Transforming cities
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expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2017-0073
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Digitale Tools für urbane Mobilität in China
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Alexander Sohr
Xiaoxu Bei
Noch neun Monate touren Alexander Sohr und seine Kollegen vom Expertennetzwerk „GIP2CHINA“ im Rahmen der internationalen BMBF-Kampagne „Shaping the Future – Building the City of Tomorrow“ durch mehrere Millionenstädte unterschiedlicher Provinzen Chinas und stellen Stadtplanern und Entscheidungsträgern aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft ihr Innovationspaket für ein effektives und umweltgerechtes Verkehrsmanagement vor. Sie knüpfen dabei an die ermutigende Erfolgsstory der chinesischen Metropole Huainan an, die ihre Verkehrs- und Umweltprobleme mit Innovationen „made in Germany“ bewältigte.
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78 3 · 2017 TR ANSFORMING CITIES THEMA Urbane Kommunikation Digitale Tools für urbane Mobilität in China The German Traffic and Environment-Monitoring-System (TEMsys) goes to China (GIP2China) TEMsys, umweltgerechter Verkehr, Umwelt- und Verkehrsmonitoring, urbane Mobilität Alexander Sohr, Xiaoxu Bei Noch neun Monate touren Alexander Sohr und seine Kollegen vom Expertennetzwerk „GIP2CHINA“ im Rahmen der internationalen BMBF-Kampagne „Shaping the Future - Building the City of Tomorrow“ durch mehrere Millionenstädte unterschiedlicher Provinzen Chinas und stellen Stadtplanern und Entscheidungsträgern aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft ihr Innovationspaket für ein effektives und umweltgerechtes Verkehrsmanagement vor. Sie knüpfen dabei an die ermutigende Erfolgsstory der chinesischen Metropole Huainan an, die ihre Verkehrs- und Umweltprobleme mit Innovationen „made in Germany“ bewältigte. Bild 1: Peking: Trotz gut ausgebauter Infrastruktur entstehen täglich große Staus. © DLR THEMA Urbane Kommunikation 79 3 · 2017 TR ANSFORMING CITIES Chinesische Stadtplaner und Verkehrsmanager profitieren doppelt Verkehrsmanagementzentralen gehören heute auch in China zu den alltäglichen Einrichtungen der Verkehrspolizei. Neu und auch im europäischen Raum wenig verbreitet sind die verschiedenen Bausteine des Innovationspakets TEMsys, die alle zusammenwirken und zu einem nachhaltigen Verkehrssystem und mehr Umweltschutz beitragen. Damit wird Stadtplanern und Verkehrsmanagern in chinesischen Millionenmetropolen ein maßgefertigter Werkzeugkoffer angeboten, mit dem wachsende Umwelt- und Verkehrsprobleme bewältigt werden können. Denn Tag für Tag nimmt der motorisierte Verkehr in den Städten zu und belastet die Luft mit immer mehr Schadstoffen und Treibhausgasen. Schon jetzt legen Millionen neuer Fahrzeuge in den Stadtgebieten den Berufsverkehr lahm, verschmutzen die Luft und überfüllen die Parkplätze. Diese spiegeln den hohen Lebensstandard der Bevölkerung wider, der sich in Folge des rasanten Wirtschaftswachstums erheblich gesteigert hat. In China gibt es allein 100 sogenannte „2.- Reihe- Städte“ mit über fünf Mio. Einwohnern, die extrem schnell wachsen und einen großen Bedarf an umweltgerechtem Verkehr haben. In der „3. Reihe“ stellt sich ein ähnliches Bild dar: Hier warten zirka 200- Städte mit ähnlicher Größe wie Huainan (2,3- Mio. Einwohner) auf nachhaltige Lösungen für den Verkehr, nicht zuletzt weil der Druck der Regierung und der internationalen Staatengemeinschaft zunimmt. Die innovativen Bausteine des Traffic and Environment Monitoring Systems (TEMsys) Das Innovationspaket TEMsys (Bild 3) umfasst verschiedene Bausteine und ermöglicht der Verkehrspolizei und den Stadtplanern in China erstmals ein verbessertes umweltfreundliches und sicheres Verkehrsmanagement in Echtzeit. Anschaulich zeigen farbige Grafiken online an, welche Straßen aktuell überlastet sind, in welchen Hochrisikobereichen mit Unfällen zu rechnen ist und wo der aktuelle Verkehr wie viele Schadstoffe ausstößt. In einem nächsten Schritt können die Verkehrsmanager Gegenmaßnahmen planen. Wie diese sich tatsächlich auf den aktuellen Gesamtverkehr in der Stadt auswirken würden, können sie direkt von der Verkehrsmanagementzentrale aus mit Hilfe des Tools zur Simulation der urbanen Mobilität (SUMO) überprüfen. Das Besondere an diesem Innovationspaket ist die Art und Weise, wie die vielschichtigen Ströme von Echtzeitinformationen zur aktuellen Verkehrs- und Umweltsituation erschlossen, gebündelt, ausgewertet und anschaulich und benutzerfreundlich mit passenden Handlungsempfehlungen aufbereitet werden. Wie TEMsys funktioniert Die Online-Informationsplattform in den Verkehrszentralen empfängt rund um die Uhr in Echtzeit Informationen über den aktuellen Verkehrs- und Umweltzustand in der Stadt. Diese Informationen stammen von unterschiedlichen statischen Detektoren im Stadtgebiet. Eingesetzt werden zum Beispiel Videodetektoren und klassische Schleifendetektoren, die in Kreuzungsnähe verbaut sind. Sie erfassen das Verkehrsaufkommen nur an einem Punkt, aber dafür „fahrzeugfein“. Diese statischen Detektoren werden kombiniert mit dynamischen Erfassungsmethoden der sogenannten „Floating Car Daten“. Das sind entsprechend ausgestattete Fahrzeuge, die im Verkehr mitschwimmen. Sie liefern ihre Position ständig an die Zentrale und repräsentieren den Verkehr, der sie umgibt. Bild 2: Floating Car Daten-System im Einsatz in der Verkehrsmanagementzentrale der Stadt Hefei, China. © DLR Bild 3: Innovationspaket TEMsys ( Traffic and Environment Monitoring System). © DLR 80 3 · 2017 TR ANSFORMING CITIES THEMA Urbane Kommunikation Mikroskopische Verkehrserfassung sagt Unfälle voraus Das vom DLR entwickelte Kreuzungsmonitoring schaut noch feiner auf den Verkehr und kann vorhersagen, wo sich die Fahrzeuge in den nächsten Millisekunden befinden werden. Dadurch kann das System auch Beinahe-Unfälle vorhersagen und Gefahrenzonen an Kreuzungen identifizieren, die Menschenleben gefährden und den Verkehr zum Erliegen bringen können. All diese Daten fließen im Online-Informationstool TEMPo zusammen und weisen auf farbigen Karten die Hotspots aus, an denen der Verkehr nicht funktioniert oder wo besonders viele schädliche Abgase in die Luft gelangen. Für die Polizei vor Ort in den Millionenstädten ist es eine große Verbesserung, akute Hotspots in Echtzeit auf einen Blick erkennen und im nächsten Schritt entschärfen zu können. Gefahrenpotenziale entschärfen - aber wie? Überlastungen und Gefahrenpotenzialen im Stadtverkehr lässt sich mit einer optimierten Signalschaltung oder mit infrastrukturellen Veränderungen begegnen. Der Verkehrsfluss an Ampeln kann zum Beispiel durch veränderte Ampelphasen und spezielle Links-Abbiegerampeln verbessert werden. Die Mobilität lässt sich aber auch durch ein Fahrverbot - zum Beispiel im Bereich der Innenstadt - nachsteuern oder durch eine Einschränkung des Verkehrs etwa in Maut-Bereichen. All diese Maßnahmen können die Verantwortlichen in den Verkehrsmanagementzentralen der Städte im Vorhinein mit der Software SUMO (Simulation for Urban Mobility) testen. SUMO bildet den echten Verkehr mikroskopisch, also fahrzeugfein, ab, sagt das Verkehrsaufkommen voraus und erlaubt es, geplante Maßnahmen zu bewerten. Planer können zum Beispiel im Voraus überprüfen, wie sich die Sperrung bestimmter Straßen oder die Einrichtung von verkehrsberuhigten Innenstadtbereichen auf den Verkehr und die Umwelt auswirken würden. Virtuelles Stauspiel bringt Aha-Erlebnis Interessierten wird auf den DLR-Roadshows eine Art „Virtuelles Stauspiel“ angeboten, das aus dem echten SUMO-Tool ausgekoppelt wurde. Dabei kann jeder selbst versuchen, ein hohes Verkehrsaufkommen in einer Millionenstadt zu managen und Ampelschaltungen von Hand zu steuern. Das ist für die Spieler immer ein echtes Aha-Erlebnis, denn in Kürze entstehen überall noch mehr Staus. Es überrascht die meisten zu erleben, wie wichtig, aber auch wie schwierig es ist, den Verkehrsfluss zu steuern. Das Spiel sensibilisiert dafür, wie komplex so eine Stausituation ist. Denn es ist äußerst anspruchsvoll, hohes Verkehrsaufkommen koordiniert über die ganze Stadt zu managen. Bild 4: Die Daten der Floating Cars erlauben es, die Verkehrslage in Berlin in Echtzeit abzubilden. © DLR Nächste Etappen der Roadshow Im Oktober ist eine weitere Roadshow in Chengdu und in den Städten in der Sichuan-Provinz geplant. Bereits im Vorfeld haben Verantwortliche für das Verkehrsmanagement eines Distrikts der 15-Millionen-Metropole Chengdu Interesse an dem Innovationspaket gezeigt. Dort gibt es bereits ein fortschrittliches Verkehrsmanagement, aber die Umweltdaten waren noch nicht im Blickfeld. In diesem Fall kann das Angebot ganz gezielt an die besonderen Ansprüche und Bedürfnisse in dieser Stadt angepasst werden. Die DLR-Experten und das Technologiepaket sind vom 24. bis 31. Oktober 2017 auf der „The 12th EU - China Business and Technology Cooperation Fair“ in Chendu, China. BMBF-Kampagne „Shaping the Future - Building the City of Tomorrow“ Das Projekt GIP2China wird im Rahmen der internationalen BMBF-Kampagne „Shaping the Future - Building the City of Tomorrow“ gefördert. Die Kampagne bietet zehn exzellenten Forschungsnetzwerken aus Deutschland eine Plattform, ihre innovativen Projekte für nachhaltige Stadtentwicklung im Ausland zu präsentieren und sich weltweit mit starken Partnern zu vernetzen. Schwerpunktländer der Aktivitäten sind China, Indien, Vietnam, Kolumbien und die USA. In Zusammenarbeit mit Dipl. Biol., M.Sc. Ulrike Wolpers, science stories. Links: Shaping the Future - Building the City of Tomorrow: https: / / www.research-in-germany.org/ shaping-the-future.html Netzwerk GIP2CHINA: https: / / www.research-in-germany.org/ shaping-the-future/ research-networks/ giptwochina.html https: / / www.facebook.com/ Research.in.Germany/ https: / / twitter.com/ researchgermany Simulation der urbanen Mobilität (SUMO): http: / / sumo.dlr.de Alexander Sohr Leiter des Netzwerks GIP2CHINA Projektleiter von METRASYS (Mobility for Megacities) Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. in der Helmholtz-Gemeinschaft Institut für Verkehrssystemtechnik Kontakt: alexander.sohr@dlr.de Xiaoxu Bei Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) Institut für Verkehrssystemtechnik Kontakt: xiaoxu.bei@dlr.de AUTOREN Ausgabe verpasst? Digitalisierung versus Lebensqualität Big Data | Green Digital Charter | Kritische Infrastrukturen | Privatheit | Sharing-Systeme 1 · 2016 Was macht Städte smart? URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN Mit veränderten Bedingungen leben Hochwasserschutz und Hitzevorsorge | Gewässer in der Stadt | Gründach als urbane Klimaanlage |Baubotanik 1 · 2017 Stadtklima URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN Lebensmittel und Naturelement Daseinsvorsorge | Hochwasserschutz | Smarte Infrastrukturen | Regenwassermanagement 2 · 2016 Wasser in der Stadt URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN Verbrauchen · Sparen · Erzeugen · Verteilen Energiewende = Wärmewende | Speicher | Geothermie | Tarifmodelle | Flexible Netze | Elektromobilität 2 · 2017 2 · 2017 Stadt und Energie ISSN 2366 7281 g URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN Erlebnisraum - oder Ort zum Anbau von Obst und Gemüse Urban Farming | Dach- und Fassadenbegrünung | Grüne Gleise | Parkgewässer im Klimawandel 3 · 2016 Urbanes Grün URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN Die Lebensadern der Stadt - t für die Zukunft? Rohrnetze: von Bestandserhaltung bis Digitalisierung | Funktionen von Bahnhöfen | Kritische Infrastrukturen 4 · 2016 Städtische Infrastrukturen URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN Transforming Cities 2|2017 Stadt und Energie - Verbrauchen, Sparen, Erzeugen, Verteilen Energiewende - Wärmewende Speicher Geothermie Tarifmodelle Flexible Netze Elektromobilität Transforming Cities 1|2017 Stadtklima - Mit veränderten Bedingungen leben Hochwasserschutz und Hitzevorsorge Gewässer in der Stadt Gründach als urbane Klimaanlage Baubotanik Transforming Cities 4|2016 Lebensadern der Stadt - Unterirdische und oberirdische Strukturen Straßenraum - Lebensraum Kritische Infrastrukturen Rohrnetze zur Ver- und Entsorgung Unterirdische Verkehrsbauwerke Transforming Cities 3|2016 Urbanes Grün - Erlebnisraum oder Ort zum Obst- und Gemüse-Anbau Urban Farming Dach- und Fassadenbegrünung Grüne Gleise Parkgewässer im Klimawandel Transforming Cities 2|2016 Wasser in der Stadt - Lebensmittel und Naturelement Daseinsvorsorge Hochwasserschutz Smarte Infrastrukturen Regenwassermanagement Transforming Cities 1|2016 Was macht Städte smart? - Digitalisierung versus Lebensqualität Begrifflichkeiten, Herausforderungen und Chancen Digitale Werkzeuge für Städte Schutz kritischer Infrastrukturen Automatisierung bei Ver- und Entsorgung http: / / www.transforming-cities.de/ einzelheft-bestellen/ Einzelheft bestellen:
