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Transforming cities
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expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2017-0036
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Unkonventionelle Heizenergie

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Klärschlamm ist weit mehr als stinkender Abfall. Wer sich professionell mit Abwässern und deren Reinigungsprozessen beschäftigt, weiß, dass viel Energie in der braunen Masse steckt. Neben der Erzeugung von Strom und Wärme aus dem Biogas der Faultürme lässt sich Wärme auch direkt in den Belebungsbecken von Kläranlagen gewinnen. So macht es der Zweckverband Abwasserbeseitigung Hengersberg-Niederalteich, Betreiber eines Klärwerks in der kleinen Gemeinde Niederalteich im Kreis Deggendorf. Dort nutzt man den anfallenden „warmen“ Klärschlamm zur Gewinnung von Heizenergie für das Betriebsgebäude. Geplant und realisiert wurde das unkonventionelle Wärmepumpenprojekt von Stiebel Eltron.
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17 2 · 2017 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Energie Wer sauberes Wasser will, muss investieren. So wie der Zweckverband Abwasserbeseitigung im Raum Hengersberg, Niederbayern: Im Jahr 2012 wurde die örtliche Kläranlage in Niederalteich aufwändig saniert und ausgebaut. Ausgelegt ist die Anlage für das Abwasser von bis zu 28 000 Einwohnern. Derzeit sind rund 500 Gewerbebetriebe mit einem erhöhten Klärbedarf angeschlossen, dazu kommen rund 10 000 private Haushalte. Die Gesamtmenge des täglichen Brauchwassers ist allerdings stark vom jeweiligen Wetter abhängig: Bei Regen gelangen über 12 000 m 3 in die Anlage, an trockenen Tagen sind es teilweise nur 2800 m 3 . Das Betriebsgebäude im Erdgeschoss wurde komplett renoviert und um ein Obergeschoss aufgestockt, außerdem wurden zwei neue Klärbecken dazu gebaut - sogenannte Belebungsbecken - zur biologischen Abwasserreinigung. In diese Becken Unkonventionelle Heizenergie Umweltfreundliche Wärme aus den Belebungsbecken der Kläranlage Niederalteich Abwärme, Abwasserbehandlung, Erneuerbare Energien, Gebäudeheizung Klärschlamm ist weit mehr als stinkender Abfall. Wer sich professionell mit Abwässern und deren Reinigungsprozessen beschäftigt, weiß, dass viel Energie in der braunen Masse steckt. Neben der Erzeugung von Strom und Wärme aus dem Biogas der Faultürme lässt sich Wärme auch direkt in den Belebungsbecken von Kläranlagen gewinnen. So macht es der Zweckverband Abwasserbeseitigung Hengersberg-Niederalteich, Betreiber eines Klärwerks in der kleinen Gemeinde Niederalteich im Kreis Deggendorf. Dort nutzt man den anfallenden „warmen“ Klärschlamm zur Gewinnung von Heizenergie für das Betriebsgebäude. Geplant und realisiert wurde das unkonventionelle Wärmepumpenprojekt von Stiebel Eltron. Als Wärmereservoir haben Kläranlagen hohes Potenzial - das sich aber nur - wie im Fall Niederalteich - für den Kläranlagenbetrieb selbst nutzen lässt. Denn aus naheliegenden Gründen liegen Kläranlagen abseits von Wohn- und Gewerbegebieten. Und Nahwärmenetze lohnen sich nicht: Der Verlust ist selbst auf den vergleichweise kurzen Strecken zu hoch. WÄRMEQUELLE KLÄRANLAGE Bild 1: Die Nutzung von Abwasserwärme ist noch wenig verbreitet, hat aber ein gewisses Potenzial: Allein in Deutschland gibt es knapp 10 000 kommunale Abwasserreinigungsanlagen. © Stiebel Eltron 18 2 · 2017 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Energie Frank Röder, Leiter der Planungsabteilung bei Stiebel Eltron, Holzminden Könnte den Belebungsbecken bei diesem Verfahren zu viel Wärme entzogen werden? Selbstverständlich ist vorab zu prüfen und bei der Planung zu berücksichtigen, dass nicht zu viel Wärme entzogen wird. In diesem Fall ist die Entzugsleistung der Wärmepumpe im Vergleich zum Gesamt-Energieinhalt des Beckens so gering, dass von einer signifikanten Abkühlung nicht gesprochen werden kann. Wie viele Kelvin Wärme werden entzogen und inwiefern beeinflusst das den ursprünglichen Klärprozess? Das von der Wärmepumpe zurück ins Becken geführte Wasser ist etwa 3 Kelvin kälter als das Beckenwasser - mit dem es sich allerdings sofort wieder vermischt. Durch die schon beschriebene, im Vergleich zur riesigen Beckengröße geringe Entnahme wird sich die absolute Temperaturminderung im Becken deutlich unter einem Kelvin bewegen. Grundsätzlich ist aber mit dem Klärwerksbetreiber abzustimmen, welche Temperaturgrenzen einzuhalten sind, und die Anlage muss entsprechend ausgelegt werden, um eine Beeinträchtigung auszuschließen. wurden Kollektoren installiert, die dem Inhalt Wärme entziehen und diese dann einer Wärmepumpe zuführen. Aerobe Mikroorganismen, die organische Verunreinigungen im Belebtschlamm abbauen, erzeugen diese Wärme. Durch deren fortwährende Stoffwechselaktivität herrscht das ganze Jahr über eine relativ hohe Grundtemperatur: Im Sommer liegt sie bei rund 14 C°, im Winter bei mindestens 5 C°, Jahresschnitt bei etwa 12 C°. Pauschal lässt sich nicht sagen, um wieviel die Beckentemperaturen bei der Wärmegewinnung aus dem Abwasser abgesenkt werden. Dies muss in jedem Einzelfall in Abstimmung mit dem Betreiber festgelegt und dann entsprechend bei der Anlagenplanung und -auslegung berücksichtigt werden. Im Fall des Klärwerks Niederalteich liegt die Absenkung rechnerisch unter 0,1 Kelvin. ZWEI FRAGEN AN ... Im Prinzip arbeiten die beiden Kollektoren in den 3000 m 3 fassenden Klärbecken wie Erdkollektoren, nur dass man sich in Niederalteich die dafür notwendigen Bohrungen sparen konnte - und natürlich auch die Kosten dafür. Stattdessen sind sie mit PE-Rohren verbunden, die in Schleifen an den jeweiligen Innenwänden der beiden Becken angebracht sind. Insgesamt 500 m Rohrleitungen wurden verbaut, aufgrund des korrosionstechnisch vergleichsweise aggressiven Abwassers sind sie mit Spezialhalterungen aus Edelstahl befestigt − und zwar mit 15 cm Abstand zur Beckenwand, damit sich keine Schwebteile in der Konstruktion festsetzen können. Realisiert hat diese Lösung der Heizungsbauer Markus Wasmeier aus dem benachbarten Aidenbach. Ganz wichtig aber war, dass die Planungen für diese unkonventionelle Lösung vor dem Baubeginn bereits fix und fertig waren. So konnten beispielsweise nach den Vorgaben des Büros EBB Ingenieurgesellschaft aus Regensburg Bild 2: Montage des Wärmekollektors im neuen Belebungsbecken des Klärwerks „Niederalteich“ bei Hengersberg / Deggendorf © Stiebel Eltron Bild 3: Der Wärmekollektor an der Beckeninnenwand reicht zur Beheizung und Warmwasserbereitung des Betriebsgebäudes aus. © Stiebel Eltron 19 2 · 2017 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Energie die Durchführungen beim Gießen des Betonbeckens gleich mit ausgespart werden. Bei der Anlage war ein Heizkonzept mit regenerativer Energie maßgebend, das im Zuge der Renovierung des Betriebsgebäudes realisiert wurde. Anstelle der alten Ölheizung sorgt dort jetzt eine Sole/ Wasser-Wärmepumpe von Stiebel Eltron, Typ WPF 10 mit 13 kW Heizleistung, für die Beheizung und Warmwasserbereitung. Außerdem sind im Technikraum des Gebäudes ein Pufferspeicher SBP 200 E mit 200 L Fassungsvermögen und ein Warmwasser- Standspeicher SBB 302 WP mit 300 L Inhalt und einer Wärmetauscherfläche von 4,8 m 2 untergebracht. Dabei handelt es sich um den kleinsten verfügbaren Speicher mit der größten Wärmetauscherfläche. Diese überträgt die Wärme besonders effizient. Die Wärmepumpe versorgt über den Pufferspeicher die Fußbodenheizung im Betriebsgebäude, die beheizbare Grundfläche beträgt knapp 150 m 2 . Der einzige Heizkörper im Gebäude ist auf die Temperatur der Fußbodenheizung ausgelegt, so dass kein Mischer notwendig ist. Die Warmwassertemperatur ist auf 47 °C voreingestellt, zur Legionellenprophylaxe wird sie einmal am Tag auf über 60 °C hochgefahren. Neben den üblichen Entnahmestellen etwa in der Küche muss auch eine Dusche mit Warmwasser versorgt werden. Da bis zu vier Personen auf dem Betriebsgelände arbeiten, wurden entsprechende tägliche Duschgänge ins Konzept eingeplant. Die Idee zu dieser unkonventionellen Wärmegewinnung aus Klärschlamm stammt vom Niederalteichner Klärmeister Tobias Oswald selbst. In Manfred Knapp, dem Vertriebsbeauftragten von Stiebel Eltron für diese Region, fand er einen experimentierfreudigen Partner. Die Grundsatzentscheidung, im Zuge der Renovierung und Erweiterung erneuerbare Energien zu nutzen, fiel allerdings auf „höherer“ Ebene: Für Bürgermeister Christian Mayer steht moderne und umweltschonende Technik ganz obenan - und für ihn ist das Klärwerk ein Vorzeigeprojekt, von dem er sich wünscht, dass es Schule macht und Nachahmer findet. Er ist sicher: Diese originelle Lösung eignet sich bestens S o l e - W a s s e r- W ä r m e p u m p e WPF 10 mit 9,9 kW bei 0 °C Quelltemperatur und 35 °C Vorlaufstemperatur. Im Gerät integriert sind Regelung, Schwingungsdämpfer, Umwälzpumpe für den Pufferspeicher und Solepumpe sowie Ausdehnungsgefäße für Sole und Heizung. Die Wärmepumpe ist über einen Außentemperaturfühler rücklaufgeregelt. TECHNISCHE DETAILS für kommunale Abwasserreinigungsanlagen. Davon gibt es allein in Deutschland knapp 10 000. Und ganz sicher sind darunter einige mit Renovierungsbedarf. Kontakt: STIEBEL ELTRON GmbH & Co.KG Dr.-Stiebel-Straße 37603 Holzminden E-Mail: info-center@stiebel-eltron.de Internet: www.stiebel-eltron.de Einfach In Kontakt bleiben ...  Redaktion  christine.ziegler@transforming-cities.de  089 889518.72  Anzeigen  hellfried.zippan@trialog.de  089 889518.74 Bild 4: Wärmepumpe WPF 10 (links) mit Heizleistungen bis 13 kW, Pufferbehälter SBP 200 E (Mitte) und Warmwasserspeicher SBB 302 WP (rechts). © Stiebel Eltron