Transforming cities
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2366-7281
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expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2017-0048
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Erneuerbare Wärme
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Jan Walter
Das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) veröffentlicht ein Themenheft zu kommunalen Aktivitäten und Potenzialen für die Wärmewende vor Ort. Neun Textbeiträge und zwei Exkurse zeigen auf, wie Kommunen sich bereits heute für die Wärmewende vor Ort einsetzen. Möglichkeiten bestehen sowohl im direkten Aufgabenbereich, zum Beispiel durch Umstellung der Wärmeversorgung eigener Liegenschaften, als auch mittelbar durch Unterstützung kommunaler Akteure – durch Fördern, Beraten, Netzwerken, bis hin zur Erstellung eigener Planungswerkzeuge. Mit Beiträgen unter anderem aus Chemnitz, Heidelberg, Marburg, Stuttgart, den Landkreisen Nordfriesland, Osnabrück und dem Rhein-Hunsrück-Kreis.
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74 2 · 2017 TR ANSFORMING CITIES FOKUS Fachliteratur Im Übereinkommen von Paris, dem 2016 in Kraft getretenen globalen Klimavertrag der Nationalstaaten, wurde nicht weniger als die Dekarbonisierung der Weltwirtschaft beschlossen. Auch Deutschland hat sich international zu einem Beitrag zur globalen Klimagasreduktionen und zur Generationenaufgabe „Klimaschutz“ verpflichtet. Mindestens 80 %, möglichst 95 % der Erneuerbare Wärme Kommunale Vorbilder zum Nachahmen Klimaschutz, erneuerbare Energien, Wärmewende, CO 2 -Einsparung, Förderprogramme Jan Walter Das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) veröffentlicht ein Themenheft zu kommunalen Aktivitäten und Potenzialen für die Wärmewende vor Ort. Neun Textbeiträge und zwei Exkurse zeigen auf, wie Kommunen sich bereits heute für die Wärmewende vor Ort einsetzen. Möglichkeiten bestehen sowohl im direkten Aufgabenbereich, zum Beispiel durch Umstellung der Wärmeversorgung eigener Liegenschaften, als auch mittelbar durch Unterstützung kommunaler Akteure - durch Fördern, Beraten, Netzwerken, bis hin zur Erstellung eigener Planungswerkzeuge. Mit Beiträgen unter anderem aus Chemnitz, Heidelberg, Marburg, Stuttgart, den Landkreisen Nordfriesland, Osnabrück und dem Rhein-Hunsrück-Kreis. Treibhausgase im Vergleich zu 1990 möchte die Bundesregierung bis zum Jahr 2050 einsparen [1]. Die ersten Einsparungen waren aufgrund des Zusammenbruchs der alten DDR-Wirtschaft Solarthermie im Freiland mit Einbindung in ein Nah- und Fernwärmenetz. © Acron-Sunmark A / S 75 2 · 2017 TR ANSFORMING CITIES FOKUS Fachliteratur verhältnismäßig schnell erreicht. Danach blieb der Ausstoß an Treibhausgasen eher konstant und nach neuesten Zahlen scheint momentan sogar der Mustersektor „Strom“ zu schwächeln. Denn lediglich im Strombereich gab es beim Ausbau der Erneuerbaren einen wirklichen Durchbruch. In 2016 ist das Wachstum nach zuletzt rasantem Anstieg allerdings vorerst zum Halten gekommen. Dennoch liegt der Anteil der Erneuerbaren im Stromsektor bereits auf etwa dem sechsfachen Niveau im Vergleich zum Verkehrsbereich und über doppelt so hoch verglichen mit dem Anteil erneuerbarer Wärme (Bild 1). Die Energiewende ist ein wesentlicher Baustein im Kampf