisse laut Experten noch häufiger werden. Umso wichtiger wird es deshalb, in Zukunft gut vorbereitet zu sein, um schnell und souverän auf solche Ereignisse reagieren zu können. Das Projekt „sd-kama - Smart Data Katastrophenmanagement“ entwickelt ein geointelligentes und echtzeitfähiges Informationssystem, das mithilfe von Smart Data zielgerichtetes Katastrophenmanagement ermöglicht. Dr. Stefan Jäger, leitet das Smart- Data-Projekt „sd-kama - Smart Data Katastrophenmanagement“ und ist Mitglied der Geschäftsleitung der geomer GmbH in Heidelberg. © Wolfgang Borrs 10 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES FORUM Standpunkt Hierfür sammelt und analysiert sd-kama relevante Informationen aus unterschiedlichen Quellen. Dazu zählen etwa Meldungen von Betroffenen und Helfern vor Ort, aber auch Satellitenbilder oder Nachrichten. Diese heterogene Datenflut wird von der Datenanalyse des Complex Event Processings von sd-kama automatisiert gefiltert und aufbereitet, sodass hilfreiche Informationen schneller und akteursbezogen gewonnen werden - aus Big Data werden Smart Data. Dank dieser intelligenten Daten können sich Rettungskräfte schnell ein vollständiges Bild über das Katastrophengebiet und die betroffenen Menschen machen und zielgerichtet helfen. Das System filtert nur Informationen heraus, die für die Krisenstäbe wirklich relevant sind. Dadurch sind diese in der Lage, Gefahren besser einzuschätzen, die richtigen Entscheidungen zu treffen sowie Einsatzkräfte und Ressourcen effizienter koordinieren und nutzen zu können. Zwei Informationssäulen für ein klares Bild Das Grundgerüst des Systems bilden hier die beiden Informationssäulen „Raum“ und „Mensch“. Für die Säule „Raum“ erstellt sd-kama zunächst ein aktuelles und dynamisches Bild des betroffenen Gebiets. Hierfür werden Daten wie Pegelstände aus unterschiedlichen, bisher voneinander getrennten Informationssystemen gesammelt und verknüpft. Ergänzt werden diese mittels Satellitenfotos, die etwa Aufschluss über den Zustand von Gebäuden und Infrastruktur geben können. Zudem wertet die Plattform auch dynamische Datenströme aus Bild- und Videodateien aus, die von freiwilligen Helfern oder Einsatzkräften übermittelt werden. An dieser Stelle kommt die zweite Informationssäule „Mensch“ zum Tragen: So liefert das System Meldungen über die Verfassung der Einsatzkräfte. Mithilfe von Wearables wie Armbändern, die die Vitaldaten der Träger erfassen, wird die Einsatzzentrale regelmäßig über den psycho-physiologischen Zustand der Helfer informiert. Sind Rettungskräfte oder Helfer überlastet, kann Unterstützung geordert werden. Sind sie gar erschöpft, ist der Einsatzleiter früh informiert und kann die Ablösung organisieren. Zusätzlich können die Helfer über die sd-kama-App auf ihrem Smartphone ihre Eindrücke von der Lage vor Ort nicht nur schildern, sondern auch mit Videos und Fotos dokumentieren und an die Einsatzzentrale weiterleiten. Insgesamt verbessert sd-kama so die Informationsgrundlage und hilft, Fehler oder die Konsequenzen von versagenden Schutzeinrichtungen frühzeitig zu erkennen und eine Eskalation der Lage zu vermeiden. Ein weiterer Vorteil ist, dass sd-kama gleichzeitig einen Blick in die nahe Zukunft wirft. Das Informationssystem vergleicht verschiedene, bereits bewältigte Überflutungsszenarien und vereint sie in einer Simulation, die den weiteren Verlauf des derzeitigen Hochwassers präziser als bisher vorherzusagen vermag. So trifft der Einsatzstab seine Entscheidungen auf Basis genauerer Prognosen und kann sich früher und besser vorbereiten. Weitere Einsatzmöglichkeiten Derzeit steht das Projekt