Transforming cities
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expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2017-0062
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Die Stadt von morgen kann auf Gas nicht verzichten
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Gerald Linke
Der demographische Trend ist eindeutig. Von den ländlichen Regionen geht es hinein in die urbanen Zentren. Doch wie wird dieser Lebensraum in Zukunft aussehen? Klar ist: Ein leistungsfähiger öffentlicher Personennahverkehr wird immer wichtiger werden. Zugleich verdichten sich die Anzeichen dafür, dass die Zukunft des Personenindividualverkehrs in elektrischen Antrieben liegt. Gleichzeitig stellt der Klimawandel mit heißen Sommermonaten und verstärkten Starkregenereignissen Stadtplaner und Immobilienentwickler vor ganz neue Herausforderungen. Hinzu kommen weitere digitale Evolutionen – vielleicht sogar Revolutionen – die einst getrennte Sektoren miteinander koppeln und weitgehend autonome Funktionsabläufe ermöglichen. Noch zeichnet sich kein konsistentes Bild ab, doch nahezu alle Experten sind sich einig, dass in der Stadt von morgen Energie ein zentrales Thema sein wird. Das Anforderungsprofil ist vielfältig: Es reicht von einer umweltgerechten leistungsfähigen Mobilität über die Bereitstellung von Wärme und Kälte bis zu vielfältigen elektrischen Anwendungen. Fest steht, dass diese Energie immer stärker regenerativ erzeugt werden muss. Fest steht auch, dass Gas und „grüne Gase“ einen wichtigen Beitrag zu einer sicheren und umweltgerechten Energieversorgung leisten werden.
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30 3 · 2017 TR ANSFORMING CITIES FORUM Standpunkt Weniger CO 2 in der Mobilität durch Gas Die enormen energie- und klimapolitischen Herausforderungen in der Mobilität lassen sich nur durch das Zusammenwirken verschiedener Technologien und Antriebsformen lösen. Bis eine vollständige Umstellung auf „saubere Mobilität“ gelingt, sind schnelle Lösungen mit „quick wins“ gefragt. Denn derzeit verursacht der Mobilitätssektor rund 160-Mio. t CO 2 , das sind ungefähr ein Viertel der gesamten CO 2 -Emissionen in Deutschland. Mit etwa 95- % macht dabei der Straßenverkehr den „Löwenanteil“ aus. Bereits heute sparen nach uns vorliegenden Berechnungen die gut 77 000 in Deutschland zugelassenen Erdgas-Pkw im Vergleich zu Fahrzeugen mit Ottomotor jährlich mehr als 44 000 Tonnen CO 2 ein. Im Gesamtkontext nur eine vergleichsweise kleine Zahl, doch sie macht deutlich, was bei einem großformatigen Umstieg von mehreren Millionen Fahrzeugen möglich ist. Dass hier durch den Einsatz von CNG und LNG erhebliche Einsparpotenziale vorhanden sind, hat die Politik erkannt und kürzlich den Steuervorteil für komprimiertes Erdgas als Kraftstoff im Personenverkehr bis 2026 fortgeschrieben. Noch klimafreundlicher werden gasbetriebene Fahrzeuge, wenn dem fossilen Energieträger Erdgas regenerativ erzeugtes Biogas beigemischt wird: Bei reinem Grüngas-Betrieb mit synthetischen Kraftstoffen nimmt der Ausstoß von Kohlendioxid sogar um 97-% ab. Darüber hinaus sinken durch den Erdgasantrieb auch die Stickoxid- und Feinstaubemissionen spürbar. Deshalb erfüllen Erdgasfahrzeuge schon lange die strenge Abgasnorm Euro 6, die seit 2014 für Neuzulassungen von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor verbindlich ist. Besonders wichtig für den urbanen Raum: Erdgasfahrzeuge dürfen in allen Umweltzonen fahren. Gleiches gilt für den Lkw-Güterverkehr. Auch hier steht eine ausgereifte Technologie zur Verfügung, um mit Hilfe von Flüssigerdgas Treibhausgase zu reduzieren. Vor allem für den öffentlichen Personennahverkehr in Ballungsgebieten eine interessante Option. Es steht außer Frage, dass sich durch