Transforming cities
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expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2017-0034
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Verteilung regenerativ erzeugten Stroms über Elektroautos
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Dirk Vogel
Die Elektromobilität nimmt weiter zu, wobei die Niederlande mit einem gut ausgebauten Infrastruktur-Netz eine Vorreiterrolle einnehmen. Dazu haben Unternehmen wie Allego und Van der Sijs beigetragen, deren intelligente Ladepunkte mit einer besonderen Power-Management-Funktion ausgestattet sind. Die notwendigen Automatisierungskomponenten liefert Phoenix Contact.
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8 2 · 2017 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Energie · Mobilität Die in Wijk bij Duurstede südlich von Amersfoort ansässige Van der Sijs Techniek & Automatisering BV ist schon seit langem im Bereich Steuerungstechnik und Energieverteiler tätig. Vor etwa fünf Jahren stieg das Unternehmen über seine Arbeitsgruppe Green Label dann auch in das wachsende Geschäftsfeld der Elektromobilität ein. Henk Roest, Automatisierungs-Fachmann bei Van der Sijs, berichtet: „Einige unserer Kunden aus der Energiebranche wollten unsere Verteilsysteme an Solarpanels oder Ladestationen für Elektroautos ankoppeln. Deshalb haben wir uns entschlossen, uns entsprechend zu spezialisieren“. Als erste wichtige Innovation konzipierte Van der Sijs ein Power-Management-System. Mit der Lösung kann der über Solarpanels oder aus anderen Energiequellen erzeugte Strom über Elektroautos verteilt werden, um Energieangebot und -nachfrage optimal aufeinander abzustimmen und Probleme im Stromnetz zu verhindern. Eine Steuerung pro Ladeplatz Bei der weiteren Entwicklung des Ladesystems kam der Ankopplung an ein Backoffice - auch als Zentralsystem bezeichnet - eine entscheidende Bedeutung zu. Roest erläutert: „Das Open Charge Point Protocol (OCPP), das zur Authentifizierung von Elektroautos an öffentlichen Ladestationen verwendet wird, sieht ein solches Backoffice vor“. Denn der herstellerneutrale und lizenzfreie Standard, der die Ladevorgänge überwacht und verwaltet und die jeweiligen Benutzer- und Abrechnungsdaten an den Vertragspartner übermittelt, ist nicht auf die Kommunikation mit nur einem Ladepunkt ausgelegt. Vielmehr muss die Ladeapplikation über ein Power-Management-System Verteilung regenerativ erzeugten Stroms über Elektroautos Intelligente Ladelösung mit besonderem Power-Management-System Elektromobilität, Infrastruktur, Ladestationen, Power-Management, Erneuerbare Energien, Wirtschaftlichkeit Dirk Vogel Die Elektromobilität nimmt weiter zu, wobei die Niederlande mit einem gut ausgebauten Infrastruktur-Netz eine Vorreiterrolle einnehmen. Dazu haben Unternehmen wie Allego und Van der Sijs beigetragen, deren intelligente Ladepunkte mit einer besonderen Power-Management-Funktion ausgestattet sind. Die notwendigen Automatisierungskomponenten liefert Phoenix Contact. © Phoenix Contact 9 2 · 2017 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Energie · Mobilität verfügen. Diese Herausforderung hat Van der Sijs gemeinsam mit den Spezialisten der Phoenix Contact E-Mobility GmbH gelöst. Außergewöhnlich an dem Ansatz ist, dass es nur eine zentrale Steuerung gibt, über die alle auf dem Ladeplatz befindlichen Elektroautos registriert und zusätzliche Daten für das Power Management ausgetauscht werden. Individuelle Auswahl der Ladeart Als Backoffice wählte Van der Sijs Allego. Das in Arnheim ansässige Tochterunternehmen des Energienetz-Betreibers Alliander entwickelt maßgeschneiderte Ladelösungen und Ladeinfrastruktur für Kommunen, Unternehmen und Verkehrsbetriebe. Mit dem Ziel, jedem Nutzer eine einfach handzuhabende, kostengünstige sowie überall und jederzeit verfügbare Lademöglichkeit bereitzustellen, ist Allego außer in den Niederlanden ebenfalls in Belgien und Deutschland tätig. „Gemeinsam mit unseren Kunden und Partnern erarbeiten wir individuelle Ladelösungen, sodass der Elektromobilität keine Grenzen gesetzt sind“, erklären Augusta Goedhart, als Realisation Manager bei Allego beschäftigt, sowie ihr Kollege, der Innovation & Product Manager Patrick Langevoort. Sowohl der Standort von Allego in Arnheim als auch der Unternehmenssitz von Van der Sijs in Wijk bij Duurstede dienen als Testgelände für das neue Power- Management-System (Bild 1). Henk Roest berichtet: „Bei Van der Sijs ist das Power-Management-System an eine aus 189 Solarpanels bestehende Photovoltaik-Lösung sowie an vier Ladepunkte angekoppelt. Ein zentraler Rechner erkennt die abrufbare Solarstrom-Leistung sowie den Ladebedarf der Elektroautos. Je mehr die Sonne scheint, desto schneller lassen sich die E-Mobile betanken“. Die Partner führen inzwischen Tests durch, bei denen der Nutzer zwischen herkömmlichem Laden, einfachem Laden mit Solarenergie sowie einem innerhalb einer bestimmten Zeit garantiert vollständig geladenen Akku wählen kann. „Die Lösung zeichnet sich dadurch aus, dass das System niemals überlastet wird“, so Roest. „Wir sprechen daher von einem intelligenten Netz++“. Kleine Ladestation für beengte Verhältnisse Allego hat eine Umfrage unter potenziellen Käufern von Elektroautos gestartet und sie unter anderem gefragt, wie eine Ladesäule ihrer Meinung nach aussehen sollte. Den meisten Teilnehmern war es hier wichtig, dass der Ladepunkt möglichst klein und unsichtbar ist. Dieses Feedback hat Allego dann bei der Entwicklung des Power-Management-Systems aufgenommen und umgesetzt. Die Ladepunkte umfassen nun lediglich die Technik, die tatsächlich notwendig ist. Dazu gehören die Ladesteckdose (Socket Outlet), die Verriegelung sowie die RFID/ NFC-Chips, um den Aufladevorgang zu autorisieren und zu beginnen. Die kleinen Ladestationen sind von Allego speziell für den beengten Ladeplatz konzipiert worden. Sie lassen sich als Ein-, Zwei- oder Vierpunkt-Variante auf einem Pfosten oder als einzelner Ladepunkt an einer Mauer montieren (Bild 2). Bild 1: Speziell für das Power-Management designte Ladepunkte: so klein wie möglich, jedoch funktional voll integriert. © Phoenix Contact Bild 2: Die ausgewählte Bauform ermöglicht eine große Varianz von Einsatzmöglichkeiten. © Phoenix Contact 10 2 · 2017 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Energie · Mobilität Kommunikative Anbindung via Modbus TCP/ IP und OCPP Laut Aussage von Goedhart, Langevoort und Roest kommt der Ladesteuerung EV Charge Control von Phoenix Contact eine entscheidende Bedeutung im beschriebenen System zu. Sie dient der Steuerung und Überwachung des Ladens der Elektroautos am Drei-Phasen-Wechselstromnetz im Mode 3 gemäß IEC 61851- 1. Gleichzeitig tauscht der EV Charge Control via Modbus TCP/ IP Daten mit der zentralen Steuerung aus. Dabei handelt es sich um einen Inline Controller ILC 370 ETH 2TX von Phoenix Contact, der wiederum via OCPP an das Backoffice-System angebunden ist (Bild 3). Der ILC- 370- ETH- 2TX wurde mittlerweile gegen eine leistungsfähigere Axiocontrol- Steuerung AXC- 3050 ausgewechselt. Statt der bislang maximal 30- Ladepunkte können mit dem AXC- 3050 jetzt bis zu 100- Ladepunkte gesteuert werden. Van der Sijs hat ein Service Level Agreement (SLA) mit Allego abgeschlossen. Der dafür erforderliche 3G-Router von Phoenix Contact erlaubt den Aufbau einer sicheren VPN-Verbindung auf Basis von IPsec. Über die Verbindung können sich die Service- Spezialisten von Allego in die Zentral- und die Ladesteuerung einloggen. Allego und Van der Sijs haben sich im Wesentlichen deshalb für die Komponenten und Systeme des Blomberger Automatisierungsspezialisten entschieden, weil sie flexibel einsetzbar sind und den relevanten Industrienormen entsprechen. „Die betriebsbereit gelieferten Geräte können sowohl mit den Elektroautos der verschiedenen Hersteller als auch mit dem übergeordneten System kommunizieren“, erläutert Roest. „Daher ist das von uns erarbeitete Power-Management-System in der Lage, die zur Verfügung stehende Energie an ein bis zu einer nahezu unendlichen Anzahl an E-Mobilen zu verteilen“. Wirtschaftliche Konditionen durch Skaleneffekte Vor diesem Hintergrund sieht Patrick Langevoort ein großes Marktpotential für die gemeinsam entwickelte Ladelösung: „In der Praxis haben wir schon vielfach erlebt, dass größere Unternehmen und wichtige Ladestandorte schnell an die Grenzen der vorhandenen Netzkapazität Die Ladesteuerung EV Charge Control von Phoenix Contact überwacht die Signale „Control Pilot“ und „Proximity Plug“ (Bild 5). Die Control-Pilot- Funktion dient dabei der Erkennung der Schutzleiter-Anbindung. Darüber hinaus übermittelt sie den Fahrzeugstatus - beispielsweise Fahrzeug geschlossen, Fahrzeug in verschiedenen Stufen bereit zum Laden, Fehler - und stellt diesen ein. Außerdem übergibt sie Informationen zum maximal verfügbaren Ladestrom über ein PWM-Signal (Pulsweitenmessung) an das Elektroauto. Über das Proximity-Plug-Signal identifiziert die Ladesteuerung den eingeführten Stecker sowie die Stromtragfähigkeit von Stecker und Kabel. Dazu ist eine Widerstands-Codierung in den Stecker integriert. Der EV Charge Control erlaubt ferner die statusabhängige Aktivierung oder Deaktivierung der Verriegelung des Ladesteckers in der Ladestation. Durch die vorhandene Kommunikations-Schnittstelle lässt sich die Ladesteuerung in Abrechnungssysteme integrieren und der Ladevorgang kann gesteuert respektive überwacht werden. EINFACHE INTEGRATION IN ABRECHNUNGSSYSTEME Bild 4: Mit einer flexiblen Lösung, abgestimmt auf das Aufladen von Elektrofahrzeugen, ist eine Basis für die gemeinsamen Aktivitäten von Allego und Van der Sijs geschaffen. © Phoenix Contact Bild 3: Alle relevanten Komponenten haben eine Ethernet-Schnittstelle und können so einfach in die Applikation integriert respektive erweitert werden. © Phoenix Contact 11 2 · 2017 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Energie · Mobilität sowie weiterer benötigter Ressourcen stoßen. Der von uns konzipierte Ladepunkt erlaubt nun das Aufladen der gewünschten Anzahl an Elektroautos an Standorten, wo dies aus Platzgründen zuvor nicht möglich war. Wir hoffen deshalb, dass wir weitere Standorte mit dem neuen System ausstatten können“. (Bild 4) Laut Allego und Van der Sijs besteht die weitere Herausforderung nun darin, mit der erarbeiteten Lösung die benötigten Skaleneffekte zu erreichen. Dazu Langevoort: „Der Markt für Elektromobilität befindet sich in der Anfangsphase. Gleichzeitig ist es jedoch notwendig, entsprechende Ladesysteme zu wirtschaftlichen Konditionen anzubieten. Im Sommer 2016 ist ein System mit 32 Ladepunkten installiert worden, das auf 128 Ladepunkte ausgebaut werden kann. Solche Referenzen bei gewerblichen Unternehmen spielen eine große Rolle, um den Mehrwert unseres Konzepts durch praktische Beispiele nachweisen zu können“. Dirk Vogel Produktmarketing Solutions, Phoenix Contact E-Mobility GmbH, Schieder emobility@phoenixcontact.com AUTOR Bild 5: Das Herzstück einer Ladeapplikation: die Ladesteuerung EV Charge Control Advanced von Phoenix Contact. © Phoenix Contact WISSEN WAS MORGEN BEWEGT Schiene, Straße, Luft und Wasser, globale Verbindungen und urbane Mobilität: Viermal im Jahr bringt Internationales Verkehrswesen fundierte Experten-Beiträge zu Hintergründen, Entwicklungen und Perspektiven der gesamten Verkehrsbranche - verkehrsträgerübergreifend und zukunftsorientiert. Ergänzt werden die deutschen Ausgaben durch die englischsprachige Themen-Ausgabe International Transportation. Mehr dazu im Web unter www.internationales-verkehrswesen.de Internationales Verkehrswesen gehört seit 1949 zu den führenden europäischen Verkehrsfachzeitschriften. Der wissenschaftliche Herausgeberkreis und ein Beirat aus Professoren, Vorständen, Geschäftsführern und Managern der ganzen Verkehrsbranche verankern das Magazin gleichermaßen in Wissenschaft und Praxis. Das technisch-wissenschaftliche Fachmagazin ist zudem Wissens-Partner des VDI Verein Deutscher Ingenieure e.V. - Fachbereich Verkehr und Umfeld. INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN - DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN »Internationales Verkehrswesen« und »International Transportation« erscheinen bei der Trialog Publishers Verlagsgesellschaft, München, www.trialog-publishers.de