sd-kama vor zwei konkreten Entwicklungen: Zum einen soll eine Erweiterung auf zusätzliche Einsatzgebiete über den Testbetrieb Köln beziehungsweise den Rhein hinaus erörtert werden. Hierfür ist die Architektur des Systems von vorne herein offen angelegt. Außerdem ist eine Öffnung der App für weitere Nutzer angestrebt. Dies können etwa private oder ehrenamtliche Helfer aber auch betroffene Bevölkerungsgruppen sein, die - wie in der Vergangenheit an der Elbe und Donau gezeigt - ebenfalls sinnvolle Beiträge zum Katastrophenmanagement leisten können. Die App wird dazu so angepasst, dass je nach Nutzerkreis unterschiedliche Optionen verfügbar sind. So wird beispielsweise das Hochladen von Fotos, Videoclips und Nachrichten jedem zur Verfügung stehen, die Beurteilung und Kategorisierung von Schadenslagen aber den professionellen Einsatzkräften vorbehalten sein. Darüber hinaus ist eine allgemeine Verwendung für externe Nutzer denkbar. So könnte sd-kama ähnlich wie ein Navigationssystem Autofahrern bestimmte Routen vorschlagen und zum Beispiel Straßen melden, die wegen einer Überschwemmung nicht passierbar sind. Neben Privatpersonen könnten davon auch Logistikunternehmen oder Dienstleister wie Taxifahrer Das Informationssystem liefert auch Meldungen über die Verfassung der Einsatzkräfte. © pixabay 11 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES FORUM Standpunkt profitieren. Diese Funktionalitäten erprobt das Projekt gemeinsam mit dem Projekt iTESA, welches ebenfalls im Smart-Data-Programm gefördert wird. Datenschutz als entscheidender Faktor für den Erfolg Wie im Allgemeinen bei der Verwendung von Massendaten, sind auch bei sd-kama die Aspekte Sicherheit und Datenschutz von zentraler Bedeutung. Um Missbrauch vorzubeugen, muss etwa beim Sammeln von Orts- und Bewegungsdaten per Wearables sichergestellt werden, dass per Default keine Rückschlüsse auf Einzelpersonen möglich sind. Während bei der Erhebung der physiologischen Daten der Einsatzkräfte eine räumliche Zuordnung zumindest zu einer Gruppe von Einsatzkräften für die Einsatzplanung gegeben sein muss, ist bei der Dokumentation per Foto oder Videoclip eine anonyme Nutzung ausreichend. Da letztere Funktionalität auch einem größeren Nutzerkreis zur Verfügung stehen soll, wurden die Anwendungen letztlich vollständig voneinander getrennt in separaten Apps realisiert. Für den Erfolg und die gesellschaftliche Akzeptanz von Smart-Data-Lösungen ist es zentral, entsprechende rechtliche Rahmenbedingungen und eine Basisinfrastruktur zu schaffen, in der ein datenschutzkonformer Informationsaustausch möglich ist, beispielsweise durch die Verwendung geeigneter Pseudonymisierungs- und Anonymisierungsverfahren. Über ein durchdachtes Rechte- und Rollenkonzept ist sicherzustellen, dass nicht vermeidbare Daten mit Personenbezug ausschließlich durch dazu befugte Mitarbeiter abgerufen werden können. Vor dem Hintergrund des Technologieprogramms „Smart Data - Innovationen aus Daten“ wird jedoch allgemein deutlich, dass der Einsatz von Smart-Data-Lösungen eine enorme Chance für den Standort Deutschland darstellt. Das Projekt „sd-kama - Smart Data Katastrophenmanagement“ ist nur eines der Beispiele für die große Vielfalt als auch für das Potenzial von Anwendungen und Dienstleistungen, die auf dieser Technologie aufbauen. Ob für Großunternehmen oder kleine und mittelständische Betriebe: Die Einbindung von Smart Data ist in Zukunft grundlegend für den Erfolg der Digitalisierung in Deutschland. Eine Investition in bleibende Werte Auftraggeber und Auftragnehmer gemeinsam für Qualität Gütesicherung Kanalbau RAL-GZ 961 www.kanalbau.com