gegen den Klimawandel. Sie kann als Summe aller Anstrengungen im Strom-, Wärme- und Verkehrsbereich beschrieben werden, die zur Substitution fossiler und nuklearer durch regenerative Energieträger sowie zur Reduktion des Energieverbrauchs führen. Nicht selten wird die Energiewende jedoch als reine „Stromwende“ betrachtet. Energiewende bedeutet aber Strom-, Verkehrs- und eben auch Wärmewende. Ohne den massiven Ausbau erneuerbarer Wärme, gepaart mit enormen Anstrengungen im Bereich der energetischen Gebäudesanierung, aber auch im Bereich Prozesswärme, lassen sich diese Ziele nicht erreichen. Wie wichtig der Wärmesektor ist, wird allein anhand seiner Größe deutlich. In Deutschland werden für die Wärmebereitstellung 56 % des gesamten Endenergiebedarfs aufgewendet, der größte Teil davon im Gebäudebereich [2]. Da für den Kampf gegen den Klimawandel tatsächlich nicht allein der Stand der Treibhausgasemissionen zu einem bestimmten Stichdatum relevant ist, sondern vor allem die Menge der Gesamtemission, die sich bis dahin in der Atmosphäre angesammelt hat, muss im Wärmesektor sehr bald sehr viel stärker umgesteuert werden, als es bis heute in Deutschland passiert. Je später damit begonnen wird, desto aufwändiger und teurer werden die in der Zukunft notwendigen Maßnahmen. Das neue Themenheft rückt den Aspekt der erneuerbaren Wärme in den Fokus und stellt dabei, dem Reihencharakter entsprechend, nicht nationale Strategien in den Vordergrund, sondern setzt sich mit den zahlreichen kommunalen Ansätzen für eine zunehmend erneuerbare Wärmeversorgung auseinander. Viele Kommunen haben bereits verstanden, dass Energiewende mehr als „Stromwende“ bedeutet. Tatsächlich können die Kommunen, unterstützt von Bund und Ländern, einen besonders wichtigen Beitrag zur Erreichung der Klimaschutzziele im Wärmebereich leisten. In ausführlichen Beiträgen und kurzen Exkursen aus der kommunalen Praxis werden im Themenheft kommunale Ansatzpunkte präsentiert. Die aufgeführten Maßnahmen und Potenziale sollen weitere Kommunen zur Entwicklung von Strategien und Projekten vor Ort motivieren. Das Bild 1: Anteil erneuerbarer Energien am Bruttostromverbrauch, am Endenergieverbrauch für Wärme und für Verkehr; Entwicklung von 1990 bis 2016. © Umweltbundesamt (UBA) 76 2 · 2017 TR ANSFORMING CITIES FOKUS Fachliteratur Engagement fängt meist bei den eigenen Liegenschaften an. So berichtet ein Autor aus der Landeshauptstadt Stuttgart, wie das städtische Energiemanagement mithilfe des selbst entwickelten Instruments eines stadtinternen Contractings die Wärmewende für viele eigene Liegenschaften einleiten konnte. Lokale Akteure können darüber hinaus über kommunale Beratungsangebote und Förderprogramme aktiviert werden, wie das Beispiel der Stadt Marburg zeigt. Das neue „Informations- und Planungsportal Industrielle Abwärme“ (PInA) des Landkreises Osnabrück ist ein Instrument zur Wärmekartierung. Es ermöglicht unter anderem, zukünftig gezielt Wärmenehmer und Wärmegeber zusammenzuführen. Stadtplanerische Instrumente ermöglichen es Kommunen, ihren Wirkkreis zu erhöhen und Ziele im Bereich Klimaschutz und Daseinsvorsorge zu realisieren. Die Errichtung erneuerbarer kommunaler Wärmenetze in großen Städten wie in kleinen Gemeinden geben wichtige Impulse für Klimaschutz, Daseinsvorsorge und regionale Wertschöpfung. Aufbau und Optimierung kommunaler Wärmenetze unter Nutzung von erneuerbaren Energien werden gleich in mehreren Beiträgen beschrieben. Aus Chemnitz wird ein städtisches Beispiel vorgestellt, in dem die Einbettung in Stadtentwicklungsprozesse und deren Steuerung von besonderer Bedeutung ist. Anhand des nordfriesischen Gemeinde Sprakebüll kann die vorbildliche Errichtung eines kleinen dörflichen Wärmenetzes durch die engagierten Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde betrachtet werden und im Rhein- Hunsrück-Kreis entstehen jedes Jahr neue Wärmenetze auf Basis erneuerbarer Energien. In Neuerkirch-Külz wurde letztes Jahr das erste Wärmenetz mit Einbindung der Freiflächensolarthermie des Landes Rheinland-Pfalz errichtet. Der abschließende Beitrag des Themenheftes greift Bedeutung und Potenziale von Wärmenetzen für die Wärmewende in deutschen Kommunen mit besonderem Blick auf die Einbindung von Solarthermie-Freiflächenanlagen auf. Letztere haben in Deutschland noch den Charme des „Exotischen“. Der Trend kommt aber nicht aus dem fernen Süden, sondern aus dem europäischen Nachbarland Dänemark. Seit 2010 werden in dänischen Städten und Gemeinden in wachsender Geschwindigkeit und Größe Solarthermie-Freiflächenanlagen mit einer Gesamtleistung von inzwischen mindestens 800 MW in kommunale Wärmenetze eingebunden. Der Autor stellt Praxisbeispiele aus dem In- und Ausland vor. Auch hierzulande machen sich klimaaktive Kommunen auf den Weg, die Energie der Sonne ohne Umwege und im großen Stil in Wärmenetze einzuspeisen. Die Technologie ist ausgereift und bei einem Wärmegestehungspreis von drei Cent pro Kilowattstunde mit Förderung oder rund fünf Cent ohne Förderung sehr wirtschaftlich. Die bedeutendste Herausforderung für Kommunen ist dabei das Thema Flächensicherung. Es zeigt sich, dass Kommunen, die früh die Weichen für die Energiewende gestellt haben, bereits heute beachtliche ökonomische, ökologische und soziale Erfolge vorweisen können. Zugleich haben sie gute Chancen, auf Grundlage gewonnener Erfahrungen, finanzieller Sicherheiten und der von den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort entwickelten Akzeptanz und Affinität auch beim nächsten und übernächsten Schritt der Energiewende IKT 2% Beleuchtung 3% mechanische Energie 39% Raumwärme 27% Warmwasser 5% sonstige Prozesswärme 22% Klimakälte 0% sonstige Prozesskälte 2% Bild 2: Energieverbrauch nach Anwendungsbereichen in Deutschland 2015 (insgesamt 8877 Petajoules). © BMWI 77 2 · 2017 TR ANSFORMING CITIES FOKUS Fachliteratur erneut die Nase vorne zu haben. Engagierte sich beispielsweise eine Kommune in der Vergangenheit erfolgreich für Windenergie in Bürgerund/ oder kommunaler Hand vor Ort, so kann sie nun mit mehr Erfahrung und Finanzmitteln die Errichtung eines kommunalen Wärmenetzes angehen. Neueinsteiger sollten sich aber nicht abschrecken lassen. Ihre Ziele erreichen solche Kommunen, die das Thema strategisch und umfassend angehen und Erfolge wie Misserfolge - eigene sowie die anderer Kommunen - analysieren, von Erfahrungen profitieren und auch mal zum Telefonhörer greifen, um herauszufinden, wie andere mit einer ähnlich gelagerten Herausforderung umgegangen sind. Kommunalpolitische Ziele bezüglich des Einsatzes erneuerbarer Wärme zu beschließen, kann sinnvoll sein. Wichtig ist es, dann auch verbindliche Richtlinien und Entscheidungskriterien für die Verwaltung zu formulieren. So ist die Festlegung beispielsweise auf angemessene Amortisationszeiten wichtig. Wenn die kommunalen Finanzen dies zulassen, kann die Klimaschutzwirkung dabei zusätzlich über einen fiktiven CO 2 -Preis finanziell darstellbar gemacht und in die Wirtschaftlichkeitsberechnung mit einbezogen werden [3]. In jedem Fall wird eine Entscheidung für erneuerbare Energieträger zugleich auch die Themen Daseinsvorsorge, Wirtschaftsförderung und regionale Wertschöpfung [4] positiv beeinflussen. Ausgehend von den eigenen vorbildhaften Aktivitäten können sodann auch Bürgerinnen und Bürger, Gewerbe, Handel und Dienstleiter sowie gegebenenfalls sogar die Industrie vor Ort im Sinne des Klimaschutzes eingebunden werden. LITERATUR [1] Energiekonzept der Bundesregierung: Deutschlands Weg zu einer bezahlbaren, zuverlässigen und umweltschonenden Energieversorgung 2010/ 2011. Download: www.bundesregierung.de/ Content/ DE/ Statische- Seiten/ Breg/ Energiekonzept/ auftakt.html [2] Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Energiedaten: Gesamtausgabe, Berlin, (2017) S. 16. Download: w w w . b m w i . d e / R e d a k t i o n / D E / I n f o g r a f i k e n / E n e r g i e / Energiedaten/ Energiegewinnung-und- Energieverbrauch/ energiedatenenergiegewinnung-verbrauch-09.html [3] Institut für Zukunftsstudien un d Te c h n o l o g i e b e w e r t un g (IZT) gGmbH (Hrsg.) Erneuerbare Energien in Kommunen optimal nutzen - Denkanstöße für die Praxis. Kapitel 2.3 „Eine strategische kommunale Energiepolitik“, (2007) S. 21ff. Projektbericht im Rahmen des Projekts Strategische Kommunale Energiepolitik zur Nutzung Erneuerb arer Ener g ieträger (ske2p). Download: www.izt.de/ fileadmin/ downloads/ pdf/ SKEP/ SKEP_EE_in_Kommunen.pdf [4] Online-Wertschöpfungsrechner erneuerbare Energien der A EE: ht tp: / / w w w.kommunal erneuerbar.de/ de/ kommunalewertschoepfung/ rechner.html Klimaschutz & erneuerbare Wärme Beispiele, Aktivitäten und Potenziale für die kommunale Wärmewende Klimaschutz & erneuerbare Wärme Deutsches Institut für Urbanistik (Hrsg.), 2017, 88 S., vierfarbig, zahlreiche Abbildungen. Kostenfreier Download und Bestellung: https: / / difu.de/ 11215 In der Publikationsreihe „Themenhefte“ greift das Deutsche Institut für Urbanistik nach und nach Schnittstellen des kommunalen Klimaschutzes zu verschiedenen Handlungsfeldern auf. Ziele, Aufgaben und Inhalte des jeweiligen Themenbereichs werden aufbereitet und konkrete Erfahrungen aus der Praxis unterschiedlicher Kommunen und Institutionen dargestellt. „Klimaschutz & erneuerbare Wärme“ ist die zwölfte Ausgabe der Reihe, in der bisher die folgenden Themen behandelt wurden: • Klimaschutz & erneuerbare Wärme • Klimaschutz & Fläche • Klimaschutz & Klimaanpassung • Klimaschutz & Partizipation • Klimaschutz & Beschaffung • Klimaschutz & Soziales • Klimaschutz & Mobilität • Klimaschutz & Biodiversität • Klimaschutz & Unternehmen • Klimaschutz & Abfallwirtschaft • Klimaschutz & Abwasserbehandlung • Klimaschutz & Denkmalschutz DIFU THEMENHEFTE AUTOR Jan Walter Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Projektleiter im Bereich Umwelt, Deutsches Institut für Urbanistik (Difu) Kontakt: walter@difu.de
