Transforming cities
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expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2017-0068
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Vernetzte Krisenkommunikation
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Niklas Reinhardt
Lary Schlüssel
Seit 2011 ist das vernetzte Warnsystem KATWARN (kurz für: Katastrophen-Warnung) für viele Millionen Nutzerinnen und Nutzer in Deutschland im Einsatz. Per Smartphone-App, digitalem Fahrplan oder Bordcomputer von PKW informiert es über Gefahrensituationen in Kommunen, Ländern, auf Bundesebene und seit Juni sogar international. Die Nachrichten mit kurzen Verhaltensinfos stammen von autorisierten Sicherheitseinrichtungen und wenden sich an die direkt betroffenen Menschen.
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54 3 · 2017 TR ANSFORMING CITIES THEMA Urbane Kommunikation Sicherheit ist heute eines der wichtigsten gesellschaftlichen Themen. Ob Extremwetter und Klimawandel, Terrorgefahr und internationale Krisen oder das ganz alltägliche Leben in einer technisierten Welt - bei Gefahrensituationen, Unglücksfällen und Katastrophen ist es wichtig, die Menschen schnell und genau zu informieren. Vernetzte Krisenkommunikation Kommunal, regional, national, international - Warnsystem KATWARN bietet Informationen aus einer Hand Katastrophenschutz, öffentliche Sicherheit, Gefahrenabwehr, Warnsystem, Mobilfunk Niklas Reinhardt, Lary Schlüssel Seit 2011 ist das vernetzte Warnsystem KATWARN (kurz für: Katastrophen-Warnung) für viele Millionen Nutzerinnen und Nutzer in Deutschland im Einsatz. Per Smartphone-App, digitalem Fahrplan oder Bordcomputer von PKW informiert es über Gefahrensituationen in Kommunen, Ländern, auf Bundesebene und seit Juni sogar international. Die Nachrichten mit kurzen Verhaltensinfos stammen von autorisierten Sicherheitseinrichtungen und wenden sich an die direkt betroffenen Menschen. Doch ebenso vielfältig wie die Gefahren sind auch die Zuständigkeiten für die Warnung der Menschen: Involviert sind die Landkreise, Städte und Bundesländer sowie der Bund mit ihren jeweiligen Einrichtungen und Behörden. Dazu zählen zum Beispiel die Feuerwehr, die Polizei, die Landesumweltämter, der Deutsche Wetterdienst und viele mehr. Hinzu Bild 1: Warnhinweis von KATWARN auf dem Smartphone - die zuständige Feuerwehr meldet in diesem Fall einen Großbrand in der direkten Umgebung. © Fraunhofer FOKUS/ O. Lang THEMA Urbane Kommunikation 55 3 · 2017 TR ANSFORMING CITIES KATWARN-2.0 verantwortliche Landräte oder Oberbürgermeister und sogar zum Beispiel Landesministerien bei einem Warneinsatz automatisch mitinformiert werden, sodass die Information dort immer gebündelt vorliegt und nicht viele lokale Einsätze zu einem unübersichtlichen Nebeneinander führen (Bild 1). Für die Sicherheit der Nutzerinnen und Nutzer der Smartphone-App setzt das System technisch gesehen einerseits auf ortsbezogene Warnungen für den aktuellen Aufenthaltsort der Nutzer sowie andererseits für frei wählbare Ortsfavoriten (Adressen oder Ortspunkte): Über die Ortungsfunktion des Smartphones erfolgt bei Aufenthalt oder bei (späterem) Betreten eines Gefahrengebiets eine automatische Alarmierung und es erscheinen Sicherheitsinformationen sowie kurze Verhaltenshinweise von den zuständigen Sicherheitsbehörden. Durch die optional hinzuzufügenden Ortsfavoriten erhalten die Nutzerinnen und Nutzer zudem positionsunabhängig Warnungen zu den von ihnen ausgewählten Gebieten. Dies können zum Beispiel der Wohnort der Eltern, die Adresse des Kindergartens oder der Ferienort sein. Darüber hinaus informieren ortsunabhängige Themenabonnements für Großveranstaltungen wie zum Beispiel das Oktoberfest in München und das Musikfestival „Rock im Park“ bereits bei der Anreise über Betriebsstörungen oder gefährlichen Massenandrang. KATWARN - eine kontinuierliche Weiterentwicklung 2001 Fraunhofer FOKUS und die öffentlichen Versicherer beginnen die Arbeit am ersten Unwetterwarnsystem für Mobiltelefone (WIND) 2008 Die positiven Erfahrungen mit WIND sollen auf wetterunabhängige Warnungen übertragen werden - KATWARN wird geboren 2009 Im ostfriesischen Aurich werden erste KATWARN-Tests durchgeführt 2011 KATWARN wird deutschlandweit als SMS- und E-Mail-Dienst zur Verfügung gestellt 2012 Mit der KATWARN-App für iPhone werden positionsbezogene Warnungen dank der Schutzengel-Funktion ermöglicht 2013 Mittlerweile nutzen unter anderem die Großstädte Hamburg und Berlin KATWARN - auch eine App für Android Phone gibt es nun 2014 Gemeinsam mit Microsoft und dem „Landesverband Bayern der Hörgeschädigten e.V.“ wird die App für Windows Phones gestartet 2015 In Rheinland-Pfalz geht KATWARN auf Ebene eines Flächenbundeslandes - zudem wird KATWARN am weltweit größten Chemie-Standort BASF SE zur Warnung der Mitarbeiter eingeführt. Des Weiteren wird die digitale Vernetzung mit Warnungsmultiplikatoren vertieft: Anzeigetafeln der Berliner Verkehrsbetriebe und Panels der WALL AG zeigen aktuelle Sicherheitsinformationen von KATWARN 2016 Neben dem Themen-Abo fürs Oktoberfest warnt KATWARN jetzt beispielsweise auch Musikfans bei „Rock im Park“ - Besucher können so bereits bei der Anreise vor Massenandrang oder ähnlichem gewarnt werden 2017 KATWARN goes international: Dienstreisende und Urlauber erhalten ab sofort Warnungen aus Deutschland und Österreich. Die Polizei Hessen nimmt KATWARN landesweit in Betrieb kommen Versorgungseinrichtungen mit wesentlicher Bedeutung für die Aufrechterhaltung gesellschaftlicher Funktionen - sogenannte Kritische Infrastrukturen - wie zum Beispiel Elektrizitätswerke oder Flughäfen oder auch sicherheitsrelevante Industrieunternehmen wie etwa Chemiewerke, die für die Sicherheit von Mitarbeitern und Anwohnern auch eigenständig Verantwortung tragen. Auf der anderen Seite dieser komplexen Sicherheitsarchitektur stehen die Menschen, die im Alltag von diesen Fragen möglichst unbehelligt sein wollen, aber im Notfall einheitlich informiert werden müssen. Zum einen, um Missverständnisse und Unklarheiten durch verschiedene Absender auszuschließen. Zum anderen, um abgestimmte Reaktionen und Handlungsweisen zu initiieren. Innerhalb dieses komplexen Netzwerkes aus Gefahren, Absendern von Warnungen, Empfangsmedien und betroffenen Menschen als Warnempfänger fungiert das Warnsystem KATWARN wie eine Art Knotenpunkt und Verteilersystem (Tabelle 1). Dieser deutschlandweit einheitliche Service übermittelt autorisierte Warnungen von Leitstellen, Landeslagezentren und Bundesbehörden an die Menschen im Gefahrengebiet. Pro Jahr werden so rund 10 Mio. Warnnachrichten kostenlos an die Bevölkerung gesendet. Die Einsätze reichen von Extremwettern und Wirbelstürmen über Großbrände und Bombenfunde bis hin zu Amoklagen und Terrorwarnungen. Das wichtigste Ziel ist dabei, möglichst viele Personen direkt am Ort der Gefahr zu erreichen und gleichzeitig Nebeneffekte wie den „Katastrophentourismus“ abzuwenden. Daher ist das System speziell für die Anforderungen der Kommunen ausgerichtet, bei denen in Deutschland die Hauptlast der Gefahrenabwehr für die öffentliche Sicherheit liegt. Von der Gefahr zur Warnung Über ein Redaktionssystem erhalten die verantwortlichen Stellen einen gesicherten Zugriff auf eine nutzerfreundliche Eingabemaske. Diese ermöglicht es ihnen, eigenständig die vorliegende Gefahr sowie zugehörige Warntexte und Handlungsempfehlungen anzugeben und schließlich die zu bewarnenden Gebiete und Personen festzulegen. Auf Knopfdruck werden die Warnungen anschließend abgesendet und erreichen je nach Orts- oder Themenbezug die betroffenen Empfangsmedien. Dabei ist im KATWARN-System hinterlegt, welche Befugnisse der einzelne Absender hat, sodass beispielsweise die kommunale Gefahrenabwehr eines Landkreises nicht Warnungen für den Nachbarlandkreis oder für das ganze Bundesland aussenden kann. Zudem können mit dem neuen Redaktionssystem Tabelle 1: Das Warnsystem von den Anfängen bis heute. 56 3 · 2017 TR ANSFORMING CITIES THEMA Urbane Kommunikation Vernetzte Technologie und Prozesse Gerade bei großen Gefahrenlagen, wie etwas Industrieunfällen, bietet die technische Vernetzung durch KATWARN große Vorteile. Neben den Städten Ludwigshafen und Mannheim nutzt etwa der weltgrößte Chemiestandort BASF SE das Warnsystem bereits seit 2015 für seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf dem Werksgelände. Im Gefahrenfall können das Unternehmen intern und die angrenzenden Städten Ludwigshafen und Mannheim öffentlich mit KATWARN warnen. Auf diese Weise kann ein Warnprozess über verschiedene Verantwortungsträger und -gebiete hinweg in die Wege geleitet werden, der auch aktualisierte Informationen und schließlich die Entwarnung umfasst. Das Versenden der Warnungen auf die Smartphones der betroffenen Menschen hat wiederum den Vorteil, dass die Personen über die Ortungsfunktion, Schutzengel genannt, an ihrem aktuellen Standort über den ganzen Zeitraum der Gefahr hinweg erreicht werden können. Da im heutigen Alltag viele Technologien digital und vernetzt sind, nutzt KATWARN über die App hinaus die Möglichkeit, Menschen in Gefahr noch besser zu informieren. Nicht zuletzt deshalb ist KATWARN in diesem Jahr eine Kooperation mit dem Automobilhersteller Ford GmbH eingegangen, dank derer die KATWARN- Warnungen auch direkt über den Bordcomputer von PKWs ausgespielt werden können. Mit der Anbindung von statischen Endgeräten wie digitalen Werbetafeln oder elektronischen Fahrplänen an Bus- und U-Bahnhöfen in Berlin können zudem Passanten erreicht werden, die nicht über ein Smartphone verfügen. Weitere Anknüpfungspunkte sind beispielsweise auch Call-Center und Taxirufe, Newsportale und Websites sowie automatisierte Gebäudetechnologien und viele mehr (Bild 2). KATWARN-Roaming Die steigende Mobilität der Bevölkerung betrifft natürlich auch das Überschreiten von Staatsgrenzen - zum Beispiel als Urlauber oder Dienstreisender. Dafür wurde KATWARN um eine spezielle Roaming- Technologie erweitert, die die internationale Verbreitung ermöglicht. Seit der ersten internationalen Einführung von KATWARN im Juni