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Transforming cities
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expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2017-0066
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Wasserwirtschaft 4.0

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Emanuel Grün
Heiko Althoff
Emschergenossenschaft und Lippeverband (EGLV) reinigen das Abwasser von rund 7,3 Mio. Einwohnergleichwerten. Viele der Kläranlagen und Pumpwerke wurden zwischen 1980 und 1995 zuletzt modernisiert oder ertüchtigt. Bei den schon bald notwendigen Re-Investitionen müssen auch neue Bestimmungen und Rechtsverordnungen zu Kritischen Infrastrukturen und Mindestanforderungen an IT-Sicherheitsstandards eingehalten werden. Im Rahmen der anstehenden Maßnahmen sollen vielverprechende Optionen zur Digitalisierung in der Wasserwirtschaft in Betracht gezogen werden.
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42 3 · 2017 TR ANSFORMING CITIES THEMA Urbane Kommunikation Einführung Die Abwasserwirtschaft zählt zu den Kritischen Infrastrukturen in Deutschland. Emschergenossenschaft und Lippeverband (EGLV) bewirtschaften in NRW die Flusseinzugsgebiete der Emscher und der Lippe mit einer Einzugsgebietsfläche von rund 4100 km² als sondergesetzliche Wasserverbände. Sie reinigen das Abwasser von 7,3 Mio. Einwohnergleichwerten mit insgesamt 59 Kläranlagen mit Größenordnungen ab 2000 EW bis hin zu 2,4 Mio. Einwohnergleichwerten. Zudem betreiben EGLV mit ihren rund 1600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern 352 Pumpwerke sowie rund 1300 km Abwasserkanäle sowie 438 Regenwasserbehandlungsanlagen und 57 Hochwasserrückhaltebecken. Viele der Kläranlagen und Pumpwerke sind im Zeitraum zwischen 1980 und 1995 zuletzt modernisiert oder ertüchtigt worden und stehen in der nahen Zukunft zur Re- Investition an. Für Emschergenossenschaft und Lippeverband gelten zudem die Bestimmungen des im vorletzten Jahr in Kraft getretenen IT-Sicherheitsgesetzes Wasserwirtschaft 4.0 Neue Technologien für das Wassermanagement der Zukunft Wasserwirtschaft 4.0, Digitalisierung, IT-Infrastruktur, Re-Investitionen, Datensicherheit Emanuel Grün, Heiko Althoff Emschergenossenschaft und Lippeverband (EGLV) reinigen das Abwasser von rund 7,3 Mio. Einwohnergleichwerten. Viele der Kläranlagen und Pumpwerke wurden zwischen 1980 und 1995 zuletzt modernisiert oder ertüchtigt. Bei den schon bald notwendigen Re-Investitionen müssen auch neue Bestimmungen und Rechtsverordnungen zu Kritischen Infrastrukturen und Mindestanforderungen an IT-Sicherheitsstandards eingehalten werden. Im Rahmen der anstehenden Maßnahmen sollen vielversprechende Optionen zur Digitalisierung in der Wasserwirtschaft in Betracht gezogen werden. Bild 1: „Kläranlage Bottrop bei Nacht © EGLV/ Sven Breszyk “ THEMA Urbane Kommunikation THEMA Urbane Kommunikation 43 3 · 2017 TR ANSFORMING CITIES und der damit einhergehenden Rechtsverordnung zur Definition Kritischer Infrastrukturen. Die neuen vom Gesetzgeber im BSI-Gesetz (BSIG) definierten Anforderungen an die Betreiber Kritischer Infrastrukturen stellt Unternehmen, welche die in der BSI-Kritisverordnung (BSI-KritisV) definierten Schwellenwerte erreichen oder überschreiten, vor die Herausforderung, bis zum 2. Mai 2018 geeignete Schutzmaßnahmen nach dem Stand der Technik für die IT-Infrastrukturen zu implementieren. Betroffene