den Fuel-Switch, also den Ersatz von Diesel durch CNG und LNG, erhebliche Klimaschutzeffekte realisieren lassen. Im von der EU-Kommission geförderten „LNG Blue Corridor“-Projekt im Bereich des Schwerlast-Lkw-Verkehrs zeigte sich, dass durch den Einsatz von LNG rund 15 % CO 2 -Emissionen im Vergleich zu herkömmlichen Diesel-Lastkraftwagen eingespart werden können. Werden auf Gas-/ LNG optimierte Motoren eingesetzt, sind weitere zweistellige Prozentverbesserungen erreichbar. Prof. Dr. Gerald Linke, DVGW-Vorstandsvorsitzender. © DVGW Die Stadt von morgen kann auf Gas nicht verzichten Gastbeitrag von Prof. Dr. Gerald Linke, DVGW-Vorstandsvorsitzender Der demographische Trend ist eindeutig. Von den ländlichen Regionen geht es hinein in die urbanen Zentren. Doch wie wird dieser Lebensraum in Zukunft aussehen? Klar ist: Ein leistungsfähiger öffentlicher Personennahverkehr wird immer wichtiger werden. Zugleich verdichten sich die Anzeichen dafür, dass die Zukunft des Personenindividualverkehrs in elektrischen Antrieben liegt. Gleichzeitig stellt der Klimawandel mit heißen Sommermonaten und verstärkten Starkregenereignissen Stadtplaner und Immobilienentwickler vor ganz neue Herausforderungen. Hinzu kommen weitere digitale Evolutionen - vielleicht sogar Revolutionen - die einst getrennte Sektoren miteinander koppeln und weitgehend autonome Funktionsabläufe ermöglichen. Noch zeichnet sich kein konsistentes Bild ab, doch nahezu alle Experten sind sich einig, dass in der Stadt von morgen Energie ein zentrales Thema sein wird. Das Anforderungsprofil ist vielfältig: Es reicht von einer umweltgerechten leistungsfähigen Mobilität über die Bereitstellung von Wärme und Kälte bis zu vielfältigen elektrischen Anwendungen. Fest steht, dass diese Energie immer stärker regenerativ erzeugt werden muss. Fest steht auch, dass Gas und „grüne Gase“ einen wichtigen Beitrag zu einer sicheren und umweltgerechten Energieversorgung leisten werden. 31 3 · 2017 TR ANSFORMING CITIES FORUM Standpunkt Erneuerbare Energie und moderne Heiztechnologien Der zweite Bereich betrifft die Erzeugung von Wärme und Kälte. Derzeit entfällt ungefähr ein Drittel des gesamten Endenergieverbrauchs in Deutschland auf das Heizen und Klimatisieren von Gebäuden sowie auf die Warmwasserbereitung. Den weitaus größten Anteil hat daran der Haushaltssektor mit rund 18 Mio. Wohngebäuden. Der Gebäudesektor verbraucht aber nicht nur viel Energie, sondern weist auch erhebliche Anteile treibhausgasintensiver Brennstoffe auf. So stehen Erdöl und Kohle zusammengenommen immer noch für mehr als ein Viertel des Endenergieverbrauchs. Um klimafreundliches Wohnen zeitnah und kosteneffizient zu ermöglichen, müssen verschiedene Maßnahmen eingeleitet und umgesetzt werden. Die Ablösung von Erdöl und Kohle durch Gase ist der erste Schritt und ermöglicht ein schnell zu realisierendes erhebliches Plus an Klimaschutz zu minimalen volkswirtschaftlichen Kosten. Parallel dazu sollte eine möglichst flächendeckende Umstellung auf moderne Heiztechnologien erfolgen. Als zweiter Schritt ist langfristig die signifikante Erhöhung des Anteils „grüner Gase“ im Gasmix anzustreben. Dies bietet insbesondere für stark verdichtete Ballungsräume mit hohem Altbaubestand und den hier typischerweise begrenzten Potenzialen für die Absenkung des Wärmebedarfs interessante Lösungen. So machen es „grüne Gase“ in Verbindung mit moderner Mikro-KWK-Technik und energetischen Effizienzmaßnahmen möglich, die für den Gebäudesektor in den nächsten Dekaden veranschlagten drastischen Emissionsminderungsziele zu erreichen. Dezentrale KWK-Anlagen können ihre Vorteile ausspielen Eng verbunden mit der Wärmeerzeugung ist die Nutzung von elektrischer Energie, insbesondere für die stark wachsende Zahl intelligenter