eJournals Transforming cities 2/3

Transforming cities
tc
2366-7281
2366-3723
expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2017-0072
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2017
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Deutsch-Kolumbianische Kooperation zu urbaner Mobilität

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2017
Mirko Goletz
Mathias Höhne
Die Digitalisierung eröffnet der urbanen Kommunikation und damit den Konzepten für eine intelligente urbane Mobilität völlig neue Wege. In Kolumbien ist die Dynamik besonders rasant. Wie im Zeitraffer entsteht hier eine Vielzahl neuer Verkehrsdienstleistungen. Deutsche Wissenschaftler des Expertennetzwerks MoviCi [1] führen im Rahmen der internationalen BMBF-Kampagne „Shaping the Future – Building the City of Tomorrow“ in Kolumbien eine Reihe von Vernetzungsworkshops durch, um voneinander zu lernen und gemeinsam Lösungen der urbanen Kommunikation und Mobilität zu entwickeln.
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74 3 · 2017 TR ANSFORMING CITIES THEMA Urbane Kommunikation Deutsch-Kolumbianische Kooperation zu urbaner Mobilität Bessere Kommunikation für bessere urbane Mobilität - Bericht aus dem Projekt MoviCi Smart Mobility, Öffentlicher Verkehr, Ride-Selling, Kolumbien Mirko Goletz, Mathias Höhne Die Digitalisierung eröffnet der urbanen Kommunikation und damit den Konzepten für eine intelligente urbane Mobilität völlig neue Wege. In Kolumbien ist die Dynamik besonders rasant. Wie im Zeitraffer entsteht hier eine Vielzahl neuer Verkehrsdienstleistungen. Deutsche Wissenschaftler des Expertennetzwerks MoviCi [1] führen im Rahmen der internationalen BMBF-Kampagne „Shaping the Future - Building the City of Tomorrow“ in Kolumbien eine Reihe von Vernetzungsworkshops durch, um voneinander zu lernen und gemeinsam Lösungen der urbanen Kommunikation und Mobilität zu entwickeln. Medellín. © pixabay THEMA Urbane Kommunikation 75 3 · 2017 TR ANSFORMING CITIES Wie und wie rasch wir uns in Städten fortbewegen können, hängt unter anderem von der Kommunikation zwischen den Akteuren im urbanen Raum ab. Neue Mobilitätskonzepte haben das Potenzial, die Lebensqualität in Städten zu erhöhen. Zurzeit schränken Wartezeiten an Haltestellen und Bahnhöfen, Staus, Unfälle und Parkplatznot unsere urbane Mobilität immer weiter ein. Deutsche Mobilitätsforscher schauen mit Interesse auf die Entwicklungen im Mobilitätsmarkt in Kolumbien, von dem wir wertvolle Erkenntnisse gewinnen können. Wir haben dazu das deutsch-kolumbianische Expertennetzwerk MoviCi (Movilidad urbana en ciudades intelligentes (Urbane Mobilität in der Smart City) gegründet, in dem sich die deutschen und kolumbianischen Wissensgemeinschaften auf dem Feld der urbanen Mobilität bei der Entwicklung von Zukunftslösungen in ihren Erfahrungen, ihrem Know-how und den Technologien bei der Digitalisierung des urbanen Verkehrs austauschen und ergänzen. Vielfältige und dynamische Mobilität durch informelle Verkehrsanbieter Kolumbien hat im Gegensatz zu Deutschland deutlich mehr Erfahrung mit dezentral organisierten Verkehrsanbietern. Bis vor 25 Jahren gab es in dem lateinamerikanischen Land nur wenige öffentliche Verkehrsmittel, überwiegend waren es alte Busse, die mit gemächlichem Tempo unterwegs waren. Heute bestimmt mit Schnellbussen (BRT), Metro und Straßenbahn, Seilbahnen, Bici-taxis (Fahrradrikschas), Leihfahrrädern und öffentlichen wie privaten Taxis eine bunte Mischung von formellen und informellen Anbietern und Verkehrsmitteln das Straßenbild. Für deutsche Verkehrsforscher ist das sehr interessant, weil uns diese praktische Erfahrung im Umgang mit vielen Akteuren aufgrund unseres stärker regulierten Verkehrssystems fehlt. Dies umso mehr, da auch in Deutschland die Digitalisierung unzählige Möglichkeiten eröffnet. So ist in den letzten Jahren besonders in den Städten die Heterogenität der Verkehrsanbieter stark angestiegen. Der Blick nach Kolumbien kann also wertvolle Erkenntnisse liefern, wie sich eine größere Vielfalt öffentlicher Verkehrsanbieter auswirkt und integrieren lässt. Allein das vielfältige Angebot an Verkehrsdienstleistungen in Kolumbien ist aus deutscher Sicht beeindruckend. Durch weniger strikte Regulierungen entwickelt sich der Verkehrssektor viel differenzierter und dynamischer als bei uns. Wie im Zeitraffer können wir in einer Art Reallabor zusehen, wie sich formelle und informelle Angebote den Markt aufteilen. In Medellín, der zweitgrößten Stadt Kolumbiens, gehören Seilbahnen, Bikesharing und Bici-taxis zum alltäglichen Verkehrsgeschehen dazu, ebenso wie der US-amerikanische Ride-Selling-Anbieter UBER. In Deutschland spielen Ride-Selling-Anbieter bislang ja nur eine untergeordnete Rolle, Seilbahnen sind im urbanen Verkehr bislang kaum bekannt und Bici-taxis, zu denen wir gleich kommen, eher etwas für Touristen als für den Alltagsverkehr. First&Last Mile zwischen Haustür und Haltestelle im Visier der deutschen Forscher An vielen Haltestellen des TransMilenio BRT-Systems [2] in Bogotá stehen die Bici-taxis bereit, um die letzte Strecke zum Arbeitsplatz oder nach Hause zurückzulegen. Dieses beliebte Mobilitätsangebot ist informell, d.h. wird privatwirtschaftlich und in der Regel ohne Lizenz erbracht. Es ist für die deutschen Verkehrsforscher besonders interessant, da hiermit ein Problem angegangen wird, das auch in Deutschland existiert: Die Überbrückung des Zu- und Abgangsweges zum Öffentlichen Verkehr: Denn die erste und die letzte Meile zwischen Haus-, bzw. Bürotür und Bus- oder Bahnhaltestelle bergen ein hohes Potenzial, um Zeit einzusparen und damit die Attraktivität des öffentlichen Verkehrs zu verbessern. Dies liegt darin begründet, dass die Wege von und zur Haltestelle unverhältnismäßig viel Reisezeit in Anspruch nehmen im Vergleich zur eigentlichen Fahrtzeit mit dem Bus oder der Bahn. Digitale Tools für Verkehrsmodellierung und -management machen Städte lebenswerter Wie in jeder echten Partnerschaft profitieren natürlich beide Seiten von der internationalen Zusammenarbeit. So haben deutsche Wissenschaftler des Netzwerks MoviCi digitale Werkzeuge entwickelt, die ihren kolumbianischen Partnern helfen können, das rasant gestiegene Verkehrsaufkommen in Kolumbien besser modellieren und managen zu können. Tatsächlich hat sich das Verkehrsaufkommen in den letzten zehn Jahren in kolumbianischen Städten verdoppelt. Inzwischen leben 36- Mio. der insgesamt 47- Mio. Kolumbianer in Städten, das sind über 75- % der Gesamtbevölkerung, Tendenz steigend. Ein weiteres Problem ist die zunehmende Ausdehnung der Städte, die dazu führt, dass die Wege aus den Vororten zum Arbeitsplatz im Stadtzentrum immer länger werden. Für kolumbianische Arbeitnehmer ist es nicht ungewöhnlich, zwei bis drei Stunden am Tag für den Arbeitsweg aufzubringen. 76 3 · 2017 TR ANSFORMING CITIES THEMA Urbane Kommunikation Die unterschiedlichen Expertisen der Netzwerkpartner erlauben es, die Stadt als großes Ganzes zu betrachten und die digitalen Tools zu identifizieren, die benötigt werden, um die Stadt trotz steigender Mobilitätsraten und Distanzen zum Stadtinneren lebenswerter zu machen. Fehlplanungen durch vorherige Simulation vermeiden Zur besseren Verkehrsplanung haben die deutschen Wissenschaftler des DLR eine Open Source Software für die Verkehrssimulation entwickelt, kurz „SUMO“ (Simulation of Urban Mobility) [3]. Diese nutzen auch akademische Partner in Kolumbien, etwa die Universität Nacional in Medellín mit dem Projekt MOYCOT [4]. Sie passen sie an die örtlichen Gegebenheiten kolumbianischer Städte an und erweitern sie. Die Software simuliert den Verkehrsfluss in einer Stadt zu einer bestimmten Uhrzeit. Bevor in einer Stadt zum Beispiel eine neue Umgehungsstraße gebaut wird oder eine Stadtautobahn verbreitert wird, können Verkehrsplaner mit der Software simulieren, wie die veränderte Infrastruktur den Verkehr in der Stadt beeinflussen wird. So lassen sich Fehlplanungen vermeiden, Zeit und Ressourcen einsparen und das Verkehrsmanagement auf Faktengrundlage verlässlich optimieren - das ist für kolumbianische Städte mit ihrer starken Urbanisierungsrate und dem rasant steigenden Verkehrsaufkommen ein bedeutender Gewinn. Mobilität geht alle an Bei der Entwicklung von Zukunftsstrategien für eine intelligente urbane Mobilität und der Einführung neuer Technologien gilt es zunächst, eine grundlegende Herausforderung zu meistern: den transdisziplinären Dialog und die Zusammenarbeit vieler Akteure. In Deutschland gibt es eine lange Tradition, bei gesellschaftlichen Problemlösungen wie der urbanen Mobilität mit allen beteiligten Akteuren aus Wissenschaft, Industrie sowie Kommunen und Verkehrsanbietern gemeinsam und transdisziplinär Lösungen zu erarbeiten. Um diese besondere Form der Vernetzung und Zusammenarbeit auch seinen kolumbianischen Partnern nahe zu bringen, veranstaltet das Netzwerk MoviCi im Rahmen der BMBF-Kampagne in Kolumbien verschiedene Vernetzungs-Workshops und andere Events. In einer Reihe von Veranstaltungen sprechen die Experten des Netzwerks die verschiedenen Akteure der Mobilitätswirtschaft an, zu denen Entscheidungsträger aus Industrie, Kommunen und Verkehrsunternehmen sowie der Wissenschaft zählen. Bereits im März 2017 war das Netzwerk mit seinen Projekten auf der internationalen Fachmesse Andinatraffic [5] in Bogotá vertreten. Als nächstes auf dem Programm steht am 30. November 2017 ein Workshop in Calí, gemeinsam mit dem kommunalen Verkehrsunternehmen Metro- Calí. Dieser richtet sich an Verkehrsunternehmen und Kommunen mit dem Ziel, die Herausforderungen des Mobilitätswandels für den öffentlichen Verkehr zu beleuchten. Im nächsten Jahr findet dann vom 18 - 20. April 2018 ein wissenschaftliches Symposium in Medellín unter dem Titel SmartMobility statt. Mehr Infos zu allen Veranstaltungen sowie die Möglichkeit, sich zu diesen anzumelden, finden sich auf der Website des Projektes [1]. Bild 1: Die Verkehrssimulation SUMO, die inzwischen auch Fahrradverkehr simulieren kann. Sie wird auch in Kolumbien eingesetzt, so im Projekt MOYCOT in Medellín. © DLR THEMA Urbane Kommunikation 77 3 · 2017 TR ANSFORMING CITIES BMBF-Kampagne „Shaping the Future - Building the City of Tomorrow“ Das Projekt MoviCi wird im Rahmen der internationalen BMBF-Kampagne „Shaping the Future - Building the City of Tomorrow“ gefördert. Die Kampagne bietet zehn ausgezeichneten Forschungsnetzwerken aus Deutschland eine Plattform, ihre Projekte für nachhaltige Stadtentwicklung im Ausland zu präsentieren und sich weltweit mit starken Partnern zu vernetzen. Schwerpunktländer der Aktivitäten sind China, Indien, Vietnam, Kolumbien und die USA. QUELLEN: [1] Projekt-Website von movici, mit Informationen zum Netzwerk und anstehenden Events in Kolumbien: http: / / www.movici.co [2] Transmilenio: http: / / www.transmilenio.gov.co/ [3] Website von SUMO: http: / / sumo.dlr.de [4] Proyecto Modelamiento y Control de Tráfico Urbano en la ciudad de Medellín (MOYCOT) http: / / gaunal. unalmed.edu.co/ moycot/ principal/ [5] Webautritt der ITS-Fachmesse Andinatraffic: http: / / at.sofexamericas.com/ AUTOREN Mirko Goletz Wissenschaftlicher Mitarbeiter DLR Institut für Verkehrsforschung Abteilung Mobilität und Urbane Entwicklung Kontakt: mirko.goletz@dlr.de Mathias Höhne Geschäftsfeldentwicklung DLR Institut für Verkehrssystemtechnik Abteilung Verkehrsmanagement Kontakt: mathias.hoehne@dlr.de Digitalisierung versus Lebensqualität Big Data | Green Digital Charter | Kritische Infrastrukturen | Privatheit | Sharing-Systeme 1 · 2016 Was macht Städte smart? URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN g Mit veränderten Bedingungen leben Hochwasserschutz und Hitzevorsorge | Gewässer in der Stadt | Gründach als urbane Klimaanlage |Baubotanik 1 · 2017 Stadtklima URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN Lebensmittel und Naturelement Daseinsvorsorge | Hochwasserschutz | Smarte Infrastrukturen | Regenwassermanagement 2 · 2016 Wasser in der Stadt URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN Verbrauchen · Sparen · Erzeugen · Verteilen Energiewende = Wärmewende | Speicher | Geothermie | Tarifmodelle | Flexible Netze | Elektromobilität 2 · 2017 2 · 2017 Stadt und Energie URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN Erlebnisraum - oder Ort zum Anbau von Obst und Gemüse Urban Farming | Dach- und Fassadenbegrünung | Grüne Gleise | Parkgewässer im Klimawandel 3 · 2016 Urbanes Grün URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN Die Lebensadern der Stadt - t für die Zukunft? Rohrnetze: von Bestandserhaltung bis Digitalisierung | Funktionen von Bahnhöfen | Kritische Infrastrukturen 4 · 2016 Städtische Infrastrukturen URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN Das Fachmagazin Transforming Cities informiert Fach- und Führungskräfte viermal jährlich branchenübergreifend über Hintergründe, Entwicklungen und Perspektiven der Veränderungen in urbanen Regionen und ihren Einzugsgebieten. Es greift die Herausforderungen auf, denen sich Gestalter, Verwalter und Erhalter im urbanen Kontext zunehmend gegenüber sehen und vertieft diese Themen mit Beiträgen anerkannter Experten aus Wissenschaft und Praxis. Anspruch des Magazins ist die ganzheitliche Analyse und Aufbereitung von Kernfaktoren zur aktiven Gestaltung der Stadt von morgen. Es wendet sich an die Entscheider in Verwaltungen und Stadtwerken, an Planungs- und Konstruktionsbüros, Hochschulen und Institute sowie Unternehmen. Jetzt: Transforming Cities ein Jahr lang zum halben Preis lesen, als Printausgabe oder ePaper, anschließend zum Normalpreis: www.transforming-cities.de/ starterabo/ Den urbanen Wandel gestalten Technisch-wissenschaftliche Beiträge zur Transformation von Städten TRIALOG PUBLISHERS VERLAGSGESELLSCHAF T | SCHLIFFKOPFSTR ASSE 22 | 72270 BAIERSBRONN-BUHLBACH | TELEFON: (0) 7449 91386-36 | FA X: (0) 7449 91386-37 Eigenanzeige.indd 1 14.08.2017 17: 13: 15 In Zusammenarbeit mit Dipl. Biol., M.Sc. Ulrike Wolpers, science stories. Links: www.research-in-germany.org/ shaping-the-future https: / / www.facebook.com/ Research.in.Germany/ https: / / twitter.com/ researchgermany