Abwasserentsorger müssen zudem innerhalb von zwei Jahren angemessene organisatorische und technische Vorkehrungen zur Vermeidung von Störungen ihrer informationstechnischen Systeme treffen. Dies betrifft insbesondere die Verfügbarkeit, Integrität, Authentizität und Vertraulichkeit der Systeme und Daten. Für die Abwasser/ Wasser-Branche gibt es aktuell den ersten branchenspezifischen Sicherheitsstandard, der unter anderem die regulatorischen Mindestinhalte eines IT-Sicherheitsstandards definiert [1]. Vor diesem Hintergrund ist es sinnvoll, sich im Vorfeld anstehender Re-Investitionen mit den Möglichkeiten und Chancen zu beschäftigen, die sich im Zuge der sich weiterentwickelnden Techniken bieten. Die Trends Industrie 4.0, das Internet der Dinge sowie die Virtualisierung in der IT eröffnen für die Zukunft vielversprechende Optionen, um die Arbeitswelt und die Prozesse auch in der Wasserwirtschaft weiter zu verbessern. Hinzu kommt, dass auch auf den wasserwirtschaftlichen Anlagen mobile Endgeräte weiter Einzug halten, um den Arbeitsalltag zu erleichtern und praktikabler zu gestalten. Mit der angekündigten neuen Generation des Mobilfunks (5G) werden deutlich gesteigerte Bandbreiten und Latenzzeiten kleiner 1-ms - auch im ländlichen Raum - erwartet. Miteinher gehen dabei deutlich geringere Energieverbräuche für die Mobilgeräte mit dem selbst batteriebetriebene Endgeräte bis zu 5 Jahren online sein können [2]. Die Technik ist bereits in der Erprobung und wird voraussichtlich ab 2020 in Deutschland zur Verfügung stehen. In der Übergangszeit bis 2020 steht seit Juni 2017 das Narrowband IoT (Internet of Things - Internet der Dinge) in Deutschland zur Verfügung. Auch diese Funktechnologie verlängert die Batterielebensdauer von zum Beispiel Sensoren um Jahre und schafft es gleichzeitig, Daten auch durch dicke Wände und über weite Strecken zu versenden - allerdings mit der Einschränkung von zunächst nur niedrigen Bandbreiten für kleine Datenmengen [3]. Es ist davon auszugehen, dass in absehbarer Zeit nahezu alle in der Wasserwirtschaft eingesetzten Anlagenbauteile, Sensoren, Aktoren und Messgeräte IP „sprechen“ werden, d.h. sie können über eine standardisierte Infrastruktur entweder kabelgebunden oder per Mobilfunk jeweils direkt angesprochen werden bzw. Daten gezielt versenden. Damit wird dann durch die vollständige Vernetzung die weitergehende Nutzung der Daten zur gemeinsamen Analyse in einem System möglich. BigData erreicht die Wasserwirtschaft. Perspektiven der Wasserwirtschaft Die „Wasserwirtschaft 4.0“ wird von vielen Experten der Branche zeitnah erwartet [4]. Die Möglichkeiten, die sich zukünftig bieten werden, können zum heutigen Zeitpunkt wenn überhaupt nur erahnt werden. Denkbar sind beispielsweise bessere Starkregenvorhersagen in Ballungszentren durch die Nutzung von bestehenden Regensensoren der Automobile, die sich auf den Straßen bewegen oder die weitergehende Regenwasserbehandlung durch intelligente Netzsteuerungsmechanismen, die in Echtzeit das Einzugsgebiet vollständig erfassen und regeln. Für die Gewässer sind Apps denkbar, die den Bürgern jederzeit Auskunft über die aktuelle Wasserqualität „ihres“ Flusses geben. Sicher ist jedoch, dass neben der Steigerung der ökonomischen Effizienz vor allem neue Möglichkeiten für den Umwelt- und Ressourcenschutz sowie den Arbeitsschutz erwartet werden können. Konsequenterweise ist die IT dabei der maßgebliche Treiber. Für Emschergenossenschaft und Lippeverband bedeutet das die Chance, mit neuen Techniken weitere Potentiale zu nutzen, und sie beschäftigen sich intensiv mit der „Wasserwirtschaft 4.0“. Neben der Netzwerkinfrastruktur spielen dabei insbesondere zentrale Virtualisierungstechniken etwa für Prozessleitsysteme zur Anlagensteuerung und damit einhergehende wirtschaftliche Vorteile (unter anderem: zentrales Engineering, Standardisierung, Unabhängigkeit von Anlageerrichtern) eine wichtige Rolle. Vorgehensweise bei Emschergenossenschaft und Lippeverband Klassische, in der Wasserwirtschaft etablierte Vorgehensweisen zur Projektbearbeitung benötigen Zeit. So sind Planungsdauern für Vorhaben von ein bis drei Jahren nicht unüblich. Diese Zeitdauern erscheinen für die neuen Techniken zu langsam. Das mit Wasserwirtschaft 4.0 einhergehende Innovationstempo der IT-Branche erfordert hier ein Umdenken bzw. eine andere Vorgehensweise, um zeitnah auch verwertbare Ergebnisse zu erzielen, die dann weiter verbessert werden können und Grundlage für zukünftige Entwicklungen und Standards darstellen. 44 3 · 2017 TR ANSFORMING CITIES THEMA Urbane Kommunikation Die weltweite Entwicklung der neuen Techniken ist idealerweise so sorgfältig wie nötig zu betrachten und zu bewerten. Denn es gilt, nur erfolgversprechende Techniken weiter zu verfolgen. Emschergenossenschaft und Lippeverband haben hierzu das „Core-Team“, eine Arbeitsgruppe, gegründet, das aus sechs ausgewählten Mitarbeiten unterschiedlicher Fachdisziplinen besteht. Das Core-Team setzt sich fachlich frei und unabhängig mit der neuen Welt auseinander. Zentrale Voraussetzung für die Wasserwirtschaft 4.0 ist das Vorhandensein eines sicheren, verlässlichen und zukunftsoffenen IT-Netzwerks, auf das die Wasserwirtschaft 4.0-Technologien aufsetzen kann. Das Core-Team hat das neue und sichere Infrastruktur-Netzwerk für die IT von EGLV entworfen, aufgebaut, getestet und etabliert. Weitere Ziele sind die weitergehende Nutzung der Virtualisierungs-Techniken zur Vereinfachung der Anlagenbedienung, die Sicherstellung der Kompatibilität mit dem IT-Sicherheitsgesetz, die Untersuchung der Chancen der BigData-Techniken und die Untersuchung der insgesamt mit den neuen Techniken einhergehenden Möglichkeiten der weitergehenden Automatisierung der Prozesse der Wasserwirtschaft im Sinne der Anlagensicherheit. Dazu startet das Core-Team beispielsweise auch Pilotprojekte, die, unterstützt von einzelnen Fachabteilungen, dazu dienen, die Praktikabilität neuer Techniken direkt zu testen und entsprechende Erfahrungen kurzfristig zu sammeln. Das Core-Team hält insgesamt den Überblick über die verfügbaren und bei Emschergenossenschaft und Lippeverband tatsächlich eingesetzten Techniken. Die nachstehend dargestellten Ergebnisse der Pilotvorhaben belegen die Wirksamkeit der gewählten agilen Vorgehensweise. Proof of Concept-Methodik und Pilotvorhaben Pilotvorhaben für die Wasserwirtschaft 4.0 werden bei Emschergenossenschaft und Lippeverband als „Proof of Concept“ behandelt. Für das Projektmanagement bedeutet dies die schrittweise Umsetzung in Meilensteinen, die die prinzipielle Durchführbarkeit der Vorhaben prüfbar belegen. Ein Proof of Concept bietet jeweils die Chance, eine Risikominimierung für das Unternehmen frühzeitig vorzunehmen und dabei gleichzeitig die kritischen Stellschrauben eines Vorhabens kennenzulernen. Wesentliche Grundvoraussetzung für die Erprobung der neuen Techniken ist die zukünftige IT-Infrastruktur. Sicherheitstechnische Aspekte der IT stehen dabei mit der Betriebssicherheit der Anlagen gemeinsam an erster Stelle. Sichere Vernetzung bislang getrennter Systeme Zukünftig werden Emschergenossenschaft und Lippeverband die bislang getrennten Netzwerke der Betriebs-IT und der Office-IT zusammen in einem physikalischen, aber logisch getrennten Netzen sicher betreiben. Ein erstes Pilotvorhaben war die technische Zusammenführung der bislang getrennten Netze der Betriebs- und Office-IT an einem Anlagenstandort im Lippeverbandsgebiet und deren Anbindung an die Hauptverwaltung. Jetzt werden sowohl die Officeals auch die Betriebs-IT über die gleiche Datenleitung bedient. Logisch sind die Netze weiterhin getrennt und nach den neuesten Standards verschlüsselt. Die Hardware (Kabel, Switche, Router, …) ist dadurch vereinheitlicht und schlanker geworden. Auch Risiken, die durch die versehentliche Verbindung der getrennten Netze entstehen könnten, sind damit ausgeschlossen. Der Pilot wurde erfolgreich bereits in 2016 abgeschlossen. Ein von EGLV beauftragter Penetrationstest („Hackerangriff“) bestätigte die hohe Sicherheit des neu konzeptionierten Netzwerks. Das Konzept sieht zudem technisch mehrere Rückfallebenen vor, die je nach Anlagenbedeutsamkeit bzw. Gefahrenpotenzial bei Ausfall gestaffelt ausgebaut werden können. Das bedeutet, dass falls die Anbindung einer Anlage über eine angemietete Leitung ausfällt, automatisch auf eine andere Datenanbindung (zum Beispiel Mobilfunk) umgeschaltet wird. Das „neue Infrastrukturnetzwerk“ von Emschergenossenschaft und Lippeverband ist damit bereits heute verfügbar, genügt den Ansprüchen an die IT- Sicherheit und bildet für alle folgenden Wasserwirtschaft 4.0-Vorhaben die wesentliche Grundlage. Weitere Entwicklungen werden auf ihm aufbauen und es ist beliebig skalierbar. Mehrwert für den Anlagenbetrieb Ein weiteres Pilotvorhaben beschäftigte sich mit der Nutzung der über das neue Infrastrukturnetzwerk an allen dezentralen Anlagenstandorten dann für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verfügbaren Dienste. An einem Pumpwerk wurde so mit den neuen Techniken ein ThinClient-Arbeitsplatz geschaffen, mit dem der Betrieb nunmehr auch vom Pumpwerk aus auf die normale Büro-IT und die dortigen Laufwerke sowie das Portal zugreifen kann. Planunterlagen aus dem Office-Netzwerk stehen somit beispielsweise direkt am Pumpwerk zur Verfügung. Dies ermöglicht zugleich den Zugriff auf das Betriebsführungssystem mit dem die Planung, Steuerung, Kontrolle und Dokumentation betrieblich durchzuführender Aufgaben erfolgt. Gleich- THEMA Urbane Kommunikation 45 3 · 2017 TR ANSFORMING CITIES zeitig wurde ein Voice-Over-IP-Telefonanschluss im Pumpwerk eingerichtet, der ebenfalls über das neue Netzwerk an die zentrale Telefonanlage in der Hauptverwaltung angeschlossen ist. Zudem wurde der gesicherte Zugriff auf das Prozessleitsystem des Pumpwerks über ein mobiles Tablet für den zuständigen Betriebsmitarbeiter realisiert (siehe Bild- 2). Der Pilot konnte Anfang 2017 ebenfalls erfolgreich abgeschlossen werden. Perspektivisch kann so zukünftig auch der Zugriff auf alle Anlagen eines Betriebsbereichs ermöglicht werden. Durch die Unabhängigkeit von stationären IT-Systemen können Wegezeiten verkürzt werden. Es ergibt sich eine größere Nähe zum Anlagenprozess und bei Bedarf ein schneller Überblick über den Zustand aller Anlagen. Virtualisierung und Standardisierung von Prozessleitsystemen Ein wichtiges Pilotvorhaben umfasst den Aufbau eines virtuellen Prozessleitsystems für eine Kläranlage der Ausbaugröße 5000 EW im westlichen Lippegebiet, die derzeit im Zuge einer ohnehin anstehenden Re-Investitionsmaßnahme modernisiert wird. Erstmals wird hier der Verzicht auf ein proprietäres Prozessleitsystem auf der Anlage getestet - an dessen Stelle tritt dann ein virtuelles Prozessleitsystem, das auf verbandseigener Hardware an einem zentralen Standort gehostet wird. Es wird erwartet, dass auf Grundlage dieser Lösung auch eine visuelle Standardisierung der Steuerung der Kläranlagen weiter umgesetzt werden kann. Perspektivisch sind die Programmierungen und Darstellungen der Kläranlagen von Emschergenossenschaft und Lippeverband zukünftig einheitlich. Entsprechend können dann Programmanpassungen oder -verbesserungen mit einem Knopfdruck auf alle Anlagen verteilt werden. Der Aufwand für das Engineering sowie Wartung und Instandhaltung der Software-Systeme verringert sich deutlich. Die Ausrüstung der Kläranlage des Lippeverbands läuft derzeit, die Inbetriebnahme mit der neuen Technologie wird noch im Herbst 2017 erfolgen. Emschergenossenschaft und Lippeverband erwarten aus dieser Anwendung neben Erkenntnissen zur betrieblichen Praktikabilität zusätzlichen Erfahrungsgewinn zur genaueren Abschätzung von Vorteilen aus der Standardisierung von Hard- und Softwarekomponenten sowie den Aufbau personeller Kompetenzen für den Umgang mit Standardbausteinen. Verbesserung der Datensicherheit Weitere Piloten beschäftigen sich mit dem Einsatz von kleiner kostengünstiger PC-Hardware im Zusammenhang mit der Entwicklung einer darauf integrierten hardwarebasierten Verschlüsselung, die bis heute als nicht „knackbar“ gilt, und dem ersten Herantasten an die Möglichkeiten der BigData- Technologie im Zusammenhang mit InMemory- Datenbanken. Die Ergebnisse dieser Piloten liefern weitere Erkenntnisse für den sicheren Umgang mit großen Datenmengen. Bild 2: Mobiler Zugriff auf Prozessleitsysteme erleichtert den Arbeitsalltag. © EG/ LV 46 3 · 2017 TR ANSFORMING CITIES THEMA Urbane Kommunikation Implementierung in den betrieblichen Alltag Ergebnisse aus den Pilotvorhaben des Core-Teams werden in einem nächsten Schritt in den Prozessabläufen getestet und einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung unterzogen. Hierzu existiert im Betrieb eine sogenannte „Treibergruppe“, ebenfalls interdisziplinär besetzt, die die vertiefte Betrachtung unter betrieblichen Alltagsbedingungen bewertet. Hierbei werden unter anderem alle betrieblichen Fragen geklärt [5]. Da die Wasserwirtschaft 4.0 nicht nur eine fachliche Herausforderung darstellt, sondern auch die Organisation und jeden einzelnen Mitarbeiter fordert, kommt der zeitnahen Kommunikation von Ergebnissen, Anforderungen und Bewertungen durch die Treibergruppe insbesondere in die Betriebsmannschaft eine besondere Bedeutung zu. Die Hinweise aus der Betriebsmannschaft zu innovativen betriebsnahen Verbesserungen, die ebenfalls im Sinne der Wasserwirtschaft 4.0 stehen, können als Anregung zur grundsätzlichen Betrachtung in den Projekten berücksichtigt werden. Dieses Zusammenspiel ermöglicht einerseits die Betriebsmannschaften in der vergleichsweise kurzen verfügbaren Zeit an die neue Technik heranzuführen und zugleich Erkenntnisse zur betrieblichen Praktikabilität zu berücksichtigen. Standards sind fortzuschreiben Ein zentrales Thema, das mit der Virtualisierung noch weiter an Bedeutung gewinnen wird, ist die damit notwendige Weiterentwicklung der zugehörigen Standards. Denn so bieten sich später in der Betreuung der Anlagen neue Möglichkeiten. Beispielsweise sind die heute auf den Betriebsanlagen von Emschergenossenschaft und Lippeverband eingesetzten, zahlreichen unterschiedlichen Prozessleitsysteme von ebenfalls unterschiedlichen Anlagenerrichtern in den 80er und 90er Jahren programmiert worden. Ihre Pflege verursacht nennenswerten Aufwand und führt oft dazu, dass nur noch der ursprüngliche Anlagenerrichter als Einziger in der Lage ist, dringend erforderliche Anpassungen im Prozessleitsystem vorzunehmen. Mit der Virtualisierung bietet sich hier zum Beispiel die Möglichkeit, eigene Programmierbausteine einzusetzen, die auch von eigenem Personal gepflegt und verbessert werden können. Gleichzeitig ist die schnelle Reparatur oder der Austausch von standardisierten Bauteilen grundsätzlich von Vorteil für die Instandhaltung und die hohe Verfügbarkeit unserer Anlagen. Zusammenfassung und Ausblick Emschergenossenschaft und Lippeverband beschäftigen sich intensiv mit den Möglichkeiten der Wasserwirtschaft 4.0. Dazu wurde ein klar strukturierter Prozess definiert und Core-Team sowie Treibergruppe gegründet, die zentral für die Verbände das Thema steuern, begleiten, bewerten und vorantreiben. Mit Pilotvorhaben (Proof of Concept) werden vielversprechende Ideen in kurzer Zeit getestet und bewertet. Mit diesem agilen Vorgehen lassen sich verlässliche neue Techniken risikominimiert schnell unternehmensweit einzuführen. Neben der bereits gelösten wichtigen Voraussetzung eines sicheren Infrastrukturnetzwerks beschäftigen sich andere Pilotvorhaben derzeit mit der Virtualisierung von Prozessleitsystemen, die zukünftig das Engineering sowie Wartung und Instandhaltung der zahlreichen Anlagen vereinfachen wird. Schritt für Schritt sind EGLV somit auf dem Weg in die Wasserwirtschaft 4.0. LITERATUR [1] Terhart, L., Engelhardt, N.: Der neue Standard für die IT-Sicherheit von Anlagen der Branche Wasser/ Abwasser, Essener Tagung 2017, Aachen, Tagungsband 245, 11/ 1-11/ 8. [2] Ericsson White Paper: Cellular networks for massive iot, Uen 284 23-3278, Januar 2016, abgerufen unter https: / / www.ericsson.com/ res/ docs/ whitepapers/ wp_iot.pdf am 12.04.2017. [3] Deutsche Telekom: Erste Narrowband Service Pakete in Deutschland auf dem Markt, Juni 2017, abgerufen unter https: / / www.telekom.com/ de/ medien/ medieninformationen/ detail/ erste-narrowband-iot-servicepakete-in-deutschland-auf-dem-markt-497480 am 19.07.2017. [4] Bröker, S.: Wasserwirtschaft 4.0: Ökonomische Effizienz und neue Möglichkeiten für den Gewässerschutz, KA Korrespondenz Abwasser 2017, 64 (4), S. 284-287. [5] Obenaus, F.: Digitalisierung als Modernisierungsimpuls für Anlagenerneuerung und -betrieb in der Wasserwirtschaft, KA Korrespondenz Abwasser 2017, 64 (6), S. 496-500. AUTOREN Dr. Emanuel Grün Vorstandsmitglied Wassermanagement und Technische Services, Emschergenossenschaft/ Lippeverband Kontakt: gruen.emanuel@eglv.de Dipl.-Ing. Heiko Althoff Stabsstellenleiter Wassermanagement Emschergenossenschaft/ Lippeverband Kontakt: althoff.heiko@eglv.de