dieses Jahres gibt es neben dem deutschen nun auch das österreichische KATWARN- System, das in der alleinigen Verantwortung Österreichs liegt. Trotz dieser klaren Trennung können die Nutzerinnen und Nutzer sowohl über die eine als auch über die andere nationale KATWARN-App alle Warnungen kostenfrei empfangen, wenn sie betroffen sind und den Schutzengel aktiviert haben. Die KAT- WARN-Roaming-Technologie ermöglicht also den Empfang von Warnungen über internationale Grenzen und nationale KATWARN-Apps hinweg - und dies einheitlich in der Warnung, Darstellungsweise und Nutzung. Für den „Normalbürger“ ein starker Vorteil, sich nicht auf andere „Standards“ einstellen zu müssen, und Abstimmungen in Grenzgebieten werden natürlich ebenfalls vereinfacht. Während des Oktoberfests 2017 in München ist zudem die Freischaltung der Mehrsprachigkeit geplant, um im Gefahrenfall auch die vielen internationalen Besucherinnen und Die K ATWARN-App bietet ortsbasierte Warnungen und Verhaltenshinweise für den aktuellen Standort sowie für bis zu sieben frei wählbare Orte. Diese Auswahl kann jederzeit aufgehoben, angepasst und bei Bedarf ausgeschaltet werden. Kostenlos herunterladen für: • iPhone • Android Phone • Windows Phone Alternativ bietet K ATWARN kostenfreie Warnungen per SMS/ Email für ein Postleitzahlgebiet: • SMS an Servicenummer: 0163/ 755 88 42 • Inhalt: K ATWARN 12345 muster@mail.de (für Postleitzahl 12345 und optionale Email-Adresse) Mehr Infos unter: www.katwarn.de WIE MELDE ICH MICH AN? Bild 2: KATWARN ist ein vernetztes Warnsystem mit einer Vielzahl digitaler Schnittstellen. © Fraunhofer FOKUS THEMA Urbane Kommunikation 57 3 · 2017 TR ANSFORMING CITIES Besucher des Fests zu warnen. Hier arbeitet das System mit vorgefertigten und abgestimmten Textbausteinen, die auch von Mitarbeitern in Leitstellen ohne entsprechende Fremdsprachenkenntnisse verwendet werden können. Damit ist KATWARN technisch auch für eine Vernetzung mit dem fremdsprachigen Ausland gerüstet. Die Vorteile eines vernetzten Warnsystems sind: Geeignet für unterschiedlichste Gefahren (sogenannter Multi-Hazard-Ansatz) Geeignet für unterschiedlichste Empfangsgeräte (sogenannter Multi-Channel-Ansatz) Orts- und themenbezogene Warnung (keine Warnung nach dem Gießkannenprinzip! ) Selbstständige Nutzung durch verschiedene autorisierte Einrichtungen und Behörden Verantwortlichkeiten im System hinterlegt Einheitliche Ansprache der Empfänger Internationale Nutzung und Mehrsprachenfähigkeit (ab Oktober) • Regel- und Krisenkommunikation über Funk (z.B. Satelliten) • Multichannel-Alarmierung • Alternative Notstromversorgungskonzepte von Funksystemen Fachtagung PMR für EVU Weitere Informationen senden wir Ihnen gerne zu. Ihre Ansprechpartnerin: Silvia Amoako Tel.: +49 (0) 69 710 46 87-173 silvia.amoako@ew-online.de 28. bis 30. November Koelnmesse 2017 Eine Veranstaltung von Mehr Informationen erhalten Sie unter: www.pmrexpo.de oder Mittwoch, 29. Nov. 2017 „Sichere Kommunikation für die kritische Infrastruktur Energie“ AUTOREN Niklas Reinhardt Leitung Kommunikation Innovationszentrum Öffentliche Sicherheit Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme (FOKUS) Kontakt: niklas.reinhardt@fokus.fraunhofer.de Lary Schlüssel Mitarbeiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme FOKUS Geschäftsbereich ESPRI Kontakt: lary.schluessel@fokus.fraunhofer.de