Haushaltsysteme. Da der erforderliche Strom im städtischen Gebiet aufgrund der räumlichen Gegebenheiten nicht über Solardächer und Windräder erzeugt werden kann, sind Alternativen gefragt. Wie bereits erwähnt, kann die Mikro-KWK-Technologie hier ihre Vorteile ausspielen, indem sie neben Wärme auch Strom erzeugt und diesen ins städtische Netz einspeist. Das ist Energieeffizienz pur. Der nächste Verbesserungsschritt zur weitgehenden Klimaneutralität setzt dann aber den Einsatz von mehr „grünen Gasen“ oder synthetischen Gasen voraus. Eine Schlüsselrolle kommt dabei der Power to Gas-Technologie zu. Sie ermöglicht, überschüssigen Ökostrom durch Elektrolyse in Wasserstoff oder synthetisches Erdgas umzuwandeln, ins Erdgasnetz einzuspeisen und so den Endverbrauchern zuzuleiten. Schon heute kann die Gasnetz-Infrastruktur in den bestehenden unterirdischen Gasspeichern etwa 200 TWh aufnehmen, was in etwa einer deutschen Versorgungssicherheit von 2 000 Stunden entspricht. Potenziale nutzen, Sektoren koppeln Die Chancen, die Gas beziehungsweise „grüne Gase“ in den Bereichen Mobilität, Wärme und Strom bieten, sind bekannt. Um sie optimal zu nutzen, kommt es darauf an, sie sinnvoll miteinander zu verbinden. 32 3 · 2017 TR ANSFORMING CITIES FORUM Standpunkt Die politischen Implikationen einerseits und das Potenzial der technischen Innovationen andererseits werden auf der gat 2017, Deutschlands Leitforum der Gaswirtschaft, vom 29. - 30. November in Köln erörtert. Zu den vorrangigen Diskussionspunkten gehören auch die Themen „Gas & Erneuerbare Energien“ und „Sektorenkopplung“. Die gat 2017 ist die zentrale Informations- und Diskussionsplattform für technische und kaufmännische Fach- und Führungskräfte und Jahr für Jahr wichtiger Impulsgeber für die Branche. Auf 10 000 m² Ausstellungsfläche präsentieren vom 28. - 30. November 2017 rund 200 Aussteller innovative Produkte und Dienstleistungen. Fachmesse, Kongress und zwei kommunikative Abendveranstaltungen bieten ideale Gelegenheiten, persönliche Netzwerke gezielt zu erweitern. www.gat-wat.de INFORMATIONS-PLUS: Das Stichwort lautet: Sektorenkopplung. Hinter dem Begriff verbirgt sich die integrierte Betrachtung von Energieinfrastrukturen, Energieträgern, Anwendungsbereichen und Verbrauchssektoren. Auf eine einfache Formel gebracht, hießt das: Die Sektorenkopplung sorgt für die Einbindung und Integration bislang weitgehend getrennter Sektoren in ein insgesamt leistungsfähigeres Gesamtsystem. Auf diese Weise können erneuerbare Energien (als Gas oder Strom) in allen Sektoren zum Einsatz kommen. Gleichzeitig spielen Gase und die Gasinfrastruktur eine entscheidende Rolle bei der Stabilität des Systems. Beides zusammen ermöglicht mit Hilfe von Technologien wie Power-to-Gas, erneuerbaren Strom langfristig zu speichern, zu transportieren und bedarfsgerecht zur Verfügung zu stellen. Die Lücke zwischen Stromverbrauch und erneuerbarer Erzeugung lässt sich so erfolgreich schließen. Ein weiterer Aspekt kommt hinzu: Um die Energiewende von morgen bezahlbar und damit sozialverträglich zu gestalten, sollten die bereits existierenden Netze genutzt und weiterentwickelt werden. Gerade urbane Großräume haben hier gute Voraussetzungen, um ihre Zukunft weitgehend klimaneutral zu gestalten. Weitere Informationen senden wir Ihnen gerne zu. Ihre Ansprechpartnerin: Nicole Gotta Tel. +49 (0) 30/ 28 44 94-213 nicole.gotta@ew-online.de • Fachmesse • PMR-Konferenz • Leitstellenkongress • PMRExpo Career • Fachforen • Fachtagung PMR für EVU Eine Veranstaltung von 28. bis 30. November 2017 Koelnmesse 2017 Bei Interesse an der Teilnahme als Aussteller schreiben Sie bitte an: ausstellung@ew-online.de Weitere Infos finden Sie unter www.pmrexpo.de oder auf unseren Social Media-Kanälen:
